TE OGH 2007/3/20 2Ob258/05p

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Veröffentlicht am 20.03.2007
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth von P*****, vertreten durch Kosch & Partner, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei Karl Johannes S*****, vertreten durch Eckert & Fries Rechtsanwälte GmbH in Baden, wegen Feststellung, Duldung, Unterlassung und Herausgabe einer Liegenschaft (Streitwert 78.777,50 EUR), (a) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 14. Juli 2005, GZ 3 R 90/05p-108, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 10. Februar 2004, GZ 7 Cg 24/00h-98, teilweise bestätigt wurde, und (b) infolge von Rekursen beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. Juli 2005, GZ 3 R 90/05p-108, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 10. Februar 2004, GZ 7 Cg 24/00h-98, im Übrigen aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Der klagenden und der beklagten Partei wird freigestellt, sich zu der in den tieferstehenden Gründen erörterten Immunitätsfrage mit einem beim Obersten Gerichtshof binnen vier Wochen einzubringenden Schriftsatz zu äußern.römisch eins. Der klagenden und der beklagten Partei wird freigestellt, sich zu der in den tieferstehenden Gründen erörterten Immunitätsfrage mit einem beim Obersten Gerichtshof binnen vier Wochen einzubringenden Schriftsatz zu äußern.

II. Dem Bundesministerium für Justiz wird gemäß Art IX Abs 3 EGJN Gelegenheit zu einer binnen vier Wochen an den Obersten Gerichtshof zu richtenden Erklärung über die in den tieferstehenden Gründen erörterte Immunitätsfrage gegeben.römisch II. Dem Bundesministerium für Justiz wird gemäß Art römisch IX Absatz 3, EGJN Gelegenheit zu einer binnen vier Wochen an den Obersten Gerichtshof zu richtenden Erklärung über die in den tieferstehenden Gründen erörterte Immunitätsfrage gegeben.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Es ist gerichtsbekannt, dass der Beklagte während des Revisions- und Rekursverfahrens zum Außenminister der Tschechischen Republik ernannt wurde und dass er dieses Amt nach wie vor ausübt. Von Amts wegen zu prüfen ist daher, ob der Beklagte in dieser Stellung völkerrechtliche Immunität auch für das den Anlassfall bildende zivilgerichtliche Verfahren genießt. Bejahendenfalls unterläge er der inländischen Gerichtsbarkeit nicht. Dieser Mangel einer absoluten Prozessvoraussetzung wäre auch noch im Verfahren dritter Instanz wahrzunehmen.

2. Diplomaten genießen nach Art 31 Abs 1 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen (BGBl 1966/66, WDK) Immunität auch in Ansehung der Zivilgerichtsbarkeit; gemäß Art 31 Abs 1 lit b WDK ausgenommen sind indes:2. Diplomaten genießen nach Artikel 31, Absatz eins, des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen (BGBl 1966/66, WDK) Immunität auch in Ansehung der Zivilgerichtsbarkeit; gemäß Artikel 31, Absatz eins, Litera b, WDK ausgenommen sind indes:

„Klagen in Nachlaßsachen, in denen der Diplomat als Testamentsvollstrecker, Verwalter, Erbe oder Vermächtnisnehmer in privater Eigenschaft und nicht als Vertreter des Entsendestaats beteiligt ist."

Die zivilrechtliche Immunität von Diplomaten gilt somit nicht unbeschränkt und erfasst jedenfalls nicht die bezeichneten Nachlasssachen.

3. Der Anlassfall betrifft eine Streitsache, in der der Beklagte auf Grund seiner Erbenstellung nach Dr. Heinrich S***** in Anspruch genommen wird. Einen wesentlichen Gegenstand des Rechtsstreits bildet in der Tschechischen Republik gelegenes Vermögen, das vor Erlassung der „Benes-Dekrete" und des tschechoslowakischen Gesetzes Nr. 143/1947 („lex Schwarzenberg") dem „Geschlecht der Schwarzenberger" gehörte. Einer der Streitpunkte zwischen den Parteien ist, durch welchen konkreten Rechtsakt die Expropriation dieses streitverfangenen Vermögens erfolgte. In Ansehung dieses Vermögens begehrt die Klägerin u. a.:

a) die Feststellung, dass nur sie berechtigt sei, bestimmte Ansprüche auf Rückgabe oder Entschädigung im Gebiet der Tschechischen Republik entzogenen Vermögens geltend zu machen und Entschädigungen in Empfang zu nehmen, sowie Sachen, Liegenschaften und andere Vermögenswerte in ihr Eigentum zu übernehmen,

b) den Beklagten schuldig zu erkennen, alle zur Verfolgung und Durchsetzung von Rückgabe-, Restitutions- und Entschädigungsansprüchen gegenüber der Tschechischen Republik und zur Erlangung des Eigentums am Nachlassvermögen auf dem Gebiet der Tschechischen Republik aus den Verlassenschaften nach Dr. Heinrich S***** und Dr. Adolph S***** von der Klägerin und ihren Rechtsnachfolgern gerichtlich und außergerichtlich gesetzten Handlungen und Erklärungen ebenso wie deren Verfügungen über solche Ansprüche und erlangtes Vermögen zu dulden und jegliche entgegenstehenden Handlungen und Erklärungen zu unterlassen.

4. Hier ist zu beurteilen, ob die Streitsache dem Tatbestand des Art 31 Abs 1 lit b WDK zu subsumieren ist, falls die Regeln über die Immunität von Diplomaten auf die nach Völkergewohnheitsrecht zu beurteilende Immunität von Außenministern analog anwendbar sein sollten. Dabei ist auch die Frage zu lösen, ob der unter 3. erörterte Gegenstand des Rechtsstreits in einem funktionalen Zusammenhang mit der amtlichen Tätigkeit des Beklagten als Außenminister der Tschechischen Republik steht und daher Art 31 Abs 1 lit b WDK analog anzuwenden wäre. Im Fall der Bejahung dessen wäre die Klage weiterhin als zulässig zu qualifizieren.4. Hier ist zu beurteilen, ob die Streitsache dem Tatbestand des Artikel 31, Absatz eins, Litera b, WDK zu subsumieren ist, falls die Regeln über die Immunität von Diplomaten auf die nach Völkergewohnheitsrecht zu beurteilende Immunität von Außenministern analog anwendbar sein sollten. Dabei ist auch die Frage zu lösen, ob der unter 3. erörterte Gegenstand des Rechtsstreits in einem funktionalen Zusammenhang mit der amtlichen Tätigkeit des Beklagten als Außenminister der Tschechischen Republik steht und daher Artikel 31, Absatz eins, Litera b, WDK analog anzuwenden wäre. Im Fall der Bejahung dessen wäre die Klage weiterhin als zulässig zu qualifizieren.

Anmerkung

E84288 2Ob258.05p

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:0020OB00258.05P.0320.000

Dokumentnummer

JJT_20070320_OGH0002_0020OB00258_05P0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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