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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des K in H, vertreten durch Dr. Martina Schweiger-Apfelthaler, Rechtsanwältin in 1040 Wien, Graf Starhemberg-Gasse 39/12, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 12. April 2007, Zl. Senat-AB-07-0005, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und begleitende Maßnahme, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom 9. November 2006 wurde die dem Beschwerdeführer erteilte Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen A, B und F für die Dauer von sechs Monaten ab Zustellung des Bescheides gemäß den § 24 Abs. 1 und 4 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 und § 24 Abs. 1 Z. 1, § 25 Abs. 1 und 3 sowie § 29 Abs. 3 FSG entzogen und es wurde angeordnet, dass der Beschwerdeführer bis zum Ende der Entziehungsdauer ein vom Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld erstelltes Gutachten über seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen beizubringen habe. Mit Vorstellungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom 19. Dezember 2006 wurde die mit dem Mandatsbescheid ausgesprochene Entziehung der Lenkberechtigung (für die Dauer von sechs Monaten, bis 15. Mai 2007) bestätigt und ausgesprochen, dass auch die angeordnete begleitende Maßnahme, nämlich die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens aufrecht bleibe. Ferner wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 12. April 2007 wurde der erstinstanzliche Bescheid vom 19. Dezember 2006 bestätigt und die Berufung abgewiesen. Zur Begründung führte die belangte Behörde, nach Darstellung der Rechtslage und des Berufungsvorbringens im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei bereits mehrfach rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt worden, und zwar 1996 wegen Betruges und schweren Betruges, 2002 wegen Betruges und schweren Betruges, 2003 wegen Betruges, schweren Betruges und gewerbsmäßigen Betruges und 2004 wegen Diebstahls und schweren Diebstahls. Nunmehr sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 13. Februar 2007 zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren wegen des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 StGB verurteilt worden, weil er mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, im September 2006 in St. Pölten Verfügungsberechtigte des Raiffeisen Lagerhauses St. Pölten durch Vorspiegelung seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zur Überlassung eines Vorführwagens Subaru im Wert von EUR 23.790,-- verleitet habe, die diese am Vermögen geschädigt ("Gesamtschaden mehr als EUR 3.000,--") hätten. Von dem weiteren Vorwurf, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, indem er im Oktober 2006 Verfügungsberechtigte einer näher genannten Tankstelle zum Betanken seines Fahrzeuges mit Benzin im Wert von EUR 54,-- verleitet habe, sei der Beschwerdeführer gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen worden (das Strafurteil wird im angefochtenen Bescheid näher dargestellt). Im Strafurteil sei ausgeführt worden, dass beim Beschwerdeführer eine "extreme kriminelle Neigung" bestehe und deshalb eine bedingte bzw. teilweise Strafnachsicht nicht in Frage komme. Im Hinblick auf die Vielzahl von Verurteilungen, die vor der gegenständlichen Verurteilung liegen würden und teilweise nicht getilgt seien, sei jedenfalls die nunmehrige strafgerichtliche Verurteilung und der dieser Verurteilung zugrunde liegende Sachverhalt geeignet, die gerechtfertigte Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers nach § 7 Abs. 1 Z. 2 FSG zu begründen und die Annahme gerechtfertigt, dass der Beschwerdeführer sich auch weiterer strafbarer Handlungen schuldig machen werde. Es sei daher der von der Erstbehörde erlassene Entziehungsbescheid einschließlich der verfügten begleitenden Maßnahme zu bestätigen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist gemäß § 7 Abs. 1 FSG der Mangel der Verkehrszuverlässigkeit einer Person nicht nur dann anzunehmen, wenn sie die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird (Z. 1), sondern auch dann, wenn sie sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird (Z. 2). Im Einklang mit der Auffassung der belangten Behörde ist auch die Aufzählung von strafbaren Handlungen, die als bestimmte Tatsachen im Sinne des § 7 FSG gelten, im § 7 Abs. 3 Z. 10 FSG keine taxative, sondern eine demonstrative. Der Umstand, dass Veruntreuungs- und Betrugshandlungen nicht in der Aufzählung des § 7 FSG enthalten sind, hindert somit nicht ihre Beurteilung als bestimmte Tatsachen im Sinne des § 7 FSG, sofern sie nach ihrer Art und Schwere den beispielsweise aufgezählten strafbaren Handlungen gleichzustellen sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zl. 98/11/0270, mit weiteren Hinweisen). Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch ausgesprochen, dass derartige, im Zusammenhang mit Kraftfahrzeugen begangene strafbare Handlungen jedenfalls bei mehrfacher Begehung und hoher Schadensumme sehr wohl die Verkehrszuverlässigkeit der betreffenden Person ausschließen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2001, Zl. 99/11/0197, mit weiteren Hinweisen).
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung kann zunächst der belangten Behörde nicht widersprochen werden, wenn sie die im Strafurteil vom 13. Februar 2007 beschriebene strafbare Handlung des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit einem Kraftfahrzeug als grundsätzlich für die Beurteilung einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 3 Z. 10 FSG relevant ansah. Dies allein reicht jedoch nach der oben dargestellten Rechtslage noch nicht aus, um tatsächlich vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache ausgehen zu können. Wie der Verwaltungsgerichtshof nämlich dargelegt hat, müssen Umstände vorhanden sein, die die Annahme der Gleichwertigkeit mit den in § 7 Abs. 3 Z. 10 FSG beschriebenen Tatbeständen rechtfertigen, wie etwa die mehrfache Begehung und hohe Schadenssumme von im Zusammenhang mit Kraftfahrzeugen begangenen strafbaren Handlungen. Welche Tathandlungen den vorangegangenen strafgerichtlichen Verurteilungen im Einzelnen - die belangte Behörde nannte nur den Typus des jeweiligen Deliktes -
zugrunde lagen, ob sie im Zusammenhang mit Kraftfahrzeugen standen, und wie hoch die Schadensumme war, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Ohne Kenntnis der diesbezüglichen besonderen Umstände lässt sich auch nicht begründen, dass bereits die nunmehrige Begehung einer "einschlägigen" strafbaren Handlung - zu der die belangte Behörde gleichfalls (außer eines EUR 3.000,-- übersteigenden Schadens) die genaue vom Beschwerdeführer zu verantwortende Schadenssumme nicht festgestellt hat - die Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Gleichwertigkeit des Deliktes im Sinne des § 7 Abs. 3 Z 10 FSG ausschließe. Es ist hierbei nur ergänzend zu erwähnen, dass der von der belangten Behörde im Bescheid genannte "Tankbetrug" nicht zum Tragen kommen kann, weil der Beschwerdeführer diesbezüglich gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen wurde. Dem angefochtenen Bescheid haftet somit schon aus diesen Gründen ein Begründungsmangel an.
Desgleichen hat der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde zutreffend darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde in keiner Weise begründet hat, warum sie die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung für erforderlich halte.
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, im Rahmen des gestellten Begehrens für Schriftsatzaufwand für die Beschwerde. Die Abweisung des Mehrbegehrens bezieht sich auf den vom Beschwerdeführer verzeichneten, jedoch nicht zum Tragen kommenden Verhandlungsaufwand sowie die Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG, von deren Entrichtung der Beschwerdeführer im Rahmen der Verfahrenshilfe befreit wurde.
Wien, am 27. September 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007110079.X00Im RIS seit
24.10.2007Zuletzt aktualisiert am
05.11.2008