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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FSG 1997 §23 Abs3 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des N in S, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried im Innkreis, Bahnhofstraße 20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 7. März 2006, Zl. VwSen-521226/3/Sch/Bb/Hu, betreffend Erteilung einer Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 11. Oktober 2005 stellte der Beschwerdeführer bei der Bezirkshauptmannschaft Eferding den Antrag, ihm auf Grund seines "ausländischen Nicht-EU-Führerscheines" und unter der Angabe, dass er seinen Hauptwohnsitz in H an einer näher bezeichneten Adresse habe, den Antrag, ihm die österreichische Lenkberechtigung für die Klasse B zu erteilen.
Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde dieser Antrag abgewiesen. Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen, nach Darstellung des Verfahrensganges und des hier maßgebenden § 23 Abs. 3 FSG aus, der Beschwerdeführer sei Staatsbürger von Serbien und Montenegro. Er sei im Besitz eines nationalen jugoslawischen Führerscheines, ausgestellt von der OUP-a Suva Reka vom 6. März 1997 für die Klasse B, und eines im Kosovo am 22. Jänner 2003 ausgestellten Führerscheines. Seit 16. Oktober 1998 sei der Beschwerdeführer (laut Auskunft aus dem Zentralen Melderegister) in Österreich an einer näher bezeichneten Anschrift in H polizeilich gemeldet. Der vom Beschwerdeführer vorgelegte nationale Führerschein sei von der belangten Behörde kriminaltechnisch untersucht worden; laut Untersuchungsbericht des kriminaltechnischen Dienstes des Landespolizeikommandos Oberösterreichs handle es sich beim vorgelegten Dokument um ein Originaldokument. Im Rahmen des durchgeführten Ermittlungsverfahrens habe sich herausgestellt, dass die Aufenthaltserlaubnis des Beschwerdeführers für den Aufenthaltszweck "befristete Beschäftigung" am 15. Dezember 2004 abgelaufen sei und der Beschwerdeführer auch über keine vorläufige Aufenthaltsbewilligung nach dem Asylgesetz verfüge, weshalb er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhalte. Der Erstantrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung sei mit Bescheid vom 22. Dezember 2004 zurückgewiesen worden, "das Bundesministerium für Inneres" habe über die dagegen erhobene Berufung noch nicht entschieden. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 64 KFG 1967, wonach zur Beurteilung einer ausreichenden Lenkpraxis auf Grund einer ausländischen Lenkberechtigung davon auszugehen sei, dass das glaubhaft gemachte Lenken "berechtigterweise" bzw. "erlaubterweise" erfolgt sein müsse, müsse es sich demnach auch beim "Hauptwohnsitz" im Sinne des § 23 Abs. 3 Z. 2 FSG um einen legalen Hauptwohnsitz handeln. Da sich der Beschwerdeführer an der von ihm angegebenen Adresse nicht legal aufhalte, sei dort kein Hauptwohnsitz gegeben, sodass er die Voraussetzung für die Erteilung bzw. den Austausch des ausländischen Nicht-EU-Führerscheines gegen eine österreichische Lenkberechtigung nicht erfülle.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier maßgebenden Bestimmungen des Führerscheingesetzes in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 152/2006 (FSG) lauten auszugsweise wie folgt:
"Verfahren bei der Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 5. (1) Ein Antrag auf Erteilung einer Lenkberechtigung darf nur gestellt werden, wenn der Antragsteller, unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3, seinen Hauptwohnsitz (§ 1 Abs. 7 Meldegesetz 1991, BGBl. Nr. 9/1992) in Österreich hat und noch keine Lenkberechtigung für die jeweils angestrebte Klasse oder Unterklasse besitzt.
(2) Über einen Antrag auf Erteilung der Lenkberechtigung hat die Behörde zu entscheiden, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Antragsteller seinen Hauptwohnsitz hat. Auf Antrag hat diese Behörde die Durch- oder Weiterführung des Verfahrens auf die Behörde zu übertragen, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Ort der Beschäftigung, der schulischen, universitären oder beruflichen Ausbildung des Antragstellers liegt, wenn dadurch eine wesentliche Vereinfachung des Verfahrens oder eine erhebliche Erleichterung für den Antragsteller erzielt wird. Ein Antragsteller, der seinen Hauptwohnsitz nach Österreich verlegt hat, muss sich nachweislich innerhalb der letzten zwölf Monate während mindestens 185 Tagen in Österreich aufgehalten haben oder glaubhaft machen, dass er beabsichtigt, sich für mindestens 185 Tage in Österreich aufzuhalten. Weiters hat die Behörde auf Antrag die Fahrprüfung durch die Behörde vornehmen zu lassen, die für den Sitz der vom Antragsteller besuchten Fahrschule örtlich zuständig ist.
(3) Eine Person ohne Hauptwohnsitz in Österreich darf einen Antrag auf Erteilung einer Lenkberechtigung stellen, wenn sie nachweist, dass sie sich mindestens sechs Monate zum Zwecke der schulischen oder universitären Ausbildung in Österreich befinden wird. Über diesen Antrag hat die Behörde zu entscheiden, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Ort der Ausbildung des Antragstellers liegt.
...
Ausländische Lenkberechtigungen
§ 23
...
(3) Dem Besitzer einer in einem Nicht-EWR-Staat erteilten Lenkberechtigung ist ab Vollendung des 18. Lebensjahres auf Antrag eine Lenkberechtigung im gleichen Berechtigungsumfang zu erteilen, wenn:
1. der Antragsteller nachweist, dass er sich zum Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Lenkberechtigung in dem betreffenden Staat während mindestens sechs Monaten aufhielt oder dort seinen Hauptwohnsitz (§ 5 Abs. 2 dritter Satz) hatte; dieser Nachweis entfällt, wenn der Antragsteller die Staatsbürgerschaft des Ausstellungsstaates des Führerscheines besitzt und bei Begründung des Hauptwohnsitzes (§ 5 Abs. 2 dritter Satz) in Österreich die ausländische Lenkberechtigung bereits besessen hat und die Behörde keine Zweifel am tatsächlichen Vorliegen des Hauptwohnsitzes (§ 5 Abs. 2 dritter Satz) oder sechsmonatigem Aufenthaltes in dem betreffenden Staat zum Zeitpunkt des Erwerbes der Lenkberechtigung hat.
2. der Antragsteller seinen Hauptwohnsitz nach Österreich verlegt hat oder während seines Auslandsaufenthaltes behalten hat,
..."
Die belangte Behörde hat die Begründung des angefochtenen Bescheides ausschließlich darauf abgestellt, dass der Beschwerdeführer schon deshalb die Voraussetzung eines "Hauptwohnsitzes" im Sinne des § 23 Abs. 3 Z. 2 FSG nicht erfülle, weil er sich ohne gültigen Aufenthaltstitel und damit unrechtmäßig an der von ihm angegebenen Anschrift aufgehalten habe.
Diese Auffassung kann vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt werden.
Es trifft zwar zu, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Feber 1993, Zl. 92/11/0197) zu § 64 KFG 1967 die Auffassung vertreten hat, dass der Betreffende nach dieser Bestimmung für die Beurteilung der Frage einer ausreichenden Lenkpraxis auf Grund einer ausländischen Lenkberechtigung glaubhaft machen müsse, dass das Lenken innerhalb dort der in Rede stehenden Jahresfrist "berechtigter Weise" erfolgt sein müsse. Ansonsten sei die Lenkpraxis gemäß § 64 Abs. 5 KFG 1967 nicht anrechenbar.
Von der Beurteilung der Anrechenbarkeit einer Lenkpraxis auf Grund einer ausländischen Lenkberechtigung ist aber die Beurteilung des Hauptwohnsitzes hinsichtlich des Besitzers einer in einem Nicht-EWR-Staat erteilen Lenkberechtigung im Sinne des § 23 Abs. 3 FSG in der hier anzuwendenden Fassung in Verbindung mit § 1 Abs. 7 MeldeG zu unterscheiden. In § 23 Abs. 3 FSG findet sich keine Begriffsbestimmung des "Hauptwohnsitzes"; in § 23 Abs. 3 Z. 1 wird jedoch zum Begriff des Hauptwohnsitzes auf § 5 Abs. 2 (dritter Satz) FSG verwiesen, wonach ein Antragsteller, der seinen Hauptwohnsitz nach Österreich verlegt hat, sich nachweislich innerhalb der letzten zwölf Monate während mindestens 185 Tagen in Österreich aufgehalten haben muss oder glaubhaft machen muss, dass er beabsichtigt, sich für mindestens 185 Tage in Österreich aufzuhalten. § 5 Abs. 1 leg. cit. verweist zum Begriff des Hauptwohnsitzes auf § 1 Abs. 7 MeldeG. Nach dieser Bestimmung ist der Hauptwohnsitz eines Menschen an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen (in Art. 6 Abs. 3 B-VG heißt es diesbezüglich, den Mittelpunkt der Lebensbeziehungen "zu schaffen"); trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen eines Menschen auf mehrere Wohnsitze zu, so hat er jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem er das überwiegende Naheverhältnis hat. Nach § 1 Abs. 8 MeldeG sind für den Mittelpunkt der Lebensbeziehungen eines Menschen insbesondere folgende Kriterien maßgeblich: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.
Die Voraussetzung, dass ein Hauptwohnsitz nur angenommen werden könne, wenn ein gültiger "Aufenthaltstitel" vorliegt, ist aus diesen Bestimmungen nicht abzuleiten. Auch nach der von der belangten Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung herangezogenen Bestimmung des § 23 Abs. 3 Z. 2 FSG ergibt sich keine andere Beurteilung. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Übrigen - zu § 11a Z 4 lit. a StbG, aber auch unter Bedachtnahme auf § 1 Abs. 7 MeldeG - ausgeführt hat, hängt die Beurteilung, ob ein Hauptwohnsitz vorliegt, nicht davon ab, ob der Aufenthalt rechtmäßig sei (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 7. Juni 2000, Zl. 98/01/0081, und vom 20. September 2006, Zl. 2003/01/0518). Es ist somit die Auffassung der belangten Behörde, die Begründung eines Hauptwohnsitzes bzw. seine Beibehaltung wäre ausschließlich bei Vorliegen eines gültigen "Aufenthaltstitels" in Österreich möglich, verfehlt, weil es im gegebenen Zusammenhang nur auf die faktischen Gegebenheiten in Ansehung des Mittelpunktes der Lebensinteressen des Beschwerdeführers ankommt. Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift darauf verweist, dass der Beschwerdeführer nach einer Auskunft des Melderegisters am 12. April 2006 seinen Wohnsitz in Österreich aufgegeben habe, ist ihr zu entgegnen, dass es bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung am 14. März 2006 ankommt.
Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, im Rahmen des gestellten Begehrens.
Wien, am 27. September 2007
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006110067.X00Im RIS seit
24.10.2007Zuletzt aktualisiert am
31.03.2011