Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Glawischnig und die fachkundigen Laienrichter Dr. Thomas Neumann und Peter Schönhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bernhard A*****, gegen die beklagte Partei IAF-Service GmbH - *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen EUR 161,50 netto sA (Insolvenz-Ausfallgeld), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Jänner 2007, GZ 25 Rs 114/06k-13, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. Oktober 2006, GZ 47 Cgs 175/06y-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war ab 2. 8. 2005 bei der Firma Autohaus P***** GmbH (in der Folge: Gemeinschuldnerin) in einem Lehrverhältnis beschäftigt. Dieses endete gemäß § 14 Abs 2 BAG ex lege durch Löschung der Gewerbeberechtigung am 19. 4. 2006.Der Kläger war ab 2. 8. 2005 bei der Firma Autohaus P***** GmbH (in der Folge: Gemeinschuldnerin) in einem Lehrverhältnis beschäftigt. Dieses endete gemäß Paragraph 14, Absatz 2, BAG ex lege durch Löschung der Gewerbeberechtigung am 19. 4. 2006.
Der Umstand der Löschung der Gewerbeberechtigung war im Betrieb nicht bekannt. Am 24. 4. 2006 trat der Kläger gemäß § 25 KO aus dem Dienstverhältnis aus. Auf dieses findet der Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe Anwendung.Der Umstand der Löschung der Gewerbeberechtigung war im Betrieb nicht bekannt. Am 24. 4. 2006 trat der Kläger gemäß Paragraph 25, KO aus dem Dienstverhältnis aus. Auf dieses findet der Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe Anwendung.
Dieser Kollektivvertrag normiert ua:
IV. Beginn und Ende des Arbeitsverhältnissesrömisch IV. Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses
1. Alle Ansprüche aus diesem Kollektivvertrag entstehen mit der Arbeitsaufnahme.
Die ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses gelten als Probezeit, sofern nicht schriftlich eine kürzere vereinbart oder eine solche überhaupt ausgeschlossen wurde. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis von jedem der Vertragspartner ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gelöst werden. ...
Für den Arbeitnehmer betragen die Fristen nach einer ununterbrochenen
Betriebszugehörigkeit
von 4 Wochen 1 Woche
von 1 Jahr 2 Wochen
von 5 Jahren 4 Wochen
von 10 Jahren 6 Wochen.
Für den Arbeitgeber betragen die Fristen nach einer ununterbrochenen
Betriebszugehörigkeit
von 4 Wochen 1 Woche
von 1 Jahr 4 Wochen
von 5 Jahren 8 Wochen
...
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat in seiner Entscheidung seine, vom Obersten Gerichtshof ausdrücklich gebilligte Rechtsansicht, dass der in Abschnitt IV (Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses) Punkt 3. verwendete Begriff der „ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit" für die Berechnung der Kündigungsfristen dahin zu verstehen sei, dass Zeiten eines unmittelbar vorangegangenen Lehrverhältnisses mitzuberücksichtigen seien, ausführlich dargelegt. Es genügt daher, auf die insoweit zutreffende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).Das Berufungsgericht hat in seiner Entscheidung seine, vom Obersten Gerichtshof ausdrücklich gebilligte Rechtsansicht, dass der in Abschnitt römisch IV (Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses) Punkt 3. verwendete Begriff der „ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit" für die Berechnung der Kündigungsfristen dahin zu verstehen sei, dass Zeiten eines unmittelbar vorangegangenen Lehrverhältnisses mitzuberücksichtigen seien, ausführlich dargelegt. Es genügt daher, auf die insoweit zutreffende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts zu verweisen (Paragraph 510, Absatz 3, ZPO).
Ergänzend ist den Revisionsausführungen Folgendes entgegenzuhalten:
Kollektivverträge sind nach ständiger Rechtsprechung nach den Regeln der §§ 6 und 7 ABGB für die Gesetzesauslegung zu interpretieren. In erster Linie ist bei der Auslegung eines Kollektivvertrags der Wortsinn - auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen - zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrags ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (SZ 66/36;Kollektivverträge sind nach ständiger Rechtsprechung nach den Regeln der Paragraphen 6 und 7 ABGB für die Gesetzesauslegung zu interpretieren. In erster Linie ist bei der Auslegung eines Kollektivvertrags der Wortsinn - auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen - zu erforschen und die sich aus dem Text des Kollektivvertrags ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (SZ 66/36;
SZ 70/88; SZ 74/144; 9 ObA 289/01t; 8 ObA 44/06p; 8 ObA 86/06i;
RIS-Justiz RS0010089 ua). Da den Kollektivvertragsparteien grundsätzlich unterstellt werden darf, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, ist bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben, die diesen Anforderungen am meisten entspricht (Arb 9661; SZ 68/124; SZ 74/144;
9 ObA 41/04a; 8 ObA 86/06i, RIS-Justiz RS0008828 ua). Berücksichtigt
man, dass die Dauer der einzuhaltenden Kündigungsfrist nach Abschnitt
IV Punkt 3. des Kollektivvertrags für das eisen- und
metallverarbeitende Gewerbe auf die „ununterbrochene
Betriebszugehörigkeit" abstellt, bedürfte es einer eindeutigen
Klarstellung, dass Zeiten eines Lehrverhältnisses von dieser Regelung
nicht umfasst sein sollen, wie dies etwa der insoweit nahezu
wortgleiche Kollektivvertrag für die Metallindustrie in Abschnitt IV.
Punkt 3. letzter Satz vorsieht, der die Kündigungsfristen ebenfalls
von einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit - die in Abschnitt V. genau wie im hier anzuwendenden Kollektivvertrag definiert wird - abhängig macht, jedoch vorsieht, dass die Dauer einer Lehrzeit, die nach dem 1. 1. 2002 begonnen hat, bei der Berechnung der Kündigungsfrist nicht zu berücksichtigen ist. Bei der Auslegung eines Kollektivvertrags ist auch ein „Blick über den Kollektivvertrags-Rand" als zusätzliches Auslegungskriterium heranzuziehen (8 ObA 190/97t; 8 ObA 2105/96h).von einer ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit - die in Abschnitt römisch fünf. genau wie im hier anzuwendenden Kollektivvertrag definiert wird - abhängig macht, jedoch vorsieht, dass die Dauer einer Lehrzeit, die nach dem 1. 1. 2002 begonnen hat, bei der Berechnung der Kündigungsfrist nicht zu berücksichtigen ist. Bei der Auslegung eines Kollektivvertrags ist auch ein „Blick über den Kollektivvertrags-Rand" als zusätzliches Auslegungskriterium heranzuziehen (8 ObA 190/97t; 8 ObA 2105/96h).
Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 4 Ob 104/78 (= SZ 52/75) bei der Beurteilung der Frage, ob für den Anspruch auf Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration nach Punkt XVII und XVIII des Kollektivvertrags für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe Dienstzeiten als Lehrling und als Arbeiter zusammenzurechnen seien - wenn auch in einem „obiter dictum" - die Auffassung vertreten, dass die Bestimmungen des Abschnitts V des Kollektivvertrags „Betriebszugehörigkeit" für die Bemessung der Kündigungsfrist gelte.Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 4 Ob 104/78 (= SZ 52/75) bei der Beurteilung der Frage, ob für den Anspruch auf Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration nach Punkt römisch XVII und römisch XVIII des Kollektivvertrags für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe Dienstzeiten als Lehrling und als Arbeiter zusammenzurechnen seien - wenn auch in einem „obiter dictum" - die Auffassung vertreten, dass die Bestimmungen des Abschnitts römisch fünf des Kollektivvertrags „Betriebszugehörigkeit" für die Bemessung der Kündigungsfrist gelte.
Auch mit ihrem Hinweis auf die Abfertigungsregelung des § 23 Abs 1 AngG vermag die Rechtsmittelwerberin kein anderes Auslegungsergebnis der hier anzuwendenden kollektivvertraglichen Bestimmung zu erzielen, sind doch nach § 5 AngG Lehrlinge von diesem Gesetz grundsätzlich nicht erfasst und findet sich für die (Nicht)Anrechnung der Lehrlingszeiten für den Abfertigungsanspruch im § 23 Abs 1 AngG eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage. Auch die von der Rechtsmittelwerberin angezogene Entscheidung 8 ObS 291/00b (Frage der begünstigten Kündigung einer Angestellten durch den Masseverwalter) ist hier nicht anwendbar. Aus der, in Bestimmungen des Kollektivvertrags für Handelsangestellte vorgesehenen Nichteinrechnung von Lehrlingszeiten, ist für den Standpunkt der Rechtsmittelwerberin ebenfalls nichts gewonnen, steht es doch den Kollektivvertragspartnern frei, für unterschiedliche Branchen auch unterschiedliche, den jeweiligen Bedürfnissen angepasste Regelungen zu treffen. Es ist daher auch unter Hinweis auf die, den Kollektivvertrag für das holz- und kunststoffverarbeitende Gewerbe betreffende Entscheidung 9 ObA 72/97 kein anderes Auslegungsergebnis erzielbar.Auch mit ihrem Hinweis auf die Abfertigungsregelung des Paragraph 23, Absatz eins, AngG vermag die Rechtsmittelwerberin kein anderes Auslegungsergebnis der hier anzuwendenden kollektivvertraglichen Bestimmung zu erzielen, sind doch nach Paragraph 5, AngG Lehrlinge von diesem Gesetz grundsätzlich nicht erfasst und findet sich für die (Nicht)Anrechnung der Lehrlingszeiten für den Abfertigungsanspruch im Paragraph 23, Absatz eins, AngG eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage. Auch die von der Rechtsmittelwerberin angezogene Entscheidung 8 ObS 291/00b (Frage der begünstigten Kündigung einer Angestellten durch den Masseverwalter) ist hier nicht anwendbar. Aus der, in Bestimmungen des Kollektivvertrags für Handelsangestellte vorgesehenen Nichteinrechnung von Lehrlingszeiten, ist für den Standpunkt der Rechtsmittelwerberin ebenfalls nichts gewonnen, steht es doch den Kollektivvertragspartnern frei, für unterschiedliche Branchen auch unterschiedliche, den jeweiligen Bedürfnissen angepasste Regelungen zu treffen. Es ist daher auch unter Hinweis auf die, den Kollektivvertrag für das holz- und kunststoffverarbeitende Gewerbe betreffende Entscheidung 9 ObA 72/97 kein anderes Auslegungsergebnis erzielbar.
Letztlich unterliegt die Rechtsmittelwerberin auch einem unrichtigen Verständnis der Entscheidung 9 ObA 72/87. In dieser, die Auslegung des Kollektivvertrags für das holz- und kunststoffverarbeitende Gewerbe betreffenden Entscheidung, verneint der Oberste Gerichtshof zwar die Einbeziehung der Lehrzeit in die für die Kündigungsfrist maßgebliche Dauer des Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses, führt aber als wesentliches Argument an, „.....dies ergibt sich schon daraus, dass die Verlängerung der Kündigungsfrist nicht schlechthin an die Dauer der Beschäftigung oder der bloßen Betriebszugehörigkeit anknüpft,...."
Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.
Anmerkung
E841068ObS10.07iSchlagworte
Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht ininfas 2007,145/A61 - infas 2007 A61 = ecolex 2007/270 S 629 - ecolex2007,629 = DRdA 2007,404 = ARD 5833/8/2008 = RdW 2008/237 S 284 - RdW2008,284 = SSV-NF 21/21XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2007:008OBS00010.07I.0418.000Zuletzt aktualisiert am
18.02.2009