Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Klaus H***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Manfred Luger, Rechtsanwalt in Freistadt, und des auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten Walter H*****, vertreten durch Dr. Susanne Schuh, Rechtsanwältin in Perchtoldsdorf, gegen die beklagte Partei Günther S***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Alexander Pflaum, Rechtsanwalt in Wien, wegen 17.884,13 EUR sA (Revisionsinteresse 12.954,01 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. November 2006, GZ 5 R 207/06g-23, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 8. August 2006, GZ 19 Cg 77/06d-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Klägerin und der Nebenintervenient haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (Paragraph 508 a, Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es sei einer jüngeren Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, wonach der Käufer mit seiner Rüge (nach § 377 HGB) bei Verdacht eines Mangels nicht warten dürfe, bis sich dieser zur Gewissheit verdichtet, nicht expressiv verbis gefolgt.
Die Beklagte und der Nebenintervenient lieferten der Klägerin im November 2004 insgesamt 122 bis 132 m³ Humusmaterial für eine Wohnhausanlage. Die Klägerin prüfte die Qualität, indem ein Mitarbeiter das Erdreich betrachtete, mit der Baggerschaufel von jeder Lieferung eine Portion hochhob und herunterfallen ließ und schaute, ob größere Steine oder dergleichen vorhanden waren und ob sich das Erdreich zum Besäen eignete. Da feuchtes Wetter herrschte und das Erdreich daher klebrig war, waren die in einem Teil der Lieferung der Beklagten vorhandenen Glassplitter nicht erkennbar. Ende April/Anfang Mai 2005 teilte die Auftraggeberin der Klägerin dieser mit, Mieter hätten Glassplitter im Erdreich beanstandet. Tatsächlich fand auch ein Mitarbeiter der Klägerin Anfang Mai 2005 einzelne Glassplitter, woraufhin die Klägerin das Erdreich durchrechen ließ. Etwa 14 Tage später teilte die Auftraggeberin neuerlich mit, es seien Glassplitter aufgetreten. Sie forderte die Klägerin auf, das Erdreich zu entfernen und durch anderes zu ersetzen. Daraufhin informierte die Klägerin zunächst telefonisch die Beklagte und den Nebenintervenienten. Nachdem die Beklagte jegliche Verantwortung für den aufgetretenen Mangel abgelehnt hatte, übermittelte ihr die Klägerin am 2. 6. 2005 eine schriftliche Mängelrüge und ließ durch den Nebenintervenienten einen Austausch des Erdreichs vornehmen.
Die Vorinstanzen verpflichteten die Beklagte zum Ersatz der Kosten dieses Austauschs und verwarfen deren Einwand der nicht rechtzeitigen Mängelrüge der Klägerin gemäß § 377 HGB. Die Überprüfung des gelieferten Erdreichs durch einen Mitarbeiter der Klägerin sei ausreichend gewesen; der Mangel habe dabei aber nicht festgestellt werden können. Von einer Entdeckung eines verborgenen Mangels könne nur gesprochen werden, wenn er zur Gewissheit wird; der Käufer sei damit nicht bereits rügepflichtig, wenn er einen Mangel lediglich vermute oder vermuten müsse. Daher löse ein völlig unsubstanziiert an den Käufer herangetragener Verdacht seines Kunden noch keine Rügepflicht aus. Die Klägerin habe sich nach den Beanstandungen erst Gewissheit verschaffen müssen, ob tatsächlich ein Mangel bestand und ob er von der Beklagten oder vom Nebenintervenienten zu verantworten war.
Die Beklagte meint in ihrer Revision, einerseits sei die Überprüfung des gelieferten Erdreichs zu oberflächlich und daher nicht ausreichend gewesen; bei sorgfältigerer Überprüfung wären die Glassplitter aufgefallen. Andererseits hätte die Klägerin unverzüglich nach den Beanstandungen ihrer Auftraggeberin den Mangel gegenüber der Beklagten rügen oder zumindest jetzt eine eingehende Überprüfung des Erdreichs durchführen müssen; zwischen der ersten Beanstandung und der (schriftlichen) Mängelrüge sei aber ein Monat vergangen.
1. Nach dem hier noch anzuwendenden § 377 Abs 1 HGB hatte der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsgemäßem Geschäftsgange tunlich war, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigte, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen; Voraussetzung war aber jedenfalls, dass der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft war. Zeigte sich später ein solcher Mangel, so musste nach Abs 3 die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden; andernfalls galt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt.
2. Die Frage, ob die Klägerin ihrer Untersuchungspflicht nach § 377 Abs 1 HGB nachgekommen ist, ist keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO. Die Untersuchungspflicht ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen, wobei die Art und Weise der Vornahme der Untersuchung maßgeblich von der Art der Ware, dem Handelsbrauch und der im Geschäftszweig des Käufers herrschenden Übung bestimmt wird (1 Ob 22/70; RIS-Justiz RS0062458); nach diesen Grundsätzen ist auch die Frage zu beantworten, welche Untersuchungshandlungen der Käufer jeweils vorzunehmen hat und welche ihm zumutbar sind (1 Ob 273/97x; 3 Ob 240/03w; vgl auch RIS-Justiz RS0107430, RS0018651) sowie ob im Einzelfall verschärfte Untersuchungsanforderungen zu beachten sind (1 Ob 145/04m).2. Die Frage, ob die Klägerin ihrer Untersuchungspflicht nach § 377 Abs 1 HGB nachgekommen ist, ist keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO. Die Untersuchungspflicht ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen, wobei die Art und Weise der Vornahme der Untersuchung maßgeblich von der Art der Ware, dem Handelsbrauch und der im Geschäftszweig des Käufers herrschenden Übung bestimmt wird (1 Ob 22/70; RIS-Justiz RS0062458); nach diesen Grundsätzen ist auch die Frage zu beantworten, welche Untersuchungshandlungen der Käufer jeweils vorzunehmen hat und welche ihm zumutbar sind (1 Ob 273/97x; 3 Ob 240/03w; vergleiche auch RIS-Justiz RS0107430, RS0018651) sowie ob im Einzelfall verschärfte Untersuchungsanforderungen zu beachten sind (1 Ob 145/04m).
3.1. Zur Rügepflicht gemäß § 377 Abs 3 HGB nach Entdeckung eines verborgenen Mangels hat der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, ein solcher müsse sofort nach seiner Entdeckung gerügt werden. Der Käufer dürfe nicht noch die Ware einer Untersuchung unterziehen und deren Ergebnis abwarten, wenn er seinen Rechtsverlust vermeiden will; bleibe der Käufer untätig und warte ab, bis sich der Verdacht eines Mangels mit der Zeit zur Gewissheit verdichtet, sei seine erst dann erstattete Mängelrüge verspätet (RIS-Justiz RS0062578). Allerdings müsse der Mangel als solcher zumindest aus Indizien objektiviert sein; ein völlig unsubstanziiert an den Käufer herangetragener Verdacht löse noch keine Rügepflicht aus (7 Ob 136/02d = SZ 2002/144).
3.2. Durch das mit 1. 1. 2007 in Kraft getretene Handelsrechts-Änderungsgesetz 2005 wurden die Bestimmungen über die Mängelrüge geändert, und zwar auch hinsichtlich der Rügepflicht des Käufers nach Entdeckung eines verborgenen Mangels. So muss nunmehr der Käufer nach § 377 Abs 3 UGB dem Verkäufer einen Mangel der Ware, der sich erst später zeigt, „ebenfalls in angemessener Frist" anzeigen. Dies stellt eine Anpassung an § 377 Abs 1 UGB dar (Schauer in Krejci, Reformkommentar [2007] § 377 UGB Rz 14), wonach auch die Untersuchung der Ware binnen angemessener Frist nach ihrer Ablieferung erfolgen muss. Der Gesetzgeber wollte damit (insgesamt) die Schärfe des § 377 HGB mildern und die Fristen erstrecken (Schauer aaO Rz 2 mwN). Vorbild der Neuregelung war dabei Art 39 UN-Kaufrechtsübereinkommen, der zugunsten des Käufers großzügiger auszulegen ist als § 377 HGB (Schauer aaO Rz 6 mwN) und in dessen Anwendungsbereich Rechtsprechung (2 Ob 191/98x = JBl 1999, 318 [Karollus, IHR 2001, 81]) und Lehre (Kramer, Rechtzeitige Untersuchung und Mängelanzeige bei Sachmängeln nach Art 38 und 39 UN-Kaufrecht, FS Koppensteiner [2001] 627; Posch in Schwimann, ABGB³ [2006] Art 39 UN-Kaufrecht Rz 4; Schauer aaO Rz 6) im Zweifel eine Frist von 14 Tagen für angemessen erachten.
3.3. § 377 UGB idF Handelsrechts-Änderungsgesetz 2005 ist zwar auf den vorliegenden Sachverhalt noch nicht unmittelbar anwendbar (vgl § 907 Abs 18 UGB); die darin zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertungen können aber jedenfalls in Zweifelsfällen nicht zu einer restriktiven Auslegung des § 377 HGB führen (vgl etwa 3 Ob 208/06v = EF-Z 2007/40 zur Auslegung des § 273 Abs 2 ABGB unter Berücksichtigung der Wertungen des erst am 1. 7. 2007 in Kraft tretenden Sachwalterrechts-Änderungsgesetzes 2006). Vor dem Hintergrund dieser Wertungen ist aber die Auffassung des Berufungsgerichts, in Anbetracht der konkreten Umstände des Einzelfalls sei die Mängelrüge der Beklagten rechtzeitig erfolgt, durchaus vertretbar. Im Übrigen bedarf es im Hinblick darauf, dass durch das Handelsrechts-Änderungsgesetz 2005 in der hier entscheidungsrelevanten Frage eine Gesetzesänderung eingetreten ist, einer Überprüfung oder Klarstellung der (früheren) Rechtsprechung zu § 377 HGB durch den Obersten Gerichtshof nicht mehr (vgl 6 Ob 59/07f). Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO liegt somit auch in diesem Zusammenhang nicht vor.3.3.§ 377 UGB in der Fassung Handelsrechts-Änderungsgesetz 2005 ist zwar auf den vorliegenden Sachverhalt noch nicht unmittelbar anwendbar vergleiche § 907 Abs 18 UGB); die darin zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertungen können aber jedenfalls in Zweifelsfällen nicht zu einer restriktiven Auslegung des § 377 HGB führen vergleiche etwa 3 Ob 208/06v = EF-Z 2007/40 zur Auslegung des § 273 Abs 2 ABGB unter Berücksichtigung der Wertungen des erst am 1. 7. 2007 in Kraft tretenden Sachwalterrechts-Änderungsgesetzes 2006). Vor dem Hintergrund dieser Wertungen ist aber die Auffassung des Berufungsgerichts, in Anbetracht der konkreten Umstände des Einzelfalls sei die Mängelrüge der Beklagten rechtzeitig erfolgt, durchaus vertretbar. Im Übrigen bedarf es im Hinblick darauf, dass durch das Handelsrechts-Änderungsgesetz 2005 in der hier entscheidungsrelevanten Frage eine Gesetzesänderung eingetreten ist, einer Überprüfung oder Klarstellung der (früheren) Rechtsprechung zu § 377 HGB durch den Obersten Gerichtshof nicht mehr vergleiche 6 Ob 59/07f). Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO liegt somit auch in diesem Zusammenhang nicht vor.
Die ordentliche Revision der Beklagten war somit zurückzuweisen.
Die Klägerin und der Nebenintervenient haben in ihren Revisionsbeantwortungen auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen. Die Schriftsätze sind daher nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen. Die Klägerin und der Nebenintervenient haben deren Kosten selbst zu tragen.
Textnummer
E84068European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2007:0060OB00076.07F.0419.000Im RIS seit
19.05.2007Zuletzt aktualisiert am
16.11.2010