Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** GmbH (*****, am 5. August 2006 im Firmenbuch gelöscht), vertreten durch Dr. Franz Gütlbauer und Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Rechtsanwälte in Wels, und des Nebenintervenienten auf Seite der klagenden Partei Georg B*****, vertreten durch Piaty Müller-Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Dr. Manfred S*****, vertreten durch Ehrlich-Rogner & Schlögl Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 43.000 EUR), Bekanntgabe (Streitwert 1.500 EUR) und Widerruf (Streitwert 3.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. August 2006, GZ 4 R 33/06m-23, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das mit Beschluss vom 2. Jänner 2006 berichtigte Urteil des Handelsgerichts Wien vom 18. November 2005, GZ 17 Cg 12/05d-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil - unter Einschluss seiner bereits in Rechtskraft erwachsenen Teile - insgesamt zu lauten hat:
„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig,
1. das Herantreten an Kunden der Klägerin mit der Aufforderung, dass diese das von der Klägerin vertriebene Produkt 'Minucell' nicht mehr in Österreich abzugeben oder für die Abgabe bereitzuhalten und/oder dafür Werbung zu betreiben haben, solange dieses Produkt nicht entsprechend arzneimittelrechtlich zugelassen sei, insbesondere ohne anzugeben, für welchen Auftraggeber sie überhaupt einschreite, zu unterlassen;
2. die Behauptung, dass es sich bei dem von der Klägerin vertriebenen Produkt 'Minucell' um ein Arzneimittel im Sinne des § 1 AMG, für welche eine Arzneimittelzulassung für den Vertrieb erforderlich sei, handle, zu unterlassen;
3. der Klägerin binnen 14 Tagen Name und Anschrift der Personen, an die sie mit einer Aufforderung laut Punkt 1. des Urteilsbegehrens herangetreten sei, bekannt zu geben;
4. die Behauptung laut Punkt 2. des Urteilsbegehrens gegenüber den Firmen DM Drogeriemarkt GmbH und BIPA Parfümerien GmbH sowie nach erfolgter Bekanntgabe im Sinne des Punktes 3. des Urteilsbegehrens gegenüber diesen Personen jeweils binnen 14 Tagen als unrichtig zu widerrufen,
wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.301,44 EUR (darin 882,24 EUR Umsatzsteuer und 8 EUR Barauslagen) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit 8.596,41 EUR (darin 738,95 EUR Umsatzsteuer und 4.162,70 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin - eine GmbH - vertrieb „Minucell" als Nahrungsergänzungsmittel über Drogeriemärkte. Für dessen Vertrieb und Werbung soll in ihrem Unternehmen - nach ihren Behauptungen - der Nebenintervenient verantwortlich gewesen sein. Die Klägerin bewarb dieses Produkt in Printmedien unter der Überschrift „Cellulite!? - Muss nicht sein" mit folgendem Wortlaut (Auszug):
„Ernährungsexperten haben mit Minucell ein hochwirksames Nahrungsergänzungsmittel auf pflanzlicher Basis für eine effektive Cellulite-Bekämpfung entwickelt. Die besten Ergebnisse hat die Kombination mit dem hochwirksamen Cellulite Gel mit Kaviar-Extrakt gezeigt: Minucell strafft und entschlackt das Bindegewebe gezielt - von innen. Enzyme tropischer Früchte schaffen Abhilfe beim Orangenhaut-Effekt! Minucell enthält die exotischen Früchte Ananas, Papaya und Mango, die in einer perfekten Dosierung reich an eiweißspaltenden Enzymen sind. Coffein schwemmt ebenfalls Schlacken aus dem Gewebe und trägt so zur Straffung bei."
Der Beklagte ist Rechtsanwalt. Er richtete an zwei Unternehmen, die Drogeriemärkte betreiben und das Produkt der Klägerin vertrieben, ein Schreiben mit auszugsweise folgendem Inhalt:
„Ich vertrete ein österreichisches Unternehmen, das mit dem Hersteller und Vertriebsunternehmen des Nahrungsergänzungsmittels Minucell [...] im Wettbewerb steht. Die Offenlegung meines Mandanten erfolgt im Falle der Klagsführung. Minucell wird [...] in krass wettbewerbswidriger Weise [...] beworben. Die [...] aufgestellten Werbebehauptungen sind unwahr und irreführend iSd § 2 UWG, dies durch die Behauptung pharmakologischer und physiologischer Wirkungen, durch die im Sinne einer subjektiven Zweckbestimmung der Eindruck erweckt wird, es handle sich bei Minucell um eine Arzneispezialität iSd AMG. [...] Das Produkt Minucell ist aufgrund der subjektiven Zweckbestimmung, insbesondere nach Art und Inhalt der für das Produkt getätigten Werbemaßnahmen, ein Arzneimittel iSd § 1 AMG, für welches [...] in Österreich keine Arzneimittelzulassung vorliegt. [...] Zur Vermeidung eines Gerichtsverfahrens [...] erwarte ich [...] ihre Bestätigung, dass die Produkte Minucell ab sofort nicht mehr in Österreich abgegeben oder für die Abgabe bereitgehalten werden und/oder dafür Werbung [...] betrieben wird, [...] solange die Produkte nicht entsprechend arzneimittelrechtlich zugelassen sind [...]."
Die Klägerin wurde mit Generalversammlungsbeschluss vom 22. 4. 2005 aufgelöst. Der Antrag auf Löschung langte am 25. 7. 2006 beim Firmenbuchgericht ein. Am 5. 8. 2006 wurde die Löschung der Klägerin nach beendeter Liquidation im Firmenbuch eingetragen. Das Urteil erster Instanz erging am 18. 11. 2005, jenes des Berufungsgerichts am 31. 8. 2006. Die Revision des Beklagten und die Revisionsbeantwortung der Klägerin und ihres Nebenintervenienten enthalten im Rubrum im Anschluss an die Parteibezeichnung der Klägerin jeweils den Zusatz: „(vormals: in Liquidation, nunmehr gelöscht)". Die Klagevertreter begehrten unter Hinweis auf das Pfandrecht gemäß § 19a RAO „Bezahlung der Kosten zu eigenen Handen".
Die Klägerin begehrte mit der am 23. 3. 2005 eingebrachten Klage, den Beklagten schuldig zu erkennen,
1. das Herantreten an Kunden der Klägerin mit der Aufforderung, dass diese das von der Klägerin vertriebene Produkt Minucell nicht mehr in Österreich abzugeben oder für die Abgabe bereitzuhalten und/oder dafür Werbung zu betreiben hätten, solange dieses Produkt nicht entsprechend arzneimittelrechtlich zugelassen sei, insbesondere ohne anzugeben, für welchen Auftraggeber er überhaupt einschreite, zu unterlassen;
2. die Behauptung, dass es sich bei dem von der Klägerin vertriebenen Produkt Minucell um ein Arzneimittel im Sinne des § 1 AMG, für welches eine Arzneimittelzulassung für den Vertrieb erforderlich sei, handle, zu unterlassen;
3. der Klägerin binnen 14 Tagen Name und Anschrift der Personen, an die sie mit einer Aufforderung laut Punkt 1. des Urteilsbegehrens herangetreten ist, bekannt zu geben;
4. die Behauptung laut Punkt 2. des Urteilsbegehrens gegenüber den Firmen DM Drogeriemarkt GmbH und BIPA Parfümerien GmbH sowie nach erfolgter Bekanntgabe im Sinne des Punktes 3. des Urteilsbegehrens gegenüber diesen Personen jeweils binnen 14 Tagen als unrichtig zu widerrufen.
Die Äußerung, Minucell sei ein Arzneimittel im Sinne des § 1 AMG, für das in Österreich keine Arzneimittelzulassung vorliege, sei unrichtig und geschäftsschädigend. Das Verhalten des Beklagten habe in die Rechte und geschäftlichen Interessen der Klägerin eingegriffen. Das beworbene Produkt sei kein Arzneimittel, sondern ein Verzehrprodukt nach dem LMG. Der Beklagte habe versucht, die Kunden der Klägerin zu verunsichern und jene ihr „abspenstig zu machen".
Der Beklagte wendete ein, er habe im Namen und im Auftrag seiner Mandantin, einem österreichischen Unternehmen, das mit der Klägerin in Wettbewerb stehe, gehandelt. Seine Mandantin lege Wert darauf, vorerst nicht genannt zu werden. Er habe daher nicht nur das Recht, sondern auch die standesrechtliche Pflicht, deren Namen nicht offenzulegen. Die Tatsachenbehauptungen in seinem Schreiben seien wahr. Die Klägerin behaupte in ihren Werbeauftritten, mit Minucell könne Cellulite bekämpft werden; damit werde dem Produkt eine arzneiliche Wirkung im Sinne des § 1 Abs 1 Z 1 AMG zugeschrieben. Es bestehe indes weder eine Arzneimittelzulassung, noch eine behördliche Vertriebsbewilligung. Die Klägerin setze sich über die arzneimittelrechtlichen Vorschriften zur Werbung für Arzneimittel hinweg und handle damit sittenwidrig im Sinne der §§ 1, 2 UWG. Die in dem den Klagegrund bildenden Schreiben geäußerte Rechtsansicht sei jedenfalls vertretbar. Er hafte auch deshalb nicht, weil er die betroffene Äußerung nicht öffentlich getätigt und in Verfolgung berechtigter Interessen gehandelt habe. Außerdem seien die Unterlassungsbegehren zu weit gefasst. Ferner bezwecke das Begehren zu Punkt 1. letztlich eine - unzulässige - Aushöhlung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht.
Das Erstgericht gab beiden Unterlassungsbegehren statt, es verurteilte den Beklagten ferner zum Widerruf der Behauptung laut Punkt 2. des Urteilsbegehrens gegenüber den beiden Adressaten des betroffenen Schreibens und wies das Mehrbegehren auf Bekanntgabe von Name und Anschrift der Personen, an die der Beklagte mit einer Aufforderung laut Punkt 1. herangetreten sei, sowie auf Widerruf gegenüber diesen Personen, ab. Nach dessen Ansicht ist für die Beurteilung als Arzneimittel einerseits das Kriterium der objektiven Zweckbestimmung als Arzneimittel im Sinne des § 1 Abs 1 AMG, andererseits die subjektive Zweckbestimmung durch den Hersteller maßgebend. Ein Stoff sei dann Verzehrprodukt, wenn er nach Art und Form des In-Verkehr-Bringens die Zweckbestimmung des § 1 Abs 1 Z 1 bis 4 AMG nicht erfülle, andernfalls sei er Arzneimittel. Eine objektive Zweckbestimmung als Arzneimittel im Sinne des § 1 Abs 1 AMG scheide aus, weil Cellulite nach der allgemeinen Verkehrsauffassung keine Krankheit, kein Leiden und kein Körperschaden sei. Die Werbung lasse auch eine subjektive Zweckbestimmung als Arzneimittel nicht erkennen. Es werde nicht auf Krankheiten oder Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden verwiesen, die geheilt, gelindert, verhütet oder durch das Produkt erkannt werden könnten. Der Beklagte habe daher im betroffenen Schreiben eine unrichtige Rechtsansicht vertreten. Er habe als - entgeltlich einschreitender - Gehilfe seiner Mandantin gegenüber Kunden der Klägerin Äußerungen getätigt, die geeignet seien, das Unternehmen der Klägerin zu schädigen und deren Erwerb und Fortkommen zu gefährden. Der Beklagte habe die Werbung - ohne Hinweis auf die Vertretbarkeit einer anderen Rechtsmeinung - als „krass wettbewerbswidrig" bezeichnet und eine entsprechende Rechtsverfolgung angekündigt; er wäre als Rechtskundiger jedoch zu einer differenzierten Betrachtung verpflichtet gewesen. Seine Äußerungen seien unrichtige Tatsachenbehauptungen in Verletzung des § 7 UWG und des § 1330 Abs 2 ABGB.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses - nur in seinem stattgebenden Teil angefochtene - Urteil. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, dass Cellulite nach der allgemeinen Verkehrsauffassung keine Krankheit, sondern ein kosmetisches Problem sei. Das von der Klägerin vertriebene Produkt sei weder objektiv noch nach der Art und Weise des In-Verkehr-Bringens ein Arzneimittel. Das beanstandete Schreiben enthalte die unrichtige Tatsachenbehauptung, das Produkt der Klägerin sei ein Arzneimittel im Sinne des § 1 AMG, das nur auf Grund einer - hier fehlenden - Arzneimittelzulassung vertrieben werden dürfe. Dadurch werde die Klägerin als Mitbewerberin der Mandantin des Beklagten angeschwärzt. Zwar stehe der Beklagte selbst in keinem Wettbewerbsverhältnis zur Klägerin, sein Handeln verfolge jedoch ganz offensichtlich Wettbewerbszwecke durch die Förderung des Wettbewerbs seiner Mandantin. Die in erster Instanz erfolgreichen Begehren seien nach § 1 und § 7 UWG berechtigt. Auf die Vertretbarkeit der vom Beklagten geäußerten Rechtsansicht komme es nicht an, weil der wettbewerbsrechtliche Unterlassungs- und der Widerrufsanspruch verschuldensunabhängig seien.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
1. Parteifähigkeit
1. 1. Nach herrschender Ansicht hat die Löschung einer Gesellschaft im Firmenbuch bloß deklarative Bedeutung, besteht doch die gelöschte Gesellschaft solange fort, als sie noch über Aktivvermögen verfügt. Daher setzt der Untergang der Parteifähigkeit einer Gesellschaft deren Vollbeendigung voraus. Materiellrechtlich ist dafür die Vermögenslosigkeit der Gesellschaft - der Mangel an Aktivvermögen - erforderlich (zuletzt so 1 Ob 166/06b mwN). Somit endet die Rechtspersönlichkeit einer GmbH nur dann im Zeitpunkt der Löschung, wenn sie mangels Aktivvermögens vollbeendet ist (allgemein näher dazu Fink in Fasching/Konecny² II/2 § 155 ZPO Rz 15 ff mwN). Der allfällige Wegfall der Parteifähigkeit der Klägerin infolge Vollbeendigung wäre - unter Beachtung der damit verknüpften Rechtsfolgen - in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (4 Ob 281/04h).
1. 2. Bis zum Beweis des Gegenteils ist die Vermögenslosigkeit einer im Firmenbuch gelöschten Kapitalgesellschaft gewöhnlich anzunehmen (RIS-Justiz RS0050186 [T14]). Diese Vermutung greift indes jedenfalls dann nicht ein, wenn eine solche gelöschte Gesellschaft über einen behaupteten vermögenswerten Anspruch einen Aktivprozess führt. Dann ist sie parteifähig, weil vor Beendigung dieses Rechtsstreits nicht beurteilt werden kann, ob die Gesellschaft wirklich und endgültig vermögenslos ist (1 Ob 22/01v = SZ 74/35 mwN).
1. 3. Vor dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen ist bei klageweiser Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs durch eine im Firmenbuch gelöschte und sonst vermögenslose Gesellschaft maßgebend, ob sich dieser Anspruch auf ein bestimmtes vermögenswertes Interesse stützt (Fink aaO § 155 ZPO Rz 18; Gitschthaler in Rechberger, ZPO³ §§ 155-157 Rz 7; Oberhammer, Die Offene Handelsgesellschaft im Zivilprozess [1998] 176 f). Nichts anderes kann für einen Anspruch auf Widerruf jener Behauptung gelten, die Gegenstand des Unterlassungsbegehrens ist.
1. 4. Die klagende GmbH wurde im Firmenbuch am 5. 8. 2006 nach beendeter Liquidation gelöscht. Das Urteil des Berufungsgerichts vom 31. 8. 2006 erging erst nach jenem Zeitpunkt. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist eine Entscheidung, die den Beklagten verpflichtet, es zu unterlassen, an Kunden der Klägerin mit einer bestimmten Aufforderung heranzutreten und eine bestimmte Tatsache zu behaupten, sowie die zu unterlassende Tatsachenbehauptung gegenüber zwei bestimmten Unternehmen zu widerrufen. Danach ist zunächst die Frage zu lösen, ob auch diese Klageansprüche eine Vollbeendigung der Klägerin ausschließen.
1. 5. Nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht besteht für die Abwicklung nicht vermögenswerter Ansprüche, die nur die GmbH berühren, ohne auch für deren Gläubiger von Interesse zu sein, kein Bedarf. Solche Ansprüche würden mit der Gesellschaft erlöschen (Bork, Die als vermögenslos gelöschte GmbH im Prozess, JZ 1991, 841 [847]). Dellinger (Rechtsfähige Personengesellschaften in der Liquidation [2001] 403) zählt wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche ganz allgemein zu nichtvermögenswerten Ansprüchen.
1. 6. Ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch kann regelmäßig nicht losgelöst von jenem Unternehmen bestehen, zu dessen Gunsten er erworben wurde, ist doch ein solcher Unterlassungsanspruch nur zusammen mit dem Unternehmen übertragbar (RIS-Justiz RS0079195). Ein nicht mehr bestehendes Unternehmen kann ferner nicht mehr als Mitbewerber am Wettbewerb teilnehmen. Wurde es - wie hier - in der Rechtsform einer GmbH betrieben, so bildet ein behaupteter wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch nach Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch infolge beendeter Liquidation - für sich betrachtet - keinen Vermögenswert, der die Annahme der durch die Löschung indizierten Vermögenslosigkeit der GmbH ausschließen könnte. Gleiches gilt für einen wettbewerbsrechtlichen Widerrufsanspruch, der sich auf den Gegenstand des Unterlassungsanspruchs bezieht. Somit stehen die im Anlassfall eingeklagten, im Revisionsverfahren noch zu beurteilenden Ansprüche - für sich betrachtet - einer Annahme der Vollbeendigung der klagenden GmbH infolge Vermögenslosigkeit nicht entgegen. Bloß solche Ansprüche könnten eine fortgesetzte Parteifähigkeit mangels Vollbeendigung nicht begründen.
1. 7. Die bisherigen Erwägungen sind daher folgendermaßen zusammenzufassen:
Allein ein behaupteter wettbewerbsrechtlicher Unterlassungs- und Widerrufsanspruch bildet - für sich betrachtet - keinen Vermögenswert einer im Firmenbuch nach Beendigung der Liquidation gelöschten GmbH, der die Annahme deren durch die Löschung indizierten Vermögenslosigkeit ausschließen könnte.
1. 8. Nach der Rechtsprechung entsteht ein prozessualer Kostenersatzanspruch entweder erst mit Eintritt der Rechtskraft einer ergangenen Kostenentscheidung (RIS-Justiz RS0035914) oder bedingt durch den Prozesserfolg bereits mit Vornahme der einzelnen Prozesshandlungen (RIS-Justiz RS0051738; siehe dazu ferner M. Bydlinski in Fasching/Konecny² II/1 § 41 ZPO Rz 3 f). Der erkennende Senat tritt letzterer überwiegenden Auffassung bei. Auf deren Boden bildet aber jedenfalls der durch den Prozesserfolg bedingte Anspruch auf Kostenersatz einer GmbH, die einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungs- und Widerrufsanspruch - wie hier - noch vor ihrer Auflösung einklagte, ein die Annahme einer Vollbeendigung ausschließendes Vermögen (Fink aaO § 155 ZPO Rz 23; Koppensteiner, GmbH-Gesetz² § 93 Rz 8; im Ergebnis ebenso Dellinger aaO 403; aM etwa Bork aaO 847 f). Daran ändert auch das anwaltliche Pfandrecht gemäß § 19a RAO nichts (Fink aaO § 155 ZPO Rz 23), weil Gläubiger des damit belasteten Kostenersatzanspruchs selbst nach einem Zahlungsverlangen des Rechtsanwalts gemäß § 19a Abs 4 RAO die vertretene Partei bleibt (3 Ob 30/04i). Daraus folgt - nach dem hier maßgebenden Sachverhalt - im Ergebnis:
Der potenzielle Anspruch einer GmbH auf Ersatz der Verfahrenskosten durch den Prozessgegner bildet jedenfalls dann einen die Annahme deren Vollbeendigung ausschließenden Vermögenswert, wenn die Gesellschaft den ihrem allfälligen Kostenersatzanspruch zugrunde liegenden wettbewerbsrechtlichen Unterlassungs- und Widerrufsanspruch noch vor ihrer Auflösung einklagte.
1. 9. Der Klägerin wurden für die Verfahren in den Vorinstanzen Kostenersatzansprüche gegen den Beklagten zuerkannt. Sie verfügt daher schon deshalb über Vermögenswerte, die nach allen bisherigen Gründen eine Annahme deren Vollbeendigung trotz Löschung im Firmenbuch nach Beendigung der Liquidation während des Rechtsmittelverfahrens ausschließen. Sie ist somit weiterhin parteifähig.
2. Sachlegitimation
2. 1. Eine GmbH als Klägerin, die während des Rechtsmittelverfahrens über den von ihr geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungs- und Widerrufsanspruch nach Beendigung der Liquidation im Firmenbuch gelöscht wurde, verliert dadurch ihre Aktivlegitimation als Mitbewerber iSd § 14 UWG (Dellinger aaO 403). Insofern findet sich im Schrifttum die Ansicht, eine solche, sonst vermögenslose Gesellschaft müsse ihre Klage auf Kosten einschränken können (Dellinger aaO 403). Eine Einschränkung des Klagebegehrens wäre nach der Entscheidungspraxis des Obersten Gerichtshofs auch in einer Revisionsbeantwortung möglich (2 Ob 275/05p). Diese Rechtslage bedarf indes hier keiner Erörterung, weil die Klägerin ihr Begehren in der Revisionsbeantwortung nicht auf Kosten einschränkte. Sie war dazu nach den tieferstehenden Erwägungen auch nicht verpflichtet.
2. 2. Unterlassungsansprüche sind grundsätzlich auf Grund der Sachlage bei Schluss der Verhandlung erster Instanz zu beurteilen (4 Ob 281/04h). Der Wegfall der Sachlegitimation der Klägerin wegen des zuvor erörterten Grundes während des Rechtsmittelverfahrens bildet eine Änderung der Sachlage, auf die im Rechtsmittelverfahren - abgesehen von einer allfälligen Einschränkung des Klagebegehrens auf Kosten - nicht Bedacht zu nehmen ist. Soweit in der Rechtsprechung betont wurde, die Frage der Sachlegitimation sei von Amts wegen auch noch im Rechtsmittelverfahren zu prüfen, wenn es sich um reine Rechtsfragen handle (RIS-Justiz RS0035170 [T4]), betrifft das nicht Fälle, in denen sich die Sachlage - wie hier - während des Rechtsmittelverfahrens änderte. Wäre daher die Klägerin im Revisionsverfahren erfolgreich und würde ihr in der Folge eine Exekution auf Grund des erwirkten Titels nicht nur im Kostenpunkt, sondern nach einem entsprechenden Antrag auch in der Hauptsache bewilligt, so müsste der Beklagte den nach Schluss der Verhandlung erster Instanz im Titelprozess eingetretenen, voranstehend erörterten Wegfall der Sachlegitimation der Klägerin als Oppositionsgrund geltend machen, um einen Ausspruch über das Erlöschen des vollstreckbaren Anspruchs zu erwirken. Der Beklagte ist daher durch die Entscheidung der Vorinstanzen auch in der Hauptsache weiterhin beschwert.
2. 3. Auf Grund aller bisherigen Erwägungen ist über die Revision des Beklagten eine Sachentscheidung zu fällen. Der Revisionswerber macht geltend, er habe in seinem Schreiben wahrheitsgemäß darauf hingewiesen, dass das von der Klägerin vertriebene Produkt seiner beworbenen subjektiven Zweckbestimmung nach ein Arzneimittel sei und ohne eine behördliche Zulassung nicht vertrieben werden dürfe. Das Berufungsgericht gehe unrichtig davon aus, Cellulite sei nach der allgemeinen Verkehrsauffassung keine Krankheit.
2. 4. Gemäß § 1 Abs 1 Z 1 AMG sind Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen oder nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind, bei Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Maßgebend ist daher, wie die Angaben zum angepriesenen Mittel im Allgemeinen aufzufassen sind, nicht dagegen, wie sie der Ankündigende verstanden wissen will. Entscheidend ist der Gesamteindruck, den die konkrete Ankündigung bei flüchtiger Wahrnehmung für einen nicht ganz unerheblichen Teil der angesprochenen Kreise vermittelt. Allfällige Zweifel gehen insofern zu Lasten des Ankündigenden, weil jeder Werbende bei mehrdeutigen Äußerungen die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen muss (4 Ob 182/02x = ÖBl 2003/20 - Prontosan mwN; RIS-Justiz RS0051461).
2. 5. Cellulite wird durch eine Stoffwechselstörung im Bindegewebe verursacht. Ob es sich dabei im strengen medizinischen Sinn um eine Krankheit oder in erster Linie um ein kosmetisches Problem handelt, muss hier nicht beurteilt werden. Nach der allgemeinen Verkehrsauffassung liegt jedenfalls eine als Nachteil empfundene Abweichung vom Normalzustand vor - im Duden24 wird „Zellulitis" als „Degeneration des Zellgewebes" bezeichnet -, die als Leiden oder Körperschaden iSd § 1 Abs 1 Z 1 AMG einzustufen ist.
2. 6. In ihren Werbeankündigungen behauptete die Klägerin im Kern, das von ihr vertriebene Mittel bekämpfe Cellulite effektiv durch eine Entschlackung und Straffung des Bindegewebes. Nach der allgemeinen Verkehrsauffassung ist daraus abzulesen, das angepriesene Mittel könne den mit Cellulite verbundenen Körperschaden, die Orangenhaut, und das damit verbundene Leiden lindern. Die Klägerin schrieb ihrem Produkt somit pharmakologische und physiologische Wirkungen zu, die durch Arzneimittel nach § 1 Abs 1 Z 1 zweiter Fall AMG (Linderung) erzielt werden können. Das von ihr vertriebene Produkt ist daher ein Arzneimittel im Sinn des Gesetzes. Daraus folgt gemäß § 7 Abs 1 AMG, dass es als Arzneispezialität im Inland erst nach seiner Zulassung durch das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen abgegeben oder für die Abgabe im Inland bereitgehalten werden darf. Dass insofern eine gesetzliche Ausnahme eingriffe, wurde von der Klägerin nicht behauptet. Demzufolge ist dem Beklagten der Beweis gelungen, dass die im beanstandeten Schreiben aufgestellten Tatsachenbehauptungen wahr sind. Den auf § 7 UWG und § 1330 Abs 2 ABGB gestützten - im Revisionsverfahren noch zu beurteilenden - Klageansprüchen ist somit der Boden entzogen.
3. Kosten
Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO.Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 in Verbindung mit § 50 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E83993European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2007:0040OB00213.06M.0423.000Im RIS seit
23.05.2007Zuletzt aktualisiert am
16.11.2010