TE OGH 2007/5/7 3Nc8/07t

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Veröffentlicht am 07.05.2007
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner und Hon. Prof. Dr. Sailer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Nathalie L*****, geboren am 16. Februar 1994, und Florian L*****, geboren am 21. Dezember 1995, anhängig beim Bezirksgericht Reutte zu AZ 1 P 37/02d, infolge Delegierungsantrags der Mutter Manuela P*****, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag, für diese Pflegschaftssache anstelle des Bezirksgerichts Reutte das Bezirksgericht St. Pölten als zur Verhandlung und Entscheidung zu bestimmen, wird

abgewiesen.

Text

Begründung:

Nach der anlässlich der Scheidung ihrer Eltern geschlossenen, vom Pflegschaftsgericht genehmigten Vereinbarung kam die Obsorge über zwei minderjährige Kinder der Mutter allein zu. Am 10. Dezember 2002 beantragte der Vater, ihm die Obsorge zu übertragen. Die Mutter sprach sich dagegen aus.

In Abänderung der Entscheidung erster Instanz ordnete das Rekursgericht mit (unangefochten rechtskräftig gewordenem) Beschluss vom 16. Oktober 2003 (ON 158 des Pflegschaftsakts) die von diesem beschlossene volle Erziehung durch Unterbringung in einer Einrichtung der freien Jugendwohlfahrt als bloß vorläufige Maßnahme an. Nach einem Zwischenaufenthalt in einem österreichischen Kinderdorf wurden beide Kinder am 19. November 2003 in der „Einrichtung" einer Familie in Deutschland untergebracht, zu der die Fahrzeit vom Gerichtsort etwa 1 ¼ Stunden beträgt. Das Bezirksgericht Reutte ist nach § 109 JN zuständiges Pflegschaftsgericht und bleibt es gemäß § 29 JN weiterhin, inländische Gerichtsbarkeit bestand und besteht nach § 110 Abs 1 JN (3 Ob 49/04h).In Abänderung der Entscheidung erster Instanz ordnete das Rekursgericht mit (unangefochten rechtskräftig gewordenem) Beschluss vom 16. Oktober 2003 (ON 158 des Pflegschaftsakts) die von diesem beschlossene volle Erziehung durch Unterbringung in einer Einrichtung der freien Jugendwohlfahrt als bloß vorläufige Maßnahme an. Nach einem Zwischenaufenthalt in einem österreichischen Kinderdorf wurden beide Kinder am 19. November 2003 in der „Einrichtung" einer Familie in Deutschland untergebracht, zu der die Fahrzeit vom Gerichtsort etwa 1 ¼ Stunden beträgt. Das Bezirksgericht Reutte ist nach Paragraph 109, JN zuständiges Pflegschaftsgericht und bleibt es gemäß Paragraph 29, JN weiterhin, inländische Gerichtsbarkeit bestand und besteht nach Paragraph 110, Absatz eins, JN (3 Ob 49/04h).

Die Mutter stellt den Antrag, das Pflegschaftsverfahren nach § 31 JN dem Bezirksgericht St. Pölten zu übertragen. Darin bestreitet sie u. a. die örtliche Zuständigkeit des Pflegschaftsgerichts, weil sich die Kinder nicht mehr in dessen Sprengel aufhielten. Dieses sei auch nicht bereit, ein reguläres Verfahren zu führen, und zwar Tagsatzungen abzuhalten, Zeugen zu vernehmen und Sachverständige zu bestellen. Auch aus Sicht des § 111 JN läge die Übertragung im dringenden Interesse ihrer Kinder; so schütze das Pflegschaftsgericht die Tochter nicht vor deren Vater, bei dem sie alle Ferien verbringen müsse. Nach einem solchen Aufenthalt habe sie auch im vorigen Jahr wieder über Unterleibsschmerzen geklagt, weshalb Gefahr im Verzug sei. Es bedeute auch eine schwere psychische Belastung der Kinder, von ihren bei ihr wohnenden Geschwistern getrennt zu leben. Sowohl der Jugendwohlfahrtsträger als gesetzlicher Vertreter der Pflegebefohlenen (ON 204 des Pflegschaftsakts) als auch der zuständige Richter sprachen sich gegen eine Delegierung aus. Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.Die Mutter stellt den Antrag, das Pflegschaftsverfahren nach Paragraph 31, JN dem Bezirksgericht St. Pölten zu übertragen. Darin bestreitet sie u. a. die örtliche Zuständigkeit des Pflegschaftsgerichts, weil sich die Kinder nicht mehr in dessen Sprengel aufhielten. Dieses sei auch nicht bereit, ein reguläres Verfahren zu führen, und zwar Tagsatzungen abzuhalten, Zeugen zu vernehmen und Sachverständige zu bestellen. Auch aus Sicht des Paragraph 111, JN läge die Übertragung im dringenden Interesse ihrer Kinder; so schütze das Pflegschaftsgericht die Tochter nicht vor deren Vater, bei dem sie alle Ferien verbringen müsse. Nach einem solchen Aufenthalt habe sie auch im vorigen Jahr wieder über Unterleibsschmerzen geklagt, weshalb Gefahr im Verzug sei. Es bedeute auch eine schwere psychische Belastung der Kinder, von ihren bei ihr wohnenden Geschwistern getrennt zu leben. Sowohl der Jugendwohlfahrtsträger als gesetzlicher Vertreter der Pflegebefohlenen (ON 204 des Pflegschaftsakts) als auch der zuständige Richter sprachen sich gegen eine Delegierung aus. Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Abgesehen davon, dass die Delegierung von einem unzuständigen Gericht vor Klärung der Zuständigkeit nicht erfolgen dürfte (EvBl 1956/27 u. v.a., RIS-Justiz RS0046196, RS0109369), kann die Mutter keine schlüssigen Argumente gegen den Fortbestand der vom Obersten Gerichtshof wie dargelegt bereits bejahten Zuständigkeit des derzeit befassten Pflegschaftsgerichts vorbringen.

Zwar kann auch die Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte nach § 31 Abs 1 JN aus Zweckmäßigkeitsgründen an ein anderes Gericht übertragen werden (4 Nd 510/89). Entscheidend ist bei solchen Rechtssachen aber für die Frage der Bewilligung stets wie im Fall der Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN das Wohl des Kindes (SZ 42/86 = EvBl 1969/410 u.a., RIS-Justiz RS0046319). Sonstige Gründe kann die Mutter auch nicht aufzeigen, zumal allfällige Verfahrensverstöße des zuständigen Gerichts keine Delegierungsgründe sind (Mayr in Rechberger³ § 31 JN Rz 4 mwN). Auch nach § 111 JN ist aber maßgebend, dass ein örtliches Naheverhältnis zwischen dem Aufenthaltsort des Mündels und dem Pflegschaftsgericht als im Interesse jenes gelegen angesehen wird (Mayr aaO § 111 Rz 2 mwN). Schon dieser Umstand spricht gegen die Übertragung der Zuständigkeit (es geht ja derzeit keineswegs um die Aufhebung der Fremdunterbringung der Kinder, weshalb auch die Trennung von Geschwistern in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung sein kann) an ein Gericht, das hunderte Kilometer weiter vom Unterbringungsort der Kinder entfernt ist, den auch der Pflegschaftsrichter wiederholt aufsuchen muss (zuletzt am 7. März 2007). Auch die örtliche Entfernung des Dienstorts der örtlichen, mit den Umständen seit Jahren vertrauten Vertreter des teilweise obsorgeberechtigten Jugendwohlfahrtsträgers vom Sitz des von der Mutter gewünschten Gerichts spricht gegen eine Delegierung der Pflegschaftssache.Zwar kann auch die Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte nach Paragraph 31, Absatz eins, JN aus Zweckmäßigkeitsgründen an ein anderes Gericht übertragen werden (4 Nd 510/89). Entscheidend ist bei solchen Rechtssachen aber für die Frage der Bewilligung stets wie im Fall der Zuständigkeitsübertragung nach Paragraph 111, JN das Wohl des Kindes (SZ 42/86 = EvBl 1969/410 u.a., RIS-Justiz RS0046319). Sonstige Gründe kann die Mutter auch nicht aufzeigen, zumal allfällige Verfahrensverstöße des zuständigen Gerichts keine Delegierungsgründe sind (Mayr in Rechberger³ Paragraph 31, JN Rz 4 mwN). Auch nach Paragraph 111, JN ist aber maßgebend, dass ein örtliches Naheverhältnis zwischen dem Aufenthaltsort des Mündels und dem Pflegschaftsgericht als im Interesse jenes gelegen angesehen wird (Mayr aaO Paragraph 111, Rz 2 mwN). Schon dieser Umstand spricht gegen die Übertragung der Zuständigkeit (es geht ja derzeit keineswegs um die Aufhebung der Fremdunterbringung der Kinder, weshalb auch die Trennung von Geschwistern in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung sein kann) an ein Gericht, das hunderte Kilometer weiter vom Unterbringungsort der Kinder entfernt ist, den auch der Pflegschaftsrichter wiederholt aufsuchen muss (zuletzt am 7. März 2007). Auch die örtliche Entfernung des Dienstorts der örtlichen, mit den Umständen seit Jahren vertrauten Vertreter des teilweise obsorgeberechtigten Jugendwohlfahrtsträgers vom Sitz des von der Mutter gewünschten Gerichts spricht gegen eine Delegierung der Pflegschaftssache.

Die erneute, ohne aktenmäßige Grundlage geäußerte Verdacht eines sexuellen Missbrauchs gegen den Vater ist letztlich ebenfalls nicht geeignet, die begehrte Delegierung an ein Bezirksgericht zu begründen, in dessen Sprengel die Mutter auch nunmehr gar nicht wohnt und zu dem - nach ihren Eingaben zu schließen auch erst seit dem Vorjahr - nur eine gewisse örtliche Nähe besteht. Die vorliegenden (bis in die jüngste Zeit reichenden) Erhebungsergebnisse geben im Übrigen keinen Anlass für die Annahme, der derzeitige Zustand (Heimunterbringung, Ferienbesuchsrecht des Vaters) beeinträchtige das Wohl der Kinder in irgendeiner Weise; zudem wurde zuletzt ein Kinder-, Jugend- und Familienpsychologe zum Sachverständigen zwecks Überprüfung dieser Verhältnisse bestellt, dessen Gutachten Grundlage für allenfalls nötige Schutzmaßnahmen sein müsste. Das erforderliche Interesse der Pflegebefohlenen an der beantragten Bestimmung eines anderen Gerichts für die vorliegende Pflegschaftssache, die ja nur im Ausnahmefall zu erfolgen hat und die gesetzliche Zuständigkeitsordnung nicht faktisch durchbrechen soll (4 Nd 510/89; Mayr aaO § 31 Rz 4 mwN), ist damit zu verneinen.Die erneute, ohne aktenmäßige Grundlage geäußerte Verdacht eines sexuellen Missbrauchs gegen den Vater ist letztlich ebenfalls nicht geeignet, die begehrte Delegierung an ein Bezirksgericht zu begründen, in dessen Sprengel die Mutter auch nunmehr gar nicht wohnt und zu dem - nach ihren Eingaben zu schließen auch erst seit dem Vorjahr - nur eine gewisse örtliche Nähe besteht. Die vorliegenden (bis in die jüngste Zeit reichenden) Erhebungsergebnisse geben im Übrigen keinen Anlass für die Annahme, der derzeitige Zustand (Heimunterbringung, Ferienbesuchsrecht des Vaters) beeinträchtige das Wohl der Kinder in irgendeiner Weise; zudem wurde zuletzt ein Kinder-, Jugend- und Familienpsychologe zum Sachverständigen zwecks Überprüfung dieser Verhältnisse bestellt, dessen Gutachten Grundlage für allenfalls nötige Schutzmaßnahmen sein müsste. Das erforderliche Interesse der Pflegebefohlenen an der beantragten Bestimmung eines anderen Gerichts für die vorliegende Pflegschaftssache, die ja nur im Ausnahmefall zu erfolgen hat und die gesetzliche Zuständigkeitsordnung nicht faktisch durchbrechen soll (4 Nd 510/89; Mayr aaO Paragraph 31, Rz 4 mwN), ist damit zu verneinen.

Anmerkung

E84185 3Nc8.07t-2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:0030NC00008.07T.0507.000

Dokumentnummer

JJT_20070507_OGH0002_0030NC00008_07T0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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