Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Lukas Heinrich K*****, geb. *****, und des mj. Christof Nathan K*****, geb. *****, wegen Übertragung der Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter Maria Adriana N***** Portugal, vertreten durch Dr. Brigitte Birnbaum und Dr. Rainer Toperczer, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. August 2006, GZ 45 R 217/06d-189, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 22. Jänner 2006, GZ 79 P 107/05z-145, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Die Ehe der Eltern ist geschieden, das Verfahren zur Regelung der Obsorge für die beiden Minderjährigen ist im zweiten Rechtsgang anhängig. Der Vater lebt mit beiden Kindern in Wien, die Mutter in Lissabon.
Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 22. 1. 2006 die alleinige Obsorge für die beiden Minderjährigen dem Vater übertragen und den Antrag der Mutter, ihr die alleinige Obsorge zu übertragen, abgewiesen. Es ging davon aus, dass der Vater beruflich weiterhin in Wien tätig sein werde (Erstgericht im ersten Rechtsgang ON 78 S 7, 20). Ein Ortswechsel ins Ausland würde die Entwicklung von Nathan, der besonderen Förderungsbedarf hat, erheblich gefährden und wäre auch für Lukas, der nach einer anfänglichen tiefen Verunsicherung mittlerweile wieder psychisch und schulisch stabiler geworden sei, jedoch weiterhin Stabilität benötige, abträglich. Die Mutter lebe seit Sommer 2005 in Portugal, weshalb bei einer Übertragung der Obsorge auf sie ein Wechsel der Lebenssituation der beiden Minderjährigen unumgänglich wäre. Der Vater habe im Laufe des vergangenen Jahres unter Beweis gestellt, auf die Bedürfnisse der Minderjährigen eingehen zu können und ermögliche ihnen auch regelmäßige Kontakte zu ihrer Mutter. Die Obsorge sei deshalb im Sinne des Kindeswohles dem Vater zu übertragen, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach wie vor in Wien habe und den Kindern ihr gewohntes Umfeld erhalte.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss am 18. 8. 2006; es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Maßgeblich sei, dass die beiden Kinder mit ihren Eltern 1999 nach Österreich gekommen seien und hier die Schule besuchten, die insbesonders den besonderen Bedürfnissen des mj. Nathan entspreche. Die Mutter habe im Sommer 2005 ihren Lebensmittelpunkt nach Portugal verlegt und übe im Einvernehmen mit dem Vater umfangreiche Besuchskontakte zu den Kindern aus. Die Kinder litten unter der Trennung ihrer Eltern und hätten wiederholt zum Ausdruck gebracht, mit beiden Eltern zusammenleben zu wollen, seien aber, was ihre altersentsprechenden Kontakte betreffe, in Wien voll integriert. Unbestritten sollten die Geschwister nicht getrennt werden; insbesondere für Nathan wäre eine Verlagerung seines Lebensmittelpunktes mit großen Schwierigkeiten verbunden. Der Vater zeige sich der Erfüllung der mit der Obsorge verbundenen Verpflichtungen gewachsen. Soweit Aussagen der Kinder die Möglichkeit einer Übersiedlung nach Portugal beträfen, zielten diese in erster Linie darauf ab, dass ihnen die Mutter fehle, ließen aber in keiner Weise erkennen, inwiefern die Lebensverhältnisse der Kinder in Portugal für ihre Entwicklung günstiger wären. Die Kinder lebten nun seit einigen Jahren im Haushalt des Vaters. Eine Übersiedlung zu ihrer Mutter nach Portugal würde die Kinder aus ihren in Wien gewachsenen Strukturen weitgehend herausreißen. Die Zuweisung der Obsorge für die beiden Minderjährigen an den Vater entspreche dem Wohl der beiden Minderjährigen.
Die Mutter erhob am 29. 9. 2006 einen außerordentlichen Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung. Sie macht geltend, das Rekursgericht habe den Wunsch der Kinder, künftig bei der Mutter in Portugal leben zu wollen, nicht berücksichtigt; auch sei von der Anhörung des mj. Nathan Abstand genommen worden, ohne dass die Voraussetzungen des § 105 Abs 2 AußStrG vorgelegen wären. Schließlich hätte das Rekursgericht den mj Lukas, der im Zeitpunkt dessen Entscheidung das 14. Lebensjahr bereits vollendet habe, auf die Möglichkeit der Wahrnehmung seiner Verfahrensrechte hinweisen müssen (§ 104 AußStrG).Die Mutter erhob am 29. 9. 2006 einen außerordentlichen Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung. Sie macht geltend, das Rekursgericht habe den Wunsch der Kinder, künftig bei der Mutter in Portugal leben zu wollen, nicht berücksichtigt; auch sei von der Anhörung des mj. Nathan Abstand genommen worden, ohne dass die Voraussetzungen des Paragraph 105, Absatz 2, AußStrG vorgelegen wären. Schließlich hätte das Rekursgericht den mj Lukas, der im Zeitpunkt dessen Entscheidung das 14. Lebensjahr bereits vollendet habe, auf die Möglichkeit der Wahrnehmung seiner Verfahrensrechte hinweisen müssen (Paragraph 104, AußStrG).
Der Akt langte am am 5. 1. 2007 beim Obersten Gerichtshof ein. Mit Schriftsatz vom 18. 1. 2007 (ON 206) erstattete die Mutter ergänzendes Vorbringen und stellte den Antrag, dieses Vorbringen „als zulässige Neuerung im Obsorgeverfahren zuzulassen und der Entscheidung über den Obsorgeantrag zugrunde zu legen". Wie sich nunmehr herausgestellt habe, stehe eine berufliche Versetzung des Vaters ins Ausland nicht bloß im Raum, sondern sei bereits beschlossene Sache; er werde nämlich von seinem Dienstgeber im Sommer 2007 nach Zürich versetzt. Damit habe der Vater - entgegen seiner anderslautenden Beteuerungen im bisherigen Verfahren, dass er „in den nächsten Jahren sicherlich nicht aus Wien weggehen werde" - das Erstgericht hinters Licht geführt. Nunmehr werde für die Kinder ihre vertraute Umgebung in Wien verloren gehen, und es sei das für eine Obsorgeübertragung an den Vater verwendete Argument der Umgebungskontinuität nicht mehr aufrechtzuerhalten. In seiner Stellungnahme vom 28. 2. 2007 (ON 214) gestand der Vater die Absicht zu, nach Abschluss des Schuljahres im Sommer 2007 mit den Kindern nach Zürich zu übersiedeln. Die schulische Förderungs- und Entwicklungsmöglichkeit für Nathan in Österreich entspreche seinen Fähigkeiten nicht und könne sein Entwicklungspotential nicht ausschöpfen. In Zürich bestünden mehrere hochspezialisierte Schulen, die förderungsbedürftigen Kindern bessere Chancen eröffneten. Lukas fühle sich an seiner derzeitigen Schule überfordert und könne am geplanten neuen Wohnort ein Gymnasium mit geringerem Leistungsdruck besuchen. Die Umgebung in Zürich sei den Kindern vertraut, zumal dort weitere Familienmitglieder (ua Mutter und Bruder des Vaters) lebten. Sollten jedoch schwerwiegende Einwände gegen die geplante Übersiedlung bestehen und dadurch das Kindeswohl beeinträchtigt werden, sei der Vater bereit, von seinem Vorhaben Abstand zu nehmen und in Österreich zu bleiben.
Am 13. 3. 2007 wurde der mittlerweile 14 Jahre alte Lukas vom Erstgericht im Auftrag des Senats über seine besonderen Verfahrensrechte (§ 104 AußStrG) belehrt; er hat erklärt, „sich in diese Sache nicht aktiv einmischen zu wollen" (Protokoll ON 220). Mit Beschluss vom 2. 4. 2007 (ON 224) erteilte das Erstgericht einer Kinderpsychologin den Auftrag, binnen zehn Wochen sachverständig zu begutachten, ob ein Verbleib der Kinder beim Vater mit dem damit verbundenen Umzug nach Zürich Ende der Sommerferien 2007 oder die Übertragung der Obsorge auf die in Lissabon lebende Mutter dem Kindeswohl eher gerecht werde; falls der Umzug nach Zürich für die Kinder schädlich sei, sei auch dazu Stellung zu nehmen, welchem Elternteil „aus jetziger Sicht" des Kindeswohls die Obsorge zu übertragen sei, selbst wenn der Vater - durch einen urkundlichen Nachweis gesichert - doch in Wien bleiben wolle. Die Mutter war mit dieser Vorgangsweise ausdrücklich einverstanden (ON 222).Am 13. 3. 2007 wurde der mittlerweile 14 Jahre alte Lukas vom Erstgericht im Auftrag des Senats über seine besonderen Verfahrensrechte (Paragraph 104, AußStrG) belehrt; er hat erklärt, „sich in diese Sache nicht aktiv einmischen zu wollen" (Protokoll ON 220). Mit Beschluss vom 2. 4. 2007 (ON 224) erteilte das Erstgericht einer Kinderpsychologin den Auftrag, binnen zehn Wochen sachverständig zu begutachten, ob ein Verbleib der Kinder beim Vater mit dem damit verbundenen Umzug nach Zürich Ende der Sommerferien 2007 oder die Übertragung der Obsorge auf die in Lissabon lebende Mutter dem Kindeswohl eher gerecht werde; falls der Umzug nach Zürich für die Kinder schädlich sei, sei auch dazu Stellung zu nehmen, welchem Elternteil „aus jetziger Sicht" des Kindeswohls die Obsorge zu übertragen sei, selbst wenn der Vater - durch einen urkundlichen Nachweis gesichert - doch in Wien bleiben wolle. Die Mutter war mit dieser Vorgangsweise ausdrücklich einverstanden (ON 222).
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig: Grundsätzlich ist die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, welchem Elternteil die Obsorge für ein Kind zukommen soll, eine Frage des Einzelfalls (vgl RIS-Justiz RS0007101), es sei denn, es wäre auf das Kindeswohl nicht ausreichend Bedacht genommen worden (RIS-Justiz RS0115719); eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG ist jedoch, ob das im Revisionsrekursverfahren an sich herrschende Neuerungsverbot (§ 66 Abs 2 AußStrG) aus Gründen des Kindeswohls im Obsorgeverfahren durchbrochen werden kann. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt im Sinne seines Aufhebungsantrags.Der Revisionsrekurs ist zulässig: Grundsätzlich ist die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, welchem Elternteil die Obsorge für ein Kind zukommen soll, eine Frage des Einzelfalls vergleiche RIS-Justiz RS0007101), es sei denn, es wäre auf das Kindeswohl nicht ausreichend Bedacht genommen worden (RIS-Justiz RS0115719); eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des Paragraph 62, Absatz eins, AußStrG ist jedoch, ob das im Revisionsrekursverfahren an sich herrschende Neuerungsverbot (Paragraph 66, Absatz 2, AußStrG) aus Gründen des Kindeswohls im Obsorgeverfahren durchbrochen werden kann. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt im Sinne seines Aufhebungsantrags.
1. Die Förderung des Wohles des Kindes ist die oberste Maxime des Kindschaftsrechts (Hopf in KBB § 137 Rz 1 mwN).1. Die Förderung des Wohles des Kindes ist die oberste Maxime des Kindschaftsrechts (Hopf in KBB Paragraph 137, Rz 1 mwN).
2. Der Oberste Gerichtshof hat deshalb schon vor Inkrafttreten des AußStrG BGBl I 2003/111 in Fragen notwendiger Verfügungen zur Sicherung des Wohles eines Kindes als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Gefährdung des Kindeswohls auf den Zeitpunkt der letztinstanzlichen Entscheidung abgestellt und alle während des Verfahrens bis dahin eingetretenen Änderungen berücksichtigt (4 Ob 133/97f mwN; siehe ferner RIS-Justiz RS0106313); er hat also auf Entwicklungen auch dann Bedacht genommen, wenn sie erst nach der Beschlussfassung einer der Vorinstanzen eingetreten sind (RIS-Justiz RS0048056; diese Praxis billigend etwa Weitzenböck in Schwimann, ABGB³ § 176 Rz 36).2. Der Oberste Gerichtshof hat deshalb schon vor Inkrafttreten des AußStrG BGBl römisch eins 2003/111 in Fragen notwendiger Verfügungen zur Sicherung des Wohles eines Kindes als maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Gefährdung des Kindeswohls auf den Zeitpunkt der letztinstanzlichen Entscheidung abgestellt und alle während des Verfahrens bis dahin eingetretenen Änderungen berücksichtigt (4 Ob 133/97f mwN; siehe ferner RIS-Justiz RS0106313); er hat also auf Entwicklungen auch dann Bedacht genommen, wenn sie erst nach der Beschlussfassung einer der Vorinstanzen eingetreten sind (RIS-Justiz RS0048056; diese Praxis billigend etwa Weitzenböck in Schwimann, ABGB³ Paragraph 176, Rz 36).
3. Lehre und Rechtsprechung haben auch für das neue Außerstreitgesetz erörtert, ob das im Revisionsrekursverfahren herrschende Neuerungsverbot (§ 66 Abs 2 AußStrG) aus Gründen des Kindeswohls im Obsorgeverfahren durchbrochen werden könne (1 Ob 46/06f; 6 Ob 183/06i [je ohne abschließende Stellungnahme]; vgl ferner zur alten Rechtslage auch RIS-Justiz RS0048056; bejahend Fucik/Kloiber, AußStrG § 66 Rz 7 [„die bisherige Rechtsprechung ... wird aber wohl aufrecht bleiben]). Dagegen soll nach Klicka (in Rechberger, AußStrG § 66 Rz 4) einer Fortschreibung der bisherigen Rechtsprechung nunmehr die gesetzliche Grundlage fehlen; Ausgleich dafür biete die Möglichkeit, einen neuen Antrag stellen zu können oder das Abänderungsverfahren gem §§ 73 ff AußStrG.3. Lehre und Rechtsprechung haben auch für das neue Außerstreitgesetz erörtert, ob das im Revisionsrekursverfahren herrschende Neuerungsverbot (Paragraph 66, Absatz 2, AußStrG) aus Gründen des Kindeswohls im Obsorgeverfahren durchbrochen werden könne (1 Ob 46/06f; 6 Ob 183/06i [je ohne abschließende Stellungnahme]; vergleiche ferner zur alten Rechtslage auch RIS-Justiz RS0048056; bejahend Fucik/Kloiber, AußStrG Paragraph 66, Rz 7 [„die bisherige Rechtsprechung ... wird aber wohl aufrecht bleiben]). Dagegen soll nach Klicka (in Rechberger, AußStrG Paragraph 66, Rz 4) einer Fortschreibung der bisherigen Rechtsprechung nunmehr die gesetzliche Grundlage fehlen; Ausgleich dafür biete die Möglichkeit, einen neuen Antrag stellen zu können oder das Abänderungsverfahren gem Paragraphen 73, ff AußStrG.
4.1. Obsorgeentscheidungen haben eine zukunftsbezogene Rechtsgestaltung zum Inhalt. Sie können nur dann sachgerecht sein, wenn sie auf einer aktuellen, bis in die jüngste Gegenwart reichenden Tatsachengrundlage beruhen (RIS-Justiz RS0106312; Weitzenböck aaO) und aufgrund einer Zukunftsprognose getroffen wurden (vgl RIS-Justiz RS0048632;Weitzenböck aaO).4.1. Obsorgeentscheidungen haben eine zukunftsbezogene Rechtsgestaltung zum Inhalt. Sie können nur dann sachgerecht sein, wenn sie auf einer aktuellen, bis in die jüngste Gegenwart reichenden Tatsachengrundlage beruhen (RIS-Justiz RS0106312; Weitzenböck aaO) und aufgrund einer Zukunftsprognose getroffen wurden vergleiche RIS-Justiz RS0048632;Weitzenböck aaO).
4.2. Der Senat hält es daher für notwendig und sachgerecht, der Maxime des Kindeswohls (§ 137 Abs 1 ABGB) im Obsorgeverfahren dadurch zu entsprechen, dass der Oberste Gerichtshof aktenkundige Entwicklungen, die die bisherige Tatsachengrundlage wesentlich verändern, - ungeachtet des im Revisionsrekursverfahren an sich herrschenden Neuerungsverbots (§ 66 Abs 2 AußStrG) - auch dann berücksichtigen muss, wenn sie erst nach der Beschlussfassung einer der Vorinstanzen eingetreten sind.4.2. Der Senat hält es daher für notwendig und sachgerecht, der Maxime des Kindeswohls (Paragraph 137, Absatz eins, ABGB) im Obsorgeverfahren dadurch zu entsprechen, dass der Oberste Gerichtshof aktenkundige Entwicklungen, die die bisherige Tatsachengrundlage wesentlich verändern, - ungeachtet des im Revisionsrekursverfahren an sich herrschenden Neuerungsverbots (Paragraph 66, Absatz 2, AußStrG) - auch dann berücksichtigen muss, wenn sie erst nach der Beschlussfassung einer der Vorinstanzen eingetreten sind.
4.3. Die gegenteilige Auffassung widerspräche nicht nur dem obersten Grundsatz der Förderung des Kindeswohls, sondern bedeutete auch eine sachlich nicht zu rechtfertigende Schlechterstellung des im Obsorgestreit in den oder einer der Vorinstanzen unterlegenen Elternteils: Das Gericht darf nämlich einen Obsorgewechsel aufgrund eines neuen Antrags nur dann anordnen, wenn ein solcher Wechsel in den Pflege- und Erziehungsverhältnissen im Interesse des Kindes dringend geboten wäre. Bei Beurteilung dieser Frage ist überdies ein strenger Maßstab anzulegen (RIS-Justiz RS0048699, RS0047841) und es darf eine Änderung der Obsorgeverhältnisse nur als äußerste Notmaßnahme angeordnet werden (RIS-Justiz RS0047841 [T10]).
5. Im Anlassfall sind beide Vorinstanzen bei ihren Entscheidungen davon ausgegangen, dass der Vater beruflich weiterhin in Wien tätig sein werde; der damit verbundene Umstand, dass dadurch den Kindern ihr gewohntes Umfeld erhalten bleibt, war die tragende Begründung dafür, dem Vater die Obsorge zuzuweisen. Noch vor der Entscheidung dritter Instanz steht nun unstrittig fest, dass diese entscheidungswesentliche Tatsachengrundlage durch eine mittlerweile eingetretene neue Entwicklung (grundsätzlich beabsichtigte Übersiedlung des Vaters nach Zürich) überholt ist. Unter diesen Umständen verlangt das Kindeswohl eine Bedachtnahme auf die im wesentlichen Punkt neue Sachlage. Die auf überholter Tatsachengrundlage beruhenden Entscheidungen der Vorinstanzen können deshalb keinen Bestand haben. Das Erstgericht wird eine neue Entscheidung nach der von ihm bereits eingeleiteten Verfahrensergänzung zu treffen haben.
Anmerkung
E843164Ob2.07h-2Schlagworte
Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inZak 2007/475 S 273 - Zak 2007,273 = EF-Z 2007/104 S 177 - EF-Z 2007,177 = EvBl 2007/139 S 775 - EvBl 2007,775 = ÖA 2007,211 K63 - ÖA2007 K63 = Jus-Extra OGH-Z 4388 = JBl 2008,38 = RZ 2007,285 EÜ483 -RZ 2007 EÜ483 = EFSlg 116.944 = EFSlg 116.948 = EFSlg 116.965 = EFSlg116.979 = EFSlg 118.838 = SZ 2007/75XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2007:0040OB00002.07H.0522.000Zuletzt aktualisiert am
23.12.2009