Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermann L*****, vertreten durch Sluka Hammerer, Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1. Karl L*****, und 2. Dr. Johannes E*****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Lirk ua Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 35.000 EUR s.A., infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 6. Dezember 2006, GZ 1 R 151/06s-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 24. Mai 2006, GZ 14 Cg 92/05z-12, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei hat den beklagten Parteien die mit 2.742,24 EUR (darin 447,04 EUR Umsatzsteuer und 60 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 3.215,11 EUR (darin 321,72 EUR Umsatzsteuer und 1.284,80 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die H***** GmbH (im Folgenden: Holding GmbH) ist Alleinaktionärin der operativ tätigen G***** AG (im Folgenden nur AG). Gesellschafter der Holding GmbH sind eine GmbH und eine Privatstiftung. Aufgrund der Beteiligungsverhältnisse in der gesamten Firmenkonstruktion steht die Hälfte des „wirtschaftlichen Eigentums" an der Holding GmbH dem Kläger und seiner Familie zu, die andere Hälfte dem Erstbeklagten. Der einzige Zweck der Holding GmbH besteht darin, die Beteiligung an der AG für beide Familienstämme zu erhalten. Der Kläger und die beiden Beklagten sind kollektiv vertretungsbefugte Geschäftsführer der Holding GmbH. Seit der Unternehmensgründung im Jahr 1924 besteht das Ziel der AG (damals eine offene Handelsgesellschaft) darin, das Unternehmen durch Sparsamkeit, Fleiß und Eigenfinanzierung aufrecht zu erhalten und auszubauen. Bis einschließlich des Geschäftsjahrs 2002/2003 wurde jeweils nur ein Teil des Bilanzgewinns der AG an die Aktionäre ausgeschüttet und der Rest auf neue Rechnung vorgetragen. In der ordentlichen Generalversammlung der Holding GmbH am 23. November 2004 erklärte der Rechtsvertreter des Klägers, dass der vom Vorstand und Aufsichtsrat der AG vorgeschlagene Ausschluss eines Teils des Jahresgewinns der AG von der Verteilung gesetzwidrig sei. In der anschließenden Hauptversammlung (HV) der AG vom selben Tag stimmten die beiden Beklagten in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer der Holding GmbH für die Ausschüttung nur eines Teils des Bilanzgewinns, der Kläger als weiterer Geschäftsführer wurde überstimmt.
Die Satzung der AG enthält zum Bilanzgewinn in ihrem § 20 folgende Regelung:
„(1) Der Vorstand hat in den ersten 5 Monaten des Geschäftsjahres den Jahresabschluss sowie den Geschäftsbericht für das vergangene Geschäftsjahr aufzustellen und dem Abschlussprüfer vorzulegen. Nach Eingang des Prüfungsberichtes sind der Jahresabschluss, der Geschäftsbericht, der Prüfungsbericht und der Vorschlag für die Verwendung des Bilanzgewinnes unverzüglich dem Aufsichtsrat vorzulegen.
(2) Die Hauptversammlung beschließt alljährlich in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahres über die Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrates, über die Verwendung des im Vorjahre erzielten Reingewinnes, über die Wahl des Abschlussprüfers und in den im Gesetz vorgesehenen Fällen über die Feststellung des Jahresabschlusses (ordentliche Hauptversammlung)".
Nach der Umgründung in die AG im Jahr 1993 wurde die Gewinnausschüttung so fortgeführt, wie zuvor in der GmbH. Der Vorstand (der Erstbeklagte war bis zum Jahr 2003 Alleinvorstand) unterbreitete zunächst dem Aufsichtsrat einen Vorschlag über die Höhe der Gewinnausschüttung, der regelmäßig vom Aufsichtsrat zustimmend übernommen und dann in der HV beschlossen wurde. Bis zum Generalversammlungsbeschluss vom 23. November 2004 waren sich die Gesellschafter der Holding GmbH über die Verwendung des Bilanzgewinns dahin einig, dass nur ein Teil des Gewinns ausgeschüttet und der Rest thesauriert wird. Der Familienstamm des Klägers hatte zwar immer wieder höhere Ausschüttungen als vom Vorstand vorgeschlagen verlangt, es wurde jedoch immer eine Einigung mit dem Erstbeklagten erzielt, insbesondere solange die AG mit hohen Umbaukosten für das Firmengebäude belastet war und eine Erhöhung des Grundkapitals anstand.
Im Geschäftsjahr 2002/2003 wurden aus dem Gewinnvortrag 1,864.149,99 EUR in Grundkapital übergeführt und das Grundkapital damit auf 6 Mio EUR erhöht. Zum 31. März 2003 betrug der Bilanzgewinn 2,638.152,81 EUR, davon 1,829.239,77 EUR Gewinnvortrag. Davon wurden 450.000 EUR an die Holding GmbH bzw. direkt an deren Gesellschafter ausgeschüttet und der Rest von 2,188.152,81 EUR auf neue Rechnung vorgetragen. Der Jahresgewinn des Geschäftsjahres 2003/2004 betrug 810.230,77 EUR, sodass der Bilanzgewinn zum 31. März 2004 2,998.383,58 EUR betrug. Davon sollten laut Vorschlag des Vorstandes der AG im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat 450.000 EUR zum 1. Dezember 2004 ausgeschüttet werden.
Erstmals in der Generalversammlung der Holding GmbH vom 23. November 2004 stellte der durch seinen Anwalt vertretene Kläger die Forderung nach Ausschüttung des gesamten Bilanzgewinns. Bis dahin hatte er jeweils zugestimmt, dass Teile des Gewinns auf neue Rechnung vorgetragen werden.
Die in der Generalversammlung vom 23. November 2004 erfolgte Abstimmung über die Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführer betreffend die in der HV der AG zu fassenden Beschlüsse ergab in drei Punkten, darunter auch zur Ergebnisverwendung des Geschäftsjahres 2003/2004, Stimmengleichheit, sodass den beiden Geschäftsführern diesbezüglich keine Weisungen erteilt werden konnten.
In der im Anschluss an die Generalversammlung abgehaltenen HV wiederholte der Rechtsanwalt des Klägers seinen Standpunkt, dass den Aktionären gemäß § 126 AktG ein voller Gewinnanspruch zustehe, welche Meinung vom Vorsitzenden Dr. Wolfgang B***** und den Aufsichtsratsmitgliedern Dkfm. M***** und Dr. W***** nicht geteilt wurde.
Bei der folgenden Abstimmung über die Ergebnisverwendung des Geschäftsjahres 2003/2004 stimmten die beiden Beklagten als Geschäftsführer der Holding GmbH (Alleinaktionärin) für die vorgeschlagene Ausschüttung von 450.000 EUR an die Holding GmbH und Vortrag des restlichen Bilanzgewinnes auf neue Rechnung, der Kläger als weiterer Geschäftsführer und Rechtsanwalt Dr. H***** als Vertreter des Treuhandaktionärs Hermann L***** stimmten dagegen, womit der Antrag mit Stimmenmehrheit angenommen war. Der Erstbeklagte, der am 23. November 2004 erstmals mit einer möglichen Gesetzwidrigkeit der nur teilweisen Gewinnausschüttung konfrontiert wurde, konnte als Kaufmann die Rechtsfrage nicht klären und verließ sich deshalb auf die übereinstimmende Meinung der rechtskundigen Aufsichtsratsmitglieder Dr. B*****, Dr. W***** und Dkfm. M*****, wonach die Rechtsansicht von Dr. H***** nicht haltbar sei. Der Erstbeklagte hätte auch keine höhere, geschweige denn eine gänzliche Gewinnausschüttung befürworten können, weil er das Geld im Unternehmen brauchte.
Auch der Zweitbeklagte, der seit Ende der 1970-er Jahre Vertrauter beider Familienstämme war, hatte keine Bedenken, für die vorgeschlagene Ergebnisverwendung zu stimmen, weil die Ausschüttung des gesamten Bilanzgewinns den ihm bekannten Intentionen der Umgründungsgesellschafter widersprochen hätte. Außerdem wurde auch er durch die Meinung der drei Aufsichtsratsmitglieder bestärkt.
Dr. H***** erklärte als Bevollmächtigter des Klägers gegen den Beschluss über die Ergebnisverwendung Widerspruch zu Protokoll. Mit Schreiben seines Vertreters vom 13. Dezember 2004 teilte der Kläger dem Rechtsvertreter der Holding GmbH mit, dass die Einbringung einer Anfechtungsklage gegen den gesetzwidrigen Gewinnausschüttungsbeschluss beabsichtigt sei. Die Holding GmbH, vertreten durch die beiden Beklagten, untersagte mit Antwortschreiben vom 15. Dezember 2004 dem Kläger eine solche Klagsführung ausdrücklich.
In der außerordentlichen Generalversammlung der Holding GmbH vom 17. Jänner 2005 wurde der Antrag des Klägers auf Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen von 2,548.383,58 EUR gegen die beiden Beklagten als Geschäftsführer wegen Vereitelung der Gewinnausschüttung der AG an die Holding GmbH mangels der erforderlichen Stimmenmehrheit abgelehnt. Zwischenzeitig wurde die Satzung der AG geändert und darin eine Ermächtigung der HV, den Bilanzgewinn von der Verteilung auszuschließen, aufgenommen.
Der Kläger begehrte mit seiner am 13. Mai 2005 beim Erstgericht eingebrachten Klage, gestützt auf Schadenersatzrecht, die Zahlung von 35.000 EUR s.A.. Die Beklagten hätten mit ihrer Abstimmung über die Gewinnverwendung in der HV vom 23. November 2004 gegen ihre Pflichten als Geschäftsführer verstoßen. Die Satzung der AG sehe keine Ermächtigung der HV vor, den Bilanzgewinn ganz oder teilweise von der Verteilung auszuschließen. Die Beklagten hätten ihre Treuepflichten als Geschäftsführer gegenüber der Holding GmbH und deren Gesellschafter verletzt. Der einzige Zweck dieser Gesellschaft bestehe im Halten der Beteiligung an der AG für deren Gesellschafter in der Absicht, Gewinne zu erzielen. Der Holding GmbH sei ein Schaden in der Höhe der dadurch entgangenen Dividende von 2,548.383,58 EUR entstanden. Der Kläger mache vorerst nur einen Teilbetrag von 35.000 EUR geltend.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Nach den Geschäftsprinzipien der AG werde stets ein maßgeblicher Teil des Gewinns thesauriert und nicht ausgeschüttet. Bis zum Jahr 2004 hätten die Repräsentanten beider Familienstämme den Gewinnverteilungsbeschlüssen zugestimmt. Der Kläger habe es verabsäumt, den nun bekämpften HV-Beschluss anzufechten, sodass eine allenfalls dem § 126 AktG widersprechende Beschlussfassung geheilt sei. Die Beklagten hätten als Geschäftsführer pflichtgemäß im Interesse der Gesellschaft gehandelt. Dadurch sei ein nachhaltiger Geschäftserfolg der AG gesichert worden, was im Hauptinteresse der Beteiligungsgesellschaft liege. Überdies fehle es am Eintritt eines Schadens, weil der Gewinnanspruch der Holding GmbH gegenüber der AG weiterhin bestehe. Bei der vom Kläger verlangten Ausschüttung wäre auch der Beteiligungswert der Holding GmbH an der AG gesunken. Die Thesaurierung sei bilanziell neutral und keinesfalls schädlich.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den im Wesentlichen schon wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich dahin, dass die Klagelegitimation des Klägers gemäß § 48 GmbHG gegeben sei. Der Einwand, der Kläger hätte eine Anfechtungsklage gegen den Gewinnausschüttungsbeschluss einbringen müssen, sei nicht berechtigt, weil die Holding GmbH als Treugeberin dem Kläger, der nur Treuhandaktionär sei, die Einbringung einer Anfechtungsklage untersagt habe. Mangels vorwerfbaren Verschuldens der Beklagten bestehe aber kein Schadenersatzanspruch. Es sei von der Unternehmensphilosophie der Umgründungsgesellschafter auszugehen. Danach sollten Teile des Bilanzgewinns auf neue Rechnung vorgetragen werden, um dem Unternehmen ausreichend Eigenkapital zur Verfügung zu stellen. In der HV der AG sei offenbar lediglich übersehen worden, dass die Ermächtigung der HV zur Beschränkung der Gewinnausschüttung nicht in der Satzung aufscheine. Die Gewinnthesaurierungspolitik sei über viele Jahre fortgeführt worden. Wenn nun nach erstmaliger Forderung des Klägers nach Ausschüttung des gesamten Bilanzgewinns die Beklagten als Geschäftsführer der reinen Holdinggesellschaft nur für die teilweise Ausschüttung des Gewinns gestimmt hätten, sei darin keine Pflichtverletzung zu erblicken. Die Beklagten seien der GmbH und nicht den einzelnen Gesellschaftern verpflichtet gewesen. Vorrangiges Interesse der Holding GmbH als einziger Aktionärin der AG hätte es sein müssen, die Leistungsfähigkeit und Finanzkraft der AG zu erhalten, was bei gänzlicher Gewinnausschüttung nicht gewährleistet gewesen wäre. Dass der Kläger und seine Familie andere Interessen verfolgten, mache das Abstimmungsverhalten der Beklagten nicht pflichtwidrig.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und dem Klagebegehren statt. Es führte in rechtlicher Hinsicht zusammengefasst Folgendes aus:
Zufolge § 126 AktG beschließe die HV alljährlich über die Verteilung des Bilanzgewinns. Die HV sei an den vom Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrats festgestellten Jahresabschluss gebunden, könne jedoch den Bilanzgewinn ganz oder teilweise von der Verteilung ausschließen, soweit sie aufgrund der Satzung hiezu ermächtigt sei. Die HV könne daher nur auf satzungsmäßiger Grundlage die Gewinnausschüttung an die Aktionäre ganz oder teilweise unterbinden. Auch ein Gewinnvortrag auf neue Rechnung sei ohne satzungsmäßige Grundlage unzulässig. Der Gewinnanspruch könne dem Aktionär nur mit seiner Zustimmung genommen werden. Es sei unerheblich, wenn schon früher Beschlüsse satzungswidrig gefasst und diese damals von den Aktionären nicht angefochten worden seien. Gewinnverwendungsvorschriften müssten in der Satzung deutlich formuliert sein. Formulierungen wie „Die Hauptversammlung beschließt über die Verteilung (Verwendung) des Bilanzgewinns" seien keine Gewinnverwendungsvorschriften, weil sie lediglich im Wesentlichen die gesetzliche Regelung wiedergeben würden. Die hier zu beurteilende Satzung der AG enthalte keine Ermächtigung der HV zur freien Verfügung über den Bilanzgewinn. Die Satzung der AG stehe dem Vollausschüttungsgebot des § 126 Abs 3 AktG nicht entgegen. Das Erstgericht habe auch zutreffend die Klagelegitimation des Klägers nach § 48 GmbHG bejaht, zumal die Holding GmbH als Treugeber die Weisung gegeben habe, den HV-Beschluss nicht anzufechten.
Es sei daher zu prüfen, ob die Beklagten als Geschäftsführer der Holding GmbH durch ihr Abstimmungsverhalten in der HV der AG pflichtwidrig gehandelt hätten. Geschäftsführer seien gemäß § 25 Abs 1 und 2 GmbHG gegenüber der Gesellschaft verpflichtet, bei der Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns anzuwenden. § 25 GmbHG enthalte einen allgemeinen Auffangtatbestand für alle Pflichtverletzungen und bestimme den objektiven Sorgfaltsmaßstab. Zu den Pflichten des Geschäftsführers gehöre es, das Unternehmen unter Beachtung aller maßgebenden Rechtsvorschriften zu leiten. Der Geschäftsführer sei verpflichtet, den Vorteil der Gesellschaft zu wahren und Schaden von ihr abzuwenden. Ihn treffe eine Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschaftern. Die Verletzung der Sorgfaltspflicht mache schadenersatzpflichtig. Nachdem der Rechtsvertreter des Klägers in der vor der HV stattfindenden Generalversammlung der Holding GmbH die Forderung nach der Ausschüttung des gesamten Bilanzgewinns der AG gestellt habe, hätten die Beklagten - mangels entgegenstehender Ermächtigung der HV in der Satzung - dem Vollausschüttungsgebot entsprechen müssen und keinen Grund zur Anfechtung des HV-Beschlusses iSd § 195 AktG liefern dürfen. Die Beklagten hätten fachkundigen Rat einholen müssen und zwar nicht nur primär bei rechtskundigen Aufsichtsratsmitgliedern, sondern auch bei neutralen Fachleuten, zumal in der Generalversammlung zwei diametral entgegengesetzte Rechtsansichten vertreten worden seien. Die Beklagten hätten als Geschäftsführer der Holding GmbH in der HV der AG die Vollausschüttung des Bilanzgewinns beschließen können. Durch ihr ohne entsprechende Weisung gegen § 126 Abs 3 AktG verstoßendes Abstimmungsverhalten sei ein Nachteil der Holding GmbH durch haftungsbegründende Pflichtverletzung eingetreten. Schaden sei gemäß § 1293 erster Satz ABGB jeder Nachteil, welcher jemand an Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt werde. Jede Vermögensveränderung sei als Nachteil anzusehen, der kein volles Äquivalent gegenüberstehe. Der unmittelbaren Verfügung über einen präsenten Bargeldbetrag könne eine gleich hohe Geldforderung (gemeint: am vorgetragenen Gewinn) nicht gleichgehalten werden, weil die Forderung mit dem Risiko der Einbringlichkeit bzw. der Rechtsverfolgung behaftet sei. Ein entsprechender Gewinnanspruch der Holding GmbH gegenüber der AG als Forderung sei daher kein Äquivalent, weil sie erst bei der nächsten Gewinnverteilung geltend gemacht werden könnte. Ob dann wieder ein Anspruch in derselben Höhe bestehe, hänge von der Entwicklung der AG im nächsten Geschäftsjahr ab. Durch die Vollausschüttung des Bilanzgewinns sei der Holding GmbH mangels präsenten Bargeldbetrags ein Schaden entstanden.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil weder zu § 126 Abs 3 AktG noch zur Geschäftsführerhaftung bei einer vergleichbaren Sachverhaltskonstellation oberstgerichtliche Judikatur vorliege.
Mit ihrer Revision beantragen die Beklagten die Abänderung dahin, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt werde, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag zur Verfahrensergänzung gestellt.
Der Kläger beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig und berechtigt:
Rechtliche Beurteilung
I. Zur Klagelegitimation des klagenden Minderheitsgesellschafters der Holding GmbH:römisch eins. Zur Klagelegitimation des klagenden Minderheitsgesellschafters der Holding GmbH:
Der Kläger stützt seine gegen die Geschäftsführer der Holding GmbH (Muttergesellschaft) gerichtetes Schadenersatzbegehren auf ein gegen die Bestimmung des § 126 Abs 3 AktG verstoßendes Abstimmungsverhalten der Beklagten in der HV der Tochter AG vom 23. November 2004. Der behauptete Schaden bestehe in der herbeigeführten Thesaurierung des Bilanzgewinns. Zur Verfolgung dieses Schadens, der der GmbH infolge Entziehung des zur Verteilung an die Gesellschafter bestimmten Bilanzgewinns entstanden sein soll, ist der Minderheitsgesellschafter gemäß § 48 Abs 1 GmbHG legitimiert. Nach den getroffenen Feststellungen wurde in der außerordentlichen Generalversammlung der Holding GmbH ein Antrag des Klägers auf Anfechtung des HV-Beschlusses mangels erforderlicher Stimmenmehrheit abgelehnt. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die unterlassene Anfechtung der Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs nicht entgegensteht, trifft zu.
II. Mit dem HV-Beschluss der AG vom 23. November 2004, womit beschlossen wurde, dass vom Bilanzgewinn zum Stichtag 31. März 2004 von 2,998.383,58 EUR (bestehend aus dem Gewinnvortrag aus den Vorjahr und dem Jahresgewinn) nur 450.000 EUR ausgeschüttet und der Rest als Gewinnvortrag fortgeschrieben wird, hat die durch die beiden Beklagten vertretene Alleinaktionärin die Bindungswirkung des § 126 Abs 3 AktG verletzt:römisch II. Mit dem HV-Beschluss der AG vom 23. November 2004, womit beschlossen wurde, dass vom Bilanzgewinn zum Stichtag 31. März 2004 von 2,998.383,58 EUR (bestehend aus dem Gewinnvortrag aus den Vorjahr und dem Jahresgewinn) nur 450.000 EUR ausgeschüttet und der Rest als Gewinnvortrag fortgeschrieben wird, hat die durch die beiden Beklagten vertretene Alleinaktionärin die Bindungswirkung des § 126 Abs 3 AktG verletzt:
1. Wenn der Aufsichtsrat einer AG - wie hier - den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluss billigt, ist dieser festgestellt (§ 125 Abs 2 AktG). An den festgestellten Jahresabschluss ist die HV gebunden (§ 126 Abs 3 erster Satz AktG). Sie muss bei ihrer Entscheidung über die Gewinnverwendung von dem im Jahresabschluss ausgewiesenen Bilanzgewinn ausgehen (Strasser in Jabornegg/Strasser, AktG4, § 125 Rz 20). Auch die Verwaltung der AG unterliegt dieser Bindungswirkung. Sie kann den von ihr festgestellten Jahresabschluss nicht willkürlich, sondern höchstens aus einem für die Gesellschaft wichtigen Grund abändern (Strasser aaO Rz 20 und 23).
2. Die Bildung von Rücklagen, auch freien Rücklagen (§ 224 Abs 3 HGB) fällt in die Kompetenz des Vorstands und des Aufsichtsrats der AG bei der Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses (Artmann in Jabornegg/Strasser, AktG4, § 53 Rz 2; Jabornegg, HGB, § 229 Rz 26; Nowotny in Straube, HGB II², § 222 Rz 3; Gassner/Hofians in Straube, HGB II², § 229 Rz 27). Die Rücklagenbildung durch den Vorstand entspricht der historischen Rechtslage in Deutschland (dAktG 1937) und unterscheidet sich von der nun in Deutschland geltenden Rechtslage erheblich. Der deutsche Gesetzgeber hat im Wege einer Kompromisslösung das freie Ermessen des Vorstands zur Rücklagenbildung beschränkt (§ 58 dAktG; zur deutschen Rechtsentwicklung Bayer in Münchener Kommentar zum AktG, § 58 Rz 14 - 16).
3. Wenn der Vorstand von seinem Recht auf Rücklagenbildung (nach Gassner/Hofians aaO besteht freies Ermessen) nicht Gebrauch macht und einen Gewinnvortrag und den Jahresgewinn in den Bilanzgewinn einstellt, ist nach Feststellung des Jahresabschlusses bindend festgelegt, dass der Bilanzgewinn an die Aktionäre zu verteilen ist. Bilanzgewinn ist der im festgestellten Jahresabschluss ausgewiesene Betrag (§ 224 Abs 3 A. IV. HGB; Strasser aaO § 126 Rz 6 und 14; Gruber in Doralt/Nowotny/Kalss, Kommentar zum AktG II, § 126 Rz 8). Die HV darf ohne satzungsmäßige Grundlage den Bilanzgewinn weder ganz noch teilweise von der Verteilung ausschließen (Artmann aaO § 53 Rz 6), auch nicht im Wege eines Gewinnvortrags auf neue Rechnung (Strasser aaO § 126 Rz 19 mwN). Der Anspruch des Aktionärs auf Verteilung des gesamten Gewinns entspricht dem Vollausschüttungsgebot im GmbH-Recht, sofern in der Satzung nicht anderes vorgesehen ist (§ 82 Abs 1 GmbHG; Koppensteiner, GmbH-Gesetz², § 82 Rz 10 und § 35 Rz 13; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht I², Rz 3/196).
4. Entgegen dem Revisionsvorbringen normiert § 20 der Satzung der AG keine Kompetenz der HV zum gänzlichen oder teilweisen Ausschluss des Bilanzgewinns von der Verteilung iSd § 126 Abs 3 zweiter Satz AktG:
Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass Gewinnverwendungsvorschriften wie grundsätzlich alle korporative Satzungsbestimmungen deutlich formuliert sein müssen und dass im vorliegenden Fall die gewählte Formulierung nicht über den Text der gesetzlichen Regelung (hier § 126 Abs 1 AktG) hinausgeht, also nur auf die Kompetenz der HV zur Verteilung des im Jahresabschluss ausgewiesenen Bilanzgewinns verweist und deshalb nicht iS einer Ermächtigung nach Abs 3 leg. cit. ausgelegt werden kann. Satzungsbestimmungen, die die Kompetenzen von Organen der Gesellschaft verschieben, sind nach ihrem Wortlaut und Zweck in ihrem systematischen Zusammenhang objektiv auszulegen (RIS-Justiz RS0108891). Dass nach diesen Kriterien mit dem § 20 Abs 1 der Satzung der AG auf die Vorstandspflicht des § 127 Abs 1 AktG, mit § 20 Abs 2 der Satzung aber auf die Gewinnverteilung durch die HV iSd § 126 Abs 1 AktG verwiesen wird, liegt auf der Hand. Für eine Auslegung in Richtung einer Ermächtigung der HV iSd § 126 Abs 3 AktG vermögen die Revisionswerber keine Sachargumente aufzuzeigen.
5. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die beiden beklagten Geschäftsführer der Alleinaktionärin der AG durch die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns in der HV vom 23. November 2004 die Kompetenz der von ihnen vertretenen Holding GmbH überschritten und einen gegen § 126 Abs 3 AktG verstoßenden HV-Beschluss gefasst haben.
6. § 126 Abs 3 AktG ist allerdings nicht zwingendes Recht:
Die Verletzung gesetzlicher Verteilungsvorschriften macht den HV-Beschluss noch nicht absolut nichtig, sondern bloß anfechtbar (Gruber § 126 Rz 19; Strasser aaO § 126 Rz 18). Zur Anfechtung wegen Verletzung einer Gesetzesvorschrift (§ 195 Abs 1 AktG) ist jeder in der HV erschienene Aktionär legitimiert (§ 196 Abs 1 AktG). Schon daraus ergibt sich aber für den Fall, dass alle Aktien der AG von einem Alleinaktionär gehalten werden, die Sanktionslosigkeit des Gesetzesverstoßes, wie dies auch für den Fall gilt, dass sämtliche Aktionäre in der HV einen einstimmigen, vom Jahresabschluss des Vorstands abweichenden Gewinnverteilungsbeschluss fassen (Artmann aaO § 53 Rz 6). Ein Verstoß gegen § 126 Abs 3 AktG kann also durch einen einstimmigen Aktionärsbeschluss geheilt werden. Wegen dieses Umstands allein ist aber das auf Schadenersatzrecht gestützte Klagebegehren noch nicht zum Scheitern verurteilt, weil es zur Beurteilung des Klageanspruchs aus noch zu erläuternden Gründen auf die Verhältnisse in der Muttergesellschaft, die dort gegebenen Machtverhältnisse und auf einen allenfalls von den beklagten Geschäftsführern ausgeübten Machtmissbrauch ankommt.
III. Im Gewinnvortrag anstelle der nach § 126 Abs 3 AktG gebotenen Vollausschüttung liegt grundsätzlich ein ersatzfähiger Schaden der Holding GmbH (der Alleinaktionärin):römisch III. Im Gewinnvortrag anstelle der nach § 126 Abs 3 AktG gebotenen Vollausschüttung liegt grundsätzlich ein ersatzfähiger Schaden der Holding GmbH (der Alleinaktionärin):
1. Vorauszuschicken ist, dass der Zweck einer Beteiligungsgesellschaft - wohl unstrittig - in der Erwirtschaftung eines Gewinns zugunsten der Gesellschafter liegt. Auch die Thesaurierung von Gewinnen der Tochter AG dient der Gewinnerzielung, nämlich künftiger Gewinne durch Erhaltung und Ausbau der Eigenkapitalkraft, worauf die Beklagten grundsätzlich richtig hinweisen. Ob Gewinne thesauriert oder ausgeschüttet werden, ist eine unternehmerische Entscheidung, die nach den bisherigen Ausführungen vom Vorstand der Tochter AG oder eben der Alleinaktionärin (durch Weisung an den Vorstand oder durch HV-Beschluss) getroffen werden kann. Wenn die Entscheidung allerdings vom Vorstand der AG bereits iS einer Gewinnausschüttung gefallen ist, hat die Mutter GmbH Anspruch auf Ausschüttung im Verhältnis ihrer Beteiligung (hier 100 %), also auf Barauszahlung. Eine Thesaurierung durch Rücklagenbildung oder Gewinnvortrag stellt demgegenüber einen wirtschaftlichen Nachteil dar, der nach dem weiten Schadensbegriffs des § 1293 ABGB ersatzfähig sein kann, wie das Berufungsgericht richtig feststellte.
2. Schaden ist jeder Zustand, an dem ein geringeres rechtliches Interesse als am bisher bestehenden Zustand (RIS-Justiz RS0022537). Nachteil am Vermögen ist jede Minderung, der kein volles Äquivalent gegenübersteht (1 Ob 653/92 uva). Diese Grundsätze wurden vor allem in den Fällen der Rückabwicklung (Zahlung einer Nichtschuld: 1 Ob 533/92) oder eines Schadenersatzanspruchs gegenüber einem subsidiär Haftenden (9 ObA 2300/96t = SZ 70/104) vertreten und ein Schaden schon bejaht, obwohl die Uneinbringlichkeit der Rückersatzforderung bzw. Forderung keineswegs schon endgültig feststand. Der in zahlreichen Entscheidungen vertretene Leitsatz lautet:
Der Schaden (die Vermögensminderung) tritt nicht erst mit der endgültigen Uneinbringlichkeit einer Rückersatzforderung ein, sondern schon mit der (durch den Schadenersatzpflichtigen veranlassten) Leistung der nicht geschuldeten Zahlung, wenn der zur Rückzahlung Verpflichtete nicht bereit bzw. nicht in der Lage ist, seiner Verpflichtung nachzukommen; eine Geldforderung ist etwas anderes als der Besitz eines Geldbetrags (RIS-Justiz RS0022602). Die Revisionswerber wenden sich wegen Unvergleichbarkeit der Sachverhalte gegen die Anwendung dieser Grundsätze und vertreten den Standpunkt, dass hier der Alleinaktionärin (der GmbH) durch die vom Kläger bekämpfte Thesaurierung des Bilanzgewinns anstelle der Ausschüttung kein Schaden entstanden sei, weil der Gewinnanspruch der Alleinaktionärin bestehen bleibe und erst später (im Folgejahr) ausgeschüttet werden könne. Eine Vermögensminderung im Vermögen der Holding GmbH sei nicht eingetreten, weil der Verlust am Eigentum „oben/in der Mutter" durch die Erhöhung des Werts der Beteiligung an der Tochter aufgewogen werde, wie dies in den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 4/01h, 6 Ob 5/01f und 6 Ob 81/02h ausgesprochen worden sei. Dem ist Folgendes zu entgegnen:
Es macht schadenersatzrechtlich einen Unterschied, ob ein Geldanspruchsberechtigter über das Bargeld frei verfügen kann oder aber bloß eine Forderung in gleicher Höhe hat. Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach ausgesprochen, dass der unmittelbaren Verfügung über einen präsenten Bargeldbetrag eine gleichhohe Geldforderung grundsätzlich schon deshalb nicht gleichgehalten werden kann, weil sie mit dem Risiko der Einbringlichkeit bzw. der Rechtsverfolgung belastet ist (9 Ob 43/00i mwN; SZ 70/104 mwN). Der in der Entscheidung SZ 70/104 zu beurteilen gewesene Fall ist durchaus vergleichbar, macht es doch beim Vergleich eines präsenten Bargeldbetrags mit der gleich hohen Geldforderung keinen Unterschied, ob ein primär Haftpflichtiger zur Geldleistung nicht bereit oder nicht imstande ist oder ob dies - wie hier - beim alleinigen Geldleistungspflichtigen der Fall ist. Insoweit die Revisionswerber die vom Berufungsgericht angenommene Gefahr der Uneinbringlichkeit der Gewinnansprüche (etwa wegen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der AG) als hypothetisch bezeichnen, weiters auf eine Zeugenaussage über erfolgte Rücklagen in der Höhe des nicht ausgeschütteten Gewinns und auf eine Zahlungsbereitschaft der AG gegenüber der Holding GmbH verweisen, ist ihnen nicht nur das von den allgemeinen Marktbedingungen abhängige Unternehmerrisiko, sondern vor allem die nach den Feststellungen und dem Prozessvorbringen der Beklagten feststehende fehlende Leistungsbereitschaft zu einer Vollausschüttung des Bilanzgewinns entgegenzuhalten. Denn es ist doch das erklärte Ziel der 50 % Gesellschaftergruppe der Holding GmbH, so wie bisher einen Großteil der Gewinne nicht auszuschütten, wie dies nicht zuletzt aus der nachträglichen Satzungsänderung über die Ermächtigung der HV iSd § 126 Abs 3 AktG hervorgeht. Es ist daher die durch die zitierte oberstgerichtliche Rsp gedeckte Rechtsansicht des Berufungsgerichts zu bestätigen, dass die Nichtausschüttung des Bilanzgewinns trotz weiterhin bestehender Gewinnansprüche der Holding GmbH infolge Gewinnvortrags einen ersatzfähigen Schaden bildet. An dieser Beurteilung vermögen die zitierten, zur Einbringung eines Betriebs als Sacheinlage in eine neu gegründete Gesellschaft mbH ergangenen Entscheidungen des 6. Senats nichts zu ändern. Dort wurde zwar wegen unentgeltlicher Gewährung von Geschäftsanteilen an der neu gegründeten GmbH ausgesprochen, dass die Aufgabe des Eigentums am eingebrachten Betrieb durch die Erhöhung des Werts der Beteiligung an der übernehmenden Gesellschaft ausgeglichen wird. Ein Einlagenrückgewähr erfolgt dadurch nicht. Den Gläubigern wird weder Haftungsvermögen noch der Schuldner entzogen (RIS-Justiz RS0115150). Aus dieser Begründung ist jedoch klar der Unterschied zum hier zu beurteilenden Fall ersichtlich, dass nämlich bei der Beurteilung einer unzulässigen Einlagenrückgewähr (§ 82 Abs 1 GmbHG) zur Sicherung der Gläubigerinteressen nur eine reale Vermögensminderung entscheidungswesentlich sein kann. Durch die Einbringung eines Betriebs in eine 100 %-ige Tochtergesellschaft ändert sich an der Vermögenslage des Schuldners nichts. Die Zugriffsmöglichkeiten der Gläubiger bleiben unverändert. Die Einbringung ist für sie kein Nachteil. Hingegen wird durch das Thesaurieren von Bilanzgewinnen dem ausschüttungsberechtigten Gesellschafter die Zugriffsmöglichkeit allenfalls auf unabsehbare Zeit jedenfalls aber die Durchsetzung seines Geldanspruchs zumindest auf einige Zeit und immer mit der Gefahr eines endgültigen Verlusts infolge schlechter Unternehmensentwicklung entzogen. Dass schon allein die Entziehung der Zugriffsmöglichkeit einen ersatzfähigen Schaden darstellt, wurde schon erläutert.
Schadenersatz setzt Rechtswidrigkeit und Kausalität des schädigenden Verhaltens sowie Verschulden des Täters voraus. Zu diesen Voraussetzungen ist hier Folgendes auszuführen:
IV. Zur Rechtswidrigkeit und zum Verschulden von Geschäftsführern bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen und satzungsgemäßen Aufgaben:römisch IV. Zur Rechtswidrigkeit und zum Verschulden von Geschäftsführern bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen und satzungsgemäßen Aufgaben:
1. Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt darin, dass trotz gegebener Pattsituation der Machtverhältnisse in der Holding GmbH aufgrund der 50 : 50 Beteiligung der beiden Familiengruppen, die Entscheidungsgewalt (wirtschaftliche Macht) dennoch bei der für die Thesaurierung der Gewinne eintretenden Gesellschaftergruppe liegt, weil ihren Intentionen die beiden beklagten Geschäftsführer folgten (folgen), wogegen der nur kollektivvertretungsbefugte Kläger nicht auftreten kann. Derart hat es die Gesellschaftergruppe in der Hand, nicht nur über die Gewinnverteilung in der Tochter AG zu verfügen, sie kann auch in der HV über die beiden Geschäftsführer, die Vertreter der Alleinaktionärin sind, jederzeit alle wichtigen Entscheidungen treffen und sogar Änderungen der Satzung der AG beschließen. Zu fragen ist daher, inwieweit die Beklagten verpflichtet sind, die Gesellschafterinteressen auch der anderen Gesellschaftergruppe zu wahren und worin eine Verletzung von Geschäftsführerpflichten liegen sollte. Entscheidend sind also die Verhältnisse in der Holding GmbH.
2. Die GmbH ist als juristische Person (§ 61 Abs 1 GmbHG) gegenüber ihren Gesellschaftern verselbständigt (Trennungsgrundsatz). Das Innenverhältnis, also ihre Beziehungen zu den Gesellschaftern, die Beziehung der Gesellschafter untereinander, die Rechtsstellung der Organe und die Organisation der Willensbildungsprozesse unterliegen nur wenigen zwingenden Gesetzesregeln (Koppensteiner aaO Allg Einl Rz 6). Zwingende Gesetzesbestimmungen bestehen vor allem zugunsten der Gläubiger der Gesellschaft. Beispielsweise hätten also hier in die Satzung der Holding GmbH bindende Bestimmungen über die Gewinnverteilung aufgenommen werden können.
3. Die Befugnisse von Geschäftsführern einer GmbH unterliegen nicht nur satzungsmäßigen Beschränkungen, sie haben auch Weisungen der Gesellschafter oder des Aufsichtsrats zu befolgen (§ 20 Abs 1 GmbHG). Vor Maßnahmen, die nach dem Gesetz der Beschlussfassung der Gesellschafter unterliegen (§ 35 Abs 1 GmbHG), muss deren Zustimmung eingeholt werden. Dazu gehören nach überwiegender Auffassung auch außergewöhnliche Geschäfte (Koppensteiner aaO § 20 Rz 4 mwN aus Lehre und Rsp). Strittig ist, ob die Grundsätze der Geschäftspolitik von den Geschäftsführern einer GmbH formuliert und festgelegt werden dürfen. Jedenfalls obliegt diese Frage aber den Geschäftsführern, wenn und soweit sich die Gesellschafter nicht äußern (Koppensteiner aaO). Die Frage, ob und in welchem Ausmaß Jahresgewinne (samt Gewinnvorträgen aus Vorjahren) ausgeschüttet oder Rücklagen gebildet werden sollen, gehört - wie schon ausgeführt - zum Aufgabenbereich des Vorstands einer AG, aber auch des Geschäftsführers einer GmbH bei der Aufstellung des Jahresabschlusses. Eine Thesaurierung könnte aber allenfalls dann als außergewöhnliche Maßnahme qualifiziert werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls keine sachlichen unternehmensbezogenen Argumente gegen eine Gewinnausschüttung vorliegen. Selbst wenn ein solcher, hier nicht festgestellter Sachverhalt vorliegen sollte, wäre damit allein aber noch nichts für den Standpunkt des Klägers gewonnen, weil eine Pflichtverletzung der Geschäftsführer der GmbH bei außergewöhnlichen Maßnahmen der Geschäftspolitik ja voraussetzte, dass sich die Geschäftsführer über einen deklarierten Willen der Gesellschafter hinwegsetzten. Dies ist aber bei der gegebenen Pattsituation in den Gesellschafterverhältnissen nicht der Fall, mussten sich doch die beklagten Geschäftsführer bei unentschiedenem Meinungsstand der Gesellschafter mit jeder Geschäftsführerentscheidung ins Unrecht setzen, also auch bei einer Entscheidung zugunsten einer Vollausschüttung des Bilanzgewinns. Mangels wirksamer Weisung durch eine Gesellschaftermehrheit fiel die strittige Frage in die Geschäftsführerkompetenz. Der Schadenersatzanspruch des Klägers kann daher nicht auf eine Überschreitung der Geschäftsführerzuständigkeit sondern nur auf eine - wirtschaftlich betrachtet - evident unrichtige Sachentscheidung gestützt werden, die aber nicht schon dann vorliegt, wenn das Unternehmen (die AG) zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Gewinnverteilung eine Stärkung seiner Kapitalkraft nicht unbedingt benötigte, weil es grundsätzlich eine Frage der Geschäftspolitik ist, ob und aus welchen Zweckmäßigkeitsgründen Gewinne thesauriert oder an die Gesellschafter ausgeschüttet werden sollen. Wenn daher die beklagten Geschäftsführer aufgrund der gegebenen Gesellschafterverhältnisse nur eine Entscheidung fassen konnten, die zwangsläufig nur von der Hälfte der Gesellschafter gedeckt wird, ist ihnen allein daraus weder ein rechtswidriges noch ein schuldhaftes Verhalten anzulasten.
4. Anderes könnte nur für den Fall eines Rechtsmissbrauchs gelten:
Missbrauch der Geschäftsführungsbefugnis und der Vertretungsmacht liegt vor, wenn ein Geschäftsführer bewusst zum Nachteil der Gesellschaft oder der Gesellschafter handelt, beispielsweise sein Handelns also von der Absicht getragen ist, einem Minderheitsgesellschafter (hier sogar einer 50 % Gesellschaftergruppe) einen Schaden zuzufügen. Ein im § 254 dAktG normiertes sogenanntes „Aushungerungsverbot", worunter die Verhinderung von (Mindest-)Ausschüttungen durch den Mehrheitsaktionär zu verstehen ist, kennt weder das österreichische Aktienrecht noch das GmbH-Recht. Langanhaltende gänzliche oder überwiegende Thesaurierungen sind allerdings unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs zu beurteilen, insbesondere wenn betriebswirtschaftlich Rücklagenbildungen oder Gewinnvorträge nicht erforderlich oder zweckmäßig sind, sodass iSd stRsp der Schädigungszweck und die unlauteren Motive der Rechtsausübung ganz augenscheinlich im Vordergrund stehen (zum Schikaneverbot des § 1295 Abs 2 ABGB: SZ 69/289 u.a., RIS-Justiz RS0026271). In der Entscheidung 1 Ob 562/92 = SZ 65/76 wurde ein gesellschaftsrechtlicher Missbrauch bei folgendem Sachverhalt bejaht: Missbrauchen Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft einer GmbH & Co KG ihre Organstellung, indem sie die KG bewusst als Abschreibungsgesellschaft verwenden, um durch die Verluste der KG die Steuerlast für ihre Gewinne aus anderen Einkünften zu mindern, steht aber diese Möglichkeit einem Kommanditisten, der nicht Gesellschafter der GmbH ist, nicht offen, liegt bei zumindest bedingtem Vorsatz dieser Geschäftsführer sittenwidrige, zum Ersatz verpflichtende Vermögensschädigung vor.
5. Auf einen gesellschaftsrechtlichen Missbrauch iSd § 1295 Abs 2 ABGB hat der Kläger sein Schadenersatzbegehren aber nicht gestützt. Mit dem Vorbringen im Verfahren erster Instanz wurde kein ausreichender Sachverhalt in Richtung einer schikanösen Ausübung der Geschäftsführerbefugnisse releviert. Dazu hätte es über den Vorwurf der Gesetzesverletzung (§ 126 Abs 3 AktG) hinaus eines konkreten Sachverhaltsvorbringens zum Schädigungsvorsatz und zu unlauteren Motiven der Beklagten bei ihrem Stimmverhalten bedurft. Selbst eine einseitige Bevorzugung einer der beiden Gesellschaftergruppen in der Frage der Ausschüttung oder Thesaurierung des Bilanzgewinns reicht für die Bejahung eines Rechtsmissbrauchs aus den schon erläuterten Gründen nicht aus.
Es ist daher der Revision der Beklagten Folge zu geben und das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren in zweiter und dritter Instanz beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E84484European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2007:0030OB00059.07H.0523.000Im RIS seit
22.06.2007Zuletzt aktualisiert am
18.11.2010