TE OGH 2007/5/30 7Ob61/07g

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Veröffentlicht am 30.05.2007
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Michael K*****, vertreten durch Mag. Werner Hauser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A*****-AG, *****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 77.245,61 sA, jährlicher Rente von EUR 18.894,94 und Feststellung, über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 29. November 2006, GZ 4 R 102/06h-37, mit dem das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 27. März 2006, GZ 14 Cg 60/05s-33, infolge Berufung des Klägers teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Teilurteil und der damit bestätigte Teil des Ersturteils werden aufgehoben. Die Rechtssache wird auch in diesem Umfang zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger hat bei der Beklagten eine Er- und Ablebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung ab 1. 1. 1998 abgeschlossen, der unter anderem die „Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung" der Beklagten zugrundeliegen. Im schriftlichen Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrages vom 5. 12. 1997 verneinte der Kläger die Frage „Leiden oder litten Sie bisher an Krankheiten, Störungen oder Beschwerden? (zB Herz oder Kreislauf, Bluthochdruck, Atmungs-, Verdauungs-, Harn- oder Geschlechtsorgane; Leber, Gehirn, Rückenmark, Depressionen, Nerven, Sucht, Augen, Ohren, Haut, Allergieen, Knochen, Gelenke, Drüsen, Milz, Blut, Gicht, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, Geschwülste, Rheumatismus, Wirbelsäule, Infektionskrankheiten?)", obwohl er zumindest im Zeitraum August bis November 1997 an Schmerzen im rechten Arm litt und zumindest im Herbst 1997 aufgrund eines Carpaltunnelsyndroms Beschwerden hatte, wegen der er auch in ärztlicher Behandlung stand. Sowohl gegenüber einem Außendienstmitarbeiter der Beklagten als auch dem von der Beklagten mit seiner Untersuchung beauftragten Arzt, der ihn am 20. 1. 1998 untersuchte, verschwieg der Kläger bewusst die Beschwerden aufgrund des Carpaltunnelsyndroms und deren Behandlung sowie Beschwerden aufgrund einer Epicondylitis (Tennisarm). Hätte die Beklagte gewusst, dass der Kläger zumindest noch knapp bis vor Antragstellung an einer Epicondylitis gelitten hatte, hätte sie die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht abgeschlossen.

Am 10. 4. 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten, der er schon am 4. 3. 2002 mitgeteilt hatte, nach einem Schiunfall Beschwerden zu haben, eine Versicherungsleistung wegen Berufsunfähigkeit. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 26. 7. 2002 eine Versicherungsleistung ab und wies den Kläger darauf hin, dass er innerhalb eines Jahres nach Zugang des Schreibens Klage erheben und nach Ablauf dieser Frist den Anspruch nicht mehr geltend machen könne. Die Zusatzversicherung werde mit sofortiger Wirkung aus dem Vertrag ausgeschlossen. Am 4. 7. 2003 nahm die Beklagte die Auflösung des Versicherungsvertrags zurück und kündigte eine neuerliche Prüfung an. Am 21. 6. 2004 lehnte sie die Leistung aus der Berufsunfähigkeitsversicherung endgültig ab, weil lediglich eine Beeinträchtigung der Tätigkeit als Tennislehrer im Ausmaß von 20 % vorliege und eine Beeinträchtigung des Klägers bei Büroarbeit nicht gegeben sei. Auch in diesem Schreiben wurde auf die Notwendigkeit einer Klage binnen Jahresfrist hingewiesen, anderenfalls vermeintliche Ansprüche nicht mehr geltend gemacht werden könnten.

Mit am 20. 6. 2005 beim Erstgericht eingebrachter Klage begehrte der Kläger mit der Behauptung, er habe bei einem Schiunfall Verletzungen mit Dauerfolgen erlitten, die seine Arbeitsfähigkeit als Tennislehrer zumindest zu 60 % einschränkten, aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung EUR 58.179,61 sA sowie Zahlung einer jährlichen Rente von EUR 16.046,16 jeweils am 1. 1. eines jeden Jahres, beginnend mit 1. 1. 2006 bis 1. 1. 2015 sowie EUR 13.371,80 am 1. 1. 2016 und die Feststellung, von der Beitragspflicht vom 1. 4. 2002 bis 1. 10. 2016 befreit zu sein. Da eine Verbesserung seines Gesundheitszustandes nicht mehr zu erwarten sei, stehe ihm aus der Berufsunfähigkeitsversicherung eine jährliche Rente von EUR 16.046,18 und Prämienfreistellung bis zum 60. Lebensjahr zu. Das Zahlungsbegehren von EUR 58.179,61 ergebe sich aus den Renten und bereits bezahlten Prämien für die Jahre 2002 bis Mai 2005.

Am 16. 11. 2005 dehnte der Kläger sein Zahlungsbegehren auf EUR 77.254,01 sA sowie das Rentenbegehren auf jährlich EUR 18.894,94 aus. Er habe erst im November 2005 eine Nachtragspolizze gefunden, aus der sich ein höherer jährlicher Rentenanspruch von EUR 18.894,94 ergebe. Die entsprechende Ausdehnung des am 1. 1. 2016 fälligen (letzten) Rentenbegehrens auf EUR 15.745,78 wurde vom Kläger erst am 21. 2. 2006 vorgenommen.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Sie sei leistungsfrei, weil ihr der Kläger bei Abschluss des Versicherungsvertrages arglistig verschwiegen habe, schon seit 1990 an einem Carpaltunnelsyndrom zu leiden. Hätte sie davon gewusst, hätte sie den Versicherungsvertrag nicht abgeschlossen. Im Übrigen sei der Kläger nicht nur Tennislehrer, sondern auch Inhaber einer Tennisschule, Pächter einer Tennishalle und eines Restaurants, einer Bowlingbahn, eines Sportshops, eines Squash-Courts und eines „Camps". Er sei daher keineswegs zu mehr als 50 % in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt und könne im Sinne des § 1 Abs 2 der „Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung" auf eine andere zumutbare Tätigkeit verwiesen werden. Auch sei ihm eine Operation zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit zumutbar. Ferner habe der Kläger das Bestehen einer weiteren Lebensversicherung verschwiegen. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 21. 6. 2004 eine Versicherungsleistung endgültig abgelehnt. Jedenfalls hinsichtlich der ausgedehnten Beträge sei daher Verjährung eingetreten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da die endgültige Deckungsablehnung durch die Beklagte erst am 21. 6. 2004 erfolgt sei, sei der zunächst vom Kläger geltend gemachte Anspruch innerhalb der Jahresfrist erhoben worden, nicht jedoch das erst am 16. 11. 2005 ausgedehnte Begehren. Dieses sei erst nach Ablauf der materiellen Ausschlussfrist von einem Jahr geltend gemacht worden, sodass insoweit Verjährung eingetreten sei. Auch das übrige Klagebegehren sei nicht berechtigt, weil der Kläger entgegen § 16 VersVG bewusst unrichtige Angaben über einen Umstand gemacht habe, nach dem der Versicherer ausdrücklich und schriftlich gefragt habe und der damit als erheblich gelte. Für den Kläger sei wie für jedermann erkennbar gewesen, dass es sich bei einem „auch abgelaufenen" Carpaltunnelsyndrom und einem Tennisarm um Beschwerden handle, die für die Übernahme der Gefahr bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung eines Tennislehrers erheblich seien. Auch ohne Vertragsauflösung könne sich der Versicherer, der von der Obliegenheitsverletzung erst nach dem Versicherungsfall erfahre, auf Leistungsfreiheit berufen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung mit Teilurteil hinsichtlich der Abweisung des ausgedehnten Begehrens (nämlich hinsichtlich eines Teilbetrages von EUR 19.074,40 sA und einer jährlichen Rente von EUR 2.848,78 am 1. 1. eines jeden Jahres ab 1. 1. 2006 bis einschließlich 1. 1. 2015 sowie weiterer EUR 2.373,98 am 1. 1. 2016); im Übrigen hob es das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Betreffend das Teilurteil führte das Berufungsgericht aus, gemäß § 12 Abs 3 VersVG trete Leistungsfreiheit ein, wenn der Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb eines Jahres ab qualifizierter Ablehnung der Deckung durch die Versicherung geltend gemacht werde. Eine solche Ablehnung einschließlich der Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolge sei mit Schreiben der Beklagten vom 21. 6. 2004 erfolgt. Der Zweck des § 12 Abs 3 VersVG liege im Interesse des Versicherers an einer möglichst raschen Klärung der Berechtigung einer Deckungsablehnung. Dieser angestrebte Zweck werde auch durch einen gerichtlichen Schritt erreicht, der vom prozessualen Standpunkt aus mit Mängeln behaftet sei, etwa einer unzulässigen Feststellungsklage, weil teilweise schon Leistungsklage möglich wäre. Werde sodann rechtzeitig vor Abweisung des Klagebegehrens die Umwandlung in eine Leistungsklage vorgenommen, müsse darin eine Wahrung der Ausschlussfrist erblickt werden. Im Fall der Ausdehnung eines Leistungsbegehrens werde man jedoch in der Regel die Wahrung der Frist nur für jenen Teil des Begehrens annehmen können, der bereits im ursprünglichen Klagebegehren enthalten gewesen sei. Gründe, weshalb dies hier nicht gelten sollte, zeige der Kläger nicht auf. Der Versicherungsschutz sei daher hinsichtlich der erst nach Ablauf der Jahresfrist ausgedehnten Teile des Klagebegehrens gemäß § 12 Abs 3 VersVG untergegangen, weshalb die Abweisung des Klagebegehrens in diesem Umfang ungeachtet der materiellen Rechtslage jedenfalls zu bestätigen gewesen sei.

Betreffend das übrige (rechtzeitige) Klagebegehren erachtete das Berufungsgericht noch eine Verfahrensergänzung für erforderlich. Der Versicherer bleibe trotz einer (dem Kläger vorzuwerfenden) Obliegenheitsverletzung des schuldhaften Verschweigens von erheblichen Gefahrenumständen zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer das Fehlen eines Kausalzusammenhang zwischen dem falsch angezeigten oder verschwiegenen Umstand und dem Eintritt des Versicherungsfalls und dem Umfang der Leistungen des Versicherers nachweisen könne. Der Kläger habe zum Fehlen dieses Kausalzusammenhanges Beweise angeboten, die im fortgesetzten Verfahren noch aufzunehmen seien.

Hinsichtlich des Teilurteils sprach das Berufungsgericht aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 20.000 übersteige und die ordentliche Revision - im Hinblick auf die (von ihm) zitierte (oberstgerichtliche) Judikatur - nicht zulässig sei.

Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichtes richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache aufzuheben und dem Berufungsgericht, „allenfalls direkt dem Erstgericht", die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auch über die betreffenden Ansprüche aufzutragen.

Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel ihres Prozessgegners keine Folge zu geben.

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber macht in der Zulassungsbeschwerde geltend, nach oberstgerichtlicher Judikatur könne der (alleinige) Zweck des § 12 Abs 3 VersVG, eine möglichst rasche Klärung der Berechtigung einer Deckungsablehnung herbeizuführen, auch durch einen gerichtlichen Schritt erreicht werden, der vom prozessualen Standpunkt aus mit Mängeln behaftet sei (beispielsweise eine unzulässige Feststellungsklage). Wichtig sei lediglich, dass maßgebende Tatsachen festgestellt („gesichert") werden könnten und für den Versicherer zugleich die Übersicht über den wahren Stand seines Vermögens gewahrt bleibe. Folgerichtig könne auch der Deckungsanspruch bezüglich eines weiteren Begehrens gewahrt sein, dessen Vorhandensein dem Versicherer bereits aus der ursprünglichen Klage bekannt habe sein müssen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts müsse daher eine Klagsausdehnung nach Ablauf der Frist des § 12 Abs 3 VersVG nicht generell ausgeschlossen sein. Vielmehr müsse es hinsichtlich einer späteren Klagsausdehnung darauf ankommen, ob das konkrete Teilbegehren der Feststellung anderer oder weiterer Tatsachen bedürfe, als jener, die für die Feststellung der Berechtigung der Ablehnung des Versicherers (dem Grunde nach) erforderlich seien; ob das konkrete Begehren für den Versicherer vorhersehbar gewesen sei, etwa weil es sich aus dem Versicherungsvertrag selbst oder der Anspruchstellung oder der Klage ergebe; und schließlich, ob (gerade) das ausgedehnte Begehren Grund oder Mitgrund für die Ablehnung des Versicherers gewesen sei. Der Oberste Gerichtshof habe daher nicht - wie das Berufungsgericht - eine Klagsausdehnung nach Ablauf der Frist des § 12 Abs 3 VersVG kategorisch immer, sondern nur „in der Regel" ausgeschlossen. Wollte man dagegen grundsätzlich jede Möglichkeit einer Klagsausdehnung nach Fristablauf verneinen, läge ein Wertungswiderspruch zu jener oberstgerichtlichen Judikatur vor, die die fristgerechte Einbringung einer an sich unzulässigen Feststellungsklage, die nach Fristablauf noch in ein Leistungsbegehren geändert werde, genügen lasse.

Diese Ausführungen sind zutreffend. Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, liegt der Zweck der Ausschlussfrist (RIS-Justiz RS0080317) des § 12 Abs 3 VersVG darin, dass eine möglichst rasche Klärung der Berechtigung einer Deckungsablehnung erfolgen soll. Dies liegt im Interesse des Versicherers, weil durch jede Verzögerung in der Erledigung zweifelhafter Ansprüche die zuverlässige Feststellung der maßgebenden Tatsachen erschwert wird. Dieser angestrebte Zweck wird auch durch einen gerichtlichen Schritt erreicht, der vom prozessualen Standpunkt aus mit Mängeln behaftet ist, zum Beispiel durch Einbringung einer unzulässigen Feststellungsklage, weil teilweise schon Leistungsklage möglich wäre (vgl Schauer, Versicherungsvertragsrecht210 mwN). Wird sodann rechtzeitig vor Abweisung des Klagebegehrens die Umwandlung in eine Leistungsklage vorgenommen, so muss darin eine Wahrung der Ausschlussfrist erblickt werden (RIS-Justiz RS0038945). Zwar wurde vom Obersten Gerichtshof in diesem Zusammenhang auch ausgesprochen, dass man im Fall der Ausdehnung eines Leistungsbegehrens „in der Regel" die Wahrung der Frist nur für jenen Teil des Begehrens annehmen werde können, der bereits im ursprünglichen Klagebegehren enthalten gewesen sei (7 Ob 31/86; 7 Ob 186/99z, VersR 2000,1131; RIS-Justiz RS0038945 und RS0080350). Dies muss aber im Hinblick auf den dargestellten Zweck des § 12 Abs 3 VersVG im Sinn der Ausführungen des Revisionswerbers einschränkend interpretiert werden. Kann der Versicherer nach Lage der Dinge erkennen, dass vom Versicherungsnehmer nur eine Teilforderung geltend gemacht wurde und kann er sich mit seinen Rückstellungen auf den Gesamtanspruch einstellen, besteht kein Grund, die fristwahrende Wirkung einer Klage nicht auch für eine nachfolgende entsprechende Ausdehnung anzunehmen. Ausgehend von dieser Überlegung wird von der deutschen Judikatur und Lehre (bei insofern vergleichbarer Rechtslage) zutreffend die Ansicht vertreten, dass die Klagefrist des § 12 Abs 3 VersVG durch eine Teilklage für den gesamten Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers gewahrt werden könne, was nicht nur gelte, wenn der Versicherungsnehmer die eingeklagte Forderung ausdrücklich als Teilforderung bezeichnet habe, sondern auch, wenn sich aus den Gesamtumständen ergebe, dass der Versicherungsnehmer eine Teilklage erheben habe wollen (BGH VersR 2001, 1013 mwN = NZV 2001, 463; Prölss in Prölss/Martin, VVG27 § 12 Rn 66 mwN; Schlegelmilch in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch § 21 Rn 161). Dem Versicherungsnehmer schade es auch nicht, wenn für den Versicherer deutlich erkennbar sei, dass er den gesamten Anspruch einklagen habe wollen, versehentlich aber nur einen Teil geltend gemacht habe (OLG Hamm VersR 1988, 458; OLG Köln, r+s 1995, 368; OLG Nürnberg VersR 2003, 847; Prölss aaO Rn 66; Gruber in Berliner Komm § 12 Rn 102; Römer in Römer/Langheid, VVG2 § 12 Rn 66).Diese Ausführungen sind zutreffend. Wie der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, liegt der Zweck der Ausschlussfrist (RIS-Justiz RS0080317) des § 12 Abs 3 VersVG darin, dass eine möglichst rasche Klärung der Berechtigung einer Deckungsablehnung erfolgen soll. Dies liegt im Interesse des Versicherers, weil durch jede Verzögerung in der Erledigung zweifelhafter Ansprüche die zuverlässige Feststellung der maßgebenden Tatsachen erschwert wird. Dieser angestrebte Zweck wird auch durch einen gerichtlichen Schritt erreicht, der vom prozessualen Standpunkt aus mit Mängeln behaftet ist, zum Beispiel durch Einbringung einer unzulässigen Feststellungsklage, weil teilweise schon Leistungsklage möglich wäre vergleiche Schauer, Versicherungsvertragsrecht3210 mwN). Wird sodann rechtzeitig vor Abweisung des Klagebegehrens die Umwandlung in eine Leistungsklage vorgenommen, so muss darin eine Wahrung der Ausschlussfrist erblickt werden (RIS-Justiz RS0038945). Zwar wurde vom Obersten Gerichtshof in diesem Zusammenhang auch ausgesprochen, dass man im Fall der Ausdehnung eines Leistungsbegehrens „in der Regel" die Wahrung der Frist nur für jenen Teil des Begehrens annehmen werde können, der bereits im ursprünglichen Klagebegehren enthalten gewesen sei (7 Ob 31/86; 7 Ob 186/99z, VersR 2000,1131; RIS-Justiz RS0038945 und RS0080350). Dies muss aber im Hinblick auf den dargestellten Zweck des § 12 Abs 3 VersVG im Sinn der Ausführungen des Revisionswerbers einschränkend interpretiert werden. Kann der Versicherer nach Lage der Dinge erkennen, dass vom Versicherungsnehmer nur eine Teilforderung geltend gemacht wurde und kann er sich mit seinen Rückstellungen auf den Gesamtanspruch einstellen, besteht kein Grund, die fristwahrende Wirkung einer Klage nicht auch für eine nachfolgende entsprechende Ausdehnung anzunehmen. Ausgehend von dieser Überlegung wird von der deutschen Judikatur und Lehre (bei insofern vergleichbarer Rechtslage) zutreffend die Ansicht vertreten, dass die Klagefrist des § 12 Abs 3 VersVG durch eine Teilklage für den gesamten Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers gewahrt werden könne, was nicht nur gelte, wenn der Versicherungsnehmer die eingeklagte Forderung ausdrücklich als Teilforderung bezeichnet habe, sondern auch, wenn sich aus den Gesamtumständen ergebe, dass der Versicherungsnehmer eine Teilklage erheben habe wollen (BGH VersR 2001, 1013 mwN = NZV 2001, 463; Prölss in Prölss/Martin, VVG27 § 12 Rn 66 mwN; Schlegelmilch in Beckmann/MatuscheBeckmann, Versicherungsrechts-Handbuch § 21 Rn 161). Dem Versicherungsnehmer schade es auch nicht, wenn für den Versicherer deutlich erkennbar sei, dass er den gesamten Anspruch einklagen habe wollen, versehentlich aber nur einen Teil geltend gemacht habe (OLG Hamm VersR 1988, 458; OLG Köln, r+s 1995, 368; OLG Nürnberg VersR 2003, 847; Prölss aaO Rn 66; Gruber in Berliner Komm § 12 Rn 102; Römer in Römer/Langheid, VVG2 § 12 Rn 66).

Gerade letztere Situation wird im vorliegenden Fall vom Kläger geltend gemacht: Er brachte schon in erster Instanz (und nicht erst in seiner Revision, wie die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung aktenwidrig behauptet) vor, er habe nur aufgrund des Übersehens einer Nachtragspolizze offensichtlich irrtümlich eine niedrigere Anspruchshöhe angenommen. Dieser Behauptung, die der Kläger, der zuvor die veraltete Polizze vorgelegt hatte, durch Vorlage der Nachtragspolizze untermauert hat, wurde von der Beklagten in erster Instanz nur unsubstantiiert widersprochen. Auch in der Revisionsbeantwortung stellt sie den Umstand, dass der Kläger seine Ansprüche in der Klage irrtümlich entsprechend der in der veralteten Polizze enthaltenen Versicherungssummen bezifferte, nicht in Zweifel. Sie meint lediglich, dies sei die Schuld des Klägers selbst gewesen; jeder Versicherungsnehmer könne bei Verlust einer Polizze jederzeit eine Kopie anfordern. Tatsächlich kann unterstellt werden, dass der Beklagten mittels EDV der letzte Stand der vereinbarten Versicherungssummen (sozusagen auf Knopfdruck) bekannt war. Es liegt daher auf der Hand, dass ihr der Irrtum des Beklagten, der der Klage ohne jede Begründung die „alten" Versicherungssummen (EUR 58.179,61 und EUR 16.046,16 jährlicher Rente) statt der aus der Nachtragspolizze klar ersichtlichen Beträge (EUR 77.254,01 und EUR 18.894,94) zugrundelegte, schon bei Klagseinbringung auffallen musste. Unter diesen Umständen erscheint die Frist des § 12 Abs 3 VersVG auch für die ausgedehnte Forderung des Klägers durch die rechtzeitige Klagserhebung gewahrt. Nach Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist am Grundsatz, dass eine Leistungsklage des Versicherungsnehmers die betreffende Frist nur in Höhe des Klagsbetrags wahre (RIS-Justiz RS0038945 und RS0080350; vgl Gruber aaO Rn 102), in Ausnahmefällen wie dem vorliegenden also nicht festzuhalten.Gerade letztere Situation wird im vorliegenden Fall vom Kläger geltend gemacht: Er brachte schon in erster Instanz (und nicht erst in seiner Revision, wie die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung aktenwidrig behauptet) vor, er habe nur aufgrund des Übersehens einer Nachtragspolizze offensichtlich irrtümlich eine niedrigere Anspruchshöhe angenommen. Dieser Behauptung, die der Kläger, der zuvor die veraltete Polizze vorgelegt hatte, durch Vorlage der Nachtragspolizze untermauert hat, wurde von der Beklagten in erster Instanz nur unsubstantiiert widersprochen. Auch in der Revisionsbeantwortung stellt sie den Umstand, dass der Kläger seine Ansprüche in der Klage irrtümlich entsprechend der in der veralteten Polizze enthaltenen Versicherungssummen bezifferte, nicht in Zweifel. Sie meint lediglich, dies sei die Schuld des Klägers selbst gewesen; jeder Versicherungsnehmer könne bei Verlust einer Polizze jederzeit eine Kopie anfordern. Tatsächlich kann unterstellt werden, dass der Beklagten mittels EDV der letzte Stand der vereinbarten Versicherungssummen (sozusagen auf Knopfdruck) bekannt war. Es liegt daher auf der Hand, dass ihr der Irrtum des Beklagten, der der Klage ohne jede Begründung die „alten" Versicherungssummen (EUR 58.179,61 und EUR 16.046,16 jährlicher Rente) statt der aus der Nachtragspolizze klar ersichtlichen Beträge (EUR 77.254,01 und EUR 18.894,94) zugrundelegte, schon bei Klagseinbringung auffallen musste. Unter diesen Umständen erscheint die Frist des § 12 Abs 3 VersVG auch für die ausgedehnte Forderung des Klägers durch die rechtzeitige Klagserhebung gewahrt. Nach Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist am Grundsatz, dass eine Leistungsklage des Versicherungsnehmers die betreffende Frist nur in Höhe des Klagsbetrags wahre (RIS-Justiz RS0038945 und RS0080350; vergleiche GruberaaO Rn 102), in Ausnahmefällen wie dem vorliegenden also nicht festzuhalten.

Da demnach zwischen dem ursprünglichen und dem ausgedehnten Klagebegehren nicht zu differenzieren ist, müssen die (im Revisionsverfahren nicht in Frage gestellten) Erwägungen, die zur Aufhebung des Ersturteils im Umfang des restlichen Klagebegehrens führten, auch hinsichtlich des den Gegenstand des Teilurteils bildenden Klagebegehrens gelten. Es sind daher das vom Berufungsgericht erlassene Teilurteil und der damit aufrecht erhaltene Teil des erstgerichtlichen Urteils aufzuheben. Die Rechtssache ist auch in diesem Umfang (somit also zur Gänze) zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E84369

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:0070OB00061.07G.0530.000

Im RIS seit

29.06.2007

Zuletzt aktualisiert am

18.11.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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