Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Paul O*****, vertreten durch Freimüller Noll Obereder Pilz & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Gheneff-Rami-Sommer, Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Unterlassung, Leistung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 23.517 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Jänner 2007, GZ 4 R 2/07d-21, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 18. Oktober 2006, GZ 41 Cg 32/06y-17, in der Hauptsache bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.189,44 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 198,24 EUR USt) binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Architekturfotograf und erhielt im Jahr 2000 von einer Architektengruppe den Auftrag, deren Installation auf einer Kunstausstellung zu fotografieren. Der Kläger erfüllte diesen Auftrag im August 2000 und erteilte der Architektengruppe das Recht, die Lichtbildwerke für eigene Zwecke im beschränkten Umfang zu verwenden.
Die Beklagte ist eine Großbilddruckerei. Ihr seit 2001 erscheinendes Firmenmagazin wird parallel zum Printmedium inhaltsgleich ins Internet gestellt, wobei diese Firmenmagazine im Archiv bestehen bleiben. Dies bedeutet, dass sie abrufbar bleiben, wenn neue Magazine erscheinen.
Auf der vom Kläger an die Architektengruppe gelegten Rechnung findet sich der Vermerk, dass das Weitergaberecht an Dritte beim Urheber verbleibe. Über Anfrage eines Mitarbeiters der Beklagten erhielt diese von der Architektengruppe eine CD mit den Fotos per Post samt Beibrief, aus dem hervorging, dass die Rechte an den Fotos beim Kläger lägen. In der der Übersendung der CD vorangegangenen Kommunikation wurde die Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Name des Fotografen genannt werden müsse.
Die vom Kläger hergestellten Lichtbildwerke (Installation der Architektengruppe auf der Kunstausstellung im Jahr 2000) veröffentlichte die Beklagte einerseits in der ersten Ausgabe ihres Firmenmagazins 2001 (Auflage 10.000 Stück), andererseits stellte sie die Fotos in ihrem Onlinemagazin ins Internet. Lediglich im Printmedium nannte die Beklagte den Namen des Klägers. Dieser erfuhr erstmals im Oktober 2004 von der Veröffentlichung seiner Bilder durch die Beklagte. Er hatte ihr keine Rechte an den Bildern eingeräumt.
Der Kläger begehrte, die Beklagte zur Unterlassung zu verpflichten, Lichtbilder, an welchen die Werknutzungsrechte dem Kläger zustehen, die Installation der Architektengruppe auf der Kunstausstellung im Jahr 2000 zeigend, ohne Zustimmung des Klägers zu vervielfältigen, zu verbreiten, zu veröffentlichen und zum öffentlichen Abruf, insbesondere unter einer bestimmten Internetadresse zur Verfügung zu stellen; weiters ein angemessenes Entgelt von 1.500 EUR sowie 1.250 EUR an Schadenersatz zu bezahlen sowie den das Unterlassungsbegehren betreffenden Urteilsspruch für die Dauer von zwei Monaten auf der Homepage der Beklagten in deren Onlinemagazin unmittelbar unter der Überschriftenleiste im oberen Drittel sowie in der nächsten Ausgabe der Firmenzeitschrift unter der Rubrik „Architektur" in normaler Schriftgröße, in einen Rahmen gesetzt sowie mit fett und gesperrt gedruckten Prozessparteien zu veröffentlichen. Er habe der Architektengruppe nur das Recht eingeräumt, die Lichtbildmarke für eigene Zwecke in beschränktem Umfang zu verwenden. Der Beklagten seien keinerlei Rechte an den Lichtbildern eingeräumt worden. Die Architektengruppe habe die Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Rechteklärung mit dem Kläger vorzunehmen sei.
Die Beklagte wendete ein, die Architektengruppe habe ihr die Lichtbildwerke zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Die Architektengruppe sei berechtigt gewesen, das Werk des Klägers zu nutzen. Sie habe jedenfalls davon ausgehen können, zur Veröffentlichung der Lichtbilder berechtigt zu sein. Das Veröffentlichungsbegehren sei zu weit gefasst, eine Urteilsveröffentlichung im Internet stehe bloß in der Form eines Pop-up-Fensters in der Größe eines Viertels der Bildschirmoberfläche und überdies nur für die Dauer von dreißig Tagen zu. Das Unterlassungsbegehren sei unschlüssig, weil es auf das Unterlassen der Verletzung eines Werknutzungsrechts des Klägers gerichtet sei, dem aber nur Urheberrechte zustünden.
Das Erstgericht gab sämtlichen Klagebegehren zur Gänze statt. Der Kläger habe Lichtbildwerke hergestellt. Die Architektengruppe habe lediglich die Rechte auf Verwendung der Fotos für den eigenen Gebrauch, aber keinerlei Verwertungsrechte erworben.
Das Berufungsgericht bestätigte die Klagestattgebung (in der Hauptsache) mit der Maßgabe, dass es das Unterlassungsbegehren dahin berichtigte, dass es „Lichtbilder" durch „Lichtbildwerke" und „Werknutzungsrechte" durch „Urheberrechte" (des Klägers) ersetzte. Das Klagebegehren sei ungeachtet des Fehlgriffs im Ausdruck nicht unschlüssig, der bloße Formulierungsfehler sei zu berichtigen. Der Kläger habe den rechtserzeugenden Sachverhalt ausreichend konkretisiert behauptet und unter Beweis gestellt. Dies gelte insbesondere auch für jene Tatsachenbehauptungen, aus denen das seinen Schadenersatzanspruch begründende Verschulden abzuleiten sei. Da Internetnutzer häufig Pop-up-Blocker verwendeten, die die Wirksamkeit der Urteilsveröffentlichung in Form von Pop-up-Fenstern erheblich mindern könnten, erscheine die Veröffentlichung auf der Internetseite selbst zweckmäßiger. Die Existenz von Pop-up-Blockern sei mittlerweile eine allgemein bekannte Tatsache, die von der Beklagten inhaltlich nicht in Abrede gestellt werde. Der begehrte Zeitraum für die Urteilsveröffentlichung von zwei Monaten sei durchaus angemessen. Ausgesprochen wurde ferner, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung sämtlicher Klagebegehren, hilfsweise aber die Beschränkung der Veröffentlichungsverpflichtung auf ein Pop-up-Fenster in der Größe eines Viertels der Bildschirmoberfläche und für die Dauer von dreißig Tagen anstrebt, ist zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Die gerichtliche Entscheidungsbefugnis betrifft stets den gesamten Streitgegenstand, der durch das Sachbegehren und die vorgebrachten rechtserzeugenden Tatsachen bestimmt wird (§ 405 ZPO; Fucik in Fasching/Konecny² III § 405 ZPO Rz 6, 19 mwN). Die Anpassung des Urteilsspruchs an den eigentlichen Inhalt des Klagebegehrens, auch abweichend von dessen Wortlaut, ist daher zulässig; das Gericht darf dem Sachantrag im Urteilsspruch somit eine klarere und deutlichere Fassung geben, selbst wenn es damit vom Wortlaut des Begehrens abweicht (stRsp; RIS-Justiz RS0041254; Fucik aaO Rz 17 mwN). Im Hinblick auf die aus der Klageerzählung (samt Ergänzung in der mündlichen Streitverhandlung) eindeutig erkennbare Absicht des Klägers ist keine Überschreitung des Klagebegehrens ersichtlich (ebenso wenig ein Widerspruch zur in der Revision zitierten Rechtsprechung).
2. Ausgehend vom klar erschließbaren Begehren des Klägers, dem das Berufungsgericht bei Formulierung des Urteilsspruchs Rechnung getragen hat, stellt sich die von der Beklagten aufgeworfene Frage nach der Zulässigkeit der Rechtsverfolgung durch den Urheber in Form des (angeblich) angestrebten Schutzes seiner „Werknutzungsrechte" nicht.
3. Weder der von der Beklagten im Zusammenhang mit der Existenz und der Funktionsweise von Pop-up-Blockern gerügte Mangel des berufungsgerichtlichen Verfahrens noch die behauptete Aktenwidrigkeit liegen vor. Eine Erörterung dieser Tatsachengrundlage in erster Instanz fand statt; die Existenz und Wirkungsweise von Pop-up-Blockern bestritt die Beklagte nicht substantiiert.
4. Die Berechtigung des Begehrens auf Urteilsveröffentlichung hängt davon ab, ob ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an der Aufklärung des Publikums im begehrten Ausmaß besteht (RIS-Justiz RS0079737). Im Hinblick auf die gerichtsnotorische Verbreitung von Pop-up-Blockern, die das Anzeigen von in Pop-up-Fenstern enthaltenen Urteilsveröffentlichungen praktisch weitgehend wirkungslos macht (vgl Ciresa, Handbuch der Urteilsveröffentlichung³ Rz 300 mwN; Duursma in Gumpoldsberger/Baumann, § 25 UWG Rz 17), ist die Veröffentlichung direkt auf der Homepage der beklagten Rechteverletzerin als zur Erzielung der gebotenen Aufklärung des Publikums erforderlich. Die von der Beklagten ins Treffen geführten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, die eine Urteilsveröffentlichung in Form von Pop-up-Fenstern, die ein Viertel der Bildschirmoberfläche einnehmen, im Sinne eines Kompromisses zwischen den Interessen des Klägers an der entsprechenden Information von Besuchern der Website der Beklagten und dem Interesse der Beklagten an einer freien Gestaltung und Nutzung der eigenen Website als angemessen ansehen (4 Ob 141/04w = SZ 2004/128; 4 Ob 174/02w = SZ 2002/134), konnten auf den nachfolgenden technischen Fortschritt (Verbreitung von Pop-up-Blockern) noch nicht Rücksicht nehmen. Es besteht zwar die technische Möglichkeit, auch blockierte Pop-up-Fenster durch Anklicken sichtbar zu machen, die Wahrscheinlichkeit, dass dies eine ausreichend große Zahl von Internetbenutzern auch machen wird, um die dem Kläger zustehende Aufklärung des Publikums zu erreichen, kann nicht angenommen werden. Die von den Vorinstanzen angeordnete Urteilsveröffentlichung auf der Homepage der beklagten Rechtsverletzerin selbst ist daher ebenso wenig zu beanstanden, wie die den Ermessensspielraum bei Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall keineswegs sprengende Dauer der Veröffentlichung von zwei Monaten.4. Die Berechtigung des Begehrens auf Urteilsveröffentlichung hängt davon ab, ob ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an der Aufklärung des Publikums im begehrten Ausmaß besteht (RIS-Justiz RS0079737). Im Hinblick auf die gerichtsnotorische Verbreitung von Pop-up-Blockern, die das Anzeigen von in Pop-up-Fenstern enthaltenen Urteilsveröffentlichungen praktisch weitgehend wirkungslos macht vergleiche Ciresa, Handbuch der Urteilsveröffentlichung³ Rz 300 mwN; Duursma in Gumpoldsberger/Baumann, § 25 UWG Rz 17), ist die Veröffentlichung direkt auf der Homepage der beklagten Rechteverletzerin als zur Erzielung der gebotenen Aufklärung des Publikums erforderlich. Die von der Beklagten ins Treffen geführten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, die eine Urteilsveröffentlichung in Form von Pop-up-Fenstern, die ein Viertel der Bildschirmoberfläche einnehmen, im Sinne eines Kompromisses zwischen den Interessen des Klägers an der entsprechenden Information von Besuchern der Website der Beklagten und dem Interesse der Beklagten an einer freien Gestaltung und Nutzung der eigenen Website als angemessen ansehen (4 Ob 141/04w = SZ 2004/128; 4 Ob 174/02w = SZ 2002/134), konnten auf den nachfolgenden technischen Fortschritt (Verbreitung von Pop-up-Blockern) noch nicht Rücksicht nehmen. Es besteht zwar die technische Möglichkeit, auch blockierte Pop-up-Fenster durch Anklicken sichtbar zu machen, die Wahrscheinlichkeit, dass dies eine ausreichend große Zahl von Internetbenutzern auch machen wird, um die dem Kläger zustehende Aufklärung des Publikums zu erreichen, kann nicht angenommen werden. Die von den Vorinstanzen angeordnete Urteilsveröffentlichung auf der Homepage der beklagten Rechtsverletzerin selbst ist daher ebenso wenig zu beanstanden, wie die den Ermessensspielraum bei Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall keineswegs sprengende Dauer der Veröffentlichung von zwei Monaten.
Die Erwägungen im erörterten Punkt sind daher folgendermaßen zusammenzufassen:
Wegen der (gerichtsnotorischen) Verbreitung von „Pop-up-Blockern" ist eine Urteilsveröffentlichung im Internet auf der Homepage des in Anspruch genommenen Rechteverletzers erforderlich, um die gebotene Aufklärung des Publikums zu ermöglichen.
5. Der Kläger brachte nicht nur vor, die Beklagte habe keine Rechte an den von ihm hergestellten Lichtbildwerken erlangt, sondern verwies auch darauf, dass die Beklagte von der Architektengruppe ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, dass eine Rechteabklärung mit dem Kläger vorzunehmen sei. Aus diesen vorgebrachten Tatsachen ist der den Schadenersatzanspruch rechtfertigende Verschuldensvorwurf abzuleiten. Die Vorinstanzen stellten hiezu fest, dass im Beibrief zur Übersendung der Foto-CD der Hinweis enthalten war, dass die Rechte beim Kläger, dessen Adresse genannt wurde, liegen. Die darauf folgende Bilderveröffentlichung ohne Rücksprache mit dem Kläger als schuldhaft zu qualifizieren, ist frei von Rechtsirrtum.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E84492European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2007:0040OB00057.07X.0612.000Im RIS seit
12.07.2007Zuletzt aktualisiert am
21.02.2011