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10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art137 / AllgemeinesLeitsatz
Keine Folge für einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung in einem Klagsverfahren gegen den Bund wegen eines Staatshaftungsanspruchs mangels Zuständigkeit des VfGH bzw mangels Eignung für die vorläufige Sicherung des AnspruchesSpruch
Den Anträgen auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung durch den Verfassungsgerichtshof wird keine Folge gegeben.
Begründung
Begründung:
1. a) Die Antragsteller, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und ihre jeweiligen Gesellschafter, welche auch die Funktion der Geschäftsführer innehaben oder -hatten, haben gestützt auf Art137 B-VG beim Verfassungsgerichtshof Klagen gegen den Bund wegen jeweils näher bezeichneter Geldbeträge aufgrund behaupteter "staatshaftungswürdige[r] Fehlleistung" des Gesetzgebers und einer "staatshaftungsbegründenden Fehlleistung des Oberlandesgerichts als sich selbst als an die Judikatur des OGH gebunden fühlendes Letztgericht, in eventu des OGHs" eingebracht.
b) In den Klagen wird auch der Antrag gestellt, jeweils eine Provisorialverfügung des Inhaltes zu erlassen, dass
"[b]is zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Primärrechtskonformität bzw. Nichtigkeit der Offenlegungsrichtlinie ... allen Gerichten und Behörden aufgetragen [wird], nur jene Rechtsschritte zur Erzwingung der Offenlegung der Bilanzen der Erstklägerin zu setzen, die im Sinne des §90a GOG unaufschiebbar sind".
Begründend führen die Antragsteller hiezu aus, dass es für eine Unterbrechung eines beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahrens genüge, wenn ein beim Europäischen Gerichtshof anhängiges Vorabentscheidungsverfahren für das Verfahren möglicherweise von Bedeutung sei. Daraus ergäbe sich, dass die Entscheidung im vorliegenden Verfahren für die anhängigen Offenlegungsverfahren der Kläger von Bedeutung sein würde. Komme der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis, dass der Oberste Gerichtshof gegen seine Vorlagepflicht verstoßen habe, dann werde selbstverständlich keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes mehr ergehen und keine bereits verhängte Beugestrafe mehr vollstreckt werden können, bevor der Oberste Gerichtshof dieses Versäumnis nachgeholt habe. Da es der Sache nach nicht nur - so die Antragsteller weiter - um Schadenersatz und um eine Frage des Zugangs zum zuständigen Gericht und damit zum gesetzlichen Richter gehe, nämlich um die Frage, ob der Oberste Gerichtshof entscheiden dürfte, ohne dem Europäischen Gerichtshof von den Antragstellern als maßgeblich erachtete Fragen betreffend die Gemeinschafts(grund)rechtswidrigkeit der Pflicht zur Offenlegung des Abschlusses nach der Ersten und Vierten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie zur Vorabentscheidung vorzulegen, zumal der Europäische Gerichtshof das Monopol auf die Feststellung der Nichtigkeit abgeleiteten Gemeinschaftsrechts für sich in Anspruch nehme und letztlich gehe es im Kern auch um Prävention weiteren Schadens und Schutz der zugrunde liegenden Grundrechte der Kläger.
2. Unvorgreiflich der Entscheidung der Frage, ob der Verfassungsgerichtshof überhaupt aufgrund des Art137 B-VG zur Entscheidung über die in der Hauptsache geltend gemachten Ansprüche zuständig ist, war den Anträgen auf Erlassung einer einstweiligen Anordnung keine Folge zu geben:
a) Weder das B-VG noch eine andere Verfassungsbestimmung, noch auch das VfGG oder die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nach §35 VfGG sinngemäß anzuwendenden Bestimmungen der ZPO und des EGZPO enthalten eine Regelung, die die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Erlassung einer von den klagenden Parteien begehrten einstweiligen Anordnung (Verfügung) begründen könnten. Wie die Antragsteller insbesondere aus Art138 B-VG anderes ableiten zu können glauben, bleibt unerfindlich.
b) Aber auch wenn die Anträge so zu verstehen sein sollten, dass eine unmittelbar auf Gemeinschaftsrecht begründete einstweilige Anordnung für die Dauer des verfassungsgerichtlichen Verfahrens begehrt wird, vermag dies den Antragstellern nicht zum Erfolg zu verhelfen: Denn selbst unter der Annahme, dass der Verfassungsgerichtshof zur Erlassung entsprechender einstweiliger Anordnungen zur Sicherung von gemeinschaftsrechtlich begründeten Rechtspositionen auch ohne innerstaatliche gesetzliche Kompetenzzuweisung allein kraft Gemeinschaftsrechts berufen sein sollte, würde es im vorliegenden Fall an einer wesentlichen Voraussetzung für die Erlassung einer einstweiligen Anordnung des von den Klägern begehrten Inhaltes fehlen:
In den Klagsverfahren geht es nämlich um einen Anspruch nach Art eines Schadenersatzes für eine behaupteterweise bereits geschehene Gemeinschaftsrechtwidrigkeit, sodass eine einstweilige Verfügung oder Anordnung des begehrten Inhaltes für die vorläufige Sicherung eben dieses Anspruches nicht geeignet ist (vgl. VfGH 25.11.2002, A2/01; VfGH 25.11.2002, A141/02, sowie VfGH 25.11.2002, A142/02). Die kritischen Ausführungen der Kläger zur zitierten Judikatur vermögen den Verfassungsgerichtshof nicht zu einer Änderung der Judikatur zu veranlassen. Die Klagebegehren sind auf eine Geldleistung gerichtet. Die Gefährdung, die zu bescheinigen wäre, müsste daher ein Verhalten des Gegners der gefährdeten Partei betreffen, das zur Vereitelung oder erheblichen Erschwerung der Hereinbringung der Forderung im Falle des Obsiegens des Klägers führen könnte (vgl. im Bereich des zivilgerichtlichen Verfahrens zur Sicherung von Geldforderungen auch §379 Abs2 Z1 EO). Bei einer Klage gegen den Bund besteht eine solche Gefährdung ganz offensichtlich nicht und wurde von den gefährdeten Parteien auch nicht behauptet. Die gegenständlichen Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sind nicht geeignet, die klägerischen Ansprüche zu sichern.
c) Da somit die Voraussetzungen zur Gewährung einstweiligen Rechtschutzes durch den Verfassungsgerichtshof nicht vorliegen, war den darauf zielenden Anträgen schon deshalb keine Folge zu geben.
Schlagworte
EU-Recht, VfGH / Klagen, VfGH / Verfügung einstweilige, StaatshaftungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:A144.2002Dokumentnummer
JFT_09969776_02A00144_00