Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heinz O*****, vertreten durch Mag. Siegfried Berger, Rechtsanwalt in St. Johann im Pongau, gegen die beklagten Parteien 1.) Hubert H*****, und 2.) B***** AG *****, beide vertreten durch Univ. Prof. Dr. Friedrich Harrer und Dr. Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen EUR 21.223,89 sA und Feststellung (Streitinteresse EUR 2.100), über die Revision und den Rekurs der beklagten Parteien gegen das Zwischenurteil und den Aufhebungsbeschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 18. Juli 2006, GZ 3 R 81/06m-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 16. Februar 2006, GZ 7 Cg 248/04p-15, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
1.) Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
2.) Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Am 6. 3. 2004 ereignete sich um ca 9.45 Uhr auf einer Schiabfahrt im Schigebiet Wagrain, Grafenberg, ein Schiunfall, an dem der Kläger als Schifahrer und der Erstbeklagte als Lenker eines von der zweitbeklagten Partei gehaltenen Motorschlittens („Ski-Doos") beteiligt waren. Der auf der im Unfallbereich rund 50 m breiten Piste mit ca 40 km/h Geschwindigkeit in größeren Schwüngen talwärts fahrende Kläger stieß bei einem Rechtsschwung ungebremst gegen den zunächst mit ca 30 km/h bergwärts fahrenden, im Kollisionsmoment knapp vor oder nach dem Stillstand befindlichen Motorschlitten, an dem die „Rundum-Leuchte" und die akustische Hupe in Betätigung waren. Bei der ersten wechselseitigen Sichtmöglichkeit waren der Kläger und der Erstbeklagte rund 30 m voneinander entfernt gewesen. Der Erstbeklagte hatte eine Fahrlinie nahe des - von ihm aus gesehen - linken Pistenrandes gewählt, obwohl dort infolge zweier Geländekuppen die Sicht auf entgegenkommende Schifahrer (und umgekehrt) eingeschränkt war. Am gegenüberliegenden Pistenrand wären keine geländebedingten Sichtbehinderungen vorhanden gewesen. Am Rande einer Tafel beim Eingang der Talstation war ein kleineres, eine Pistenraupe zeigendes Hinweisschild mit der Aufschrift „Achtung! Pistengerät im Einsatz" angebracht.
Der Kläger, der sich bei dem Unfall schwer verletzte, begehrte zuletzt unter Anrechnung eines Mitverschuldens von 25 % Zahlung von EUR 21.223,89 sA sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für die zukünftigen Schäden aus dem Schiunfall vom 6. 3. 2004 im Ausmaß von 75 %.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht entschied, ausgehend von einer Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1, mit Zwischenurteil, dass das Leistungsbegehren dem Grunde nach zu zwei Drittel zu Recht bestehe und wies mit Teilurteil das Leistungsmehrbegehren von EUR 7.074,63 sA sowie den auf den Ausspruch der Haftung der beklagten Parteien in einem 50 % übersteigenden Ausmaß gerichteten Teil des Feststellungsbegehrens ab. Des weiteren hob es mit Beschluss die erstinstanzliche Entscheidung hinsichtlich der Abweisung des restlichen Teiles des Feststellungsbegehrens zur Verfahrensergänzung auf. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und sowohl die ordentliche Revision als auch der Rekurs zulässig seien. Zur Begründung des Zulassungsausspruches führte es aus, dass es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu den Sorgfalts- und Verhaltenspflichten eines „Schi-Doo"-Lenkers bei Fahrten auf Pisten während der Betriebszeiten der Lifte fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die beklagten Parteien bekämpfen das Zwischenurteil mit Revision und den Aufhebungsbeschluss mit Rekurs; beide Rechtsmittel sind jedoch entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
In dritter Instanz ist nicht mehr strittig, dass die zweitbeklagte Partei dem Kläger gegenüber für ein allfälliges Verschulden des Erstbeklagten gemäß § 1313a ABGB einzustehen hat.In dritter Instanz ist nicht mehr strittig, dass die zweitbeklagte Partei dem Kläger gegenüber für ein allfälliges Verschulden des Erstbeklagten gemäß Paragraph 1313 a, ABGB einzustehen hat.
Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits mehrfach mit Unfällen unter
Beteiligung eines Motorschlittens befasst (1 Ob 325/99x = ZVR
2001/18; 2 Ob 142/01y = ZVR 2004/4; 8 ObA 78/04k = ZVR 2005/37),
wobei die zuletzt erwähnte Entscheidung die Kollision eines Schifahrers mit einem bergwärts fahrenden Motorschlitten betraf. Der achte Senat hatte sich darin nicht veranlasst gesehen, die mit einem (angefochtenen) Aufhebungsbeschluss dem Gericht erster Instanz überbundene Rechtsansicht des Berufungsgerichtes zu korrigieren, wonach den durch ein unnötiges Queren der Piste den Sichtkontakt zum herannahenden Schifahrer preisgebenden Lenker des Motorschlittens „jedenfalls ein Verschulden" traf.
Auch für Fahrten auf Pisten mit Pistengeräten während des Liftbetriebes wurde in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bereits zum Ausdruck gebracht, dass nach Möglichkeit eine Fahrlinie zu wählen ist, bei deren Einhaltung das Gerät für einen entgegenkommenden Schifahrer stets sichtbar bleibt. Kann das Gerät infolge der örtlichen Verhältnisse längere Zeit hindurch nicht wahrgenommen werden, dann ist für den Lenker äußerste Vorsicht geboten (ZVR 1988/7; vgl auch 4 Ob 2372/96v = ZVR 1997/65 [Gschöpf] und 9 Ob 80/04m; RIS-Justiz RS0023786). Welche Sicherungsmaßnahmen notwendig sind, kann dabei stets nur nach den Umständen des konkreten Einzelfalles beurteilt werden (9 Ob 80/04m).Auch für Fahrten auf Pisten mit Pistengeräten während des Liftbetriebes wurde in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bereits zum Ausdruck gebracht, dass nach Möglichkeit eine Fahrlinie zu wählen ist, bei deren Einhaltung das Gerät für einen entgegenkommenden Schifahrer stets sichtbar bleibt. Kann das Gerät infolge der örtlichen Verhältnisse längere Zeit hindurch nicht wahrgenommen werden, dann ist für den Lenker äußerste Vorsicht geboten (ZVR 1988/7; vergleiche auch 4 Ob 2372/96v = ZVR 1997/65 [Gschöpf] und 9 Ob 80/04m; RIS-Justiz RS0023786). Welche Sicherungsmaßnahmen notwendig sind, kann dabei stets nur nach den Umständen des konkreten Einzelfalles beurteilt werden (9 Ob 80/04m).
Das Berufungsgericht hat auf den vorliegenden Sachverhalt die Grundsätze dieser Rechtsprechung angewandt und dem Erstbeklagten als Verletzung der ihn treffenden Sorgfaltspflichten angelastet, dass er mit dem Motorschlitten am „falschen", weil infolge sichteinschränkender Geländekuppen unübersichtlichen Pistenrand bergwärts gefahren sei, während am gegenüberliegenden Pistenrand keine Sichteinschränkung vorhanden gewesen wäre. Eine korrekturbedürftige Verkennung der Rechtslage ist ihm dabei entgegen der Auffassung der beklagten Parteien nicht unterlaufen. Aus der Feststellung, wonach die Sicht auf die spätere Unfallstelle „grundsätzlich" aus mehreren 100 m gegeben war, folgt keineswegs, dass der Kläger den bergwärts fahrenden Motorschlitten schon von weitem erkennen hätte können. Soweit die beklagten Parteien ihren Erwägungen einen solchen Sachverhalt unterstellen, weichen sie in unzulässiger Weise von den erstinstanzlichen Feststellungen zur ersten wechselseitigen Sichtmöglichkeit der Unfallbeteiligten (rund 30 m) ab.
Sie zeigen auch hinsichtlich des vom Berufungsgericht jeweils (implizit) bejahten Rechtswidrigkeitszusammenhanges und des adäquaten Kausalzusammenhanges keine erhebliche Rechtsfrage auf:
Der Umstand, dass der Kläger nicht auf Sicht gefahren ist und angesichts des vor ihm auftauchenden Motorschlittens keine Abwehrhandlung mehr setzte, obwohl eine solche noch möglich gewesen wäre, begründet sein Mitverschulden, ändert aber nichts am Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der dem Erstbeklagten mit vertretbarer Begründung vorgeworfenen Verletzung seiner Sorgfaltspflichten und den eingetretenen Unfallsfolgen; sollte doch die Wahl einer Fahrlinie im stets einsehbaren Bereich der Piste jedenfalls dazu dienen, jegliche Gefährdung anderer Pistenbenützer durch ein nicht schon von weitem erkennbares, entgegenkommendes Hindernis auszuschalten.
Was die Ädaquanz des Kausalzusammenhanges betrifft, so liegt es keineswegs außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, dass ein Schifahrer trotz breiter Piste mit einem erst aus einer Entfernung von 30 m sichtbaren Motorschlitten kollidiert (zu den möglichen Gründen einer Fehlreaktion vgl etwa ZVR 1987/127).Was die Ädaquanz des Kausalzusammenhanges betrifft, so liegt es keineswegs außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, dass ein Schifahrer trotz breiter Piste mit einem erst aus einer Entfernung von 30 m sichtbaren Motorschlitten kollidiert (zu den möglichen Gründen einer Fehlreaktion vergleiche etwa ZVR 1987/127).
Die beklagten Parteien beziehen sich ferner auf die anlässlich eines Rechtssymposiums des Fachverbandes der Seilbahnen für den Einsatz von Motorschlitten auf der Piste als „Thesen" formulierten Sorgfaltspflichten (Dittrich/Reindl/Stabentheiner, Sicherung im freien Schiraum - Motorschlitten, ZVR 1997, 398 [399 f], zuletzt aktualisiert in ZVR 2006/238, S 567 f) und meinen, der Erstbeklagte habe die wesentlichen dieser Pflichten erfüllt. Mit dieser Einschätzung vernachlässigen sie jedoch, dass dem Lenker eines Motorschlittens bei einer - im Übrigen tunlichst zu vermeidenden - Fahrt auf der Piste selbst nach diesen „Thesen" (denen keine Rechtsnormqualität zukommt, was die Autoren auch nicht in Anspruch nehmen) die dort an erster Stelle genannte Verpflichtung auferlegt ist, möglichst an übersichtlichen Stellen und am Rand der Piste zu fahren. Eine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes, die aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit Anlass zur Korrektur durch den Obersten Gerichtshof geben müsste, ist daher aus der Argumentation der beklagten Parteien nicht ableitbar.
Da somit die Bejahung eines Verschuldens des Erstbeklagten am Zustandekommen des Unfalles auf einer vertretbaren Rechtsansicht des Berufungsgerichtes beruht, bedarf es (auch) in dieser Entscheidung keiner Auseinandersetzung mit der Frage der analogen Anwendbarkeit des EKHG (zu dieser Problematik zuletzt 2 Ob 142/01y und 9 ObA 49/04b = SZ 2004/138; Schauer in Schwimann, ABGB3 VII § 2 EKHG Rz 16 ff). Schließlich richtet sich auch die Verschuldensabwägung nach den besonderen Umständen des Einzelfalles; sie begründet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0042405, RS0087606). Dem Berufungsgericht ist abermals keine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen, wenn es nach Abwägung des beiderseitigen Fehlverhaltens eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 für sachgerecht hielt.Da somit die Bejahung eines Verschuldens des Erstbeklagten am Zustandekommen des Unfalles auf einer vertretbaren Rechtsansicht des Berufungsgerichtes beruht, bedarf es (auch) in dieser Entscheidung keiner Auseinandersetzung mit der Frage der analogen Anwendbarkeit des EKHG (zu dieser Problematik zuletzt 2 Ob 142/01y und 9 ObA 49/04b = SZ 2004/138; Schauer in Schwimann, ABGB3 römisch VII Paragraph 2, EKHG Rz 16 ff). Schließlich richtet sich auch die Verschuldensabwägung nach den besonderen Umständen des Einzelfalles; sie begründet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO (RIS-Justiz RS0042405, RS0087606). Dem Berufungsgericht ist abermals keine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen, wenn es nach Abwägung des beiderseitigen Fehlverhaltens eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 für sachgerecht hielt.
Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage waren die Revision und der Rekurs der beklagten Parteien daher als unzulässig zurückzuweisen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich hinsichtlich des Revisionsverfahrens auf § 52 Abs 2 iVm § 393 Abs 4 ZPO (RIS-Justiz RS0117737), hinsichtlich des Rekursverfahrens auf § 52 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0035976 [T1]).Der Kostenvorbehalt gründet sich hinsichtlich des Revisionsverfahrens auf Paragraph 52, Absatz 2, in Verbindung mit Paragraph 393, Absatz 4, ZPO (RIS-Justiz RS0117737), hinsichtlich des Rekursverfahrens auf Paragraph 52, Absatz eins, ZPO (RIS-Justiz RS0035976 [T1]).
Anmerkung
E84474 2Ob212.06zSchlagworte
Kennung XPUBL - XBEITR Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in Zak 2007/559 S 318 - Zak 2007,318 = Kolmasch, Zak 2007/672 S 389 (Judikaturübersicht) - Kolmasch, Zak 2007,389 (Judikaturübersicht) XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2007:0020OB00212.06Z.0614.000Dokumentnummer
JJT_20070614_OGH0002_0020OB00212_06Z0000_000