TE OGH 2007/6/21 15Os69/07x

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.06.2007
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Juni 2007 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. T. Solé in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Egger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Loms M***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter und dritter Fall, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG, §§ 12 zweiter Fall, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 061 Hv 137/06x des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 14. Mai 2007, AZ 18 Bs 101/07w (ON 191), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Juni 2007 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. T. Solé in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Egger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Loms M***** wegen des Verbrechens nach Paragraph 28, Absatz 2, zweiter und dritter Fall, Absatz 3, erster Fall, Absatz 4, Ziffer 3, SMG, Paragraphen 12, zweiter Fall, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 061 Hv 137/06x des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 14. Mai 2007, AZ 18 Bs 101/07w (ON 191), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Loms M***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt. Der angefochtene Beschluss wird nicht aufgehoben.

Gemäß § 8 GRBG wird dem Bund der Ersatz der Beschwerdekosten von 700 Euro zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer auferlegt.Gemäß Paragraph 8, GRBG wird dem Bund der Ersatz der Beschwerdekosten von 700 Euro zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer auferlegt.

Text

Gründe:

1. Loms M***** befindet sich im Verfahren 061 Hv 137/06x des Landesgerichtes für Strafsachen Wien seit dem 21. Juli 2006 in Untersuchungshaft. Er beantragte in der Hauptverhandlung vom 24. April 2007 seine Enthaftung, die das Schöffengericht ablehnte (S 329/V). Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien mit dem angefochtenen Beschluss nicht Folge; es ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit a und b StPO an (ON 191).1. Loms M***** befindet sich im Verfahren 061 Hv 137/06x des Landesgerichtes für Strafsachen Wien seit dem 21. Juli 2006 in Untersuchungshaft. Er beantragte in der Hauptverhandlung vom 24. April 2007 seine Enthaftung, die das Schöffengericht ablehnte (S 329/V). Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien mit dem angefochtenen Beschluss nicht Folge; es ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach Paragraph 180, Absatz 2, Ziffer eins und 3 Litera a und b StPO an (ON 191).

Der Angeklagte macht wie in der Beschwerde an das Oberlandesgericht auch in der Grundrechtsbeschwerde eine Verletzung des besonderen Beschleunigungsgebotes in Haftsachen (§ 193 Abs 1 StPO) geltend, die dadurch eingetreten sei, dass die Tatrichter dem in der Hauptverhandlung am 24. November 2006 gestellten Antrag auf Einholung eines Schallgutachtens erst mit einer Verzögerung von fünf Monaten entsprochen hätten, nachdem die Hauptverhandlung an jenem Tag „zwecks Durchführung des beantragten Beweises" auf unbestimmte Zeit vertagt wurde. Der Antrag zielte auf den Nachweis, dass der Angeklagte nicht der Sprecher bei den überwachten Telefongesprächen sei (S 193/V).Der Angeklagte macht wie in der Beschwerde an das Oberlandesgericht auch in der Grundrechtsbeschwerde eine Verletzung des besonderen Beschleunigungsgebotes in Haftsachen (Paragraph 193, Absatz eins, StPO) geltend, die dadurch eingetreten sei, dass die Tatrichter dem in der Hauptverhandlung am 24. November 2006 gestellten Antrag auf Einholung eines Schallgutachtens erst mit einer Verzögerung von fünf Monaten entsprochen hätten, nachdem die Hauptverhandlung an jenem Tag „zwecks Durchführung des beantragten Beweises" auf unbestimmte Zeit vertagt wurde. Der Antrag zielte auf den Nachweis, dass der Angeklagte nicht der Sprecher bei den überwachten Telefongesprächen sei (S 193/V).

Rechtliche Beurteilung

2. Die Grundrechtsbeschwerde ist im Recht.

2.1. Der Oberste Gerichtshof prüft hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft nicht nur, ob auf Basis der vom Beschwerdegericht angeführten bestimmten Tatsachen der von diesem gezogene Schluss auf ein ausgewogenes Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe vertretbar war, sondern - nach Maßgabe eigener Beweiswürdigung (vgl Ratz, ÖJZ 2005, 419) - auch, ob die Gerichte alles ihnen Mögliche zur Abkürzung der Haft unternommen haben (§ 193 Abs 1 StPO). Eine ins Gewicht fallende Säumigkeit in Haftsachen ist demnach auch ohne Verletzung des § 180 Abs 1 zweiter Satz StPO grundrechtswidrig im Sinne einer Verletzung des § 193 Abs 1 StPO (RIS-Justiz RS0120790).2.1. Der Oberste Gerichtshof prüft hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft nicht nur, ob auf Basis der vom Beschwerdegericht angeführten bestimmten Tatsachen der von diesem gezogene Schluss auf ein ausgewogenes Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe vertretbar war, sondern - nach Maßgabe eigener Beweiswürdigung vergleiche Ratz, ÖJZ 2005, 419) - auch, ob die Gerichte alles ihnen Mögliche zur Abkürzung der Haft unternommen haben (Paragraph 193, Absatz eins, StPO). Eine ins Gewicht fallende Säumigkeit in Haftsachen ist demnach auch ohne Verletzung des Paragraph 180, Absatz eins, zweiter Satz StPO grundrechtswidrig im Sinne einer Verletzung des Paragraph 193, Absatz eins, StPO (RIS-Justiz RS0120790).

2.2. Aus dem Akt ergibt sich dazu Folgendes:

Nach der Vertagung des Verfahrens gegen Loms M***** am 24. November 2006 blieb das Erstgericht in Ansehung dieses Angeklagten bis zum 15. Jänner 2007 ganz untätig. (Die in der Entscheidung des Oberlandesgerichtes genannten Aktivitäten des Vorsitzenden in dieser Zeitspanne betrafen nicht den Beschwerdeführer, sondern zwei in der Hauptverhandlung am 24. November 2006 rechtskräftig verurteilte Mitangeklagte, hinsichtlich derer bis 10. Jänner 2007 das Urteil ausgefertigt und die Endverfügung erlassen wurde.)

Am 15. Jänner 2007 beraumte das Erstgericht für 6. Februar 2007 die neue (§ 276a StPO) Hauptverhandlung gegen Loms M***** an. In dieser Verhandlung wurde mit dem für den Straffall zuständigen Kriminalbeamten abgeklärt, auf welche Weise die Zuordnung der Telefongespräche konkret erfolgte (S 283 ff, 297/V), ob eine Übertragung der zu untersuchenden Gesprächspassagen für die beantragte Beweisaufnahme technisch möglich ist (S 285/V) und in welchem Umfang diese zur Verfügung gestellt werden müssten (S 291 f/V). Außerdem wurde der den Angeklagten Loms M***** belastende, am 24. November 2006 rechtskräftig verurteilte Ramon G***** als Zeuge vernommen.Am 15. Jänner 2007 beraumte das Erstgericht für 6. Februar 2007 die neue (Paragraph 276 a, StPO) Hauptverhandlung gegen Loms M***** an. In dieser Verhandlung wurde mit dem für den Straffall zuständigen Kriminalbeamten abgeklärt, auf welche Weise die Zuordnung der Telefongespräche konkret erfolgte (S 283 ff, 297/V), ob eine Übertragung der zu untersuchenden Gesprächspassagen für die beantragte Beweisaufnahme technisch möglich ist (S 285/V) und in welchem Umfang diese zur Verfügung gestellt werden müssten (S 291 f/V). Außerdem wurde der den Angeklagten Loms M***** belastende, am 24. November 2006 rechtskräftig verurteilte Ramon G***** als Zeuge vernommen.

Nachdem beim Erstgericht am 7. März 2007 von der Polizei die CD mit Protokollen der Telefonüberwachung eingelangt war (ON 181), schrieb der Vorsitzende am 19. März 2007 (ON 183) wieder eine neue Hauptverhandlung (§ 276a StPO) aus, und zwar für den 24. April 2007. Diese Verhandlung diente der neuerlichen Vernehmung des Angeklagten, sonst aber, abgesehen vom Referat der „bisherigen Verfahrensergebnisse" und der Hauptverhandlungsprotokolle, keiner Beweisaufnahme; der Vorsitzende konfrontierte den Angeklagten wieder mit den ihn belastenden Verfahrensergebnissen und stellte ihm in Aussicht, dass die von ihm begehrte Beweisaufnahme „in ca zwei Jahren erledigt sein wird" (S 327/V).Nachdem beim Erstgericht am 7. März 2007 von der Polizei die CD mit Protokollen der Telefonüberwachung eingelangt war (ON 181), schrieb der Vorsitzende am 19. März 2007 (ON 183) wieder eine neue Hauptverhandlung (Paragraph 276 a, StPO) aus, und zwar für den 24. April 2007. Diese Verhandlung diente der neuerlichen Vernehmung des Angeklagten, sonst aber, abgesehen vom Referat der „bisherigen Verfahrensergebnisse" und der Hauptverhandlungsprotokolle, keiner Beweisaufnahme; der Vorsitzende konfrontierte den Angeklagten wieder mit den ihn belastenden Verfahrensergebnissen und stellte ihm in Aussicht, dass die von ihm begehrte Beweisaufnahme „in ca zwei Jahren erledigt sein wird" (S 327/V).

Erst am 27. April 2007 erteilte das Gericht den Auftrag zur Gutachtenserstattung, den es am 16. Mai 2007, als der Akt vom Oberlandesgericht Wien einlangte (s aber § 115 StPO, wonach beim Erstgericht zur Vermeidung von Verzögerungen ein Kopienakt anzulegen ist), dem Institut für Schallforschung übermittelte, wobei es unter Hinweis auf die Haft des Angeklagten um dringende Erledigung ersuchte (ON 191 f).Erst am 27. April 2007 erteilte das Gericht den Auftrag zur Gutachtenserstattung, den es am 16. Mai 2007, als der Akt vom Oberlandesgericht Wien einlangte (s aber Paragraph 115, StPO, wonach beim Erstgericht zur Vermeidung von Verzögerungen ein Kopienakt anzulegen ist), dem Institut für Schallforschung übermittelte, wobei es unter Hinweis auf die Haft des Angeklagten um dringende Erledigung ersuchte (ON 191 f).

3. Demnach geschah in der vorliegenden Haftsache vom 24. November 2006 bis zum 15. Jänner 2007 (nach Vertagung zur beantragten Beweisaufnahme) gar nichts.

Nach Einlangen der CD mit den Telefonüberwachungsprotokollen am 7. März 2007 erteilte der Vorsitzende erst am 27. April 2007 den Gutachtensauftrag. Während dieser Zeit wurde lediglich der Angeklagte erneut vernommen. Zumindest bis zum Tag der angefochtenen Entscheidung (§ 1 Abs 1 GRBG) unterließ der Vorsitzende sodann die Verfügung der Aktenübermittlung zur Erstattung des Gutachtens. Angesichts dieser Vorgangsweise kann keine Rede davon sein, dass das Gericht alles ihm Mögliche zur Abkürzung der Haft unternommen hat (vgl 15 Os 24/07d); vielmehr liegt eine durchaus ins Gewicht fallende Säumigkeit in einer Haftsache vor (§ 193 Abs 1 StPO). Die Argumentation des Beschwerdegerichtes, die nochmalige Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins für 24. April 2007 anstelle umgehender Veranlassung des dann mit weiterer Verspätung endlich in Auftrag gegebenen Gutachtens hätte dem Angeklagten die Möglichkeit geboten, seine leugnende „Verantwortung zu überdenken" und so zur Abkürzung der Haft beizutragen (S 9 der Beschwerdeentscheidung), lässt keinesfalls den Schluss auf eine beschleunigte Verfahrensführung zu, sondern stellt lediglich eine Vermutung über eine allfällige Verkürzung der Verfahrensdauer in Folge eines Geständnisses dar. Loms M***** wurde demnach im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.Nach Einlangen der CD mit den Telefonüberwachungsprotokollen am 7. März 2007 erteilte der Vorsitzende erst am 27. April 2007 den Gutachtensauftrag. Während dieser Zeit wurde lediglich der Angeklagte erneut vernommen. Zumindest bis zum Tag der angefochtenen Entscheidung (Paragraph eins, Absatz eins, GRBG) unterließ der Vorsitzende sodann die Verfügung der Aktenübermittlung zur Erstattung des Gutachtens. Angesichts dieser Vorgangsweise kann keine Rede davon sein, dass das Gericht alles ihm Mögliche zur Abkürzung der Haft unternommen hat vergleiche 15 Os 24/07d); vielmehr liegt eine durchaus ins Gewicht fallende Säumigkeit in einer Haftsache vor (Paragraph 193, Absatz eins, StPO). Die Argumentation des Beschwerdegerichtes, die nochmalige Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins für 24. April 2007 anstelle umgehender Veranlassung des dann mit weiterer Verspätung endlich in Auftrag gegebenen Gutachtens hätte dem Angeklagten die Möglichkeit geboten, seine leugnende „Verantwortung zu überdenken" und so zur Abkürzung der Haft beizutragen (S 9 der Beschwerdeentscheidung), lässt keinesfalls den Schluss auf eine beschleunigte Verfahrensführung zu, sondern stellt lediglich eine Vermutung über eine allfällige Verkürzung der Verfahrensdauer in Folge eines Geständnisses dar. Loms M***** wurde demnach im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.

4. Die Verfahrensverzögerung machte jedoch, wie der Beschwerdeführer auch einräumt, keine Aufhebung des angefochtenen Beschluss erforderlich (§ 7 Abs 1 GRBG).4. Die Verfahrensverzögerung machte jedoch, wie der Beschwerdeführer auch einräumt, keine Aufhebung des angefochtenen Beschluss erforderlich (Paragraph 7, Absatz eins, GRBG).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 8 GRBG.5. Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 8, GRBG.

Anmerkung

E84877 15Os69.07x

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:0150OS00069.07X.0621.000

Dokumentnummer

JJT_20070621_OGH0002_0150OS00069_07X0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten