TE OGH 2007/6/28 2Ob277/06h

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Veröffentlicht am 28.06.2007
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Reinhard J*****, vertreten durch Dr. Ursula Mair, Rechtsanwältin in Landeck, der auf Seiten der klagenden Partei beigetretenen Nebenintervenienten 1. Ing. Heinz W*****, vertreten durch Dr. Christian Ortner, Rechtsanwalt in Innsbruck, 2. N***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Arne Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Angelika Lener, Rechtsanwältin in Feldkirch, wegen EUR 30.747,90 sowie Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 12. Oktober 2006, GZ 2 R 155/06w-48, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 25. April 2006, GZ 41 Cg 71/05t-40, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass das Urteil einschließlich der bereits in Rechtskraft erwachsenen Teile insgesamt zu lauten hat wie folgt:

„1. Die Klagsforderung besteht mit EUR 19.125,19 zu Recht.

2. Die Gegenforderung besteht mit EUR 9.112,25 zu Recht.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger EUR 10.012,94 samt 4 % Zinsen aus EUR 5.012,94 vom 1. 2. 2005 bis 8 11. 2005 und aus EUR 10.012,94 seit 9. 11. 2005 sowie an Prozesskosten EUR 190,05 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

4. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger weitere EUR 20.734,96 samt 4 % Zinsen aus EUR 30.747,90 vom 8. 11. 2002 bis 31. 1. 2005, aus EUR 25.734,96 vom 1. 2. 2005 bis 8. 11. 2005 sowie aus EUR 20.734,96 seit 9. 11. 2005 zu bezahlen, wird abgewiesen.

5. Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei dem Kläger für alle derzeit nicht bekannten, alle in Zukunft bekannt werdenden und alle noch entstehenden Schäden, die dem Kläger am 7. 11. 2002 auf der Baustelle „Hotel M*****" der Firma W***** in R***** durch das Umstürzen des von Stefan G***** montierten Baukrans der Firma L***** entstanden sind und noch entstehen werden, zu drei Vierteln haftet.

6. Das Mehrbegehren auf Feststellung der Haftung zu einem weiteren Viertel wird abgewiesen."

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger an anteiliger Pauschalgebühr der Berufung EUR 424 binnen 14 Tagen zu bezahlen. Im Übrigen werden die Kosten des Berufungsverfahrens gegeneinander aufgehoben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei an anteiliger Pauschalgebühr für die Revision EUR 584 binnen 14 Tagen zu bezahlen. Im Übrigen werden die Kosten des Revisionsverfahrens gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstnebenintervenient führte zwischen September und November 2002 in R***** Bauarbeiten bei einem Zubau des Hotels M***** durch. Der Kläger war als Kranführer beim Erstnebenintervenienten beschäftigt. Am 7. 11. 2002 ereignete sich auf dieser Baustelle ein Unfall, bei dem der vom Kläger betätigte Kran umknickte, da sich vier Schraubverbindungen des Kranturms gelöst hatten. Durch den Unfall wurde der Kläger, der sich im Unfallszeitpunkt in der Kabine des Turmes befand, schwer verletzt.

Der Kläger begehrte zuletzt die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung von EUR 30.747,90 sA, davon EUR 29.500 Schmerzengeld (EUR 30.000 abzüglich einer Teilzahlung von EUR 500), der Restbetrag Ersatz für diverse beim Unfall beschädigte bzw zerstörte, dem Kläger gehörige Gegenstände sowie für unfallkausale Aufwendungen. Der Kläger begehrte weiters die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Folgen aus dem Unfall. Er brachte vor, der Monteur der Beklagten habe das Hinweisschild der Zweitnebenintervenientin, demzufolge die Schrauben nachzuziehen seien, übersehen. Er habe entgegen den Montagevorschriften die Schrauben nicht mittels eines Drehmomentschlüssels nachgezogen. Er habe die vorverschraubten Teile nicht auf die Festigkeit der Verbindung überprüft. Dieses Versehen wäre einem sorgfältigen Monteur nicht unterlaufen. Der Kran sei nach dem Zusammenbau etwa zwei Wochen lang von Stefan L*****, danach vom Kläger geführt worden. Weder L***** noch der Kläger hätten beim Betrieb des Krans Auffälligkeiten wahrgenommen. Der Kran habe am 4. 10. 2002 ein Prüfgutachten ausgestellt bekommen. Die Montage des Krans sei in Erfüllung eines Liefer- und Werkvertrags zwischen der Beklagten und dem Erstnebenintervenienten erfolgt. Aus diesem Vertrag sei auch der Kläger als Angestellter des Erstnebenintervenienten geschützt. Der Kläger könne daher seine Ansprüche gegen die Beklagte richten. Den Kläger treffe zumindest kein zu einer Verschuldensteilung führendes relevantes Mitverschulden.

Die Beklagte begehrte Klagsabweisung und brachte im Wesentlichen vor, die von der Zweitnebenintervenientin bereits hergestellten Schraubverbindungen seien nicht als provisorische Verbindungen zu erkennen gewesen. Das Hinweistäfelchen, das darauf hingewiesen habe, die Schrauben seien nachzuziehen, sei weder von Stefan G***** noch von seinen Helfern bemerkt worden, zumal es im Inneren der Konstruktion der Turmstiege gehangen sei. Stefan G***** habe nicht entsprechend der Montageanleitung des Kranhersteller gehandelt, weil er die vormontierten Schrauben nicht mit einem Drehmomentschlüssel angezogen habe. Den Kläger treffe ein schweres, jedenfalls überwiegendes Mitverschulden am Unfall. Der sich durch das Lockern der Schrauben allmählich bildende Spalt zwischen den Turmstößen hätte dem Kläger ebenso auffallen müssen wie die dadurch verursachten unnatürlichen Dreh- und Kippbewegungen des Krans. Die Beklagte wandte eine Gegenforderung von EUR 36.449,61 ein. Die Beklagte habe Sachschäden, die durch den Kranunfall verursacht worden seien, in dieser Höhe liquidiert. Aufgrund des Mitverschuldens des Klägers könne die Beklagte beim Kläger den Rückersatz begehren.

Ing. Heinz W***** sowie die N***** GmbH schlossen sich unwidersprochen dem Verfahren als Nebenintervenienten auf Seiten des Klägers an.

Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung als mit EUR 12.500,13 sowie die Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung ebenfalls als zu Recht bestehend und wies demgemäß das gesamte Zahlungsbegehren ab. Es stellte die Haftung der Beklagten für künftige Schäden aus dem Unfall im Sinne des Feststellungsbegehrens als zur Hälfte zu Recht bestehend fest und wies das darüber hinausgehende Feststellungsbegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:

Der Erstnebenintervenient mietete bei der Beklagten am 3. 9. 2002 einen L*****-Turmdrehkran *****. Die Beklagte ihrerseits mietete den Kran von der Zweitnebenintervenientin an. Der Kran war bei der Verladung nicht zur Gänze zerlegt, sondern zwei Turmteile waren miteinander verschraubt. Diese Schrauben waren aber nur handfest angezogen, weshalb ein Mitarbeiter der Zweitnebenintervenientin handschriftlich ein an denjenigen, der den Kran aufbauen würde, gerichtetes Schild verfasste, auf dessen einer Seite er „Schrauben anziehen", auf der anderen Seite „Schrauben müssen nachgezogen werden!" schrieb. Dieses Schild brachte er direkt an der Leiter oberhalb des Zwischenpodestes an.

Nach der Anlieferung des Krans auf die Baustelle war es Aufgabe des bei der Beklagten beschäftigten Stefan G*****, die Montage vorzunehmen, die er am 23. 9. 2002 durchführte. Er setzte die getrennt angelieferten Kranteile mit Helfern des Erstnebenintervenienten zusammen. Die Schrauben in jenem Bereich, in dem der Kran bereits vormontiert war, kontrollierte er noch im liegenden Zustand mit einem Schlagschlüssel im Rahmen einer Klangprobe und zog daraus den Schluss, dass die Schrauben bereits angezogen waren. Dies glaubte er auch deshalb, da auf den Muttern die Staubkappen angebracht waren. Nachdem der Kran in die Senkrechte aufgestellt worden war, zog er die Schrauben mit einem hydraulischen Drehmomentschlüssel an. Die Schrauben der verbunden angelieferten Turmteile zog er aber nicht an. Das erwähnte Schild sah er während des Montagevorganges nicht.

Aus der ÖNORM M 9602 geht unter Punkt 2.2. die Sicht- und Funktionsprüfung hervor, während in der ÖNORM M 9601 unter Punkt 2.2. vermerkt ist, dass Kräne erst in Betrieb genommen werden dürfen, wenn die für sie erforderlichen Prüfungen durchgeführt wurden. Aus der ÖNORM M 9601 Punkt 2.3. geht hervor, dass die Betriebsanleitungen des Herstellers einzuhalten sind.

In der Montageanleitung des Kranherstellers befindet sich eine Anleitung, wie die Schrauben zur Verbindung der Turmstücke zu montieren bzw anzuziehen sind, wobei diese Anleitung vom Kranmonteur jedenfalls zu berücksichtigen ist. Bei den Verschraubungen der einzelnen Turmteile handelt es sich um hochfeste vorgespannte Schraubverbindungen. Diese müssen gemäß Montageanleitung des Kranherstellers zwischen den einzelnen Turmteilen mit einem Drehmomentschlüssel bzw Hydraulikkraftschrauber angezogen werden.

Nachdem der Kran aufgestellt war, wurde er in Betrieb genommen, wobei zunächst Walter L***** als Kranfahrer beschäftigt war. Weder L***** noch DI Herbert G*****, der (im Auftrag der Beklagten) die Prüfung des Krans am 4. 10. 2002 aufgrund einer Checkliste durchführte, bemerkten Auffälligkeiten. DI G***** überprüfte zunächst, ob der Kran stabil stehe, dann kletterte er hinauf und schaute sich die Verbindungen an. Er ging auch auf Ausleger und Gegenausleger hinaus, um dort die Verbindungen zu kontrollieren. Dabei überprüfte er sämtliche Verbindungen insofern, als er kontrollierte, ob ein Lichtspalt zu sehen sei, weiters durch eine Klangprobe, aufgrund derer er feststellen wollte, ob die Vorspannung vorhanden sei. Bei der Prüfung der Verschraubungen verwendete er keinen Drehmomentschlüssel, da er dafür einen zweiten Mann benötigt und die Prüfung ca zwei bis drei Stunden länger gedauert hätte. DI G***** fiel weder bei der Sichtprüfung noch bei der Klangprobe etwas auf, wobei er diese Klangproben nicht bei unterschiedlichen Stellungen des Auslegers durchführte und er weder die Höchstlast prüfte, noch mit der Last bis zur Kranspitze fuhr, sondern lediglich bei angehängter Last kontrollierte, ob der Kran richtig abschalte. Die Überprüfung dauerte etwa eineinhalb Stunden lang. DI G***** stellte für den Kran ein Prüfgutachten aus, in dem keine Mängel angeführt sind und keine Bedenken an der Inbetriebnahme des Kranes geäußert wurden.

Die Klangprobe ist keine objektivierbare Prüfmethode und stellt daher einen unzulässigen Prüfvorgang dar. Sie kann nur vereinzelt bei Monteuren als erste Orientierung verwendet werden, ergibt sich jedoch aus keinem Regelwerk.

Ab dem 3. 10. 2002 bediente der Kläger den Kran, so auch am 7. 11. 2002 um 14.30 Uhr, als er gerade damit beschäftigt war, mit dem Kran Gerüstbretter mit einem Gewicht von ca 500 kg hochzuheben. Als er die Gerüstbretter ca 2 m hochgehoben und mit der Laufkatze ca 10 m in Richtung Kabine gefahren war, knickte der Turm nach hinten um, wodurch der obere Teil samt Ausleger auf das Dach der Tiefgarage des Hotels M***** stürzte. Ursache für das Abknicken des Krans war, dass sich bei insgesamt vier der acht bereits vorverschraubten - von Stefan G***** nicht mit einem Drehmomentschlüssel überprüften - Schraubverbindungen die Muttern lösten und die Gewindebolzen, die von unten nach oben eingeschoben waren, zu Boden fielen. Ursache dafür war das zu geringe Anzugsmoment der Schraubverbindungen, wobei sich die gegenständlichen Verbindungen langsam und allmählich gelockert hatten. Es hatte eines längeren Zeitraums bedurft, bis sich die Schraubverbindungen so weit aufgedreht hatten, dass ein Versagen der Turmverbindungen eintrat. Nach dem Unfall wurden die Verbindungsbolzen sowie Muttern in einem Umkreis von 3 bis 4 m am Kranfuß gefunden. Zwei der vier vollständig aufgedrehten Verbindungsschrauben zeigten keine Schäden am Gewinde, sodass sich die Muttern die gesamte überstehende Gewindelänge von ca 40 mm aufgedreht haben mussten, bis sie aus den Bohrlöchern zu Boden fallen konnten; zwei der Schrauben zeigten frisch ausgerissene Gewindegänge, was darauf zurückzuführen war, dass nicht alle vier Schrauben unmittelbar gleichzeitig herunterfielen, sondern jeweils zwei. Es ist davon auszugehen, dass sich über einen längeren Zeitraum ein anwachsender Spalt in der Turmverbindung eingestellt hatte. Dieser Spalt hätte bei den täglich vorgeschriebenen Überprüfungen vor Betriebsbeginn durch den Kranfahrer erkannt werden müssen. Diesbezüglich geht aus der ÖNORM M 9601, Punkt 2.4. hervor, dass der Kranführer den Zustand des Kranes auf auffällige Mängel und Veränderungen im Betriebsverhalten zu beobachten hat. Erforderlichenfalls hat er eine fachkundige Person beizuziehen, bei Gefährdung der Betriebssicherheit ist der Betrieb einzustellen, am Kran festgestellte Mängel sind dem Arbeitgeber, bei Kranführerwechsel auch dem Ablöser mitzuteilen. Diese Vorschrift zielt darauf hin, dass allfällige sicherheitsrelevante Veränderungen des Kranes und seines Zustandes während des Betriebes durch einen aufmerksamen und fachkundigen Kranführer festgestellt werden.

Beim täglichen mehrmaligen Auf- und Absteigen hätte der Kläger als Kranführer, wenn er die ÖNORM M 9601 eingehalten hätte, an sichtbaren Veränderungen einen Knick in der Turmachse bzw den sich öffnenden Spalt erkennen können. Kräne der gegenständlichen Bauart haben einen quadratischen Querschnitt von 1,8 m Seitenlänge. Die Aufstiegsleiter ist schräg von unten nach oben in den Kranturm angeordnet, weshalb man je nach Aufstiegsposition unterschiedliche Abstände zu den gegenständlichen Schraubverbindungen hat. Beim Aufsteigen nähert man sich der Schraubverbindung, die im Rückenbereich des Aufsteigenden liegt, etwa in einem Abstand von 0,5 bis 1 m. Beim Umsteigen auf die Gitterplattform des nächsten Turmelementes ist man deutlich näher an den Schraubverbindungen, wobei durch die Plattform selbst die Sicht nicht verdeckt wird. Das vom Mitarbeiter der Zweitnebenintervenientin angebrachte Schild war auch dem Kläger nicht aufgefallen.

Unter der Voraussetzung, dass sich nur ein etwa 18 mm breiter Spalt an der Trennfläche zweier Turmelemente einstellt, ergibt sich eine Bogenlänge für die Schwenkbewegung des Lastaufnahmepunktes in höchster Hakenstellung von ca 472 mm, was in reiner Vertikalbewegung eine Höhendifferenz von ca 450 mm bedeutet. Bei größeren Belastungswechseln, wie etwa beim Aufnehmen und Absetzen von größeren Lasten bzw bei größeren Lastabständen ergibt sich daraus ein Wechsel des abknickenden Turmes und damit verbunden eine zusätzliche Auslegerbewegung mit Lastaufnahmepunkt in vertikaler Richtung von etwa ½ m. Bei einer Vergrößerung des Spaltes erhöht sich die Höhendifferenz linear.

Die Lösung der Schraubenverbindungen hat aufgrund der ständigen Lastwechsel im Normalbetrieb des Kranes stattgefunden, wobei das Erstgericht nicht feststellen konnte, ob die zusätzliche Lastbewegung an der Auslegungsspitze von rund ½ m ohne Weiteres von der Krankabine aus während des Betriebes wahrgenommen hätte werden können, zumal einerseits die elastischen Verformungen der gesamten Kranstruktur in der Kranfahrerkabine beträchtlich sind und sich die Veränderungen sehr langsam einstellten. Das Erstgericht konnte auch nicht feststellen, ob dem Kläger knackende oder quietschende Zusatzgeräusche während der verschiedenen Last- und Drehbewegungen auffallen hätten müssen.

Bei der reinen Kippbewegung kommt es nicht zu Geräuschen, während der Schwenkvorgang mit einer Geräuschbildung verbunden ist. Dies hätte aufgrund des Umstandes, dass die entsprechenden Verbindungen nur per Hand angezogen waren, bei der Abnahmeprüfung im Rahmen des Schwenkers bemerkt werden können.

Der Kranschaden selbst wurde von der Maschinenbruchversicherung der Zweitnebenintervenientin ersetzt.

Die Beklagte musste bisher zumindest EUR 36.449 für Sachschäden auf der Baustelle aufwenden: Die Isolierungen auf der Tiefgarage mussten erneuert werden, ein statisches Gutachten war einzuholen, der Asphalt, ein Geländer und die Heizschlangen in der Tiefgarageabfahrt mussten erneuert werden, ein Auto wurde total zerstört, ein weiteres beschädigt.

Aus den Vorschriften der Beklagten bezüglich Schraubverbindungen geht unter Punkt 6.2.2 hervor, dass wiederkehrende Kontrollen bei jeder Aufstellung des Krans sowie jährlich mindestens einmal, bei Mehrschichtbetrieb entsprechend öfter erfolgen müssen, dass die Kontrolle durch stichprobenweises Lösen von Schraubverbindungen erfolgt, Verbindungsschrauben herausgenommen und entsprechend kontrolliert werden müssen. Eine erstmalige Kontrolle gemäß Punkt 6.2.1 muss bei neuen Kränen und Kranteilen wegen Setzungen der Schraubverbindungen mindestens drei Wochen nach erfolgter Erstaufstellung durchgeführt werden; die Kontrolle hat mittels Drehmomentschlüssel bzw mittels Drehmomentschlüssel und Kraftschrauber zu erfolgen. Aus Punkt 6.2.3 geht hervor, dass wiederkehrende Kontrollen durch Inaugenscheinnahme spätestens vierteljährlich erfolgen müssen, wobei festgestellt werden muss, ob durch sichtbare Spalten zwischen den gespannten Teilen auf ein Lockern der Schraubverbindungen geschlossen werden muss.

Stefan G***** wurde als verantwortlicher Kranmonteur infolge der Verletzung des Klägers beim Unfall vom Bezirksgericht Landeck zu 7 U 33/03s wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB rechtskräftig verurteilt.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, die Beklagte müsse für ihren Mitarbeiter (Stefan G*****), den ein Verschulden am Unfall treffe, gemäß § 1313a ABGB einstehen. Den Kläger treffe ein Mitverschulden, da er seinen Verpflichtungen einer täglichen Kontrolle des Krans unzulänglich nachgekommen sei, weil er nicht überprüft habe, ob die Schraubverbindungen Veränderungen unterworfen waren. Deshalb habe es dazu kommen können, dass sich die Schrauben über einen längeren Zeitraum gelockert und schließlich teilweise zu Boden hätten fallen können, wodurch es zum Abknicken des Krans gekommen sei. Das Verschulden des Monteurs der Beklagten und des Klägers sei gleich groß. Das globale Schmerzengeld sei mit EUR 25.000 angemessen. Die vom Kläger erlittenen Sachschäden und unfallbedingten Auslagen maß das Erstgericht gemäß § 273 ZPO mit insgesamt EUR 1.000,25 (im weiteren Verfahren der Höhe nach nicht mehr bestritten) aus. Der Gesamtanspruch des Klägers errechne sich somit mit EUR 26.000,25. Unter Berücksichtigung des halben Mitverschuldens gebühre dem Kläger EUR 13.000,13, wovon der bereits bezahlte Schmerzengeldbetrag von EUR 500 abzuziehen gewesen sei. Daraus errechne sich die zu Recht bestehende Klagsforderung. Ausgehend von den festgestellten Beträgen von EUR 36.449, die die beklagte Partei liquidiert habe, errechne sich eine Gegenforderung von EUR 18.224. Weil Spätfolgen nicht ausgeschlossen werden könnten, sei entsprechend dem Verschuldensanteil des Klägers dessen Feststellungsbegehren zur Hälfte berechtigt.

Das nur vom Kläger angerufene Berufungsgericht änderte das Ersturteil ab. Es erkannte die Klagsforderung als mit EUR 25.500,25 zu Recht bestehend, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und verurteilte demgemäß die Beklagte zur Bezahlung von EUR 25.500,25 samt Zinsen. Das Mehrbegehren von EUR 5.247,65 sowie das Zinsenmehrbegehren wies es ab. Es gab dem Feststellungsbegehren vollinhaltlich statt.

Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, Regelwerke wie ÖNORMEN, die nicht durch konkrete Rechtsvorschriften für verbindlich erklärt worden seien, hätten nur insofern Bedeutung, als sie entweder ausdrücklich oder konkludent zum Gegenstand von Verträgen gemacht worden seien und als Schutzgesetz im Sinn des § 1311 ABGB angesehen würden. Es bestehe weder eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Streitteilen noch eine Rechtsvorschrift, mit der die ÖNORM M 9601 für verbindlich erklärt worden sei und damit Normcharakter erhalte. Die Unterlassung der Prüfung des Krans auf allfällige Mängel und Veränderungen im Betriebsverhalten durch den Kläger stelle daher keinen Verstoß gegen eine positive Rechtsvorschrift dar und begründe daher keine Rechtswidrigkeit. Dies wirke sich nicht auf die Beurteilung eines allfälligen Mitverschuldens des Klägers aus, da ein Mitverschulden des Geschädigten an der Herbeiführung seines eigenen Schadens keine Rechtswidrigkeit seines Verhaltens voraussetze, sondern lediglich Sorglosigkeit gegenüber eigenen Gütern. Bei der Unterlassung von Schutzmaßnahmen zur eigenen Sicherheit sei im Verhältnis zum Schädiger der Vorwurf des Mitverschuldens nur dann begründet, wenn sich bereits ein allgemeines Bewusstsein der beteiligten Kreise dahingehend gebildet habe, dass jeder Einsichtige und Vernünftige solche Schutzmaßnahmen anzuwenden pflege. ÖNORMEN stellten nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung eine Zusammenfassung üblicher Sorgfaltsanforderungen an den Werkunternehmer dar. Auch die ÖNORM M 9601 sei eine Zusammenfassung üblicher Sorgfaltsanforderungen an einen Kranführer. Die Überprüfung des Kranes auf allfällige Mängel und Veränderungen im Betriebsverhalten durch den Kranführer gehöre daher zum üblichen Aufgabenkreis eines durchschnittlich sorgfältigen Kranfahrers. Diesen üblichen Sorgfaltsanforderungen habe der Kläger nicht entsprochen, sodass diese Nachlässigkeit des Klägers grundsätzlich ein Mitverschulden im Sinne einer Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten begründe. Bei der Verschuldensteilung entschieden vor allem die Größe und Wahrscheinlichkeit der schuldhaft herbeigeführten Gefahr, die Bedeutung der verletzten Vorschrift und der Grad der Fahrlässigkeit. Die Nachlässigkeit des Klägers trete gegenüber dem massiven Verschulden des Monteurs der Beklagten, Stefan G*****, der es trotz eines eindeutigen Hinweises von Mitarbeitern der Zweitnebenintervenientin unterlassen habe, die bloß händisch vorverschraubten Schraubverbindungen zu überprüfen und nachzuziehen, derart in den Hintergrund, dass sie gegenüber dem erheblichen, der Beklagten zurechenbaren Verschulden vernachlässigt werden könne.

Die eingewendete Gegenforderung sei bereits mangels rechtswidriger Unterlassung des Klägers nicht berechtigt. Die ÖNORM M 9601 stelle keine verbindliche Rechtsnorm dar, gegen die der Kläger habe verstoßen können. Die Gegenforderung sei auch deshalb unberechtigt, weil sie lediglich einen Vermögensschaden der Beklagten betreffe. Mangels einer vertraglichen Beziehung zwischen den Streitteilen könne sich die Beklagte nur auf deliktische Haftung des Klägers stützen. Nach herrschender Ansicht genössen jedoch nur bestimmte Rechtsgüter deliktischen Schutz, wozu nicht das bloße Vermögen gehöre. Der bloße Vermögensschaden der Beklagten wäre daher von einer deliktischen Haftung des Klägers nicht umfasst, sodass die eingewendete Gegenforderung auch deshalb unberechtigt sei.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu, weil es sich an einer einheitlichen oberstgerichtlichen Rechtsprechung orientiert habe. Die Beurteilung des Mitverschuldens des Klägers habe keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, das Urteil der ersten Instanz wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Oberste Gerichtshof hat dem Kläger sowie den beiden Nebenintervenientinnen die Beantwortung der außerordentlichen Revision freigestellt.

Der Kläger und die Erstnebenintervenientin beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Die Zweitnebenintervenientin hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes ist die Revision der Beklagten zulässig, weil dem Berufungsgericht eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen ist, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen ist. Die Revision ist teilweise berechtigt.

Eine entscheidungsrelevante Aktenwidrigkeit des Berufungsurteiles liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

In der Rechtsrüge führt die Revisionswerberin ua aus, das Berufungsgericht habe sich nicht mit der Arbeitsmittelverordnung (AM-VO, BGBl II Nr 164/2000) und mit den gemäß § 19 Abs 2 dieser Verordnung relevanten Betriebsanweisungen des Herstellers auseinandergesetzt. Der Kläger habe gegen diese Vorschriften, die Schutzgesetze gemäß § 1311 ABGB seien, verstoßen.

Auf die AM-VO muss deshalb nicht eingegangen werden, weil bereits das Berufungsgericht eine Sorglosigkeit des Klägers ohnehin (aus anderen Erwägungen) bejaht hat.

Abweichend von den weiteren Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes ist aber angesichts üblicher Sorgfaltsanforderungen auch die Rechtswidrigkeit der Unterlassung des Klägers hinsichtlich verursachter Fremdschäden zu bejahen.

Davon ausgehend erweist sich die Verschuldensabwägung des Berufungsgerichts als verfehlt. Nach Ansicht des erkennenden Senates überwiegt zwar das Verschulden von Stefan G***** als demjenigen, der für die ordnungsgemäße Aufstellung des Krans zuständig war und auch die konkreten Verbindungen überprüfen und maschinell nachziehen hätte müssen, das Verschulden des Klägers deutlich. Der sich öffnende Spalt war für den Kläger beim oftmaligen Auf- und Absteigen erkennbar. Die Unterlassung jeglicher Überprüfungsmaßnahmen durch einen Kranführer während eines fünfwöchigen Betriebes eines Kranes kann nicht als zu vernachlässigendes Verschulden qualifiziert werden. Der erkennende Senat hält vielmehr ein Mitverschulden des Klägers am Unfall im Ausmaß von einem Viertel für gerechtfertigt.

Dieses Mitverschulden des Klägers führt zur Kürzung seiner Schadenersatzansprüche gegen die Beklagte um ein Viertel.

Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes sind die durch das Umfallen des Kranes verursachten Sachschäden, die die Beklagte liquidiert hat, keine bloßen Vermögensschäden. Der der Beklagten zurechenbare Stefan G***** sowie der Kläger haben beide durch ihr jeweiliges Fehlverhalten diese Sachschäden verursacht. Sie haben damit absolut geschützte Güter, nämlich das Eigentum an fremden körperlichen Sachen, verletzt und somit schon deliktisch rechtswidrig gehandelt. Eines Rückgriffs auf die Figur des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bedarf es daher für die Bejahung der Haftung des Klägers für die verursachten Sachschäden nicht. Gemäß § 1302 letzter Halbsatz ABGB bleibt der Beklagten der Rückersatz gegen die übrigen, hier den Kläger, vorbehalten. Der Regressanspruch beruht nach herrschender Auffassung nicht in einer Schadenersatzpflicht, sondern auf dem Gemeinschaftsverhältnis und richtet sich nach § 896 ABGB (SZ 60/55; 4 Ob 94/04h = SZ 2004/81; 2 Ob 78/06v). Er ist ein selbständiger Anspruch, dessen Art und Umfang sich nach dem zwischen den Streitteilen bestehenden „besonderen Verhältnis" richtet. Als besonderes Verhältnis unter den Mitschuldigen ist beim Regress nach den §§ 1302, 896 ABGB das Ausmaß ihrer Beteiligung, also der Verschuldens- und Verursachungsanteile anzusehen, nach dem sich dann die endgültige Haftung im Innenverhältnis bestimmt (RIS-Justiz RS0017501). Die Gegenforderung besteht daher, soweit das Erstgericht eine Zahlung der Beklagten festgestellt hat, zu einem Viertel zu Recht.

Soweit die Revisionsbeantwortungen der Rechtsrüge der Revision entgegentreten, gehen sie zum Teil nicht vom festgestellten Sachverhalt aus bzw versuchen sie neuerlich - in der Revision unzulässigerweise -, die Beweiswürdigung des Erstgerichtes, die schon vom Berufungsgericht als unbedenklich beurteilt wurde, zu erschüttern.

Es war daher unter Einschluss der bereits rechtskräftigen Teile die spruchgemäße Entscheidung zu fällen, zumal die Höhe von Klags- und Gegenforderung in 3. Instanz unstrittig ist.

Die Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren gründet sich auf § 43 Abs 1 und 2 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren auf § 43 Abs 1, § 50 ZPO.

Textnummer

E84798

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:0020OB00277.06H.0628.000

Im RIS seit

28.07.2007

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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