TE OGH 2007/7/10 14Os68/07t

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Veröffentlicht am 10.07.2007
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Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juli 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Egger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gökhan K***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die vom Generalprokurator gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 31. Mai 2006, GZ 163 Hv 62/06t-130, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Mag. Höpler, des Verurteilten Ferhat A***** sowie der Verteidiger Dr. Vallender und Mag. Kux, zu Recht erkannt:Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juli 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Egger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gökhan K***** und andere Angeklagte wegen Verbrechen des schweren Raubes nach Paragraphen 142, Absatz eins,, 143 erster und zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die vom Generalprokurator gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 31. Mai 2006, GZ 163 Hv 62/06t-130, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Mag. Höpler, des Verurteilten Ferhat A***** sowie der Verteidiger Dr. Vallender und Mag. Kux, zu Recht erkannt:

Spruch

Der gemeinsam mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 31. Mai 2006, GZ 163 Hv 62/06t-130, verkündete Beschluss, mit dem gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO ausgesprochen wurde, dass aus Anlass der gleichzeitig erfolgten Verurteilung der Angeklagten Gökhan K*****, Sedat Ka***** und Ferhat A***** vom Widerruf der den Genannten im Verfahren AZ 143 Hv 156/05t des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen, jedoch die Probezeit auf fünf Jahre verlängert werde, verletzt § 494a Abs 1 StPO, § 495 Abs 2 StPO und § 55 Abs 1 StGB.Der gemeinsam mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 31. Mai 2006, GZ 163 Hv 62/06t-130, verkündete Beschluss, mit dem gemäß Paragraph 494 a, Absatz eins, Ziffer 2, StPO ausgesprochen wurde, dass aus Anlass der gleichzeitig erfolgten Verurteilung der Angeklagten Gökhan K*****, Sedat Ka***** und Ferhat A***** vom Widerruf der den Genannten im Verfahren AZ 143 Hv 156/05t des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen, jedoch die Probezeit auf fünf Jahre verlängert werde, verletzt Paragraph 494 a, Absatz eins, StPO, Paragraph 495, Absatz 2, StPO und Paragraph 55, Absatz eins, StGB.

Der Ausspruch auf Verlängerung der Probezeit wird aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 13. März 2006, GZ 143 Hv 156/05t-78, wurden ua Gökhan K*****, Ferhat A***** und Sedat Ka***** wegen schweren Raubes und anderer strafbarer Handlungen (die Tatzeiten liegen zwischen 23. Oktober 2004 und 28. August 2005) zu gänzlich bzw teilweise bedingten Freiheitsstrafen verurteilt.

Mit - gleichfalls in Rechtskraft erwachsenem - Urteil desselben Gerichts vom 31. Mai 2006, GZ 163 Hv 62/06t-130, wurden die genannten Angeklagten wegen gleichartiger strafbarer Handlungen (die Tatzeiten liegen zwischen 8. November 2005 und 30. Jänner 2006) gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das oben zitierte Urteil vom 13. März 2006 zu unbedingten Zusatzfreiheitsstrafen verurteilt. Gleichzeitig wurde „gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der im Verfahren AZ 143 Hv 156/05t des Landesgerichts für Strafsachen Wien gewährten bedingten Strafnachsichten abgesehen und die damals bestimmten Probezeiten auf fünf Jahre verlängert".Mit - gleichfalls in Rechtskraft erwachsenem - Urteil desselben Gerichts vom 31. Mai 2006, GZ 163 Hv 62/06t-130, wurden die genannten Angeklagten wegen gleichartiger strafbarer Handlungen (die Tatzeiten liegen zwischen 8. November 2005 und 30. Jänner 2006) gemäß Paragraphen 31,, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das oben zitierte Urteil vom 13. März 2006 zu unbedingten Zusatzfreiheitsstrafen verurteilt. Gleichzeitig wurde „gemäß Paragraph 494 a, Absatz eins, Ziffer 2, StPO vom Widerruf der im Verfahren AZ 143 Hv 156/05t des Landesgerichts für Strafsachen Wien gewährten bedingten Strafnachsichten abgesehen und die damals bestimmten Probezeiten auf fünf Jahre verlängert".

Rechtliche Beurteilung

Der letztgenannte Beschluss steht - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Da § 494a Abs 1 StPO ausdrücklich auf die Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung abstellt, die vor Ablauf der Probezeit nach einer bedingten Strafnachsicht begangen worden ist, §§ 31 StGB aber nur für Taten in Betracht kommt, welche vor der früheren Verurteilung begangen wurden, kommt eine Zuständigkeit des erkennenden Gerichts zur Beschlussfassung über den Widerruf bei nachträglicher Verurteilung nach § 55 Abs 1 StGB gemäß § 494a Abs 1 StPO bei Beachtung der Wortlautgrenze nicht in Betracht (Jerabek in WK2 § 55 [2006] Rz 5; RIS-Justiz RS0111521, zuletzt 14 Os 106/06d, 14 Os 107/06a). Gemäß der Bestimmung des § 495 Abs 2 StPO obliegt - nach nunmehr gefestigter Judikatur - die Beschlussfassung über einen Widerruf bei nachträglicher Verurteilung jenem Gericht, dessen Urteil eine bedingte Nachsicht enthält. Es hätte demzufolge das Landesgericht für Strafsachen Wien im Verfahren AZ 143 Hv 156/05t über einen allfälligen Widerruf der bedingten Strafnachsichten entscheiden müssen.Da Paragraph 494 a, Absatz eins, StPO ausdrücklich auf die Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung abstellt, die vor Ablauf der Probezeit nach einer bedingten Strafnachsicht begangen worden ist, Paragraphen 31, StGB aber nur für Taten in Betracht kommt, welche vor der früheren Verurteilung begangen wurden, kommt eine Zuständigkeit des erkennenden Gerichts zur Beschlussfassung über den Widerruf bei nachträglicher Verurteilung nach Paragraph 55, Absatz eins, StGB gemäß Paragraph 494 a, Absatz eins, StPO bei Beachtung der Wortlautgrenze nicht in Betracht (Jerabek in WK2 Paragraph 55, [2006] Rz 5; RIS-Justiz RS0111521, zuletzt 14 Os 106/06d, 14 Os 107/06a). Gemäß der Bestimmung des Paragraph 495, Absatz 2, StPO obliegt - nach nunmehr gefestigter Judikatur - die Beschlussfassung über einen Widerruf bei nachträglicher Verurteilung jenem Gericht, dessen Urteil eine bedingte Nachsicht enthält. Es hätte demzufolge das Landesgericht für Strafsachen Wien im Verfahren AZ 143 Hv 156/05t über einen allfälligen Widerruf der bedingten Strafnachsichten entscheiden müssen.

Die Verlängerung der Probezeit findet im Gesetz keine Deckung. Werden - wie vorliegend - mehrere Straftaten eines Rechtsbrechers, die nach der Zeit ihrer Begehung Gegenstand eines Urteils hätten sein können, in verschiedenen, im Verhältnis des § 31 StGB stehenden Erkenntnissen abgeurteilt, so ist anlässlich der zeitlich nachfolgenden Verurteilung zu prüfen, ob eine im zeitlich vorangegangenen Verfahren ausgesprochene bedingte Strafnachsicht auch bei gemeinsamer Aburteilung gewährt worden wäre. Wird dies verneint, ist die bedingte Strafnachsicht gemäß der diese Fallgestaltung abschließend regelnden Bestimmung des § 55 Abs 1 StGB zu widerrufen; andernfalls bleibt die im vorangegangenen Urteil gewährte Strafnachsicht mit der dort bestimmten Probezeit unberührt. Eine Verlängerung der Probezeit tritt gemäß § 55 Abs 3 StGB nur dann ein, wenn Probezeiten zusammentreffen, also sowohl im Vorurteil als auch im Nachurteil eine bedingte Nachsicht ausgesprochen wurde. Nicht jedoch, wenn - wie hier - im zeitlich späteren Urteil eine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt wird. Eine Verlängerung der Probezeit war daher, weil gesetzlich nicht vorgesehen, unzulässig (Jerabek in WK2 § 55 [2006] Rz 10; Fabrizy StGB9 § 55 Rz 5).Die Verlängerung der Probezeit findet im Gesetz keine Deckung. Werden - wie vorliegend - mehrere Straftaten eines Rechtsbrechers, die nach der Zeit ihrer Begehung Gegenstand eines Urteils hätten sein können, in verschiedenen, im Verhältnis des Paragraph 31, StGB stehenden Erkenntnissen abgeurteilt, so ist anlässlich der zeitlich nachfolgenden Verurteilung zu prüfen, ob eine im zeitlich vorangegangenen Verfahren ausgesprochene bedingte Strafnachsicht auch bei gemeinsamer Aburteilung gewährt worden wäre. Wird dies verneint, ist die bedingte Strafnachsicht gemäß der diese Fallgestaltung abschließend regelnden Bestimmung des Paragraph 55, Absatz eins, StGB zu widerrufen; andernfalls bleibt die im vorangegangenen Urteil gewährte Strafnachsicht mit der dort bestimmten Probezeit unberührt. Eine Verlängerung der Probezeit tritt gemäß Paragraph 55, Absatz 3, StGB nur dann ein, wenn Probezeiten zusammentreffen, also sowohl im Vorurteil als auch im Nachurteil eine bedingte Nachsicht ausgesprochen wurde. Nicht jedoch, wenn - wie hier - im zeitlich späteren Urteil eine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt wird. Eine Verlängerung der Probezeit war daher, weil gesetzlich nicht vorgesehen, unzulässig (Jerabek in WK2 Paragraph 55, [2006] Rz 10; Fabrizy StGB9 Paragraph 55, Rz 5).

Die sich zum Nachteil der Angeklagten auswirkende Verlängerung der Probezeit war zu kassieren (§ 292 letzter Satz StPO).Die sich zum Nachteil der Angeklagten auswirkende Verlängerung der Probezeit war zu kassieren (Paragraph 292, letzter Satz StPO).

Anmerkung

E84874 14Os68.07t

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:0140OS00068.07T.0710.000

Dokumentnummer

JJT_20070710_OGH0002_0140OS00068_07T0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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