TE Vwgh Erkenntnis 2007/10/16 2004/18/0149

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.10.2007
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §35 Abs3 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z4;
FrG 1997 §39 Abs1;
StGB §133 Abs1;
StGB §133 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde des PK, geboren 1974, vertreten durch Dr. Peter Philipp, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 17, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. April 2004, Zl. SD 374/04, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 16. April 2004 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer befinde sich seit 1988 im Bundesgebiet und verfüge über einen unbefristeten Aufenthaltstitel.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 11. September 2003 sei über ihn wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 zweiter Fall StGB, des Vergehens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 leg. cit. sowie der Vergehen nach dem § 114 Abs. 1 und 2 ASVG und nach § 159 Abs. 1, 2 und 5 Z. 3 (§ 161 Abs. 1) StGB eine (unbedingten) Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren rechtskräftig verhängt worden. Dieser Verurteilung sei folgender Sachverhalt zu Grunde gelegen:

Der Beschwerdeführer sei bis zum 31. Oktober 2000 Geschäftsführer eines 1996 gegründeten Transportunternehmens gewesen und habe gemeinsam mit seinem abgesondert verfolgten Vater während seiner Geschäftsführertätigkeit bei diversen Unternehmen bzw. Banken geleaste KFZ und Anhänger in einem Gesamtwert von etwa EUR 290.000,-- nach Jugoslawien verbracht, sie dort veräußern lassen und sich bzw. Dritten den Erlös zugeeignet. Auf diese Art seien insgesamt zwölf LKW bzw. Anhänger veruntreut worden. Am 23. Oktober 1999 habe er vorgetäuscht, Eigentümer eines im Eigentum einer Bank stehenden LKW zu sein, und diesem einen anderen angeboten sowie ihn zur Zahlung von etwa EUR 8.700,-- verleitet. Ebenso habe er am 9. November 2000 ein Unternehmen betrogen und dieses zur Ausfolgung von Reifen im Wert von etwa EUR 1.300,-- veranlasst. Der Beschwerdeführer sei weiters schuldig erkannt worden, von März 2000 bis Oktober 2000 als zur Vertretung nach außen berufenes Organ seines Unternehmens Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von etwa EUR 6.800,-- einbehalten und nicht an die Wiener Gebietskrankenkasse abgeliefert zu haben. Weiters habe er grob fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit seines Unternehmens herbeigeführt und die Befriedigung der Unternehmensgläubiger vereitelt bzw. geschmälert.

Die genannte Verurteilung erfülle den in § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG normierten Tatbestand, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit. - im Grund des § 36 Abs. 1 leg. cit. gegeben gewesen seien. Erschwerend zum Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers trete hinzu, dass dieser wegen unrechtmäßiger Beschäftigung eines Ausländers mit Bescheid vom 19. April 2000 mit einer erheblichen Geldstrafe bestraft worden sei.

Der Beschwerdeführer sei ledig und für ein Kind sorgepflichtig. Seiner Lebensgefährtin und dem Kind sei im Februar 2004 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden. Weitere familiäre Bindungen bestünden zu seiner Mutter und dem bereits genannten Vater. Zweifelsfrei sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen erheblichen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen gewesen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz des Eigentums und des Vermögens Dritter - dringend geboten sei. Das der Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten, die Vielzahl der unterschiedlichen Straftaten über einen längeren Zeitraum und auch die beträchtliche Strafhöhe ließen nicht nur die offenbare Geringschätzung des Beschwerdeführers für maßgebliche, zum Schutz der Rechtsgüter Dritter aufgestellte strafrechtliche Normen erkennen, sondern ließen auch eine zu seinen Gunsten ausfallende Verhaltensprognose nicht zu. Solcherart habe sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes als dringend geboten und sohin im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG zulässig erwiesen.

Bei der gemäß § 37 Abs. 2 FrG durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes ableitbare Integration des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen. Diese erweise sich als keinesfalls gering. Zu bedenken sei jedoch, dass die einer jeglichen Integration zu Grunde liegende soziale Komponente durch das dargestellte strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich an Gewicht gemindert werde. Was die zweifelsfrei erheblichen familiären Bindungen des Beschwerdeführers zu seinen Eltern betreffe, so seien diese Bindungen insofern zu relativieren, als er bereits volljährig sei und sich sein Vater wegen der gemeinsam begangenen Straftaten ebenfalls vor Gericht habe verantworten müssen. Auch unter Bedachtnahme auf die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind erweise sich das dem Beschwerdeführer insgesamt zuzuschreibende Interesse an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet als zweifelsfrei sehr gewichtig, wenn auch nicht besonders ausgeprägt. Dem sei das maßgebliche öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und am Schutz des Eigentums und des Vermögens Dritter gegenübergestanden. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wögen nicht schwerer als das in seinem Fehlverhalten gegründete große öffentliche Interesse an seinem Verlassen des Bundesgebietes. Dass er den Kontakt zu seinen Familienangehörigen - wenn auch nur eingeschränkt - vom Ausland aus aufrechterhalten könne, sei eine Folge des Aufenthaltsverbotes, die er im öffentlichen Interesse zu tragen haben werde. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erweise sich daher auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG als zulässig.

Angesichts des Zeitpunktes der Verwirklichung des maßgeblichen, seiner Verurteilung zu Grunde liegenden Sachverhaltes sei die Erlassung dieser Maßnahme auch im Sinn des § 38 leg. cit. zulässig.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe keine Veranlassung bestanden, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so erscheine der unbefristete Ausspruch durch die Erstbehörde gerechtfertigt. Angesichts des schwer wiegenden Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne auch unter Bedachtnahme auf seine private und familiäre Lebenssituation nicht vorhergesehen werden, wann die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe weggefallen sein würden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorauszuschicken ist, dass sich weder aus dem angefochtenen Bescheid noch dem Beschwerdevorbringen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das minderjährige (laut dem Beschwerdevorbringen am 19. Oktober 2000 geborene) Kind des Beschwerdeführers diesem Unterhalt leiste. Von daher kann die nicht weiter begründete, von der Beschwerde vertretene Auffassung, dass auf den Beschwerdeführer die §§ 47 und 48 Abs. 1 sowie § 49 Abs. 1 FrG anzuwenden seien, nicht nachvollzogen werden (vgl. dazu insbesondere § 47 Abs. 3 Z. 3 leg. cit.).

2.1. Auf Grund der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.2. Nach den im angefochtenen Bescheid getroffenen, insoweit unbestrittenen Feststellungen hat der Beschwerdeführer, wie oben (I.1.) dargestellt, als Geschäftsführer eines 1996 gegründeten Transportunternehmens geleaste KFZ und Anhänger in einem Gesamtwert von etwa EUR 290.000,-- veräußern lassen, sich bzw. Dritten den Erlös zugeeignet und auf diese Art insgesamt zwölf LKW bzw. Anhänger veruntreut. Am 23. Oktober 1999 täuschte er vor, Eigentümer eines im Eigentum einer Bank stehenden LKW zu sein, und verleitete betrügerisch einen anderen zur Zahlung von etwa EUR 8.700,--. Ferner veranlasste er am 9. November 2000 betrügerisch einen anderen zur Ausfolgung von Reifen im Wert von etwa EUR 1.300,--. Darüber hinaus behielt er Sozialversicherungsbeiträge von etwa EUR 6.800,-- ein, obwohl er sie an die Wiener Gebietskrankenkasse abzuliefern gehabt hätte, und führte grob fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit seines Unternehmens herbei und vereitelte bzw. schmälerte die Befriedigung der Unternehmensgläubiger.

In Anbetracht dieses massiven Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand, besteht doch ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität.

3. Wenn die Beschwerde meint, dass dem Beschwerdeführer die Bestimmung des § 35 Abs. 3 FrG über die Aufenthaltsverfestigung zugute komme, weil er sich seit 1988, sohin seit weit mehr als zehn Jahren, rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufhalte und wegen keinem der in § 35 Abs. 3 Z. 1 leg. cit. genannten Tatbestände verurteilt worden sei, so irrt sie. Der Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr liegt u.a. ein Verbrechen, nämlich das der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2 zweiter Fall StGB, zu Grunde, sodass nach § 35 Abs. 3 Z. 1 FrG keine Aufenthaltsverfestigung des Beschwerdeführers vorliegt.

4. Ebenso ist der Beschwerdeführer nicht gemäß § 35 Abs. 4 FrG (gemeint: § 38 Abs. 1 Z. 4 leg. cit.) aufenthaltsverfestigt, weil er unstrittig erst im Alter von 14 Jahren in Österreich eingereist ist (vgl. zur diesbezüglichen ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom 15. März 2006, Zl. 2005/18/0668, mwN).

5.1. Die Beschwerde bekämpft weiters die Interessenabwägung der belangten Behörde nach § 37 Abs. 1 und 2 FrG und die unbefristete Erlassung des Aufenthaltsverbotes und weist diesbezüglich auf die starken familiären Bindungen des Beschwerdeführers zu seiner Mutter, die wie er, seit 25 Jahren in Österreich aufhältig sei, sowie zu seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind, die österreichische Staatsbürger sind, hin. Unter Berücksichtigung seines langjährigen inländischen Aufenthaltes und des Umstandes, dass er lediglich eine Verurteilung aufweise, stelle der Ausspruch über die unbefristete Gültigkeitsdauer jedenfalls eine Ermessensüberschreitung dar.

5.2. Dazu ist Folgendes auszuführen:

Nach ständiger hg. Judikatur ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann. Die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, das auch über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren aufrechterhalten werden kann, stellt gegenüber der Verhängung eines - auf höchstens zehn Jahre - befristeten Aufenthaltsverbotes die schwerer wiegende Beeinträchtigung der persönlichen Interessen des Fremden dar (vgl. etwa das Erkenntnis vom 7. September 2004, Zl. 2001/18/0045, mwN).

Wiewohl die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Straftaten des Beschwerdeführers, wie dargestellt, eine erhebliche Beeinträchtigung des maßgeblichen öffentlichen Interesses darstellen, handelt es sich dabei in Ansehung der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes doch nicht um ein derart eklatantes Fehlverhalten, dass dieses - in Anbetracht der gewichtigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet - die unbefristete Verhängung des Aufenthaltsverbotes rechtfertigen würde. Insofern hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.

6. Demzufolge und im Hinblick darauf, dass es sich bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes um einen vom übrigen Inhalt des angefochtenen Bescheides nicht trennbaren Abspruch handelt (vgl. dazu nochmals das vorzitierte Erkenntnis, Zl. 2001/18/0045, mwN), war der angefochtene Bescheid zur Gänze nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 16. Oktober 2007

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004180149.X00

Im RIS seit

08.11.2007

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten