Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BWG 1993 §70 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag 1. der G AG,
2. des DI Mag. W und 3. des H, alle vertreten durch S Rechtsanwälte GmbH der gegen den Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 16. August 2007, Zl. FMA-W00446/0006-WAW/2007, betreffend Auftrag nach § 24 Abs. 3 WAG iVm § 70 Abs. 4 BWG, erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1. Mit der zur hg. Zl. 2007/17/0177 protokollierten Beschwerde bekämpfen die Antragsteller jenen Bescheid der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 16. August 2007, Zl. FMA-W00446/0006-WAW/2007, mit welchem der Bestellung eines über Auftrag der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 11. Juli 2007 (zur selben Zahl wie der hier gegenständliche Bescheid) namhaft gemachten Geschäftsleiters nicht zugestimmt wird (Spruchpunkt I.) und erneut der Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustands durch Namhaftmachung zweier Geschäftsleiter und Vorlage näher genannter Unterlagen erteilt wird (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids wird dem Zweit- und dem Drittbeschwerdeführer zur Zl. 2007/17/0177 "dahingehend die Geschäftsführung untersagt, als mit sofortiger Wirkung keine den Konzessionstatbeständen gemäß § 1 Abs. 1 Z 19 lit. a bis c BWG unterliegende Neugeschäfte abgeschlossen werden dürfen". Unter Spruchpunkt IV. wird der Auftrag erteilt, den Bescheid umgehend dem Aufsichtsrat der Erstbeschwerdeführerin vorzulegen. Zur hg. Zl. 2007/17/0176 ist weiters eine Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin gegen einen Bescheid ebenfalls vom 16. August 2007 und ebenfalls mit der Zl. FMA-W00446/0006-WAW/2007 betreffend die Bestellung eines Regierungskommissärs für die Erstbeschwerdeführerin anhängig.
2. Mit der Beschwerde ist der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden. Begründet ist dieser Antrag dahin gehend, dass zwingende öffentliche Interessen einer Bewilligung offenkundig nicht entgegen stünden. Solche lägen nach der hg. Rechtsprechung nur vor, wenn die konkrete Interessenslage öffentliche Rücksichten berühre, die einen umgehenden Vollzug des angefochtenen Bescheids geböten. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Die durch § 24 WAG definierten öffentlichen Interessen, das volkswirtschaftliche Interesse an einem funktionierenden Kapitalmarkt einerseits und die Interessen der Anleger andererseits, könnten durch die Nichtvollziehung des angefochtenen Bescheids nicht beeinträchtigt werden. Die Erstbeschwerdeführerin sei auf Grund ihrer Größe für das volkswirtschaftliche Interesse völlig irrelevant. Die Erstbeschwerdeführerin könne derzeit keine Anlegerinteressen beeinträchtigen, weil sie sämtliche von der belangten Behörde "beanstandeten Handlungen" eingestellt habe. Aus einem (in der Beschwerde wörtlich wiedergegebenen) Bericht des mit Bescheid vom 16. August 2007 bestellten Regierungskommissärs ergebe sich, dass das Verhalten der Erstbeschwerdeführerin nicht zu beanstanden sei. Die von der belangten Behörde inkriminierten Sachverhalte würden somit nicht mehr verwirklicht. Es drohten keine "unerwünschten Entwicklungen" mehr, die nach der hg. Rechtsprechung durch Aufsichtsmaßnahmen vermieden werden sollten.
Den Beschwerdeführern drohe ein unwiederbringlicher Schaden, jedenfalls aber ein unverhältnismäßiger Nachteil, sollte den Anträgen nicht stattgegeben werden. Die Erstbeschwerdeführerin habe es "gerade eben geschafft", der belangten Behörde zwei Geschäftsleiter zu nennen, es seien auch weitere Geschäftsleiter namhaft gemacht worden, es lägen jedoch noch keine Unbedenklichkeitsbescheinigungen vor.
Es führe zu einem unwiederbringlichen Imageschaden, wenn man potenziellen Neukunden erklären müsse, dass man auf Grund eines Verbots der Finanzmarktaufsicht nicht tätig sein dürfe. Die Erstbeschwerdeführerin sei auf Grund des "nun gegebenen Zustandes defakto handlungsunfähig", sie sei nicht in der Lage, Neugeschäfte zu lukrieren. Auch die Betreuung von Altkunden sei mit hohen Mehrkosten belastet. Es liefen die Kosten für vier Geschäftsleiter auf; die Dienstverhältnisse mit den alten Geschäftsleitern seien noch aufrecht. Die verhängten Maßnahmen schädigten auch den good will der Erstbeschwerdeführerin. Die nach § 30 Abs. 2 VwGG gebotene Interessenabwägung habe daher zu Gunsten der Beschwerdeführer auszufallen, zumal die durch den Vollzug des angefochtenen Bescheides drohenden Nachteile im Falle des Erfolgs der Beschwerde nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten. Das Fortbestehen der Erstbeschwerdeführerin sei nur gewährleistet, wenn die aufschiebende Wirkung zuerkannt würde. Die Erstbeschwerdeführerin sei durch die Verpflichtung zur Kooperation mit dem Regierungskommissär mit einem - allerdings nur schwer konkretisierbaren - Mehraufwand belastet. Dazu komme, dass die Untersagung des Abschlusses von Neugeschäften im Firmenbuch kundgemacht werde. Auch dies führe zu einem Schaden für den good will der Erstbeschwerdeführerin.
3. Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Antragsteller ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Der Antragsteller hat in seinem Antrag zu konkretisieren, worin für ihn der unverhältnismäßige Nachteil gelegen wäre (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom 25. Februar 1981, VwSlg. 10.381 A/1981).
4. Zunächst ist im Hinblick auf den konkreten Inhalt und die Adressaten der einzelnen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids festzuhalten, dass sich Spruchpunkt III. jedenfalls auch an den Zweit- und den Drittbeschwerdeführer richtet. Der Zweit- und der Drittbeschwerdeführer können jedoch nur insoweit in ihren Rechten verletzt sein, als der angefochtene Bescheid konkrete Anordnungen ihnen gegenüber trifft. Es wird im Antrag nicht näher angegeben, inwieweit die überwiegend die Erstbeschwerdeführerin betreffendenden Gesichtspunkte der wirtschaftlichen Auswirkungen der gegenständlichen Maßnahmen und Aufträge auch als Nachteile im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG für den Zweit- und Drittbeschwerdeführer geltend gemacht werden. Insoweit entspricht der vorliegende Antrag nicht dem dargestellten Konkretisierungsgebot.
5. Es kann dahingestellt bleiben, ob die für die sofortige Vollziehung des angefochtenen Bescheides sprechenden öffentlichen Interessen im Sinne der hg. Rechtsprechung als "zwingende" öffentliche Interessen anzusehen sind (vgl. hiezu die hg. Beschlüsse vom 2. April 1994, Zl. AW 94/17/0008, und vom 29. Juni 1994, Zl. AW 94/17/0021, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung). Mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen wird kein Nachteil für die beschwerdeführenden Parteien geltend gemacht, der im Rahmen der nach § 30 Abs. 2 VwGG erforderlichen Interessenabwägung den Ausschlag zu Gunsten der beschwerdeführenden Parteien ergeben würde. Auch wenn die Gefährdung der durch das Wertpapieraufsichtsgesetz verfolgten Interessen als nicht so schwerwiegend zu qualifizieren wäre, dass die sofortige Vollziehung des angefochtenen Bescheides im zwingenden öffentlichen Interesse gelegen wäre, kommt der Aufrechterhaltung eines klaglos funktionierenden Kapitalmarkts und der Einhaltung der Gesetze durch die Finanzdienstleister im Hinblick auf die große Bedeutung des Vertrauens der Marktteilnehmer auf dem Gebiet der Finanzdienstleistungen in die ordnungsgemäße Abwicklung der Geschäfte und das klaglose Funktionieren eine solche Bedeutung zu, die die Hintanhaltung von Unregelmäßigkeiten und möglichen Nachteilen für die Anleger grundsätzlich und unabhängig von der Größe und wirtschaftlichen Bedeutung des Finanzdienstleisters, mit dem die Anleger in Geschäftsverbindung stehen, jedenfalls als im besonderen öffentlichen Interesse stehend erkennen lässt. Dass sich aus derartigen Aufsichtsmaßnahmen regelmäßig Nachteile für die betroffenen Unternehmungen ergeben, vermag demgegenüber noch nicht einen überwiegenden Nachteil des vom Auftrag betroffenen Unternehmens nachzuweisen.
Der im Antrag hervorgehobene Umstand, dass die Erstbeschwerdeführerin keine Anlegerinteressen beeinträchtigen könne, weil sie die beanstandeten Handlungen eingestellt habe, spricht ebenfalls nicht für eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, zumal bei einer solchen Zuerkennung der Rechtsgrund für diese "Einstellung von Handlungen" zumindest teilweise wegfiele und das Argument schon deshalb nicht tauglich ist, die Überflüssigkeit der Aufrechterhaltung der Wirkungen des angefochtenen Bescheides darzutun. Daran ändert auch die Behauptung einer von jener der belangten Behörde abweichenden Einschätzung des mit anderem Bescheid bestellten Regierungskommissärs nichts. Die damit bezogene Darstellung des Regierungskommissärs enthält einerseits Angaben zu in Angriff genommenen Verbesserungen der Arbeitsweise der Erstbeschwerdeführerin und andererseits keine Beurteilung der Qualifikation des Zweit- und Drittbeschwerdeführers. Sie ist insoweit nicht geeignet, ein Abgehen von dem nach der hg. Rechtsprechung bei der Beurteilung von Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung regelmäßig heranzuziehenden, von der belangten Behörde zu Grunde gelegten Sachverhalt nahe zu legen (vgl. die hg. Beschlüsse vom 25. Juli 2003, Zl. AW 2003/10/0036, und vom 17. März 2005, Zl. AW 2003/17/0003).
Aber auch der ins Treffen geführte Imageschaden auf Grund des Umstandes, dass potenziellen Neukunden erklärt werden müsste, dass das Unternehmen auf Grund eines Verbotes der Finanzmarktaufsicht nicht tätig werden dürfe, bzw. die Untersagung des Abschlusses von Neugeschäften in das Firmenbuch eingetragen werde, führt nicht zur Annahme eines überwiegenden Nachteils für die Erstbeschwerdeführerin, zumal mit den gegenständlichen Aufträgen die Fortführung der Geschäfte nicht grundsätzlich untersagt wurde. Der bloße Umstand, dass vom Gesetzgeber vorgesehene Maßnahmen zur Hintanhaltung einer "Gefahr für die finanziellen Belange der Kunden eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens" gesetzt werden, begründet nicht per se einen unverhältnismäßigen Nachteil für das betroffene Unternehmen. Darüber hinaus ist die im Antrag in diesem Zusammenhang ins Treffen geführte Vermutung, dass die Kunden einen Konnex zu finanziellen Schwierigkeiten des Unternehmens herstellen könnten, keineswegs zwingend.
6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 16. Oktober 2007
Schlagworte
InteressenabwägungZwingende öffentliche InteressenUnverhältnismäßiger NachteilEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:AW2007170023.A00Im RIS seit
30.01.2008Zuletzt aktualisiert am
10.10.2012