Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Umfahrer und Dr. Klaus Mayr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Perica V*****, Staplerfahrer, *****, vertreten durch Dr. Walter Breitwieser und Mag. Paul Max Breitwieser, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei S*****AG, *****, vertreten durch Dr. Hubert Köllensberger, Rechtsanwalt in Marchtrenk, wegen EUR 5.785,74 sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. Oktober 2006, GZ 11 Ra 62/06a-43, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. März 2006, GZ 10 Cga 39/05z-38, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 728,12 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin EUR 121,36 Umsatzsteuer) und die mit EUR 1.000,07 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 69,35 Umsatzsteuer und EUR 584 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. 6. 1999 bis zum 1. 4. 2004 als Lagerarbeiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Entlassung.
Der Kläger arbeitete als Kommissionierer im vollautomatisch gesteuerten „EEP-Lager" der Beklagten. Dieses Lager ist ein Teil des Zentrallagers.
Der Bruder des Klägers war - ebenfalls bis zum 1. 4. 2004 - als Techniker zur Betreuung der Förderanlage und als Haustechniker bei der Beklagten beschäftigt.
In der Nacht vom 25. auf den 26. 3. 2004 fand im EPP-Lager eine Lageroptimierung statt, bei der saisonal häufiger benötigte Warengruppen leichter zugänglich gemacht und andere zurückgestellt werden. Dabei wird auch Ware aus dem parallel liegenden Hochregallager in das EPP-Lager gebracht und umgekehrt. Die Lageroptimierung wird mit Hilfe eines Computerprogramms durchgeführt. Sie wird von einem Techniker und einer Hilfskraft überwacht und betreut. Deren Aufgabe ist es, die über die Software ermittelten Störmeldungen vor Ort zu überprüfen, zu quittieren und dadurch den ungestörten Fortgang der Lageroptimierung zu gewährleisten. Dabei besteht stets die Gefahr, dass sich bei der automatischen Umlagerung Paletten auf der Förderanlage verklemmen, Schachteln herunterfallen oder Folien schleifen, wodurch Störmeldungen verursacht werden, die händisch vor Ort zu beheben sind. Fernquittierungen durch bloßes Drücken von Tasten am Computer sind ausdrücklich verboten. Aufgabe der Hilfskraft ist es, aus sicherheitstechnischen Gründen beim Techniker zu bleiben, weil es für diesen gefährlich wäre, allein Störungen zu beheben.
In der Nacht vom 25. auf den 26. 3. 2004 waren der Kläger als Hilfsarbeiter und sein Bruder als Techniker bei der Lageroptimierung eingesetzt. Ihr vorgeschriebener Arbeitsplatz war ein Computer im vorderen Bereich der Lagerhalle (Hochregallager und EPP-Lager), entweder im Erdgeschoss oder im 1. Stock. Dem Kläger war bekannt, dass er den Techniker bei den Störungsbehebungen vor Ort unterstützen musste, dass Störungsmeldungen am Bildschirm durch einen roten Punkt angezeigt werden, dass bei Pausen auszustempeln und die Umlagerung so rasch wie möglich durchzuführen ist.
Am 26. 3. 2004 um etwa 1:00 Uhr wurde das Computerprogramm zur Umlagerung vom Sammelleiter im Technikercontainer, in dem sich zuerst auch der Kläger und sein Bruder aufhielten, gestartet. Um 1:38 Uhr ging der Sammelleiter nach Hause. Der Kläger und sein Bruder verbrachten die Nacht ab diesem Zeitpunkt in der Kantine. Sie stempelten diese Zeit - entgegen der allgemeinen Hausordnung der Beklagten - nicht als Pause aus. Von der Kantine aus ging der Bruder des Klägers regelmäßig in einen darunter liegenden Computerraum einer Drittfirma, um nach Störungen zu sehen und diese allenfalls von der Ferne zu quittieren. Derartige Quittierungen sind auch mehrmals erfolgt. Der Kläger und sein Bruder waren in dieser Zeit nicht am vorgeschriebenen Arbeitsplatz und überprüften keine Störungsmeldungen vor Ort.
Zwischen 3:11 und 3:30 Uhr wurde die Anlage von Automatik- auf Handbetrieb umgeschaltet. In diesem Zeitraum wurden 640 Großverbrauchereinheiten von Rasierklingen im Wert von EUR 33.931,52 netto gestohlen. Dass noch weitere (fehlende) Einheiten gestohlen wurden, ist nicht feststellbar.
Der Kläger beendete seinen Dienst am 26. 3. 2004 um 4:40 Uhr, sein Bruder um 4:34 Uhr.
Wäre der Kläger an seinem vorgeschriebenen Arbeitsplatz in der Lagerhalle gewesen, wäre es einem Dritten unmöglich gewesen, die beschriebenen Manipulationen durchzuführen, ohne mit Entdeckung rechnen zu müssen.
Am Nachmittag des 1. 4. 2004 wurde der Kläger wegen des Verdachtes des Diebstahls verhaftet. An diesem Tag sprach ein Vertreter der Beklagten mündlich die Entlassung aus. Bis 21. 6. 2004 war der Kläger in Untersuchungshaft. Mit Urteil des Strafgerichts von diesem Tag wurden er und sein Bruder vom Vorwurf, sie haben die genannten Waren gestohlen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Gleichzeitig wurde der Bruder des Klägers schuldig erkannt, sich in der Zeit zwischen 2001 und Mitte 2003 (andere) Packungen Rasierklingen in Bereicherungsabsicht zugeeignet und dadurch das Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB begangen zu haben.Am Nachmittag des 1. 4. 2004 wurde der Kläger wegen des Verdachtes des Diebstahls verhaftet. An diesem Tag sprach ein Vertreter der Beklagten mündlich die Entlassung aus. Bis 21. 6. 2004 war der Kläger in Untersuchungshaft. Mit Urteil des Strafgerichts von diesem Tag wurden er und sein Bruder vom Vorwurf, sie haben die genannten Waren gestohlen, gemäß Paragraph 259, Ziffer 3, StPO freigesprochen. Gleichzeitig wurde der Bruder des Klägers schuldig erkannt, sich in der Zeit zwischen 2001 und Mitte 2003 (andere) Packungen Rasierklingen in Bereicherungsabsicht zugeeignet und dadurch das Vergehen des Diebstahls nach Paragraph 127, StGB begangen zu haben.
Der Kläger machte seine entlassungsabhängigen Ansprüche erstmals mit Schreiben vom 6. 7. 2004, der Beklagten zugegangen am 9. 7. 2004, geltend.
Mit seiner am 11. 1. 2005 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger den Zuspruch von EUR 5.785,74 sA (Lohn für die Dauer der Kündigungsfrist: EUR 894,42; anteilige Sonderzahlungen für 3,5 Monate: EUR 978,25; Abfertigung: EUR 3.913,07). Die Entlassung sei ungerechtfertigt erfolgt. Er habe den ihm angelasteten Diebstahl nicht begangen und seine Arbeitspflicht nicht verletzt. Sein Dienst sei ein Bereitschaftsdienst gewesen, der keine ständige Anwesenheit erfordere.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Entlassung sei berechtigt, weil der Kläger gemeinsam mit seinem Bruder im fraglichen Zeitpunkt Rasierklingen im Wert von EUR 53.174,02 gestohlen habe. Nur der Kläger und sein Bruder haben über die Möglichkeit und das Wissen verfügt, die vollautomatisch computergesteuerte Anlage auszuschalten und händisch zu bedienen. Treffe dies nicht zu, habe der Kläger durch seine Abwesenheit seine Arbeits- und Aufsichtspflicht gröblich verletzt. Hätte er sich an seinem Arbeitsplatz aufgehalten, hätte der Diebstahl nicht geschehen können. Der Dienst des Klägers sei kein Bereitschaftsdienst, sondern erfordere seine Anwesenheit. Im Übrigen seien sämtliche Ansprüche nach dem auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Kollektivvertrag für Handelsvertreter, der eine Verfallsfrist von drei Monaten vorsehe, verfristet. Im Übrigen werde der durch den Diebstahl entstandene Schaden compensando als Gegenforderung eingewendet. Dem Einwand, seine Ansprüche seien verfristet, hielt der Kläger entgegen, dass die dreimonatige Verfallsfrist erst am 30. 4. 2004 zu laufen begonnen habe und er seine Ansprüche daher rechtzeitig geltend gemacht habe. Durch die ungerechtfertigte Untersuchungshaft sei überdies der Fristenlauf gehemmt worden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es erachtete die Entlassung als berechtigt. Der Kläger habe den Entlassungsgrund des § 82 lit f GewO, 1. Tatbestand, verwirklicht, weil er seine Dienstleistung in einer den Umständen nach erheblichen Zeit unterlassen habe. Er habe seinen Dienst wider besseres Wissen als bloßen Bereitschaftsdienst verstanden und sich entschieden, die Nacht in der wärmeren Kantine zu verbringen. Unabhängig davon, ob sein Bruder auch ohne ihn in der Kantine geblieben wäre, wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, auf die Anwesenheit am Arbeitsort zu dringen und Nachschau bei Störungsmeldungen zu halten. Seine Anwesenheit hätte den Diebstahl verhindert, durch den der Beklagten ein Schaden von EUR 33.931,52 zuzüglich Umsatzsteuer entstanden sei. Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es die Klageforderung als berechtigt, die eingewendete Gegenforderung hingegen als nicht berechtigt erachtete und demgemäß dem Klagebegehren stattgab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es sei zwar richtig, dass der Kläger dadurch, dass er zwischen 1:38 Uhr und 4:40 Uhr nicht an seinem Arbeitsplatz, sondern in der Kantine gewesen sei und seine Abwesenheit nicht als Pause abgestempelt habe, in zweifacher Weise gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen habe. Der Entlassungstatbestand des § 82 lit f GewO 1859, 1. Tatbestand (unbefugtes Verlassen der Arbeit) werde allerdings nur durch erhebliche Versäumnisse verwirklicht. Das pflichtwidrige Dienstversäumnis des Klägers sei aber nicht als erheblich anzusehen. Seine Aufgabe sei es gewesen, aus sicherheitstechnischen Gründen beim Techniker zu bleiben, weil es für diesen gefährlich wäre, allein Störungen zu beheben. Abgesehen davon, dass sich auch der als Techniker eingesetzte Bruder des Klägers nicht an seinem Arbeitsplatz aufgehalten habe, habe die bloße Abwesenheit des Klägers und sein Aufenthalt in der Kantine keine negativen Auswirkungen auf den Betriebsablauf gehabt. Da sein Bruder entgegen der betrieblichen Anweisung Fernquittierungen aus dem Computerraum einer Drittfirma vorgenommen und die Störmeldungen nicht vor Ort überprüft habe, sei es für den Kläger tatsächlich nicht notwendig gewesen, seinen Bruder bei einer Störungsbehebung vor Ort zu unterstützen oder zu beobachten.Es erachtete die Entlassung als berechtigt. Der Kläger habe den Entlassungsgrund des Paragraph 82, Litera f, GewO, 1. Tatbestand, verwirklicht, weil er seine Dienstleistung in einer den Umständen nach erheblichen Zeit unterlassen habe. Er habe seinen Dienst wider besseres Wissen als bloßen Bereitschaftsdienst verstanden und sich entschieden, die Nacht in der wärmeren Kantine zu verbringen. Unabhängig davon, ob sein Bruder auch ohne ihn in der Kantine geblieben wäre, wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, auf die Anwesenheit am Arbeitsort zu dringen und Nachschau bei Störungsmeldungen zu halten. Seine Anwesenheit hätte den Diebstahl verhindert, durch den der Beklagten ein Schaden von EUR 33.931,52 zuzüglich Umsatzsteuer entstanden sei. Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es die Klageforderung als berechtigt, die eingewendete Gegenforderung hingegen als nicht berechtigt erachtete und demgemäß dem Klagebegehren stattgab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es sei zwar richtig, dass der Kläger dadurch, dass er zwischen 1:38 Uhr und 4:40 Uhr nicht an seinem Arbeitsplatz, sondern in der Kantine gewesen sei und seine Abwesenheit nicht als Pause abgestempelt habe, in zweifacher Weise gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen habe. Der Entlassungstatbestand des Paragraph 82, Litera f, GewO 1859, 1. Tatbestand (unbefugtes Verlassen der Arbeit) werde allerdings nur durch erhebliche Versäumnisse verwirklicht. Das pflichtwidrige Dienstversäumnis des Klägers sei aber nicht als erheblich anzusehen. Seine Aufgabe sei es gewesen, aus sicherheitstechnischen Gründen beim Techniker zu bleiben, weil es für diesen gefährlich wäre, allein Störungen zu beheben. Abgesehen davon, dass sich auch der als Techniker eingesetzte Bruder des Klägers nicht an seinem Arbeitsplatz aufgehalten habe, habe die bloße Abwesenheit des Klägers und sein Aufenthalt in der Kantine keine negativen Auswirkungen auf den Betriebsablauf gehabt. Da sein Bruder entgegen der betrieblichen Anweisung Fernquittierungen aus dem Computerraum einer Drittfirma vorgenommen und die Störmeldungen nicht vor Ort überprüft habe, sei es für den Kläger tatsächlich nicht notwendig gewesen, seinen Bruder bei einer Störungsbehebung vor Ort zu unterstützen oder zu beobachten.
Zwar wäre im Falle der Anwesenheit des Klägers der letztlich erfolgte Warendiebstahl unmöglich gewesen. Mit diesem Diebstahl habe sich aber nicht jene Gefahr verwirklicht, die die Anwesenheit des Klägers hätte verhindern sollen. Schließlich habe sein Einsatz der Sicherheit des Technikers gedient; er sei aber nicht als Wachorgan mit dem Auftrag, Diebstähle zu verhindern, eingesetzt gewesen. Daher hafte der Kläger auch nicht für den von der Beklagten geltend gemachten Schaden. Der Entlassungstatbestand der beharrlichen Pflichtenvernachlässigung nach § 82 lit f GewO, 2. Tatbestand, sei ebenfalls nicht verwirklicht, weil es am Tatbestandsmerkmal der Beharrlichkeit mangle. Weder habe sich der Kläger wiederholt geweigert, sich während der Lageroptimierung an seinem Arbeitsplatz aufzuhalten, noch sei seine pflichtwidrige Handlung derart schwerwiegend gewesen, dass schon allein aus dem einmaligen Vergehen mit Grund auf die Nachhaltigkeit seiner Willenshaltung habe geschlossen werden können. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche seien daher grundsätzlich berechtigt.Zwar wäre im Falle der Anwesenheit des Klägers der letztlich erfolgte Warendiebstahl unmöglich gewesen. Mit diesem Diebstahl habe sich aber nicht jene Gefahr verwirklicht, die die Anwesenheit des Klägers hätte verhindern sollen. Schließlich habe sein Einsatz der Sicherheit des Technikers gedient; er sei aber nicht als Wachorgan mit dem Auftrag, Diebstähle zu verhindern, eingesetzt gewesen. Daher hafte der Kläger auch nicht für den von der Beklagten geltend gemachten Schaden. Der Entlassungstatbestand der beharrlichen Pflichtenvernachlässigung nach Paragraph 82, Litera f, GewO, 2. Tatbestand, sei ebenfalls nicht verwirklicht, weil es am Tatbestandsmerkmal der Beharrlichkeit mangle. Weder habe sich der Kläger wiederholt geweigert, sich während der Lageroptimierung an seinem Arbeitsplatz aufzuhalten, noch sei seine pflichtwidrige Handlung derart schwerwiegend gewesen, dass schon allein aus dem einmaligen Vergehen mit Grund auf die Nachhaltigkeit seiner Willenshaltung habe geschlossen werden können. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche seien daher grundsätzlich berechtigt.
Der Einwand der Beklagten, die Ansprüche seien nach Punkt XIV des anwendbaren Kollektivvertrages verfristet, sei unberechtigt. Nach dem Kollektivvertrag seien die Ansprüche schriftlich binnen dreier Monate nach Fälligkeit geltend zu machen; als Fälligkeitstag gelte der Auszahlungstag jener Lohnperiode, in der der Anspruch entstanden sei. Der Beginn der Verfallsfrist sei daher nicht nach den gesetzlichen Fälligkeitsbestimmungen zu ermitteln. Vielmehr habe die Verfallsfrist - den Bestimmungen des Kollektivvertrages über die Lohnauszahlung entsprechend - erst mit 30. 4. 2006 zu laufen begonnen. Damit habe der Kläger aber mit seinem Anspruchsschreiben die Verfallsfrist gewahrt, sodass jedenfalls die Ansprüche auf Sonderzahlungen und Abfertigung nicht verfallen seien.Der Einwand der Beklagten, die Ansprüche seien nach Punkt römisch XIV des anwendbaren Kollektivvertrages verfristet, sei unberechtigt. Nach dem Kollektivvertrag seien die Ansprüche schriftlich binnen dreier Monate nach Fälligkeit geltend zu machen; als Fälligkeitstag gelte der Auszahlungstag jener Lohnperiode, in der der Anspruch entstanden sei. Der Beginn der Verfallsfrist sei daher nicht nach den gesetzlichen Fälligkeitsbestimmungen zu ermitteln. Vielmehr habe die Verfallsfrist - den Bestimmungen des Kollektivvertrages über die Lohnauszahlung entsprechend - erst mit 30. 4. 2006 zu laufen begonnen. Damit habe der Kläger aber mit seinem Anspruchsschreiben die Verfallsfrist gewahrt, sodass jedenfalls die Ansprüche auf Sonderzahlungen und Abfertigung nicht verfallen seien.
Dass er seinen Anspruch auf Kündigungsentschädigung nicht iSd § 1162d ABGB innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht habe, schade unter den gegebenen Umständen ebenfalls nicht. In Abkehr zu seiner früheren Rechtsprechung habe der Oberste Gerichtshof in 9 ObA 141/05h eine vergleichbare Kollektivvertragsbestimmung mit einer viermonatigen Verfallsfrist als abschließende Regelung für alle in Betracht kommenden Ansprüche interpretiert, neben der für die Anwendung des § 1162d ABGB kein Raum mehr sein solle. Zur Beurteilung, ob die kollektivvertragliche Regelung - soweit sie dem § 1162d ABGB unterliegende Ansprüche erfasse - wegen der von ihr normierten Fristverkürzung dennoch wirksam sei, sei ein Günstigkeitsvergleich zwischen der gesetzlichen und der kollektivvertraglichen Regelung anzustellen. Dieser falle angesichts der geringen für den Arbeitnehmer damit verbundenen Hürden zugunsten der kollektivvertraglichen Regelung aus.Dass er seinen Anspruch auf Kündigungsentschädigung nicht iSd Paragraph 1162 d, ABGB innerhalb von sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht habe, schade unter den gegebenen Umständen ebenfalls nicht. In Abkehr zu seiner früheren Rechtsprechung habe der Oberste Gerichtshof in 9 ObA 141/05h eine vergleichbare Kollektivvertragsbestimmung mit einer viermonatigen Verfallsfrist als abschließende Regelung für alle in Betracht kommenden Ansprüche interpretiert, neben der für die Anwendung des Paragraph 1162 d, ABGB kein Raum mehr sein solle. Zur Beurteilung, ob die kollektivvertragliche Regelung - soweit sie dem Paragraph 1162 d, ABGB unterliegende Ansprüche erfasse - wegen der von ihr normierten Fristverkürzung dennoch wirksam sei, sei ein Günstigkeitsvergleich zwischen der gesetzlichen und der kollektivvertraglichen Regelung anzustellen. Dieser falle angesichts der geringen für den Arbeitnehmer damit verbundenen Hürden zugunsten der kollektivvertraglichen Regelung aus.
Diese Rechtsauffassung lasse sich auf die vorliegende Kollektivvertragsbestimmung übertragen, auch wenn die Verfallsfrist hier nur drei Monate betrage. Auch diese Verfallsregelung sei daher uneingeschränkt wirksam, sodass sie der gesetzlichen Regelung vorgehe. Damit sei auch der Anspruch des Klägers auf Kündigungsentschädigung nicht verfristet.
Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil die Frage der Anwendbarkeit der Grundsätze der Entscheidung 9 ObA 141/05h auf eine Kollektivvertragsbestimmung, die eine dreimonatige Verfallsfrist vorsehe, von grundsätzlicher Bedeutung sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, das Berufungsurteil im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist schon im Hinblick auf die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage zulässig, andererseits aber auch deshalb, weil die Frage des Beginns des Laufs der kollektivvertraglichen Verfallsfrist die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO erfüllt.Die Revision ist schon im Hinblick auf die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage zulässig, andererseits aber auch deshalb, weil die Frage des Beginns des Laufs der kollektivvertraglichen Verfallsfrist die Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO erfüllt.
Die somit zulässige Revision erweist sich aber schon deshalb als berechtigt, weil der Oberste Gerichtshof die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes nicht teilt, dass der Kläger keinen Entlassungsgrund verwirklicht habe.
Auch das Berufungsgericht geht davon aus, dass das Verhalten des Klägers als unbefugtes Verlassen der Arbeit zu qualifizieren ist; es erachtet aber den Entlassungsgrund des § 82 lit f GewO, 1. Tatbestand, deshalb als nicht verwirklicht, weil das Dienstversäumnis des Klägers nicht die von der Rechtsprechung geforderte Erheblichkeit (dazu etwa RIS-Justiz RS0080959; RS0060735) aufweise. Maßgebend für diese Rechtsauffassung der zweiten Instanz ist die Überlegung, dass der Kläger ja nur zur Absicherung des Technikers eingesetzt war, dem er bei der manuellen Beseitigung allfälliger Störungen behilflich sein sollte. Da aber der Techniker ebenfalls nicht an seinem Arbeitsplatz anwesend gewesen sei und Störungen daher nur aus der Ferne quittiert, nicht aber manuell beseitigt habe, habe ohnedies keine Notwendigkeit für seinen Einsatz bestanden. Diese Auffassung übersieht völlig die zutreffende Argumentation des Erstgerichtes, dass der Kläger unter den gegebenen Umständen gegenüber seinem Bruder zumindest auf die Anwesenheit am Arbeitsplatz drängen hätte müssen. Dass sich sein Bruder während der gesamten Umlagerung nicht auf seinem Arbeitsplatz aufhielt, wurde schließlich durch die Komplizenschaft des Klägers ermöglicht bzw zumindest beträchtlich erleichtert, weil ein derart pflichtverletzendes Verhalten zweier gemeinsam für einen vergleichbaren Arbeitsvorgang eingesetzter Arbeitnehmer weitgehend risikolos regelmäßig nur im Einvernehmen erfolgen kann. Drängt einer der beiden auf die ordnungsgemäße Pflichterfüllung, wird es für den anderen ungleich schwerer, wenn nicht sogar unmöglich, seinen Arbeitsplatz zu verlassen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Gerade weil es sich beim Techniker, dem der Kläger beigegeben war, um seinen Bruder handelte, war es ihm jedenfalls auch zumutbar, auf die Einhaltung der Arbeitspflicht zu drängen.Auch das Berufungsgericht geht davon aus, dass das Verhalten des Klägers als unbefugtes Verlassen der Arbeit zu qualifizieren ist; es erachtet aber den Entlassungsgrund des Paragraph 82, Litera f, GewO, 1. Tatbestand, deshalb als nicht verwirklicht, weil das Dienstversäumnis des Klägers nicht die von der Rechtsprechung geforderte Erheblichkeit (dazu etwa RIS-Justiz RS0080959; RS0060735) aufweise. Maßgebend für diese Rechtsauffassung der zweiten Instanz ist die Überlegung, dass der Kläger ja nur zur Absicherung des Technikers eingesetzt war, dem er bei der manuellen Beseitigung allfälliger Störungen behilflich sein sollte. Da aber der Techniker ebenfalls nicht an seinem Arbeitsplatz anwesend gewesen sei und Störungen daher nur aus der Ferne quittiert, nicht aber manuell beseitigt habe, habe ohnedies keine Notwendigkeit für seinen Einsatz bestanden. Diese Auffassung übersieht völlig die zutreffende Argumentation des Erstgerichtes, dass der Kläger unter den gegebenen Umständen gegenüber seinem Bruder zumindest auf die Anwesenheit am Arbeitsplatz drängen hätte müssen. Dass sich sein Bruder während der gesamten Umlagerung nicht auf seinem Arbeitsplatz aufhielt, wurde schließlich durch die Komplizenschaft des Klägers ermöglicht bzw zumindest beträchtlich erleichtert, weil ein derart pflichtverletzendes Verhalten zweier gemeinsam für einen vergleichbaren Arbeitsvorgang eingesetzter Arbeitnehmer weitgehend risikolos regelmäßig nur im Einvernehmen erfolgen kann. Drängt einer der beiden auf die ordnungsgemäße Pflichterfüllung, wird es für den anderen ungleich schwerer, wenn nicht sogar unmöglich, seinen Arbeitsplatz zu verlassen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Gerade weil es sich beim Techniker, dem der Kläger beigegeben war, um seinen Bruder handelte, war es ihm jedenfalls auch zumutbar, auf die Einhaltung der Arbeitspflicht zu drängen.
Zudem überbewertet das Berufungsgericht den Umstand, dass der Kläger dem Techniker zur Unterstützung beigegeben war. Es trifft schon zu, dass der Kläger nicht als Wachorgan eingesetzt war; schließlich stellt sich für den Arbeitgeber eine solche Problematik nicht, weil er ja davon ausgehen kann, dass bei der Umlagerung zwei Arbeitnehmer anwesend sind, sodass Diebstähle, wie sie sich in der betroffenen Nacht ereignet haben, ohnedies ausgeschlossen sind. Wenn aber nun einer der beiden Arbeitnehmer - für den anderen erkennbar - seine Arbeitspflicht grob verletzt und gar nicht am Arbeitsort anwesend ist, muss dem anderen auch ohne ausdrückliche Anweisung des Arbeitgebers klar sein, dass zumindest er seinen Arbeitsplatz nicht verlassen darf, weil sonst der gesamte Arbeitsvorgang - abgesehen von der technischen Überwachung - völlig unbeaufsichtigt abläuft und niemand (!) dabei anwesend ist.
Unter diesen Umständen erachtet der Oberste Gerichtshof das Verlassen des Arbeitsortes durch den Kläger sehr wohl als erheblich, sodass der Entlassungsgrund des § 82 lit f GewO, 1. Tatbestand, verwirklicht und demgemäß das Ersturteil in Stattgebung der Revision wiederherzustellen ist.Unter diesen Umständen erachtet der Oberste Gerichtshof das Verlassen des Arbeitsortes durch den Kläger sehr wohl als erheblich, sodass der Entlassungsgrund des Paragraph 82, Litera f, GewO, 1. Tatbestand, verwirklicht und demgemäß das Ersturteil in Stattgebung der Revision wiederherzustellen ist.
Auf die weiteren in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen ist daher nicht mehr einzugehen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die Paragraphen 41,, 50 Absatz eins, ZPO.
Anmerkung
E85012 9ObA1.07ySchlagworte
Kennung XPUBL Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in DRdA 2008,61 = infas 2008,24/A9 - infas 2008 A9 XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2007:009OBA00001.07Y.0808.000Dokumentnummer
JJT_20070808_OGH0002_009OBA00001_07Y0000_000