TE OGH 2007/8/29 7Ob175/07x

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Veröffentlicht am 29.08.2007
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Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der am 1. Dezember 1910 geborenen und am 17. September 2006 verstorbenen Bibiane K***** über den Revisionsrekurs des Arthur K*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 6. Juni 2007, GZ 3 R 126/07z-53, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes St. Veit an der Glan vom 13. März 2007, GZ 4 P 93/04m-49, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass dem Antrag auf Akteneinsicht und auf Herstellung von Ablichtungen, insbesondere des Sachverständigengutachtens (ON 11) und des Protokolls über die Erörterung dieses Gutachtens (ON 15), Folge gegeben wird.

Text

Begründung:

Die Betroffene ist am 17. 9. 2006 verstorben. Ihr Bruder Arthur K***** war erstmals mit Beschluss des Erstgerichtes vom 5. 8. 2004 und nach Aufhebung dieses Beschlusses durch das Rekursgericht mit Beschluss des Erstgerichtes vom 20. 10. 2004 abermals zum einstweiligen Sachwalter für bestimmte Angelegenheiten und schließlich mit Beschluss vom 3. 2. 2005 gemäß § 273 Abs 3 Z 3 ABGB (idF vor dem Inkrafttreten des SWRÄG 2006) zu ihrem Sachwalter zur Besorgung aller Angelegenheiten bestellt worden.Die Betroffene ist am 17. 9. 2006 verstorben. Ihr Bruder Arthur K***** war erstmals mit Beschluss des Erstgerichtes vom 5. 8. 2004 und nach Aufhebung dieses Beschlusses durch das Rekursgericht mit Beschluss des Erstgerichtes vom 20. 10. 2004 abermals zum einstweiligen Sachwalter für bestimmte Angelegenheiten und schließlich mit Beschluss vom 3. 2. 2005 gemäß § 273 Abs 3 Z 3 ABGB in der Fassung vor dem Inkrafttreten des SWRÄG 2006) zu ihrem Sachwalter zur Besorgung aller Angelegenheiten bestellt worden.

Am 28. 11. 2006 beantragte dieser (im Folgenden Antragsteller genannt) durch seinen Rechtsfreund, den Sachwalterschaftsakt zum Zweck der Akteneinsicht an das Bezirksgericht K***** zu übersenden. Über richterlichen Verbesserungsauftrag modifizierte er diesen Antrag „im Auftrag und in Vertretung der gesetzlichen Erben" dahingehend, dass ihm die eingeholten medizinischen Gutachten und allenfalls auch das Ergebnis der mündlichen Erörterung zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt werden mögen. Der Notar Dr. Jürgen S***** habe ihm ein fremdhändiges Testament der Betroffenen (Erblasserin) vom 2. 8. 2004 zur Kenntnis gebracht. Die Testierfähigkeit der Erblasserin scheine geradezu ausgeschlossen zu sein. Es sei daher damit zu rechnen, dass es im Verlassenschaftsverfahren zu widersprechenden Erbserklärungen kommen werde. "Zur Abklärung der aufgeworfenen Sachproblematik" werde die gutachterliche Äußerung des im Sachwalterschaftsverfahren beigezogenen medizinischen Sachverständigen benötigt.

Das Erstgericht wies diese (mittels Telefax und einer weiteren Eingabe in der Folge wiederholten) Anträge ab. Es führte dazu im Wesentlichen aus, der Antragsteller sei nicht mehr als Partei dieses Verfahrens zu betrachten, da das Sachwalterschaftsverfahren durch den Tod der Betroffenen geendet habe. Er habe daher auch nicht das uneingeschränkte Recht auf Akteneinsicht, sondern es hätten für ihn die Regeln für nicht am Verfahren beteiligte Dritte zu gelten. Das schutzwürdige Interesse an der Wahrung des Datenschutzes hinsichtlich personenbezogener Daten sei auch nach dem Tod der betroffenen Person relevant. Es komme daher die Übersendung des ganzen Aktes ebenso wenig in Betracht, wie die Einsichtnahme in das eingeholte psychiatrische Gutachten oder die Ergebnisse der in weiterer Folge abgeführten Verhandlung.

Das vom Antragsteller angerufene Rekursgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und bestätigte dessen Entscheidung. Die Sachwalterschaft und damit die gesetzliche Vertretung durch den Sachwalter sei durch den Tod der Betroffenen kraft Gesetzes erloschen. Der Sachwalter sei nicht mehr befugt, in einem etwa noch weiterlaufenden Verfahren zur Genehmigung von Rechtsgeschäften als Partei oder als Parteienvertreter aufzutreten und Rechtsmittel zu ergreifen. Auch nach dem AußStrG 2005 stehe weiterhin nur den Verfahrensparteien uneingeschränkt Akteneinsicht zu. Dritte Personen bedürften entweder der Zustimmung aller Parteien oder müssten ein konkretes rechtliches Interesse glaubhaft machen. Ein bloß wirtschaftliches Interesse oder ein Informationsbedürfnis reiche nicht aus. Bei der Entscheidung sei auch das Grundrecht auf Datenschutz zu berücksichtigen und eine Interessenabwägung vorzunehmen. Im Bereich des Außerstreitverfahrens erfahre das Recht des am Verfahren nicht Beteiligten auf Akteneinsicht insoweit eine Modifikation, als auf Wesen und Zweck des Verfahrens Bedacht zu nehmen sei. Persönlichkeitsrechte des Erblassers gingen nicht auf den Erben über. Aus der Erbenstellung folge daher noch kein berechtigtes Interesse, von diesen Daten durch Akteneinsicht Kenntnis zu erlangen. Nach diesen Grundsätzen könne der Antragsteller nach dem Ableben der Betroffenen nicht mehr als Sachwalter und daher auch nicht mehr als Partei des Sachwalterschaftsverfahrens betrachtet werden, sondern müsse als „Dritter" im Sinne des § 219 ZPO gelten. Die (nochmalige) Zustellung einer Kopie der Ausfertigung des medizinischen Sachverständigengutachtens und des Protokolles über die darauffolgende mündliche Verhandlung komme mangels eines berechtigten Interesses und infolge der gebotenen Wahrung des Schutzes der personenbezogenen Daten der verstorbenen Betroffenen nicht mehr in Betracht. Es gehe hier im Wesentlichen um das eigene Interesse des Antragstellers auf Eintritt der gesetzlichen statt der sich nach einem Testament vom 2. 8. 2004 ergebenden gewillkürten Erbfolge. Dies reiche nach oberstgerichtlicher Judikatur als Grund für die Gewährung von Akteneinsicht nicht aus.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil oberstgerichtliche Judikatur zur Frage fehle, ob oder inwieweit einem ehemaligen Sachwalter Einsicht in den Sachwalterschaftsakt auch nach dem Tod der Betroffenen zu gewähren sei.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, den bekämpften Beschluss dahin abzuändern, dass dem Antrag auf Akteneinsicht und auf Herstellung von Ablichtungen, insbesondere des Sachverständigengutachtens und des Protokolles über die Erörterung dieses Gutachtens, Folge gegeben werde.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 22 AußStrG sind im Außerstreitverfahren die Bestimmungen der Zivilprozessordnung unter anderem über „Akten" sinngemäß anzuwenden. Damit hat insbesondere die zum Sachwalterschaftsverfahren ergangene Judikatur zur Akteneinsicht auch nach der Außerstreitreform 2005 weiterhin Gültigkeit (3 Ob 298/05b; 6 Ob 100/06h; Fucik/Kloiber, AußStrG § 22 Rz 4). In sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des § 219 ZPO und des § 170 Geo steht nur den Verfahrensparteien uneingeschränkt Akteneinsicht zu. Dritte können mit Zustimmung aller Parteien in den Akt Einsicht nehmen; ohne Zustimmung der Parteien kann ihnen Akteneinsicht nur gewährt werden, wenn sie ein rechtliches Interesse glaubhaft machen (RIS-Justiz RS0079198).

Der Antragsteller macht im Revisionsrekurs im Wesentlichen geltend, der Tod der Betroffenen habe seine Parteistellung als Sachwalter „nicht unmittelbar zum Erlöschen gebracht". Er habe bei Lebzeiten der Betroffenen Akteneinsicht gehabt und es seien ihm als Sachwalter die betreffenden Urkunden (Sachverständigengutachten und Erörterungsprotokoll) zugestellt worden; diese Urkunden seien in Verstoß geraten. Unter diesen Umständen sei nicht nachvollziehbar, warum der begehrten Akteneinsicht nach dem Tod der Betroffenen ein Recht auf Schutz deren personenbezogener Daten entgegenstehen solle.

Dieser Einwand ist berechtigt: Der Sachwalter ist gesetzlicher Vertreter des Betroffenen (Schubert in Fasching/Konecny2 II/1 § 4 ZPO Rz 3; Fucik/Kloiber, AußStrG § 2 Rz 6). Gemäß § 2 Abs 3 AußStrG und § 5 ZPO gelten für ihn dieselben Bestimmungen wie für die Parteien. Ihm ist - abgesehen vom Grundsatz der Vorrangigkeit der gerichtlichen Tätigkeit (Danzl, Komm Geo § 170 Anm 32) - jederzeit Akteneinsicht zu gewähren. Warum sich daran aus Gründen des Datenschutzes oder im Hinblick auf die Wahrung der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen nach dessen Tod etwas ändern sollte, ist nicht zu erkennen. War doch der Sachwalter stets über alle Belange des Betroffenen, insbesondere auch über dessen personenbezogene Daten informiert und waren ihm unter anderem auch alle Gutachten und Protokolle zuzustellen. Eine Verletzung des sich aus dem Grundrecht auf Datenschutz über den Tod hinaus ergebenden Anspruchs des Betroffenen auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten durch eine Akteneinsicht des (ehemaligen) Sachwalters kommt daher, auch wenn dessen Funktion mit dem Tod des Betroffenen endet, nicht in Betracht.

Von dem von den Vorinstanzen zu Recht für beachtenswert erachteten Standpunkt der Persönlichkeitsrechte und des Datenschutzes aus gesehen, ist - insbesondere auch im Außerstreitverfahren - im Wesentlichen nur die Akteneinsicht durch Dritte problematisch (vgl Simotta, Einige Probleme des Datenschutzes im Zivilverfahrensrecht II, ÖJZ 1993,838 [840]); deren Akteneinsicht hat sich ausschließlich auf jene Teile des Verfahrens zu beschränken, an denen sie ein rechtliches Interesse haben (EvBl 1992/129). Da der Sachwalter auch nach dem Tod des Betroffenen nicht als „dritte Person" im Sinn des § 219 ZPO anzusehen ist, kann hier aber die vom Revisionsrekurswerber noch aufgeworfene Frage eines (ohnehin) ausreichenden rechtlichen Interesses an der begehrten Akteneinsicht ebenso dahinstehen wie die Frage der Zulässigkeit der Verwendung von aus dem Sachwalterschaftsakt gewonnen Informationen durch den ehemaligen Sachwalter in einem Erbrechtsstreit.Von dem von den Vorinstanzen zu Recht für beachtenswert erachteten Standpunkt der Persönlichkeitsrechte und des Datenschutzes aus gesehen, ist - insbesondere auch im Außerstreitverfahren - im Wesentlichen nur die Akteneinsicht durch Dritte problematisch vergleiche Simotta, Einige Probleme des Datenschutzes im Zivilverfahrensrecht römisch II, ÖJZ 1993,838 [840]); deren Akteneinsicht hat sich ausschließlich auf jene Teile des Verfahrens zu beschränken, an denen sie ein rechtliches Interesse haben (EvBl 1992/129). Da der Sachwalter auch nach dem Tod des Betroffenen nicht als „dritte Person" im Sinn des § 219 ZPO anzusehen ist, kann hier aber die vom Revisionsrekurswerber noch aufgeworfene Frage eines (ohnehin) ausreichenden rechtlichen Interesses an der begehrten Akteneinsicht ebenso dahinstehen wie die Frage der Zulässigkeit der Verwendung von aus dem Sachwalterschaftsakt gewonnen Informationen durch den ehemaligen Sachwalter in einem Erbrechtsstreit.

In Stattgebung des Revisionsrekurses ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Textnummer

E85312

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:0070OB00175.07X.0829.000

Im RIS seit

28.09.2007

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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