Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AlVG 1977 §27 idF 2000/I/092;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der S AG in Wien, vertreten durch Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stadiongasse 2, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 5. März 2007, Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/05661/2007-391, betreffend Altersteilzeitgeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 20. Dezember 2002 schloss die Beschwerdeführerin mit ihrer Mitarbeiterin G eine Vereinbarung über Altersteilzeit mit Wirkung ab 1. Jänner 2003 ab. Am 17. Jänner 2007 stellte sie einen Antrag auf Zuerkennung von Altersteilzeitgeld, welcher mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien, Regionale Geschäftsstelle Esteplatz, vom 29. Jänner 2007 abgewiesen wurde.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführerin ab. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass gemäß der Übergangsbestimmung des § 79 Abs. 73 AlVG Anträge auf Altersteilzeitgeld, deren Laufzeit nach dem 31. Dezember 2003 beginne, inhaltlich nur auf die durch BGBl. I Nr. 71 und Nr. 128/2003 geänderten Bestimmungen hinsichtlich der Voraussetzungen (Mindestalter, Laufzeit, Kostenersatz, etc.) abstellen könnten. Die "alte" Regelung sei, wie dem § 80 Abs. 9 AlVG zu entnehmen sei, befristet gewesen, sei also mit Ablauf des 31. Dezember 2003 ausgelaufen. Der Gesetzgeber habe eine Übergangsregelung getroffen, die nicht auf die Absendung des Antrages, sondern auf die erfolgreiche Geltendmachung vor dem 1. Jänner 2004 abstelle. Dies sei zulässig, da ja die Regelung einerseits befristet gewesen sei und andererseits bereits im Vorhinein die gesetzlichen Änderungen bekannt gewesen seien.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, den Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 27 Abs. 1 AlVG hat ein Arbeitgeber, der ältere Arbeitnehmer beschäftigt, die ihre Arbeitszeit verringern, und der diesen einen Lohnausgleich gewährt, Anspruch auf Altersteilzeitgeld.
Die wesentlichen Voraussetzungen dieses Anspruches waren in der bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung des § 27 Abs. 2 AlVG wie folgt geregelt:
"(2) Altersteilzeitgeld gebührt längstens sechseinhalb Jahre für Frauen ab Vollendung des 50. Lebensjahres und für Männer ab Vollendung des 55. Lebensjahres, die
1. in den letzten 25 Jahren vor der Geltendmachung des Anspruches 780 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt waren,
2. auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung ihre der gesetzlichen oder kollektivvertraglich geregelten Normalarbeitszeit entsprechende oder diese höchstens um 20 vH unterschreitende Normalarbeitszeit auf 40 bis 60 vH der Normalarbeitszeit verringert haben,
3. auf Grund eines Kollektivvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder einer vertraglichen Vereinbarung
a) bis zur Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 45 ASVG einen Lohnausgleich in der Höhe von mindestens 50 vH des Unterschiedsbetrages zwischen dem vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit gebührenden Entgelt und dem der verringerten Arbeitszeit entsprechenden Entgelt erhalten und
b) für die der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge entsprechend der Beitragsgrundlage vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit entrichtet und
4. auf Grund eines Kollektivvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder einer vertraglichen Vereinbarung Anspruch auf Berechnung einer zustehenden Abfertigung auf der Grundlage der Arbeitszeit vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit haben; für die Berechnung einer Abfertigung nach dem BUAG gilt § 13d Abs. 3 BUAG."
Mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2004 erhielt diese Bestimmung auf Grund der Novelle BGBl. I Nr. 71/2003 folgende Fassung:
"(2) Altersteilzeitgeld gebührt längstens fünf Jahre für Personen, die nach spätestens fünf Jahren das Mindestalter für eine Alterspension vollenden und die
1. in den letzten 25 Jahren vor der Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) 780 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt waren, wobei auf die Anwartschaft anzurechnende Zeiten gemäß § 14 Abs. 4 und 5 berücksichtigt und die Rahmenfrist um arbeitslosenversicherungsfreie Zeiten der Betreuung von Kindern bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres erstreckt werden,
2. auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung ihre Normalarbeitszeit, die im letzten Jahr der gesetzlichen oder kollektivvertraglich geregelten Normalarbeitszeit entsprochen oder diese höchstens um 20 vH unterschritten hat, auf 40 bis 60 vH verringert haben,
3. auf Grund eines Kollektivvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder einer vertraglichen Vereinbarung
a) bis zur Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 45 ASVG einen Lohnausgleich in der Höhe von mindestens 50 vH des Unterschiedsbetrages zwischen dem im letzten Jahr (bei kürzerer Beschäftigungszeit in einem neuen Betrieb während dieser kürzeren, mindestens drei Monate betragenden Zeit) vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit durchschnittlich gebührenden Entgelt und dem der verringerten Arbeitszeit entsprechenden Entgelt erhalten und
b) für die der Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge entsprechend der Beitragsgrundlage vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit entrichtet und
4. auf Grund eines Kollektivvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder einer vertraglichen Vereinbarung Anspruch auf Berechnung einer zustehenden Abfertigung auf der Grundlage der Arbeitszeit vor der Herabsetzung der Normalarbeitszeit haben; für die Berechnung einer Abfertigung nach dem BUAG gilt § 13d Abs. 3 BUAG."
§ 80 Abs. 9 AlVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 71/2003 hatte folgenden Wortlaut:
"(9) Die §§ 26a und 27 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 92/2000 und § 28 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 179/1999 treten mit Ablauf des 31. Dezember 2003 außer Kraft; sie sind jedoch auf laufende Fälle weiter anzuwenden."
Durch die Novelle BGBl. I Nr. 71/2003 wurde die genannte Bestimmung des § 80 Abs. 9 AlVG mit Wirkung vom 21. August 2003 aufgehoben und folgende Übergangsbestimmung des § 79 Abs. 73 AlVG geschaffen:
"(73) § 27 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 71/2003 tritt mit 1. Jänner 2004 in Kraft und gilt für Ansprüche auf Altersteilzeitgeld auf Grund von Vereinbarungen, deren Laufzeit nach dem 31. Dezember 2003 beginnt. Für Ansprüche auf Altersteilzeitgeld, die vor dem Ablauf des 31. Dezember 2003 erfolgreich geltend gemacht wurden, gilt § 27 in der bisher anzuwendenden Fassung weiter."
§ 79 Abs. 57 AlVG (zu § 27 AlVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 71/2003) lautet:
"(57) Die §§ 26a und 27 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 92/2000 treten mit 1. Oktober 2000 in Kraft und gelten für Vereinbarungen, deren Laufzeit nach dem 30. September 2000 beginnt. Für die übrigen Fälle gelten die §§ 26 und 27 in der Fassung vor diesem Bundesgesetz."
§ 82 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 142/2004 lautet auszugsweise:
"(1) Einem Arbeitgeber, der auf Grund einer Altersteilzeitvereinbarung, die nach dem 31. März 2003 und vor dem 1. Jänner 2004 wirksam geworden ist, Anspruch auf Altersteilzeitgeld gemäß § 27 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 92/2000 hat, gebührt Altersteilzeitgeld für Personen, die auf Grund der Erhöhung des für einen Anspruch auf Alterspension erforderlichen Mindestalters nicht mit dem Ende der ursprünglichen Altersteilzeitvereinbarung in Pension gehen können, bei Verlängerung der Altersteilzeitvereinbarung und Erfüllung der übrigen Voraussetzungen nach der bisherigen Rechtslage längstens bis zum Ablauf des Kalendermonates nach Erreichung des frühestmöglichen Pensionsanfallsalters.
... ".
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht ein Anspruch auf Altersteilzeitgeld nach Maßgabe der Fassung des § 27 AlVG, die vor dem 1. Jänner 2004 gegolten hat, bei allen Altersteilzeitvereinbarungen, die vor dem 1. Jänner 2004 wirksam geworden sind, allerdings unter der weiteren Voraussetzung des § 79 Abs. 73 zweiter Satz AlVG, dass nämlich der Anspruch auch schon vor dem Ablauf des 31. Dezember 2003 geltend gemacht worden sein muss (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Februar 2006, Zl. 2005/08/0105).
Die Beschwerdeführerin führt unter Hinweis auf Schrank, Pensionsreform 2003 und Altersteilzeit, ZAS 2004/38, im Wesentlichen aus, dass - entgegen der zitierten Rechtsprechung - ein Laufzeitbeginn der Altersteilzeitvereinbarung vor dem 1. Jänner 2004 genüge, um einen Anspruch auf Altersteilzeitgeld gemäß § 27 in der vor dem 1. Jänner 2004 geltenden Fassung zu begründen, dies unabhängig davon, wann der Antrag beim Arbeitsmarktservice gestellt worden sei. Die Altersteilzeit gemäß der Rechtslage vor der Novellierung durch das BudgetbegleitG 2003 (BGBl. I Nr. 71/2003) sei gemäß § 80 Abs. 9 AlVG bis zum 31. Dezember 2003 befristet. Da das Gesetz keine Antragspflicht vorgesehen habe, habe auch nach dem Wortlaut des § 80 Abs. 9 AlVG ein tatsächlicher Laufzeitbeginn im Sinne einer tatsächlichen Invollzugsetzung der Altersteilzeit vor dem 1. Jänner 2004 ausgereicht, um die alte Rechtslage vor dem BudgetbegleitG 2003 weiter anzuwenden. Der erste Satz des an die Stelle des aufgehobenen § 80 Abs. 9 AlVG tretenden § 79 Abs. 73 AlVG bestimme nichts anderes als die Vorgängerbestimmung. Der zweite Satz müsse unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes und des Sachlichkeitsaspektes richtigerweise so gelesen werden, dass er keine Abweichung vom bisherigen § 80 Abs. 9 AlVG bedeute, sondern einen bloß verkürzten, die Wiederholung vermeidenden Verweis auf die Grundregelung des ersten Satzes des § 79 Abs. 73 AlVG. Bei der gebotenen verfassungskonformen Interpretation sei der § 79 Abs. 73 AlVG so auszulegen, dass keine dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz widersprechenden "Nullfälle" produziert würden, also Fälle, bei denen, wie im Beschwerdefall, bei fehlender Antragsstellung vor Ablauf des 31. Dezember 2003 das alte Recht nicht mehr und das neue Recht wegen § 79 Abs. 73 AlVG erster Satz noch nicht gelte.
Der von der beschwerdeführenden Partei erwogenen Auslegung des § 79 Abs. 73 zweiter Satz AlVG, wonach dieser "keine Abweichung vom bisherigen § 80 Abs. 9 bedeute", liegt die Prämisse zugrunde, dass die erstgenannte Norm andernfalls zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes führte. Schon diese Prämisse trifft aber nicht zu, ist doch die Novelle BGBl. Nr. 71/2003 bereits im August 2003 im Bundesgesetzblatt kundgemacht worden, sodass ausreichend Zeit bestanden hat, sich auf die neue Rechtslage einzurichten oder durch eine rechtzeitige Antragstellung die Inanspruchnahme der alten Rechtslage sicherzustellen. Daher kann von einem Gebot der Interpretation des § 79 Abs. 73 zweiter Satz AlVG gegen seinen Wortlaut im Sinne des Beschwerdevorbringens keine Rede sein, sodass die Frage nicht untersucht werden muss, ob eine solche Interpretation nicht auch deshalb nicht in Betracht kommt, weil sie im Gesetzeswortlaut keine Deckung findet (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 23. April 1996, Zl. 96/08/0058).
Auch aus § 82 Abs. 1 AlVG (der hier nicht zum Tragen kommt, weil die gegenständliche Altersteilzeitvereinbarung nicht nach dem 31. März 2003 wirksam geworden ist) ist für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, da diese Übergangsregelung einen Anspruch auf Altersteilzeitgeld nach § 27 in der Fassung des BGBl. I Nr. 92/2000 voraussetzt, dessen Vorliegen wiederum gemäß § 79 Abs. 73 AlVG zu beurteilen ist. § 82 Abs. 1 AlVG sagt entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin selbst nichts darüber aus, wann und ob ein Antrag auf Altersteilzeitgeld gestellt werden musste, um Altersteilzeitgeld nach der vor der Novelle BGBl. I Nr. 71/2003 geltenden Rechtslage zu erhalten.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 17. Oktober 2007
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007080078.X00Im RIS seit
16.11.2007