Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Eva-Maria P*****, über den Revisionsrekurs des Kindesvaters Hannes P*****, vertreten durch Dr. Beatrix Wollner, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 9. November 2006, GZ 23 R 112/06t-22, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Bruck an der Leitha vom 25. September 2006, GZ 1 P 1320/95k-U-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden hinsichtlich eines Zuspruchs von monatlich EUR 386 für den Zeitraum 1. 5. 2005 bis 30. 9. 2005 und von EUR 431 für den Zeitraum ab 1. 10. 2005 bestätigt. Hinsichtlich des Mehrbetrages von EUR 57 für den Zeitraum 1. 5. 2005 bis 30. 9. 2005 und EUR 52 monatlich für den Zeitraum ab 1. 10. 2005 werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung:
Der Kindesvater ist aufgrund des vor dem Bezirksgericht Bruck an der Leitha am 22. 8. 2000 abgeschlossenen Scheidungsfolgenvergleichs zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von EUR 203,48 verpflichtet. Die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha, Jugendwohlfahrt, beantragte, den monatlichen Unterhaltsbeitrag für die Zeit von 1. 5. 2005 bis 30. 9. 2005 auf EUR 443 monatlich und ab 1. 10. 2005 auf EUR 483 monatlich zu erhöhen. Ab 1. 10. 2005 sei eine weitere Sorgepflicht des Vaters weggefallen, weshalb die Minderjährige ab diesem Zeitpunkt einen Unterhaltsanspruch von 22 % und bis dahin einen Unterhaltsanspruch von 20 % des Nettoeinkommens des Vaters habe.
Der Kindesvater sprach sich gegen den Erhöhungsantrag aus. Er habe aus Anlass der Scheidung sein Reihenhaus an die Kindesmutter überschrieben. Er habe sich dann eine neue Existenz aufbauen müssen, was „heutzutage ohne Kreditaufnahme nicht mehr funktionieren" könne (AS 21). In der Folge wies er gleichzeitig mit Vorlage von Einkommensbestätigungen darauf hin, dass er auch sehr hohe Kreditrückzahlungen leisten müsse (AS 35).
Das Erstgericht gab diesem Antrag statt. Dabei ging es von einem Einkommen des Kindesvaters im Jahr 2005 von rund EUR 2.475 inklusive Sonderzahlungen und im Jahr 2006 von EUR 2.622 aus. Bis 1. 10. 2005 hatte der Vater eine weitere Sorgepflicht für den volljährigen Christoph, geboren 15. 6. 1986.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Grundsätzlich seien Ausgaben des täglichen Lebens und damit auch die Raten zur Rückzahlung von Krediten zur Bestreitung solcher Aufwendungen nicht abzugsfähig. Deshalb könnten Rückzahlungsraten von Wohnungskrediten die Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht schmälern. Nur Kredite zur Abdeckung unabwendbarer außergewöhnlicher Belastungen seien grundsätzlich als abzugsfähige Aufwendungen anzuerkennen. Eine solche außergewöhnliche Belastung läge etwa dann vor, wenn die Ehewohnung der erziehungsberechtigten Mutter überlassen werde und ein zeitliches Naheverhältnis zur Ehescheidung gegeben sei (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 221). Von einem derartigen zeitlichen Naheverhältnis könne aber mit Rücksicht auf den Zeitpunkt der Ehescheidung im Jahr 2000 derzeit nicht mehr die Rede sein. Soweit sich der Revisionsrekurswerber darauf berufe, im Scheidungsfolgenvergleich gegenüber seiner früheren Ehegattin auf gemeinsam erworbenes Ehevermögen verzichtet zu haben, betreffe dies letztlich der geschiedenen Ehegattin zugekommene Vermögenswerte, was jedoch zu keiner Einschränkung des Unterhaltsanspruches des Kindes führe.
Mit Beschluss vom 26. 4. 2007 erklärte das Rekursgericht in Abänderung seines ursprünglichen Zulässigkeitsausspruches den Revisionsrekurs für zulässig. Im Hinblick auf die Argumente des Rekurswerbers, wonach der im Jahr 2000 bzw 2001 für Wohnraumbeschaffung aufgenommene Kredit aufgrund der Überlassung der Ehewohnung an die Mutter erforderlich gewesen sei, wobei der Kredit über einen längeren Zeitraum zurückzubezahlen sei, komme dem Fall über den Einzelfall hinausgehende rechtliche Bedeutung zu.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist im Interesse der Rechtssicherheit zulässig; er ist teilweise berechtigt.
1. Nach ständiger Rechtsprechung sind Ausgaben des täglichen Lebens - und damit auch die Raten zur Rückzahlung von Krediten zur Bestreitung solcher Aufwendungen - grundsätzlich nicht abzugsfähig; Rückzahlung von Wohnungskrediten können daher die Unterhaltsbemessungsgrundlage im Regelfall nicht schmälern (RIS-Justiz RS0085255). Nur Kredite zur Bestreitung unabwendbarer außergewöhnlicher Belastungen sind grundsätzlich als abzugsfähige Aufwendungen anzuerkennen (RIS-Justiz RS0085255; RS0047508).
2. Die Abzugsfähigkeit von Kreditrückzahlungsraten wird von der Rechtsprechung dann anerkannt, wenn die bisherige Wohnung dem Elternteil überlassen wurde, bei dem sich das unterhaltsberechtigte Kind in Pflege und Erziehung befindet, und außerdem ein gewisses zeitliches Naheverhältnis zwischen Trennung und Kreditaufnahme besteht (Gitschthaler, Unterhaltsrecht Rz 221). In einem solchen Fall können dann aber nicht nur die Wohnungsanschaffungs-, sondern auch Wohnungsadaptierungs- und Wohnungseinrichtungskredite abzugsfähig sein (Gitschthaler aaO). In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof etwa scheidungsbedingte Wohnraumbeschaffungskosten in Höhe von ca S 3.000 monatlich als Abzugsposten anerkannt (8 Ob 1674/92). Diese Rechtsprechung wurde in der Folge in zahlreichen weiteren Entscheidungen fortgeschrieben (RIS-Justiz RS0047502).
3.1. Wenngleich die Frage, ob und in welchem Ausmaß bei einem Unterhaltspflichtigen berücksichtigungswürdige Belastungen vorliegen, im Allgemeinen keine der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof zugängliche erhebliche Rechtsfrage darstellt (8 Ob 1524/91; 1 Ob 154/00d), geht es im vorliegenden Fall doch um die - in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausreichende - Frage, ab wann der für die Berücksichtigungsfähigkeit von Kreditrückzahlungen erforderliche zeitliche Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren wegfällt.
3.2. In einer Entscheidung (1 Ob 1666/95) hat der Oberste Gerichtshof einen derartigen Zusammenhang verneint, wenn die Scheidung bereits dreizehn Jahre zurücklag. Bei einer dermaßen lang zurückliegenden Kreditaufnahme hätte der Kindesvater behaupten und bescheinigen müssen, dass die Aufnahme eines derart hohen Kredites (mit monatlichen Rückzahlungsraten von S 5.000 monatlich) unbedingt nötig gewesen sei und die Rückzahlung nicht habe früher erfolgen können.
3.3. Im vorliegenden Fall liegt demgegenüber die Scheidung nur etwas mehr als sechs Jahre vor der Beschlussfassung des Erstgerichts. In Hinblick auf die übliche Laufzeit von Krediten zur Wohnraumbeschaffung bzw -verbesserung lässt sich dabei der erforderliche zeitliche Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren nicht a priori verneinen. Auch erscheinen die vom Kindesvater behaupteten Beträge von insgesamt EUR 19.000 von der Größenordnung her keineswegs als unangemessen. Im Hinblick auf das im vorigen wiedergegebene Vorbringen des Kindesvaters wäre das Erstgericht im Sinne seiner Anleitungs- und Erörterungspflicht (§§ 14, 16 AußStrG) gehalten gewesen, den - damals noch nicht anwaltlich vertretenen - Kindesvater zu einer entsprechenden Präzisierung seines Vorbringens betreffend seine Kreditbelastung anzuleiten.3.3. Im vorliegenden Fall liegt demgegenüber die Scheidung nur etwas mehr als sechs Jahre vor der Beschlussfassung des Erstgerichts. In Hinblick auf die übliche Laufzeit von Krediten zur Wohnraumbeschaffung bzw -verbesserung lässt sich dabei der erforderliche zeitliche Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren nicht a priori verneinen. Auch erscheinen die vom Kindesvater behaupteten Beträge von insgesamt EUR 19.000 von der Größenordnung her keineswegs als unangemessen. Im Hinblick auf das im vorigen wiedergegebene Vorbringen des Kindesvaters wäre das Erstgericht im Sinne seiner Anleitungs- und Erörterungspflicht (Paragraphen 14,, 16 AußStrG) gehalten gewesen, den - damals noch nicht anwaltlich vertretenen - Kindesvater zu einer entsprechenden Präzisierung seines Vorbringens betreffend seine Kreditbelastung anzuleiten.
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Kindesvater in seiner Zulassungsvorstellung zwar Rückzahlungen von monatlich EUR 284,38 an die RLB NÖ-Wien und von EUR 520 und weiteren EUR 117,73 jeweils an die Raibau behauptet, im Revisionsrekurs ON 30 jedoch dies dahingehend präzisiert, dass nur insgesamt EUR 260 monatlich der Rückzahlung des für die Wohnraumschaffung aufgenommenen Kredites dienen. Damit kann sich aber im Hinblick auf die von den Vorinstanzen zugrundegelegte und im Revisionsrekurs insofern nicht bekämpfte prozentmäßige Höhe des Unterhaltsanspruchs im Ausmaß von 20 bzw 22 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage die Berücksichtigung dieses Kredites nur mit maximal rund EUR 57 pro Monat (das sind 22 % von EUR 260) auswirken, hat die Minderjährige doch Anspruch auf jeweils 20 bzw 22% der um die jeweiligen (anrechenbaren) Kreditrückzahlungsraten verringerten Bemessungsgrundlage. In dem Zeitraum, in dem die Minderjährige bereits Anspruch auf 20 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage hat, beträgt die monatliche Auswirkung sogar nur EUR 52. Damit waren aber die Entscheidungen der Vorinstanzen hinsichtlich eines Teilbetrages von monatlich EUR 386 bis zum 30. 9. 2005 und monatlich EUR 431 ab dem 1. 10. 2005 zu bestätigen, um die Einbringlichkeit des - nach dem Gesagten zweifelsfrei zustehenden - Unterhaltsteilbetrages insoweit nicht zu verzögern. Hinsichtlich des darüber hinausgehenden begehrten Unterhalts bedarf es noch der Klärung durch das Erstgericht, inwieweit die Angaben des Vaters über Anlass und Verwendung der Kreditaufnahme zutreffen, sodass insoweit die Aufhebung und Zurückverweisung an das Erstgericht auszusprechen war.
Anmerkung
E852826Ob165.07vSchlagworte
Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inZak 2007/702 S 413 - Zak 2007,413 = iFamZ 2008/3 S 9 - iFamZ 2008,9 =EFSlg 116.504 = EFSlg 116.560 = EFSlg 116.562 = EFSlg 116.563XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2007:0060OB00165.07V.0913.000Zuletzt aktualisiert am
26.06.2009