TE OGH 2007/9/13 6Ob186/07g

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Veröffentlicht am 13.09.2007
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des OberstenGerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Alexander G*****, geboren am 27. September 2004, *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter Evelin T*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Kleinszig/Dr. Puswald Partnerschaft OEG in St. Veit an der Glan, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 20. Juni 2007, GZ 3 R 134/07a-50, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 3 Ob 139/06x = EF-Z 2007/5 [Gitschthaler]) zur Parteistellung der das Kind betreuenden Mutter in einem Verfahren über die Regelung des persönlichen Verkehrs ausgesprochen, eine solche komme nach § 148 Abs 1 ABGB idF KindRÄG 2001 allein dem Kind selbst zu, das in der Regel vom betreuenden Elternteil vertreten werde; die gegenteilige Rechtsprechung zur früheren Rechtslage (etwa 7 Ob 106/99k = EFSlg 91.505, 91.492 mwN) sei überholt.1. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 3 Ob 139/06x = EF-Z 2007/5 [Gitschthaler]) zur Parteistellung der das Kind betreuenden Mutter in einem Verfahren über die Regelung des persönlichen Verkehrs ausgesprochen, eine solche komme nach § 148 Abs 1 ABGB in der Fassung KindRÄG 2001 allein dem Kind selbst zu, das in der Regel vom betreuenden Elternteil vertreten werde; die gegenteilige Rechtsprechung zur früheren Rechtslage (etwa 7 Ob 106/99k = EFSlg 91.505, 91.492 mwN) sei überholt.

1.1. Diese Entscheidung stieß in der Literatur auf Kritik (Gitschthaler, EF-Z 2007, 20 [Entscheidungsanmerkung]; Schrammel/Schur, Partei- und Verfahrensfähigkeit im Besuchsrechtsverfahren, EF-Z 2007, 164 [168]). Es komme maßgeblich darauf an, ob in die rechtlich geschützte Stellung dieses Elternteils unmittelbar eingegriffen wird. Richtig sei zwar, dass durch die in der erwähnten Entscheidung verfahrensgegenständliche Beseitigung der Besuchsbegleitung - also (lediglich) eine Regelung der Besuchsmodalitäten - in die rechtlich geschützte Stellung der Mutter nicht unmittelbar eingegriffen wird; es sei jedoch für andere Verfahren über die Regelung des persönlichen Verkehrs zu berücksichtigen, dass den betreuenden Elternteil die Verpflichtung treffe, das vom Gericht festgesetzte Besuchsrecht bei sonstiger Durchsetzung gemäß § 110 AußStrG zu ermöglichen; Voraussetzung für eine solche exekutive Durchsetzung gegen ihn müsse dann aber die Parteistellung des betreuenden Elternteils im Titelverfahren sein. Außerdem seien die Eltern gemäß § 144 ABGB zu Pflege und Erziehung verpflichtet, weshalb sie gemäß der „Wohlverhaltensklausel" des § 145b ABGB auch eine Unterstützungspflicht bei der Besuchsrechtsausübung, nämlich die Vorbereitung und Duldung der Besuche, treffe; die Regelung des Besuchsrechts beeinflusse daher die Wahrnehmung der Obsorge.

1.2. Nach § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG ist Partei eines Verfahrens außer Streitsachen jede Person, soweit ihre rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung unmittelbar beeinflusst würde. Ob eine rechtlich geschützte Stellung beeinflusst wird, ergibt sich aus dem materiellen Recht (Rechberger in Rechberger, AußStrG [2007] § 2 Rz 9). Unmittelbar beeinflusst ist eine Person dann, wenn die in Aussicht genommene Entscheidung Rechte oder Pflichten dieser Person ändert, ohne dass noch eine andere Entscheidung gefällt werden muss (Rechberger aaO Rz 10). Die Bestimmung ist eng auszulegen (Rechberger aaO Rz 9; 1 Ob 156/06g); Reflexwirkungen allein reichen nicht aus, eine materielle Parteistellung zu begründen (6 Ob 19/06x; 6 Ob 236/06h).

Allerdings sieht § 104 AußStrG im Zusammenhang mit der Anordnung einer eigenen („besonderen") Verfahrensfähigkeit Minderjähriger unter anderem für Verfahren über die Regelung des persönlichen Verkehrs vor, dass der gesetzliche Vertreter für den Minderjährigen zwar Verfahrenshandlungen setzen kann, die Anträge des Minderjährigen und seines gesetzlichen Vertreters aber nicht übereinstimmen müssen (Absatz 2); in diesem Fall sind bei der Entscheidung alle Anträge inhaltlich zu berücksichtigen. Schon allein daraus lässt sich aber der Schluss ziehen, dass der Gesetzgeber des KindRÄG 2001 mit der Anordnung einer eigenen Parteistellung des Kindes in Verfahren über die Regelung des persönlichen Verkehrs (§ 148 Abs 1 ABGB; 3 Ob 139/06x; Rechberger aaO Rz 10; vgl dazu auch Stabentheiner in Rummel, ABGB³ ErgBd [2003] § 148 Rz 1a; Nademleinsky in Schwimann, ABGB³ [2005] § 148 Rz 7; Deixler-Hübner in Rechberger, AußStrG [2006] § 104 Rz 2; Hopf in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² [2007] § 148 Rz 4) nicht die (eigene) Parteistellung des gesetzlichen Vertreters bzw des betreuenden Elternteils beseitigen wollte, wovon ganz offensichtlich sowohl die Lehre (Nademleinsky aaO Rz 8; Rechberger aaO Rz 10; Weitzenböck in Schwimann, ABGB³ [2005] §§ 271, 272 Rz 9 ["eigene Interessen des betreuenden Elternteils im Verfahren über die Regelung des persönlichen Verkehrs"]) als auch andere Senate des Obersten Gerichtshofs (vgl etwa 7 Ob 202/06s; 9 Ob 24/07f) ausgehen.Allerdings sieht § 104 AußStrG im Zusammenhang mit der Anordnung einer eigenen („besonderen") Verfahrensfähigkeit Minderjähriger unter anderem für Verfahren über die Regelung des persönlichen Verkehrs vor, dass der gesetzliche Vertreter für den Minderjährigen zwar Verfahrenshandlungen setzen kann, die Anträge des Minderjährigen und seines gesetzlichen Vertreters aber nicht übereinstimmen müssen (Absatz 2); in diesem Fall sind bei der Entscheidung alle Anträge inhaltlich zu berücksichtigen. Schon allein daraus lässt sich aber der Schluss ziehen, dass der Gesetzgeber des KindRÄG 2001 mit der Anordnung einer eigenen Parteistellung des Kindes in Verfahren über die Regelung des persönlichen Verkehrs (§ 148 Abs 1 ABGB; 3 Ob 139/06x; RechbergeraaO Rz 10; vergleiche dazu auch Stabentheiner in Rummel, ABGB³ ErgBd [2003] § 148 Rz 1a; Nademleinsky in Schwimann, ABGB³ [2005] § 148 Rz 7; DeixlerHübner in Rechberger, AußStrG [2006] § 104 Rz 2; Hopf in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² [2007] § 148 Rz 4) nicht die (eigene) Parteistellung des gesetzlichen Vertreters bzw des betreuenden Elternteils beseitigen wollte, wovon ganz offensichtlich sowohl die Lehre (NademleinskyaaO Rz 8; RechbergeraaO Rz 10; Weitzenböck in Schwimann, ABGB³ [2005] §§ 271, 272 Rz 9 ["eigene Interessen des betreuenden Elternteils im Verfahren über die Regelung des persönlichen Verkehrs"]) als auch andere Senate des Obersten Gerichtshofs vergleiche etwa 7 Ob 202/06s; 9 Ob 24/07f) ausgehen.

Dazu kommt, dass durch die Festsetzung eines Besuchsrechts die Wahrnehmung der Obsorge beeinflusst ist; solange sich das Kind beim anderen Elternteil aufhält, ist der obsorgeberechtigte Elternteil ja in der Ausübung der Obsorge beschränkt. Die „Wohlverhaltensklausel" des § 145b ABGB zwingt ihn außerdem zur Unterstützung der Besuchsrechtsausübung durch die Vorbereitung der Besuche. Die Festsetzung bzw Ausdehnung eines Besuchsrechts greift somit unmittelbar in die materiellen Rechte des obsorgeberechtigten bzw betreuenden Elternteils ein.

Und schließlich ist der betreuende Elternteil der exekutiven Durchsetzung eines festgesetzten Besuchsrechts ausgesetzt, sollte er sich diesen Verpflichtungen widersetzen. Ihn diesbezüglich auf Einwendungen im Exekutionsverfahren zu verweisen, wäre schon deshalb verfehlt, weil dies zu einer Erhöhung des Verfahrensaufwands und vor allem zu einer Verzögerung in der Umsetzung eines festgesetzten Besuchsrechts führen würde. Der Gesetzgeber verfolgte aber mit der Außerstreitreform einerseits (unter anderem) das Ziel der Beschleunigung auch von Verfahren außer Streitsachen (vgl § 33 Abs 2 AußStrG; Rechberger aaO Vor § 13 Rz 4) und ordnete außerdem ausdrücklich an, dass auf das Kindeswohl nicht mehr nur in materieller Hinsicht Bedacht zu nehmen, sondern dieses auch bei Führung des Verfahrens bestmöglich zu wahren ist (§ 13 Abs 2 AußStrG).Und schließlich ist der betreuende Elternteil der exekutiven Durchsetzung eines festgesetzten Besuchsrechts ausgesetzt, sollte er sich diesen Verpflichtungen widersetzen. Ihn diesbezüglich auf Einwendungen im Exekutionsverfahren zu verweisen, wäre schon deshalb verfehlt, weil dies zu einer Erhöhung des Verfahrensaufwands und vor allem zu einer Verzögerung in der Umsetzung eines festgesetzten Besuchsrechts führen würde. Der Gesetzgeber verfolgte aber mit der Außerstreitreform einerseits (unter anderem) das Ziel der Beschleunigung auch von Verfahren außer Streitsachen vergleiche § 33 Abs 2 AußStrG; RechbergeraaO Vor § 13 Rz 4) und ordnete außerdem ausdrücklich an, dass auf das Kindeswohl nicht mehr nur in materieller Hinsicht Bedacht zu nehmen, sondern dieses auch bei Führung des Verfahrens bestmöglich zu wahren ist (§ 13 Abs 2 AußStrG).

Damit kommt aber in Verfahren über die Regelung des persönlichen Verkehrs auch dem obsorgeberechtigten bzw das Kind betreuenden Elternteil Parteistellung zu, sofern nicht bloß Besuchsmodalitäten geändert werden, die in die rechtlich geschützte Stellung dieses Elternteils nicht unmittelbar eingreifen. Insoweit ist - entgegen der Ansicht des 3. Senats - an der Rechtsprechung vor dem KindRÄG 2001 (etwa 7 Ob 106/99k = EFSlg 91.505, 91.492 mwN) weiter festzuhalten.

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hat ein Elternteil, der mit dem anderen eine Scheidungsvereinbarung geschlossen hat, keinen subjektiven Anspruch auf eine andere Entscheidung des Gerichts über die Kinder, wenn keine nachträgliche Änderung des Sachverhalts vorliegt (RIS-Justiz RS0048663). Ob eine solche Änderung des Sachverhalts vorliegt, ist aber eine Frage des Einzelfalls, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen - die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht rechtfertigen kann (9 Ob 114/03k). Die Mutter weist dazu im Revisionsrekurs außerdem lediglich ganz allgemein darauf hin, dass Alexander seit Vergleichsabschluss älter geworden sei und sich „seine Entwicklung wesentlich geändert" habe.

3. Jede Besuchsrechtsregelung hat sich grundsätzlich am Kindeswohl zu orientieren (RIS-Justiz RS0047958). Der vom Erstgericht beigezogene Sachverständige hat dazu ausgeführt, aus der Sicht des Kindeswohls sei zwar eine länger dauernde und regelmäßige Übung in 14-tägigen Abständen zu bevorzugen, die derzeitige Regelung widerspreche aber auch nicht dem Kindeswohl. Sie würde diesem nur dann widersprechen, wenn das Kind bei den Übergaben bzw beim Wechsel der Betreuungspersonen (Abholen bzw Zurückbringen) stärkere Reaktionen zeigen würde; dann sollte man die Häufigkeit der Wechsel reduzieren und dafür die Einzeldauer der Besuche ausweiten. Solche kindeswohlgefährdenden Reaktionen gebe es derzeit jedoch nicht (AS 238).

Textnummer

E85296

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:0060OB00186.07G.0913.000

Im RIS seit

13.10.2007

Zuletzt aktualisiert am

25.11.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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