Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
ASVG §67 Abs10;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des R F in M, vertreten durch Dax & Partner Rechtsanwälte GmbH in 7540 Güssing, Europastraße 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Burgenland vom 11. August 2006, Zl. 6-SO-N3607/4-2006, betreffend Antrag auf Bescheidzustellung (mitbeteiligte Partei:
Burgenländische Gebietskrankenkasse, 7100 Eisenstadt, Esterhazyplatz 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren sowie das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Partei werden abgewiesen.
Begründung
Am 15. September 1999 wurde über das Vermögen der M GmbH, deren Geschäftsführer der Beschwerdeführer war, das Konkursverfahren eröffnet.
Mit Schreiben vom 13. Juni 2000 wurde der Beschwerdeführer von der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse darüber informiert, dass auf dem Beitragskonto der M GmbH Beträge von EUR 17.352,48 samt Nebengebühren (für den Zeitraum September 1997 bis Mai 1999) aushafteten und dass er als Geschäftsführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG dafür hafte, soweit die Beitrage durch schuldhafte Verletzungen seiner Pflichten nicht eingebracht werden könnten. Er werde aufgefordert, binnen 14 Tagen die Forderung zu begleichen oder aber alle Tatsachen vorzubringen, die gegen die Haftung sprächen, andernfalls werde ein Haftungsbescheid erlassen. Das Schreiben wurde dem Beschwerdeführer im Wege der Ersatzzustellung gemäß § 16 ZustG durch Übernahme durch seine Ehegattin am 14. Juni 2000 zugestellt.
Mit Bescheid vom 5. Oktober 2000 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 10 ASVG, rückständige Sozialversicherungsbeiträge samt Nebengebühren im Betrag von EUR 18.606,93 zu bezahlen. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer ebenfalls im Wege der Ersatzzustellung gemäß § 16 ZustG durch Übernahme durch seine Ehegattin am 6. Oktober 2000 zugestellt.
Mit zwei Schreiben der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 28. Jänner 2002, zugestellt durch Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist am 29. Jänner 2002, und vom 30. Dezember 2003, zugestellt im Wege der Ersatzzustellung gemäß § 16 ZustG durch Übernahme durch seine Ehegattin am 7. Jänner 2004, wurde der Beschwerdeführer darüber informiert, dass die ausständigen Beträge immer noch nicht entrichtet seien.
Mit Eingabe vom 24. August 2005 stellte der Beschwerdeführer den Antrag "auf neuerliche Zustellung" des Haftungsbescheides vom 5. Oktober 2000. Er führte im Wesentlichen aus, dass seine Frau den Bescheid übernommen und umgehend an den Masseverwalter der M GmbH weitergeleitet habe. Der Beschwerdeführer habe den Bescheid nicht erhalten und auch keine Kenntnis von diesem erlangt. Wenn besonders wichtige Gründe vorlägen, habe die Behörde den Bescheid zu eigenen Handen zuzustellen, bei der Haftung des Geschäftsführers nach § 67 ASVG handle es sich um einen solchen besonders wichtigen Grund, weshalb die Ersatzzustellung an die Gattin unzulässig gewesen und der Bescheid nicht in Rechtskraft erwachsen sei.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse wies diesen Antrag mit Bescheid vom 23. September 2005 ab.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den dagegen erhobenen Einspruch ab. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, dass es keine gesetzliche Norm gebe, die dazu verpflichte, den Haftungsbescheid gemäß § 67 Abs 10 ASVG dem Beschwerdeführer eigenhändig zuzustellen. Es lägen im konkreten Fall auch keine "besonders wichtigen Gründe" für eine Eigenhandzustellung im Sinne des § 22 zweiter Satz AVG vor. Vielmehr sei eine Ersatzzustellung nach § 16 ZustG zulässig gewesen und seien keine für die Ersatzzustellung maßgeblichen Vorschriften verletzt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, den Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt im Wesentlichen vor, dass, da er "mit der ursprünglichen Beitragsschuldnerin M GmbH nicht in Personalunion" stehe, da über die M GmbH das Konkursverfahren eröffnet worden sei, wodurch sämtliche trotz Postsperre zugestellten Poststücke von seiner Frau an den Masseverwalter weitergeleitet worden seien, ferner aufgrund der Tatsache, dass keinerlei Einladungen der mitbeteiligten Partei ihn persönlich erreicht hätten und daher sein Parteiengehör nicht gewahrt worden sei, sowie aufgrund der "eklatanten Höhe" des Haftungsbescheides insgesamt besonders wichtige Gründe im Sinne des § 22 zweiter Satz AVG vorgelegen seien und die mitbeteiligte Partei zur Zustellung des Haftungsbescheids zu eigenen Handen verpflichtet gewesen wäre.
§ 67 Abs. 10 ASVG lautet:
"(10) Die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Handelsgesellschaft, offene Erwerbsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Kommandit-Erwerbsgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haften im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend."
§ 22 AVG lautet:
"Wenn wichtige Gründe hiefür vorliegen, ist eine schriftliche Ausfertigung mit Zustellnachweis zuzustellen. Bei Vorliegen besonders wichtiger Gründe oder wenn es gesetzlich vorgesehen ist, ist die Zustellung zu eigenen Handen des Empfängers zu bewirken."
§ 16 Zustellgesetz lautet:
"(1) Kann die Sendung nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf an diesen zugestellt werden (Ersatzzustellung), sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.
(2) Ersatzempfänger kann jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die - außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt - zur Annahme bereit ist.
(3) Durch Organe der Post darf an bestimmte Ersatzempfänger nicht oder nur an bestimmte Ersatzempfänger zugestellt werden, wenn der Empfänger dies schriftlich bei der Post verlangt hat.
(4) Die Behörde hat Personen wegen ihres Interesses an der Sache oder auf Grund einer schriftlichen Erklärung des Empfängers durch einen Vermerk auf der Sendung und dem Rückschein von der Ersatzzustellung auszuschließen; an sie darf nicht zugestellt werden.
(5) Eine Ersatzzustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam."
§ 21 Zustellgesetz lautet:
"(1) Dem Empfänger zu eigenen Handen zuzustellende Sendungen dürfen nicht an einen Ersatzempfänger zugestellt werden.
(2) Kann die Sendung beim ersten Zustellversuch nicht zugestellt werden, so ist der Empfänger schriftlich unter Hinweis auf die sonstige Hinterlegung zu ersuchen, zu einer gleichzeitig zu bestimmenden Zeit an der Abgabestelle zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein. Dieses Ersuchen ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Zur angegebenen Zeit ist ein zweiter Zustellversuch durchzuführen. Ist auch dieser erfolglos, ist nach § 17 zu hinterlegen."
§ 67 Abs. 10 ASVG normiert eine Haftung des gesetzlichen Vertreters des Beitragschuldners. Sämtliche Verweise das Beschwerdeführers darauf, dass die M GmbH eine von ihm unterschiedliche Rechtsperson sei, auf den Konkurs der M GmbH sowie auf die damit verbundene Postsperre gemäß § 78 KO gehen somit ins Leere, da die gegenständliche Forderung sich nicht gegen die M GmbH, sondern gegen ihn persönlich richtet und daher auch sämtliche Schreiben der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse zu Recht persönlich an ihn adressiert und zugestellt wurden. Der Konkurs der M GmbH, eines - wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt - von ihm verschiedenen Rechtssubjekts, kann in Bezug auf Schriftstücke, die den Beschwerdeführer betreffen, keinen besonders wichtigen Grund im Sinne des § 22 Abs. 2 AVG darstellen.
Eine gesetzliche Norm, die es der Behörde zur Pflicht machte, den Bescheid betreffend die Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG zu eigenen Handen zuzustellen, existiert nicht.
Dass im Übrigen die Eigenhandzustellung nur aus "besonders wichtigen Gründen" vorzunehmen ist, macht ihren Ausnahmecharakter deutlich (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, S. 340, unter E 5 zu § 22 AVG zitierte hg. Rechtsprechung). Es kommt auf die Umstände im Einzelfall an, ob besonders wichtige Gründe im Sinne des § 22 AVG zweiter Satz vorliegen (vgl. die bei Walter/Thienel Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S. 446, unter E 3ff. zu § 22 AVG zitierte hg. Rechtsprechung).
Dem Beschwerdeführer ist zunächst entgegenzuhalten, dass sich aus dem bloßen Umstand, dass der Haftungsbescheid eine Summe von EUR 18.606,93 betraf, noch keine besonderen Gründe für eine Zustellung zu eigenen Handen ergeben (vgl. die bei Hauer/Leukauf, aaO, S. 1934, unter E 2g zu § 21 ZustG zitierte hg. Rechtsprechung und Hengstschläger/Leeb, AVG I, S 243, mwN). Vielmehr liegen die mit einem Haftungsbescheid verbundenen Rechtsfolgen im Vergleich zu anderen Bescheiden in ihrer Bedeutung und Gewichtigkeit nicht über dem Durchschnitt (vgl. zur Relevanz dieser Aspekte Hengstschläger/Leeb, aaO, S 242, mwN).
Ebenso wenig musste die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer nach der im Wege der Ersatzzustellung zugestellten Aufforderung zur Stellungnahme vom 13. Juni 2000 nicht reagierte, die Zustellung des Haftungsbescheids zu eigenen Handen verfügen. Der Beschwerdeführer musste als Geschäftsführer in Kenntnis sowohl des § 67 Abs. 10 ASVG als auch der Bestimmungen des Zustellgesetzes seine Post so organisieren, dass sie ihn auch erreicht. Eine Verfügung im Sinne des § 16 Zustellgesetz hat der Beschwerdeführer nicht getroffen, und er hat derartiges nicht behauptet. Auch findet sich im Akt kein Hinweis auf Zustellprobleme bezüglich des Beschwerdeführers, die im konkreten Fall allenfalls zur Annahme hätten führen können, dass ein besonders wichtiger Grund für eine Eigenhandzustellung vorliege.
Aus der Aktenlage ergibt sich im Übrigen, dass dem Beschwerdeführer jedenfalls bereits mit dem Schreiben vom 13. Juni 2000, das somit wirksam zugestellt wurde, die Möglichkeit des Parteiengehörs eingeräumt worden ist.
Der Beschwerdeführer behauptet schließlich nicht, dass die für Ersatzzustellungen nach § 16 ZustG maßgeblichen Vorschriften anlässlich der Übernahme des Bescheides durch seine Gattin am 14. Juni 2000 nicht eingehalten worden wären. War aber eine Ersatzzustellung nach dem bisher Gesagten zulässig und infolge Einhaltung der Bestimmungen des § 16 ZustG auch wirksam, so ist der Beschwerdeführer durch die Abweisung des Antrages auf neuerliche Zustellung des Haftungsbescheides nicht in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren ist von der genannten Verordnung nicht gedeckt. Da die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse nicht durch eine Rechtsanwalt vertreten war, waren ihr die geltend gemachten Kosten nicht zuzusprechen.
Wien, am 17. Oktober 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006080271.X00Im RIS seit
16.11.2007