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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §303 Abs4;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2003/14/0088Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde 1. des Peter H und 2. der Christine H, beide in W und vertreten durch MMag. Christoph Doppelbauer, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Vogelweiderstraße 9, gegen die Bescheide des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, ad 1. vom 11. September 2003, Zl RV/846-L/02, und ad 2. vom 15. September 2003, Zl RV/847-L/02, beide betreffend unter anderem Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Erstbeschwerdeführer Peter H betrieb im Streitjahr 1997 einen Friseurbetrieb, welchen er mit notariell abgeschlossenem Übergabsvertrag vom 22. September 2003 mit Ablauf des 30. September 2003 an seine Ehefrau, Christine H, die Zweitbeschwerdeführerin, übergab.
Ihren beim Finanzamt eingereichten Einkommensteuererklärungen schlossen die Beschwerdeführer jeweils einen mit H. "Peter/Christine" überschriebenen Jahresabschluss zum 31.12.1997 an, in welchem der Gewinn mit rund S 235.000,-- ermittelt worden war. In den den jeweiligen Einkommensteuererklärungen angeschlossenen Beilagen wurde dieser Gewinn zu 75 % auf den Erstbeschwerdeführer und zu 25 % auf die Zweitbeschwerdeführerin aufgeteilt und die entsprechend errechneten Beträge in der jeweiligen Einkommensteuererklärung als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (neben Einkünften aus anderen Einkunftsarten) erklärt.
Die Veranlagungen zur Einkommensteuer erfolgten erklärungsgemäß.
Anlässlich einer bei der Zweitbeschwerdeführerin durchgeführten Lohnsteuerprüfung wurde festgestellt, dass der in der Bilanz zum 31.12.1997 eingebuchte Aufwand für Abfertigungen die der Zweitbeschwerdeführerin ausbezahlte Abfertigung betroffen hat.
In der Folge nahm das Finanzamt die Einkommensteuerverfahren für 1997 wieder auf und rechnete in neuen Sachbescheiden den erklärten Gewinnen die entsprechenden Aufwandsbeträge im prozentuellen Ausmaß der Gewinnaufteilung (75 % gegenüber dem Erstbeschwerdeführer und 25 % gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin) hinzu. Begründet wurde dies jeweils damit, dass aus der vorgelegten Bilanz nicht ersichtlich gewesen sei, dass die Abfertigung Christine H betroffen habe. Nach "gängiger" Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei bei Übergabe des Betriebes eine Abfertigung an den Ehepartner nicht anzuerkennen.
In den gegen die Wiederaufnahme der Verfahren gerichteten (nahezu wortgleichen) Berufungen (die zunächst auch gegen die neuen Sachbescheide gerichteten Berufungen wurden später zurückgezogen) rügten die Beschwerdeführer, dass dem Finanzamt auf Grund des "aufliegenden Lohnzettels" bekannt gewesen sei, dass an die Zweitbeschwerdeführerin eine Abfertigung gezahlt worden sei. Es liege daher kein Wiederaufnahmegrund vor.
Mit den angefochtenen, im Wesentlichen wortgleichen Bescheiden wurden die Berufungen abgewiesen. Begründend wies die belangte Behörde darauf hin, dass entscheidend sei, ob dem "Finanzamt - zuständigen Organ oder Sachbearbeiter - bekannt" gewesen sei, dass der Zweitbeschwerdeführerin, obwohl ihr der Betrieb unentgeltlich (ohne Gegenleistung) übergeben worden sei, zusätzlich eine Abfertigung bezahlt worden sei. Das "Neuhervorkommen " von Tatsachen sei aus dem Gesichtswinkel des entscheidenden Organs der Behörde und nicht aus dem der Behörde selbst zu beurteilen. Es sei jedoch nicht aufgezeigt worden, dass das zuständige Organ im "Erstverfahren" von der Abfertigungszahlung an die Zweitbeschwerdeführerin gewusst habe.
Gegen diese Bescheide wenden sich die vorliegenden Beschwerden, die der Verwaltungsgerichtshof wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden hat.
Die belangte Behörde legte die jeweiligen Verwaltungsakten vor und erstattete zu jeder der Beschwerden eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Eine Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist dann ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufzunehmenden Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Das Hervorkommen neuer Tatsachen und Beweismittel ist allein aus der Sicht des von der zuständigen Behörde (der abgabenfestsetzenden Stelle) geführten konkreten Verfahrens zu beurteilen (vgl. das hg Erkenntnis vom 22. März 2006, 2002/13/0029).
Die Beschwerdeführer behaupten, in den Beschwerdefällen wären die für die Besteuerung wesentlichen Grundlagen gegenüber der abgabenfestsetzenden Stelle (Veranlagungsstelle, Referat X) vollständig und wahrheitsgemäß offengelegt worden. In der Folge beziehen sich die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Vorlage des Übergabsvertrages, aus welchem die Übergabe des Betriebes an die Zweitbeschwerdeführerin hervorgegangen sei, auf die Gewinn- und Verlustrechnung, aus welcher hervorgegangen sei, dass "Abfertigungen als Aufwand steuermindernd angesetzt" worden seien, auf eine Information, wonach "neben der Ehegattin" des Erstbeschwerdeführers "lediglich eine abfertigungsberechtigte Dienstnehmerin" im Betrieb beschäftigt gewesen sei und auf die Einbringung der "entsprechenden Lohnzettel der Dienstnehmer, insbesondere betreffend die Ehegattin" des Erstbeschwerdeführers zu dessen Steuernummer.
Die Beschwerdeführer behaupten damit aber insbesondere nicht, dass sie gegenüber der abgabenfestsetzenden Stelle offengelegt hätten, dass es sich bei dem im Jahresabschluss ausgewiesenen Abfertigungsaufwand um Beträge im Zusammenhang mit der an die Zweitbeschwerdeführerin ausgezahlten Abfertigung gehandelt hat. Dies wäre aber zur - eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließenden - vollständigen Offenlegung der für die Besteuerung wesentlichen Grundlagen um so mehr erforderlich gewesen, als die Beschwerdeführer einräumen, dass im Betrieb außer der Zweitbeschwerdeführerin auch eine andere abfertigungsberechtigte Dienstnehmerin beschäftigt war. Der in den Beschwerden vertretenen Ansicht, die für die Abgabenfestsetzung zuständige Stelle habe ein richtiges, vollständiges und klares Bild von den für die Abgabenerhebung maßgebenden Umständen gehabt, kann daher ebenso wenig gefolgt werden wie der Annahme, es liege eine die Wiederaufnahme der Verfahren nicht rechtfertigende nachträglich anders geartete rechtliche Beurteilung oder Würdigung eines schon bekanten Sachverhaltes vor.
Soweit die Beschwerdeführer meinen, eine "allenfalls vorhanden gewesene" Oberflächlichkeit oder Sorgfaltsverletzung seitens des zuständigen Sachbearbeiters könne sich nicht negativ für die Beschwerdeführer auswirken, bleiben die Beschwerdeführer nähere Ausführungen schuldig, worin diese Oberflächlichkeit oder Sorgfaltsverletzung unter den gegebenen Umständen bestanden hat. Dies gilt auch für die Behauptung, die von der Behörde gewählte Vorgangsweise widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben.
Unverständlich ist der Beschwerdevorwurf eines den angefochtenen Bescheiden dahin anhaftenden Begründungsmangels, die belangte Behörde wäre Ausführungen darüber schuldig geblieben, welche "Tatumstände nachträglich hervorgekommen" seien, wenn in der Beschwerde gleichzeitig darauf hingewiesen wird, dass in den angefochtenen Bescheiden die "Begründung des Bescheides erster Instanz übernommen" worden sei, wonach "aus der vorgelegten Bilanz nicht ersichtlich gewesen sei, dass die Abfertigung die Ehegattin betraf", wird damit doch eindeutig klargestellt, dass die belangte Behörde wie schon die Abgabenbehörde erster Instanz den Umstand, dass die "Abfertigung die Ehegattin betraf", als die neu ("nachträglich") hervorgekommene Tatsache beurteilt hat.
Die Beschwerden erweisen sich aus den angeführten Gründen als unbegründet und waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 18. Oktober 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2003140087.X00Im RIS seit
14.11.2007Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008