TE OGH 2007/9/28 9Ob87/06v

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Veröffentlicht am 28.09.2007
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Kerstin M*****, geboren 3. Juni 1987, Schülerin, *****, vertreten durch Dr. Gudrun Petsch-Lindmayr, Rechtsanwältin in Kapfenberg, gegen den Antragsgegner Georg K*****, Vertragsbediensteter, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler und Dr. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in Leoben, wegen Unterhaltserhöhung (Streitwert EUR 4.981,68), über den Revisionsrekurs (Streitwert EUR 3.145,68) des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 8. Mai 2006, GZ 3 R 105/06g-38, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 23. Februar 2006, GZ 5 FAM 22/05s-30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit EUR 266,69 (darin EUR 44,45 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die am 3. 6. 1987 geborene Antragstellerin ist die Tochter des Antragsgegners. Dieser ist auf Grund eines Beschlusses des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 11. 11. 2002, GZ 6 P 2822/95x-44, verpflichtet, für seine Tochter einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von EUR 261,62 zu zahlen.

Nach positivem Hauptschulabschluss besuchte die Antragstellerin im Schuljahr 2001/2002 die erste Klasse der Handelsakademie, konnte diese jedoch nicht positiv abschließen und wechselte daraufhin in die erste Klasse Handelsschule. Alle drei Klassen dieser Schule schloss sie mit ausgezeichnetem Erfolg ab, am 4. 7. 2005 absolvierte sie die Abschlussprüfung mit gutem Erfolg. Wenngleich das Auffinden einer Stelle für Berufsanfängerinnen schwierig ist, bestand für die Antragstellerin wie für andere Handelsschulabsolventinnen die Möglichkeit, am Arbeitsmarkt innerhalb von 6 bis 9 Monaten ab Schulabschluss eine geeignete Stelle zu finden. Die Antragstellerin besucht seit Herbst 2005 einen dreijährigen Aufbaulehrgang mit Maturaabschluss und dem Ausbildungsschwerpunkt „MultiMedia" (Webdesigner). Im Hinblick auf die allerdings relativ geringe Wochenstundenzahl an Spezialausbildung sind die Chancen, als Multi-Media-Webdesignerin unterzukommen, nicht besser als mit dem Handelsschulabschluss. Allerdings bestehen durch das Ablegen der Reifeprüfung naturgemäß bessere Chancen für Fortbildung, wie Kollegs, Fachhochschulen oder Universitäten.

Die mittlerweile volljährig gewordene Antragstellerin beantragte, ihren Vater beginnend ab 1. 9. 2005 bis auf weiteres zu einem erhöhten Unterhaltsbetrag von insgesamt EUR 400,-- monatlich zu verhalten. Der von ihr begonnene Aufbaulehrgang erhöhe ihre Chancen für ein Fortkommen am Arbeitsmarkt. Da allein das Schulgeld monatlich EUR 435,-- (10 x jährlich) betrage, könne sie mit den bisherigen Unterhaltsbeiträgen nicht mehr das Auslangen finden. Der Antragsgegner beantragte die Abweisung des Unterhaltserhöhungsantrages. Mit dem positiven Handelsschulabschluss verfüge die Antragstellerin über mehrere abgeschlossene Berufsausbildungen, wie Einzelhandelskauffrau, Bürokauffrau und mehr. Sie sei daher selbsterhaltungsfähig. Anders als etwa der Aufbaulehrgang für eine Handelsakademiematura stelle der von ihr gewählte Zweig keine Erweiterung ihres erlernten Berufes dar. Vielmehr handle es sich bei dem Schwerpunkt „MultiMedia" um eine wenig zukunftsträchtige Sparte, die Erstellung von Webseiten bedeute in der Praxis eine „brotlose Kunst". Die Antragstellerin habe schon seinerzeit die Möglichkeit gehabt durch Besuch der Handelsakademie eine Matura zu erwerben, habe dies jedoch verabsäumt. Die Nachholung dieses Versäumnisses könne nicht zu Lasten des Vaters gehen. Das Erstgericht erhöhte den vom Vater zu zahlenden monatlichen Unterhalt für die Zeit vom 1. 9. 2005 bis 28.2. 2006 dahin, dass außer dem Betrag von EUR 261,62 ein weiterer Betrag von EUR 87,38, insgesamt sohin EUR 349,-- monatlich zu zahlen sind. Das Mehrbegehren von EUR 51,-- monatlich wies es (diesbezüglich rechtskräftig) ab. Weiters wies es den über den 28. 2. 2006 hinausgehenden Erhöhungsantrag zur Gänze ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die Antragstellerin mit dem positiven Abschluss der Handelsschule eine abgeschlossene Berufsausbildung erlangt habe und dadurch konkret in die Lage versetzt sei, eine Reihe von Berufen auszuüben, sodass sie selbsterhaltungsfähig sei. Lediglich für die Postensuche sei ein bis Ende Februar 2006 währender Zeitraum zuzuerkennen, um den der Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit hinausgeschoben worden sei. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichtes dahin ab, dass es den Vater verpflichtete, auch ab 1. 3. 2006 bis auf weiteres einen erhöhten monatlichen Unterhalt von EUR 349,-- zu zahlen. Der Besuch der Aufbaumittelschule sei als umfassendere Ausbildung im Rahmen des eingeschlagenen Bildungsweges zu beurteilen, keineswegs werde von der Antragstellerin ein zweiter, gänzlich verschiedener Bildungsweg eingegangen. Auf Grund des überdurchschnittlich guten Schulerfolges der Antragstellerin sei davon auszugehen, dass diese für den Besuch des Aufbaulehrganges geeignet sei. Der seinerzeitige Wechsel von der Handelsakademie in die Handelsschule sei als vertretbare Änderung des Ausbildungsganges anzusehen. Auch bei Anlegen eines strengen Maßstabes könne der Antragstellerin die weitere Ausbildung mit dem Ziel eines besseren beruflichen Fortkommens nicht verwehrt werden. Das Rekursgericht sprach zunächst aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei, änderte diesen Ausspruch infolge einer Zulassungsvorstellung des Antragsgegners jedoch dahin ab, dass es den Revisionsrekurs für zulässig erklärte.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist aber nicht berechtigt. Zunächst ergibt sich aus dem Akteninhalt kein Anhaltspunkt für die Meinung des Antragsgegners, die Antragstellerin habe schuldhaft von der Handelsakademie zur Handelsschule gewechselt und dadurch einen möglichen Maturaabschluss selbst vereitelt. Aus dem einmaligen Schulversagen der damals 15-jährigen Antragstellerin lässt sich jedenfalls ein solcher Schluss nicht ziehen.

Mag es auch stimmen, dass der Abschluss der Handelsschule grundsätzlich zur Selbsterhaltungsfähigkeit führt und ein Aufbaulehrgang zum Erwerb der Matura, sei es auch mit einer Spezialausbildung „MultiMedia", keine übliche Fortsetzung der zunächst eingeschlagenen Ausbildung darstellt, so ist daraus nicht zwingend abzuleiten, dass die Antragstellerin einen zweiten Bildungsweg eingeschlagen hat, zu dessen Finanzierung der unterhaltspflichtige Vater nicht verpflichtet wäre. Insbesondere die jüngere Judikatur zeigt, dass mit einer statischen Betrachtung allein nicht mehr das Auslangen gefunden und nicht übersehen werden kann, dass gerade das moderne Arbeitsleben eine weitergehende Ausbildung erforderlich machen kann. So wurde ausgesprochen (2 Ob 97/97x), dass selbst einem Absolventen einer berufsbildenden höheren Schule, der überdies schon einige Zeit einer Arbeit nachgegangen ist und nun die Ausbildung an einer Fachhochschule anstrebt, entsprechende Eignung und nachhaltiges Studium sowie die Erwartung eines besseren Einkommens vorausgesetzt - ein Unterhaltsanspruch nicht verwehrt werden kann. In einem anderen Fall (3 Ob 202/05k) wurde einer zielstrebig die Ausbildung zur Krankenschwester verfolgenden Unterhaltsberechtigten der Unterhaltsanspruch nicht schon deshalb verweigert, weil sie zur Überbrückung der Wartezeit bis zur Aufnahme in diese Ausbildung eine Handelsschule besucht und abgeschlossen hatte.

Im vorliegenden Fall ist nicht strittig, dass die Antragstellerin, welche die Handelsschulklassen mit ausgezeichnetem Erfolg und die Abschlussprüfung mit gutem Erfolg ablegte, sodass sie auch keine Aufnahmsprüfung zum unmittelbar anschließenden Ausbildungslehrgang ablegen musste, zur Fortbildung geeignet ist und die jetzige Ausbildung zielstrebig verfolgt. Mag auch - ausgehend von den bindenden Feststellungen - die Spezialausbildung „MultiMedia" für sich allein genommen keine Besserung der Berufschancen begründen, so kann aber doch nicht übersehen werden, dass durch die Ablegung der Matura wegen der damit verbundenen Universitäts-, Fachhochschul- oder Kollegreife erfahrungsgemäß höhere Chancen auf ein besseres Fortkommen verbunden sind. Insoweit kann auch die zur Chancenbesserung durch Studium ergangene Judikatur herangezogen werden (zB SZ 58/83; 9 ObA 240/97b ua). Es kann in diesem Zusammenhang nicht verlangt werden, dass „mit Sicherheit" feststeht, dass dadurch die Berufs- und Einkommenschancen des Unterhaltsberechtigten verbessert würden (9 ObA 240/97b; JBl 1996, 600). Wesentlich ist vielmehr, ob ein maßstabgerechter Elternteil bei intakten Familienverhältnissen seinem Kind für diesen Zeitraum weiterhin Unterhalt gewährt hätte (RIS-Justiz RS0101996). Dies ist im vorliegenden Fall zu bejahen. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 AußStrG. Entgegen dem Kostenverzeichnis der obsiegenden Antragstellerin beträgt die Kostenbemessung jedoch nicht EUR 4.188,-- (EUR 349,-- x 12,--), sondern nur EUR 1.048,56. Gegenstand des Verfahrens ist nämlich nur der Erhöhungsantrag der Antragstellerin, nicht jedoch auch der schon bisher geschuldete Unterhalt (EUR 262,62), da der unterhaltspflichtige Vater nur die Abweisung des Erhöhungsantrages begehrte, nicht aber etwa einen Antrag auf Feststellung des Erlöschens seiner Unterhaltspflicht gestellt hat. Die im Revisionsrekursverfahren noch strittige monatliche Differenz beträgt EUR 87,38,--, der Jahresbetrag ergibt EUR 1.048,56 (§ 9 Abs 3 RATG iVm § 9 Abs 2 RATG).Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraph 78, AußStrG. Entgegen dem Kostenverzeichnis der obsiegenden Antragstellerin beträgt die Kostenbemessung jedoch nicht EUR 4.188,-- (EUR 349,-- x 12,--), sondern nur EUR 1.048,56. Gegenstand des Verfahrens ist nämlich nur der Erhöhungsantrag der Antragstellerin, nicht jedoch auch der schon bisher geschuldete Unterhalt (EUR 262,62), da der unterhaltspflichtige Vater nur die Abweisung des Erhöhungsantrages begehrte, nicht aber etwa einen Antrag auf Feststellung des Erlöschens seiner Unterhaltspflicht gestellt hat. Die im Revisionsrekursverfahren noch strittige monatliche Differenz beträgt EUR 87,38,--, der Jahresbetrag ergibt EUR 1.048,56 (Paragraph 9, Absatz 3, RATG in Verbindung mit Paragraph 9, Absatz 2, RATG).

Auf dieser Basis waren die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ermitteln.

Anmerkung

E853979Ob87.06v

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inZak 2007/677 S 395 - Zak 2007,395 = EvBl 2008/11 S 67 - EvBl 2008,67= iFamZ 2008/2 S 9 - iFamZ 2008,9 = EFSlg 116.718XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:0090OB00087.06V.0928.000

Zuletzt aktualisiert am

29.06.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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