Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Margot G*****, vertreten durch Mag. Ernst Michael Lang, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen EUR 38.334,65, Rente (Streitwert EUR 1.800,--) und Feststellung (Streitwert EUR 5.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 9. November 2006, GZ 2 R 169/06d-24, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 28. April 2006, GZ 7 Cg 90/05p-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die 34-jährige Klägerin erlitt am 26. 3. 2003 bei einem Sturz aus 2 m Höhe einen Bruch der 6. linken Rippe und des Ellenhakens. Im Krankenhaus der Beklagten, das sie unverzüglich aufsuchte, wurde eine relativ gute Beugung im Ellbogen diagnostiziert, aber ein etwas taubes Gefühl im Bereich der gesamten Hand ohne motorische Defizite. Der Ellbogen war stark geschwollen und wies kleine Abschürfungen auf. Der bei der Beklagten beschäftigte Unfallchirurg erklärte der Klägerin, dass sie einen Ellenhakenbruch habe und dies operiert werden müsse. Bei der Operation, die der Unfallchirurg darstellte, würden auch Bohrdrähte und Drahtschlingen verwendet. Auf die Frage der Klägerin, ob etwas zurückbleiben werde, erwiderte der Unfallchirurg, dass es normalerweise wieder gut werde, eventuell könnte es zu Einschränkungen der Beweglichkeit kommen. Über weitere Risken der Operation klärte er die Klägerin nicht auf. Im Zuge der Aufklärung durch den Anästhesisten wurde auch ein Formular unterfertigt. In diesem werden als allgemeine Nebenwirkungen und Komplikationen etwa festgehalten:
„... selten Schädigung von Nerven mit Gefühlsstörungen und Lähmungen durch Druck oder Zerrung bei der für die Operation erforderlichen Lagerung.
...
Spezielle Nebenwirkungen und ernste Komplikationen bei
Regionalanästhesie:
...
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes (vgl RIS-Justiz RS0042392) nicht zulässig, muss die erhebliche Rechtsfrage doch auch konkret releviert werden (vgl RIS-Justiz RS0102059 mwN).Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes vergleiche RIS-Justiz RS0042392) nicht zulässig, muss die erhebliche Rechtsfrage doch auch konkret releviert werden vergleiche RIS-Justiz RS0102059 mwN).
Die Revision macht geltend, dass das Berufungsgericht den Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzt habe, da es ohne Beweiswiederholung von den Feststellungen des Erstgerichtes abgegangen sei und dass es die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Typizität eines Operationsrisikos missachtet habe. Der erstgenannte Vorwurf der Revision trifft schon insoweit nicht zu, als das Berufungsgericht gerade davon ausgegangen ist, dass es sich bei der Frage, ob ein Operationsrisiko typisch ist oder nicht, eben nicht nur um eine Tatfrage, sondern auch um eine Rechtsfrage handelt, die auf Grund der vorgenommenen Feststellungen zu lösen ist. Der Oberste Gerichtshof hat zur ärztlichen Aufklärungspflicht schon wiederholt ausgesprochen, dass es die Aufgabe der ärztlichen Aufklärung ist, den in den Eingriff einwilligenden Patienten in Stand zu setzen, die Tragweite seiner Einwilligung zu überschauen (vgl RIS-Justiz RS0026413 mit zahlreichen weiteren Nachweisen zuletzt etwa 7 Ob 129/06f). Auch wurde wiederholt festgehalten, dass die Frage, in welchem Umfang im konkreten Fall der Arzt aufzuklären hat, eine Rechtsfrage ist (vgl RIS-Justiz RS0026763 mwN zuletzt etwa 6 Ob 240/06x). Dabei wurde regelmäßig davon ausgegangen, dass der Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht nicht alle nur denkbaren Folgen der Behandlung umfasst (vgl RIS-Justiz RS0026529 mwN etwa 9 Ob 76/06a) jedoch bei Vorliegen einer typischen Gefahr verschärft ist. Diese Typizität ergibt sich entgegen den Ausführungen der Beklagten nicht nur aus der Komplikationshäufigkeit, sondern daraus, dass das Risiko speziell dem geplanten Eingriff anhaftet und auch bei der Anwendung allergrößter Sorgfalt und fehlerfreien Durchführung nicht sicher zu vermeiden ist (vgl dazu zahlreiche Entscheidungen zu RIS-Justiz RS0026340 mwN). Genau dies hat hier das Berufungsgericht aber in vertretbarer Weise angenommen. Ist es doch ganz offensichtlich, dass dann, wenn einerseits der Nerv in einem bestimmten Abstand zum Knochen zu vermuten ist und andererseits bei der Durchbohrung nicht vermieden werden kann, dass in diesem Bereich hineingebohrt wird, diese Gefahr eine solche ist, über die der Patient gerade bei einer Operation, bei der keine unmittelbare Dringlichkeit besteht, aufgeklärt werden muss. Dies entspricht auch dem allgemeinen Rechtssatz, dass es sich um Gefahren handeln muss, die unabhängig von der statistischen Wahrscheinlichkeit auch bei einem sorgfältigen Vorgehen des Arztes nicht vermieden werden können (vgl RIS-Justiz RS0026581 mwN etwa 4 Ob 132/06z). Im Übrigen gehört es nach den Feststellungen durchaus zum Standard, dass über das Risiko von Nervenverletzungen aufgeklärt wird.Die Revision macht geltend, dass das Berufungsgericht den Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzt habe, da es ohne Beweiswiederholung von den Feststellungen des Erstgerichtes abgegangen sei und dass es die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Typizität eines Operationsrisikos missachtet habe. Der erstgenannte Vorwurf der Revision trifft schon insoweit nicht zu, als das Berufungsgericht gerade davon ausgegangen ist, dass es sich bei der Frage, ob ein Operationsrisiko typisch ist oder nicht, eben nicht nur um eine Tatfrage, sondern auch um eine Rechtsfrage handelt, die auf Grund der vorgenommenen Feststellungen zu lösen ist. Der Oberste Gerichtshof hat zur ärztlichen Aufklärungspflicht schon wiederholt ausgesprochen, dass es die Aufgabe der ärztlichen Aufklärung ist, den in den Eingriff einwilligenden Patienten in Stand zu setzen, die Tragweite seiner Einwilligung zu überschauen vergleiche RIS-Justiz RS0026413 mit zahlreichen weiteren Nachweisen zuletzt etwa 7 Ob 129/06f). Auch wurde wiederholt festgehalten, dass die Frage, in welchem Umfang im konkreten Fall der Arzt aufzuklären hat, eine Rechtsfrage ist vergleiche RIS-Justiz RS0026763 mwN zuletzt etwa 6 Ob 240/06x). Dabei wurde regelmäßig davon ausgegangen, dass der Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht nicht alle nur denkbaren Folgen der Behandlung umfasst vergleiche RIS-Justiz RS0026529 mwN etwa 9 Ob 76/06a) jedoch bei Vorliegen einer typischen Gefahr verschärft ist. Diese Typizität ergibt sich entgegen den Ausführungen der Beklagten nicht nur aus der Komplikationshäufigkeit, sondern daraus, dass das Risiko speziell dem geplanten Eingriff anhaftet und auch bei der Anwendung allergrößter Sorgfalt und fehlerfreien Durchführung nicht sicher zu vermeiden ist vergleiche dazu zahlreiche Entscheidungen zu RIS-Justiz RS0026340 mwN). Genau dies hat hier das Berufungsgericht aber in vertretbarer Weise angenommen. Ist es doch ganz offensichtlich, dass dann, wenn einerseits der Nerv in einem bestimmten Abstand zum Knochen zu vermuten ist und andererseits bei der Durchbohrung nicht vermieden werden kann, dass in diesem Bereich hineingebohrt wird, diese Gefahr eine solche ist, über die der Patient gerade bei einer Operation, bei der keine unmittelbare Dringlichkeit besteht, aufgeklärt werden muss. Dies entspricht auch dem allgemeinen Rechtssatz, dass es sich um Gefahren handeln muss, die unabhängig von der statistischen Wahrscheinlichkeit auch bei einem sorgfältigen Vorgehen des Arztes nicht vermieden werden können vergleiche RIS-Justiz RS0026581 mwN etwa 4 Ob 132/06z). Im Übrigen gehört es nach den Feststellungen durchaus zum Standard, dass über das Risiko von Nervenverletzungen aufgeklärt wird.
Im Ergebnis vermögen die konkreten Ausführungen der Revision jedenfalls keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.Im Ergebnis vermögen die konkreten Ausführungen der Revision jedenfalls keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO aufzuzeigen.
Da die Klägerin dies nicht geltend gemacht hat, haben die beiden Parteien die Kosten jeweils selbst zu tragen.
Anmerkung
E855709Ob12.07sSchlagworte
Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inZak 2007/746 S 436 - Zak 2007,436 = RdM 2008/126 S 181 (Leischner,tabellarische Übersicht) - RdM 2008,181 (Leischner, tabellarischeÜbersicht)XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2007:0090OB00012.07S.0928.000Zuletzt aktualisiert am
03.02.2009