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L24009 Gemeindebedienstete Wien;Norm
AVG §59 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident des Verwaltungsgerichtshofes Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des M H in W, vertreten durch Dr. Hans-Jörg Luhamer, Rechtsanwalt in 1180 Wien, Gersthoferstraße 10/18, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Beamte der Bundeshauptstadt Wien - Senat 3, vom 9. Mai 2005, Zl. MA 2/731292 B, betreffend die Disziplinarstrafe des Verweises, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Kanzleibeamter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien; im Zeitpunkt der inkriminierten Tathandlung (2. April 2003) war er der Dienststelle "Wiener Wohnen" dienstzugeteilt.
Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission - Senat 3 der Stadt Wien vom 21. Juni 2004, wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als Kanzleibeamter der "Stadt Wien - Wiener Wohnen", unterlassen, die ihm übertragenen Geschäfte unter Beachtung der bestehenden Rechtsvorschriften mit Sorgfalt, Fleiß und Unparteilichkeit zu besorgen, indem er am 2. April 2003 in der Personendatenbank auf den Datensatz der K.S. ohne dienstliche Notwendigkeit auf Grund eines privaten Interesses zugegriffen habe. Dadurch habe er gegen die in § 18 Abs. 1 erster Satz der Wiener Dienstordnung 1994 festgesetzte Dienstpflicht eines Beamten verstoßen, weshalb über ihn gemäß § 76 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. die Disziplinarstrafe des Verweises zu verhängen gewesen sei.
Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 9. Mai 2005 wurde dieser Berufung ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 90 Z. 1 der Wiener Dienstordnung 1994 nicht Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.
Nach Wiedergabe des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses sowie der Berufungsausführungen und der in Anwendung gebrachten Bestimmung des § 18 Abs. 1 erster Satz Wiener Dienstordnung 1994 traf die belangte Behörde nachstehende Feststellungen:
"Herr H hat am 25. Juli 2003 im Büro der Magistratsdirektion der Stadt Wien - Interne Revision und Personalressourcensteuerung (MD-IR) gestanden, am 2. April 2003 bei Frau K S eine Abfrage in der Personendatenbank gemacht zu haben, obwohl ein Zugriff auf die Personendatenbank aus dienstlichen Gründen nicht erforderlich gewesen sei. Bereits einen Tag vor diesem Gespräch wurde Herrn H der von ihm am 2. April 2003 protokollierte Akt der Wohnwerberin K S vorgelegt. Nach mehrmaliger genauer Durchsicht des Aktes war Herr H sowohl am Tag vor dem Gespräch in der MD-IR als auch beim Gespräch am 25. Juli 2003 der Meinung, dass alle notwendigen Daten vorhanden und eindeutig gewesen wären, sodass ein Zugriff auf die Personendatenbank aus dienstlichen Gründen nicht erforderlich gewesen sei. Der Datensatz der Frau K S habe ihn demnach nur persönlich interessiert. Herr H gab auch zu, zu wissen, dass ein Zugriff auf die Personendatenbank nur aus dienstlichen Notwendigkeiten erfolgen darf.
Nichtsdestotrotz hat Herr H sowohl beim Gespräch in der MD-IR am 25. Juli 2003 als auch bei seiner Beschuldigteneinvernahme am 21. Juni 2004 zugegeben, bisher ca. zwanzig Zugriffe in der Personendatenbank aus rein persönlichem Interesse getätigt zu haben.
Festgestellt wird, dass Frau M S zum Tatzeitpunkt, 2. April 2003, nicht mehr in derselben Dienststelle wie Herr H war, zumal sie ca. einen Monat zuvor in die Magistratsabteilung 15A versetzt worden war. Als Täterin scheidet sie somit aus.
...
Auf Grund des Geständnisses von Herrn H sind weitere Feststellungen hinsichtlich der Möglichkeit eines Zugriffes auf die Personendatenbank durch jemand anderen als Herrn H für die Beurteilung nicht erforderlich."
Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde aus, der Umstand, dass die Passwörter des Beschwerdeführers in einem Kuvert im Tresor hinterlegt gewesen seien, sei insoweit unbeachtlich, weil er als Kassier den Tresorschlüssel gehabt habe, am 2. April 2003, einem Mittwoch, die Kassa geschlossen gewesen sei und er keine Vertretung gebraucht und überdies erklärt habe, beim Verlassen seines Arbeitsraumes diesen immer abzusperren. Sein Vorbringen, jedermann in der Dienststelle, der Zugriff zum Tresor gehabt habe, hätte auch Zugriff zu seinen Passwörtern gehabt, könne demnach nur als Schutzbehauptung gewertet werden. Der Beschwerdeführer habe auch angegeben, beim Einstieg in die Personendatenbank aus privatem Interesse stets an Stelle der Protokollzahl das Wort "NEU" verwendet zu haben. Frau K.S. habe aus privaten Gründen eine Datensperre verfügt, weshalb der verbotene Eingriff auf den Datensatz der Betreffenden auffällig geworden sei und die Magistratsabteilung 14 (EDV) diesen Eingriff sehr gut habe nachvollziehen können. So sei nicht nur bekannt geworden, auf welchen Datensatz, zu welcher Zeit, an welchem Tag zugegriffen worden sei, sondern auch, dass der User des Beschwerdeführers und bei der Protokollzahl das Wort "NEU" verwendet worden sei - eine Vorgehensweise, die der Beschwerdeführer bei unerlaubten Eingriffen in die Personendatenbank genau erläutert habe. Somit sei eine eindeutige Zurechnung des inkriminierten Verhaltens an den Beschwerdeführer gelungen und bewiesen, dass dieser aus privatem Interesse auf die Daten der K.S. zugegriffen habe. Dass sich auch noch andere MitarbeiterInnen bei einer Abfrage aus der Personendatenbank des Wortes "NEU" bei Angabe der Protokollzahl bedient hätten, sei während des Verfahrens nicht hervorgekommen und sei auch nicht behauptet worden.
Zum Vorbringen in der Berufung, dem Beschwerdeführer sei vor dem Gespräch am 25. Juli 2003 mit Kündigung gedroht worden, werde bemerkt, dass er in einem definitiv öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien stehe und eine Kündigung schon aus diesem Grund rechtlich nicht möglich gewesen wäre, was ihm auch hätte bewusst sein müssen. Der Beschwerdeführer habe im Disziplinarverfahren versucht, sein Geständnis hinsichtlich des Tatvorwurfes zu widerrufen, es sei ihm jedoch nicht gelungen, "seine Schuld zu widerlegen". Nach Ansicht der belangten Behörde sei die Causa entscheidungsreif und es bestehe nicht der geringste Zweifel, dass der Beschwerdeführer die Dienstrechtsverletzung begangen habe. Die Einvernahme weiterer Zeugen hätte lediglich einem Erkundungsbeweis und der Verzögerung des Verfahrens gedient und sei daher abzulehnen gewesen.
Zur Verfahrensrüge, das Protokoll über die erstinstanzliche Verhandlung sei dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers nicht zugesandt worden, sei zu bemerken, dass eine solche Zusendung an die Verfahrensparteien gesetzlich nicht vorgesehen sei. Wäre dies beantragt worden, was nicht geschehen sei, wäre dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers das Protokoll selbstverständlich zugekommen.
Rechtlich führte die belangte Behörde daran anschließend aus, die Disziplinarstrafe des Verweises sei die mildeste aller Disziplinarstrafen. Sie erscheine angemessen und geeignet, den Beschwerdeführer in Zukunft von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Spezialpräventive Überlegungen stellte die belangte Behörde insoweit an, als auch bei einer vom Beschwerdeführer angestrebten Versetzung in eine andere Dienststelle sämtliche für ihn künftig in Frage kommenden Tätigkeitsbereiche im Magistrat der Stadt Wien wieder EDV-Anwendungen und im Zusammenhang damit Zugriffe auf Datensätze erfordern würden. Die Verhängung einer Disziplinarstrafe sei aber auch aus generalpräventiven Gründen erforderlich gewesen, weil es wichtig sei, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung von Dienststellen der Stadt Wien nicht beeinträchtigt werde. Gerade im sensiblen Bereich des Datenschutzes sei die Notwendigkeit gegeben, ein missbräuchliches Verhalten entsprechend zu sanktionieren, um andere von der Begehung gleichartiger Handlungen abzuhalten. Von einem Mitarbeiter der Stadt Wien, der berechtigt sei, auf Personendaten zuzugreifen, müsse ein besonderes Maß an Verantwortungsbewusstsein bei Ausübung seiner Tätigkeit erwartet werden können. Dass ein Mitarbeiter diese Berechtigung missbrauche, werde als ein dem Dienstgeber gegenüber schwerer Vertrauensbruch angesehen. Dem Beschwerdeführer habe jegliche Schuldeinsicht gemangelt. Als mildernd sei die disziplinarrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers zu werten gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis bestätigt, mit welchem dem Beschwerdeführer infolge des oben wiedergegebenen Verhaltens eine Verletzung seiner in § 18 Abs. 1 des Gesetzes über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Dienstordnung 1994) - DO 1994, LGBl. Nr. 56/1994, geregelten allgemeinen Dienstpflichten vorgeworfen worden war. Nach dieser Bestimmung - die im Wesentlichen mit jener des § 43 Abs. 1 BDG 1979 vergleichbar ist - hat der Beamte die ihm übertragenen Geschäfte unter Beachtung der bestehenden Rechtsvorschriften mit Sorgfalt, Fleiß und Unparteilichkeit zu besorgen. Er hat sich hiebei von den Grundsätzen größtmöglicher Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen.
Der Spruch eines Disziplinarerkenntnisses stellt die letzte im Disziplinarverfahren erfolgende Konkretisierung der gegen den Beschuldigten erhobenen Vorwürfe dar. Die Disziplinarbehörden haben daher im Rahmen ihrer gesetzlichen Entscheidungszuständigkeit unter Zugrundelegung der im Anschuldigungspunkt enthaltenen, die Tat bestimmenden Sachverhaltselemente bei einem Schuldspruch - im Ergebnis nicht anders als dies § 44a Z. 1 VStG für den Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens anordnet - die vom Beschuldigten begangene Tat bestimmt zu umschreiben, wobei - mangels eines Typenstrafrechtes - im Einzelnen die Darstellung des konkreten Verhaltens und der dadurch bewirkten Folgen sowie die Anführung des die Pflichtverletzung darstellenden Disziplinar(Straf)tatbestandes erforderlich ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 13. Oktober 1994, Zl. 92/09/0303, zum HDG 1985, und vom 17. November 2004, Zl. 2001/09/0035, zum BDG 1979, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Nach der Rechtsprechung zu dem - insoweit vergleichbaren - § 44a Z. 1 VStG muss der Spruch eines Straferkenntnisses so gefasst sein, dass die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig und vollständig erfolgt, also aus der Tathandlung sogleich auf das Vorliegen der bestimmten Übertretung geschlossen werden kann. Nach der ausdrücklichen Vorschrift des im vorliegenden Fall anzuwendenden § 103 Abs. 3 DO 1994 hat der Spruch des Disziplinarerkenntnisses im Falle eines Schuldspruches u.a. "die als erwiesen angenommene Tat" (Z 1) und "die Dienstpflicht, die dadurch verletzt worden ist" (Z 2) zu enthalten. Dies entspricht - wie etwa auch die Regelung in § 75 Abs. 2 Z 2 lit. a und b HDG 2002 - nahezu wörtlich dem Inhalt des § 44a Z 1 und 2 VStG (vgl. zum HDG 2002 zuletzt das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2007, Zl. 2004/09/0139).
Der Beschuldigte hat ein subjektives Recht darauf, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat, die verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten wird (vgl. etwa die in Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 3. Auflg. 2003, S 453 f, angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Wird in einem Disziplinarerkenntnis wie dem vorliegenden eine Tat vorgeworfen, die in der Missachtung "bestehender Rechtsvorschriften" (§ 18 Abs. 1 DO 1994) besteht, so muss nicht nur das vorgeworfene Verhalten des Beschuldigten, sondern auch die konkrete Rechtsvorschrift, deren Verletzung Gegenstand des Verfahrens ist, auf präzise Weise dargestellt werden, sodass der Beschuldigte dadurch in die Lage versetzt ist, sich im Rechtsmittelverfahren sowohl mit auf den konkreten Tatvorwurf bezogenen rechtlichen Argumenten als auch mit Beweisanboten zur Wehr zu setzen und davor geschützt wird, wegen desselben Vorwurfes nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2007, Zl. 2004/09/0139). Dabei hat der Spruch des Disziplinarerkenntnisses im wesentlichen alle jene Elemente zu enthalten, die im § 44a VStG vorgesehen sind.
Diesen Anforderungen wird weder das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis noch der dieses bestätigende angefochtene Bescheid, selbst wenn man Elemente der Begründungen in die Beurteilung mit einbezieht, gerecht. Mit den vorliegenden Disziplinarerkenntnissen wurde dem Beschwerdeführer nämlich vorgeworfen, durch eine konkrete, dienstlich nicht veranlasste Personendatenabfrage "bestehende Rechtsvorschriften" missachtet zu haben, ohne diese jedoch konkret zu benennen. Auf Verletzungen des Datenschutzgesetzes berufen sich die Behörden nicht. In einem solchen Fall ist es aber auch dem Verwaltungsgerichtshof nicht möglich, die von den Behörden nicht konkretisierte verletzte Rechtsvorschrift im Rahmen der rechtlichen Prüfung des Bescheides etwa nachzutragen.
Angesichts des von der belangten Behörde unwidersprochenen Berufungsvorbringens, dass schon von der Behörde erster Instanz nicht alle vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen gehört worden seien, kann auch nicht gesagt werden, dass der Sachverhalt nach der Aktenlage ausreichend geklärt war (§ 90 Z. 4 lit. a DO 1994), so dass die belangte Behörde von der Durchführung einer Berufungsverhandlung nicht hätte absehen dürfen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 18. Oktober 2007
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)Mängel im Spruch unvollständige Angabe der verletzten VerwaltungsvorschriftInhalt des Spruches DiversesMängel im Spruch Nichtangabe der verletzten Verwaltungsvorschrift"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005090126.X00Im RIS seit
20.11.2007Zuletzt aktualisiert am
24.10.2013