TE OGH 2007/10/11 8ObA41/07y

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Veröffentlicht am 11.10.2007
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin und Wolfgang Birbamer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Stojan M*****, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Elisabeth S*****, vertreten durch Dr. Friedrich Schubert, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 8.183,81 sA und Feststellung (Streitwert EUR 2.000,--), infolge außerordentlicher Revision (Revisionsinteresse EUR 1.000,--) der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. April 2007, GZ 7 Ra 179/06d-52, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10. April 2006, GZ 13 Cga 86/02i-48, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision der Beklagten wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden in dem Punkt 2 betreffend die Feststellung der Haftung der beklagten Partei, soweit sie eine Haftung für Schäden auf Grund der Nichtanmeldung des Klägers zur Sozialversicherung im Zeitraum vom 1. 9. 1994 bis 11. 1. 2001 über die Hälfte hinaus feststellen, sowie in den Kostenentscheidungen aufgehoben.

Die Rechtssache wird insoweit zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung:

Der 1991 nach Österreich eingereiste Kläger verfügte weder über eine Beschäftigungs- noch eine Aufenthaltsbewilligung und wurde aber schließlich im März 1992 bei der Beklagten eingestellt. Er arbeitete regelmäßig mehr als 40 Stunden in der Woche in dem chemischen Betrieb der Beklagten bei verschiedenen Produktionsarbeiten. Nachdem am 1. 8. 1994 eine Kontrolle durch das Arbeitsmarktservice und über die Beklagte wegen Verstoßes gegen das Ausländerbeschäftigungsverbot eine Verwaltungsstrafe verhängt worden war, wurde der Kläger auch zum Verlassen des Bundesgebietes aufgefordert. Er kam dem nicht nach, da er befürchtete in seinem damaligen Heimatstaat Jugoslawien zur Armee eingezogen zu werden und verzog in eine andere Wohnung. Er arbeitete aber weiter ohne Änderung bei der Beklagten. Im Jahr 2000 erhielt er dann zuerst ein Visum für Griechenland und meldete sich dann in weiterer Folge auch offiziell in Österreich. 2001 heiratete er und erhielt schließlich über die Bemühungen der Beklagten, die in den 90er-Jahren noch erfolglos geblieben waren, eine Aufenthalts- und eine Beschäftigungsbewilligung. Dann wurde er mit 12. 11. 2001 auch als Chemiearbeiter bei der Sozialversicherung angemeldet. Schließlich kam es im Jahr 2002 aus für das Revisionsverfahren nicht mehr relevanten Umständen zur unberechtigten Entlassung des Klägers. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger unter anderem die Feststellung, dass die Beklagte ihm für sämtliche zukünftigen derzeit der Höhe nach nicht bekannten Schäden auf Grund der Nichtanmeldung des Klägers zur Sozialversicherung im Zeitraum vom 1. 9. 1994 bis 11. 1. 2001 hafte. Er stützt sich zusammengefasst auf das durchgehende Beschäftigungsverhältnis.

Die Beklagte bestritt unter anderem auch dieses Klagebegehren wendete Verjährung, aber auch das Mitverschulden des Klägers ein, weil „nach dem Vorbringen des Klägers" ihm bewusst gewesen sei, dass keine Anmeldung bei der Wiener Gebietskrankenkasse in der behaupteten Zeit vorliege.

Das Erstgericht gab unter anderem dem Feststellungsbegehren zur Gänze statt und begründete dies damit, dass die Beklagte gegen ihre Verpflichtung nach § 33 Abs 1 ASVG verstoßen habe. Auf den Verjährungs- und den Mitverschuldenseinwand ging das Erstgericht nicht weiter ein.Das Erstgericht gab unter anderem dem Feststellungsbegehren zur Gänze statt und begründete dies damit, dass die Beklagte gegen ihre Verpflichtung nach Paragraph 33, Absatz eins, ASVG verstoßen habe. Auf den Verjährungs- und den Mitverschuldenseinwand ging das Erstgericht nicht weiter ein.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten auch hinsichtlich des Feststellungsbegehrens nicht Folge. Den Verjährungseinwand beurteilte es als unberechtigt, da die Rechtsrüge insoweit nicht vom festgestellten Sachverhalt ausging und im Übrigen auch die Verjährungsfrist nicht vor Eintritt des tatsächlichen Schadens zu laufen beginnen könne.

Hinsichtlich des Mitverschuldenseinwandes führte das Berufungsgericht aus, dass sich dahingehende „begehrte Feststellungen" nicht zweifelsfrei ableiten ließen, da der Kläger in seiner Aussage den „Beginn" seiner Tätigkeit bei der Beklagten zwar dargestellt habe, jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorhanden seien, dass dem Kläger auch bekannt gewesen wäre, dass er auch im Zeitraum vom 1. 9. 1994 bis 11. 11. 2001 nicht zur Sozialversicherung angemeldet gewesen wäre oder die Nichtanmeldung zur Sozialversicherung einfach hingenommen hätte.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als nicht zulässig.

Nur gegen das Feststellungsbegehren richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag das Urteil dahin abzuändern, dass dem Feststellungsbegehren lediglich in dem Umfang stattgegeben werde, dass festgestellt werde, dass die Beklagte dem Kläger für sämtliche zukünftigen, derzeit der Höhe nach nicht bekannten Schäden auf Grund der Nichtmeldung des Klägers im Zeitraum vom 1. 9. 1994 bis 11. 11. 2001 lediglich zur Hälfte hafte; hilfsweise stellt die Beklagte ein Aufhebungsbegehren.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Zutreffend releviert die Beklagte, dass die Frage der für die Beurteilung eines Mitverschuldens relevanten Feststellungen einer ergänzenden Erörterung bedarf. Entspricht es doch der Rechtsprechung, dass dann, wenn ein Arbeitnehmer jahrelang seine Nichtanmeldung hinnimmt, ihn ein Mitverschulden an dem daraus resultierenden Schaden trifft, das regelmäßig in etwa mit der Hälfte des daraus resultierenden „Pensionsschadens" angenommen wird (vgl dazu RIS-Justiz RS0027262 mwN 9 Ob 238/93 ähnlich RIS-Justiz RS0043257 mwN = 9 ObA 59/95; Gruber, Der Schadenersatz aus Meldepflichtverletzungen, DRdA 1984, 119 ff uva). Die Beklagte hat nun in ihrem Vorbringen in der mündlichen Streitverhandlung vom 10. 4. 2006 ausgeführt, dass „nach dem Vorbringen des Klägers ihm bewusst gewesen sei, dass keine Anmeldung bei der Wiener Gebietskrankenkasse für die von ihm behaupteten Zeiten vorliege". Ein Beweisanbot hat sie nicht erstattet. Aus welchem Vorbringen konkret sich dies jedoch ergeben sollte, blieb unerörtert. Auch ist das Berufungsgericht nicht davon ausgegangen, dass die Beklagte gar kein ausreichendes Vorbringen erstattet hat, sondern dass eine dahingehende Feststellung nicht getroffen werden könne. Diese hätte das Berufungsgericht aber nur im Rahmen der Überprüfung einer konkreten Feststellung des Erstgerichtes oder bei einer unmittelbaren Beweisaufnahme nach Erörterung dazu selbst feststellen können. Eine konkrete Feststellung dahin hat das Berufungsgericht auch nicht getroffen. Damit blieb im Ergebnis die Frage, ob dem Kläger die mangelnde Anmeldung bewusst gewesen ist - dafür sprechen sehr stark die Dauer des Zustandes und auch die Umstände die dazu führten - unerörtert und ohne entsprechende Feststellungen. Im Hinblick auf die Relevanz dieser Feststellungen im Sinne der dargestellten Rechtsprechung bedurfte dies aber einer ergänzenden Erörterung und Feststellung und war dementsprechend die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf die §§ 2 ASGG und 52 ZPO.Zutreffend releviert die Beklagte, dass die Frage der für die Beurteilung eines Mitverschuldens relevanten Feststellungen einer ergänzenden Erörterung bedarf. Entspricht es doch der Rechtsprechung, dass dann, wenn ein Arbeitnehmer jahrelang seine Nichtanmeldung hinnimmt, ihn ein Mitverschulden an dem daraus resultierenden Schaden trifft, das regelmäßig in etwa mit der Hälfte des daraus resultierenden „Pensionsschadens" angenommen wird vergleiche dazu RIS-Justiz RS0027262 mwN 9 Ob 238/93 ähnlich RIS-Justiz RS0043257 mwN = 9 ObA 59/95; Gruber, Der Schadenersatz aus Meldepflichtverletzungen, DRdA 1984, 119 ff uva). Die Beklagte hat nun in ihrem Vorbringen in der mündlichen Streitverhandlung vom 10. 4. 2006 ausgeführt, dass „nach dem Vorbringen des Klägers ihm bewusst gewesen sei, dass keine Anmeldung bei der Wiener Gebietskrankenkasse für die von ihm behaupteten Zeiten vorliege". Ein Beweisanbot hat sie nicht erstattet. Aus welchem Vorbringen konkret sich dies jedoch ergeben sollte, blieb unerörtert. Auch ist das Berufungsgericht nicht davon ausgegangen, dass die Beklagte gar kein ausreichendes Vorbringen erstattet hat, sondern dass eine dahingehende Feststellung nicht getroffen werden könne. Diese hätte das Berufungsgericht aber nur im Rahmen der Überprüfung einer konkreten Feststellung des Erstgerichtes oder bei einer unmittelbaren Beweisaufnahme nach Erörterung dazu selbst feststellen können. Eine konkrete Feststellung dahin hat das Berufungsgericht auch nicht getroffen. Damit blieb im Ergebnis die Frage, ob dem Kläger die mangelnde Anmeldung bewusst gewesen ist - dafür sprechen sehr stark die Dauer des Zustandes und auch die Umstände die dazu führten - unerörtert und ohne entsprechende Feststellungen. Im Hinblick auf die Relevanz dieser Feststellungen im Sinne der dargestellten Rechtsprechung bedurfte dies aber einer ergänzenden Erörterung und Feststellung und war dementsprechend die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf die Paragraphen 2, ASGG und 52 ZPO.

Anmerkung

E85502 8ObA41.07y

Schlagworte

Kennung XPUBL Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in ARD 5837/7/2008 = ZAS-Judikatur 2008/3 = zuvo 2008/34 S 50 - zuvo 2008,50 = DRdA 2008,171 XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:008OBA00041.07Y.1011.000

Zuletzt aktualisiert am

23.07.2008
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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