TE Vwgh Erkenntnis 2007/10/22 2007/17/0144

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Veröffentlicht am 22.10.2007
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Index

E3R E03203000;
E3R E03301000;

Norm

32003R1782 GAP-Beihilfen Art40 Abs1;
32003R1782 GAP-Beihilfen Art40 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde der UA in H, vertreten durch Dr. Eckhard Tasler, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Klosterstraße 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 18. Jänner 2007, Zl. BMLFUW-LE.4.1.10/0060-I/7/2007, betreffend einheitliche Betriebsprämie, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria vom 30. Dezember 2005 betreffend einheitliche Betriebsprämie 2005 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

1.2. Mit dem genannten erstinstanzlichen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 15. Mai 2005 auf einheitliche Betriebsprämie

abgewiesen und begründend insbesondere global darauf verwiesen, dass, "soweit geltend gemachte Umstände im gegenständlichen Bescheid keine entsprechende Berücksichtigung finden konnten" auf die "im Rahmen der Betriebsprämien-Regelung anzuwendenden Rechtsvorschriften" verwiesen werde.

1.3. Begründend führt die belangte Behörde zur Abweisung der Berufung der Beschwerdeführerin nach Wiedergabe der einschlägigen Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 aus, dass die Beschwerdeführerin im Bezugszeitraum weder Direktzahlungen beantragt hätte, noch hätte sie Zahlungsansprüche im Wege der (Vorab-)Übertragung oder von einem Betriebsinhaber, der die Bedingungen des Art. 33 Abs. 1 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 erfüllt hätte, erhalten. Es stünden ihr damit auch keine Zahlungsansprüche auf Basis der Art. 33, 37 und 38 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 zu. Es hätte ihr daher auch keine einheitliche Betriebsprämie gewährt werden können.

Zu dem von der Beschwerdeführerin am 30. November 2004 gestellten Antrag auf Anerkennung als Härtefall führt die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin diesen Antrag mit Hinweis auf "Berufsunfähigkeit des Betriebsinhabers" begründet habe "und auf die Krankengeschichte des Herrn AH, der ideeller Hälfteeigentümer des Betriebes" sei. Die Beschwerdeführerin habe auch auf ihre pflegebedürftigen Eltern verwiesen. Als Betriebsinhaberin sei jedoch alleine die Beschwerdeführerin (zumindest seit der Flächenbasiserfassung 1995 und der Anlage im INVEKOS-Bestand) angeführt. Da die vorgebrachten Berufsunfähigkeitsgründe nicht die Beschwerdeführerin als Betriebsinhaberin beträfen, liege ein Fall höherer Gewalt in Form der länger andauernden Berufsunfähigkeit des Betriebsinhabers nicht vor. Soweit der Härtefall wegen schwerer Naturkatastrophe beantragt und mit der Sturmkatastrophe am 1. März 1990 begründet worden sei, sei nicht nachvollziehbar, dass eine zehn Jahre vor dem Bezugszeitraum liegende Katastrophe noch negative Auswirkungen auf die Produktion haben könne. Es liege daher kein Fall höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände im Sinne des Art. 40 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 vor.

Nach Ausführungen zum Nichtvorliegen eines Ausnahmefalles für Neueinsteiger wird überdies darauf hingewiesen, dass die maßgeblichen Bestimmungen unmittelbar anwendbares (Verordnungs-)Recht der Gemeinschaft seien und das "System" daher nicht erst auf Grund der Betriebsprämie-Verordnung Anwendung finde. Die zur Beurteilung des Sachverhalts maßgeblichen Bestimmungen seien zur Gänze im Gemeinschaftsrecht zu finden, sodass allfällige Bestimmungen der Betriebsprämie-Verordnung nicht heranzuziehen gewesen seien.

1.4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der einerseits die Anwendung einer auf verfassungswidriger Grundlage beruhenden Verordnung gerügt wird und neben rechtspolitischen Ausführungen zum Inhalt der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 insbesondere die Nichtanerkennung als Härtefall im Sinne des Art. 40 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 geltend gemacht wird.

1.5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Zur Frage der angewendeten Rechtsgrundlagen und die in der Beschwerde angeschnittene Frage der Verfassungsmäßigkeit der Betriebsprämie-Verordnung, BGBl. II Nr. 336/2004, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass im Beschwerdefall die unmittelbar anwendbaren Bestimmungen der einschlägigen Verordnungen der Gemeinschaft, der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 und der Verordnung (EG) Nr. 795/2004, anzuwenden waren. Die belangte Behörde hat daher die Betriebsprämie-Verordnung BGBl. II Nr. 336/2004 tatsächlich nicht angewendet.

2.2. Im Hinblick auf die von der belangten Behörde auf das Nichtvorliegen von Zahlungsansprüchen nach den einschlägigen, unmittelbar anwendbaren Regelungen des Gemeinschaftsrechts gestützte Abweisung der Berufung ist zu prüfen, ob der angefochtene Bescheid mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang steht.

Gemäß Art. 33 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 2019/93, (EG) Nr. 1452/2001, (EG) Nr. 1453/2001, (EG) Nr. 1454/2001, (EG) Nr. 1868/94, (EG) Nr. 1251/1999, (EG) Nr. 1254/1999, (EG) Nr. 1673/2000, (EWG) Nr. 2358/71 und (EG) Nr. 2529/2001, können Betriebsinhaber die Betriebsprämienregelung in Anspruch nehmen, wenn ihnen im Bezugszeitraum nach Art. 38 im Rahmen von mindestens einer der Direktzahlungen gemäß Anhang VI eine Zahlung gewährt wurde oder sie den Betrieb oder einen Teil des Betriebes durch Vererbung oder durch vorweggenommene Erbfolge von einem Betriebsinhaber erhalten haben, der die Bedingungen nach lit. a erfüllt oder wenn sie einen Zahlungsanspruch aus der nationalen Reserve oder durch Übertragung erhalten haben. Der angesprochene Bezugszeitraum gemäß Art. 38 der Verordnung umfasst die Kalenderjahre 2000, 2001 und 2002.

Für die Berechnung des Referenzbetrags sieht Art. 37 der Verordnung Folgendes vor:

"(1) Der Beihilfebetrag entspricht dem Dreijahresdurchschnitt der Gesamtbeträge der Zahlungen, die ein Betriebsinhaber im Rahmen der Stützungsregelungen nach Anhang VI in jedem Kalenderjahr des Bezugszeitraums nach Artikel 38 bezogen hat und der gemäß Anhang VII berechnet und angepasst wurde.

(2) Abweichend von Absatz 1 wird, wenn ein Betriebsinhaber im Bezugszeitraum eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufnimmt, der Durchschnitt der Beihilfen zu Grunde gelegt, die ihm in dem Kalenderjahr oder den Kalenderjahren, in dem bzw. denen er die landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt hat, gewährt wurden."

Art. 40 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 lautet:

"Härtefälle

(1) Abweichend von Artikel 37 kann ein Betriebsinhaber, dessen Produktion im Bezugszeitraum durch vor diesem Zeitraum oder während dieses Zeitraums eingetretene Fälle höherer Gewalt oder außergewöhnliche Umstände beeinträchtigt wurde, beantragen, dass der Referenzbetrag auf der Basis des/der durch die höhere Gewalt oder die außergewöhnlichen Umstände nicht betroffenen Kalenderjahre(s) des Bezugszeitraums berechnet wird.

(2) War der gesamte Bezugszeitraum durch die Fälle höherer Gewalt oder die außergewöhnlichen Umstände betroffen, so wird der Referenzbetrag von den Mitgliedstaaten auf der Basis des Zeitraums 1997 bis 1999 berechnet. In diesem Fall gilt Absatz 1 entsprechend.

(3) Fälle höherer Gewalt oder außergewöhnliche Umstände sind vom Betriebsinhaber der zuständigen Behörde mit den von ihr anerkannten Nachweisen innerhalb der vom betreffenden Mitgliedstaat festgelegten Frist schriftlich mitzuteilen.

(4) Als höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände werden von der zuständigen Behörde unter anderem anerkannt:

-

Tod des Betriebsinhabers,

-

länger andauernde Berufsunfähigkeit des Betriebsinhabers,

-

eine schwere Naturkatastrophe, die die landwirtschaftliche Fläche des Betriebs erheblich in Mitleidenschaft zieht,

-

unfallbedingte Zerstörung von Stallgebäuden des Betriebs,

-

Seuchenbefall des ganzen oder eines Teils des Tierbestands des Betriebsinhabers."

Art. 42 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 lautet:

"(3) Die Mitgliedstaaten können die nationale Reserve nach objektiven Kriterien unter Gewährleistung der Gleichbehandlung der Betriebsinhaber und unter Vermeidung von Markt- und Wettbewerbsverzerrungen vorrangig zur Gewährung von Referenzbeträgen an Betriebsinhaber, die nach dem 31. Dezember 2002 - oder im Jahre 2002, ohne jedoch Direktzahlungen erhalten zu haben - eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufgenommen haben, verwenden."

Art. 2 lit. k der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 der Kommission vom 21. April 2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Betriebsprämienregelung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe lautet:

"k) Bei der Anwendung von Artikel 37 Absatz 2 und Artikel. 42 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 gelten als 'Betriebsinhaber, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufgenommen haben,' natürliche oder juristische Personen, die in den fünf Jahren vor Aufnahme der neuen landwirtschaftlichen Tätigkeit in eigenem Namen und auf eigene Rechnung weder eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt haben noch die Kontrolle einer eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübenden juristischen Person innehatten, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübte."

2.3. Die belangte Behörde hat das Vorliegen eines Härtefalles im Sinne des Art. 40 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 insbesondere mit Hinweis darauf verneint, dass die Beschwerdeführerin als Betriebsinhaberin anzusehen sei und somit der geltend gemachte Grund (die Krankheit ihres Ehegatten) nicht als eine länger andauernde Berufsunfähigkeit des Betriebsinhabers anzusehen sei.

2.4. Die belangte Behörde übergeht mit dieser Auffassung den Umstand, dass Art. 40 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003, der im zweiten Spiegelstrich die "länger andauernde Berufsunfähigkeit des Betriebsinhabers" als einen der Gründe für höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände nennt, keine taxative Aufzählung enthält. Die Verordnung spricht ausdrücklich davon, dass die zuständige Behörde "unter anderem" die im Folgenden genannten Gründe als höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände anerkenne. Daraus ergibt sich, dass die in Art. 40 Abs. 4 der Verordnung beispielsweise genannten Sachverhalte nicht die alleinigen Gründe für das Vorliegen eines Härtefalls im Sinn des Art. 40 Abs. 1 der Verordnung darstellen. Wesentlich ist, dass die "Produktion im Bezugszeitraum durch vor diesem Zeitraum oder während dieses Zeitraums eingetretene Fälle höherer Gewalt oder außergewöhnliche Umstände beeinträchtigt" wurde (Art. 40 Abs. 1 der Verordnung). Die Beschwerdeführerin - die im Übrigen entgegen der Ansicht der belangten Behörde offenbar davon ausging, dass sowohl ihr Ehegatte als auch sie Betriebsinhaber gewesen seien - hat auch die eigene Belastung durch die Krankheit ihres Gatten und die Pflegebedürftigkeit ihrer Eltern ins Treffen geführt. Die belangte Behörde hätte daher selbst dann, wenn man allein auf Umstände, die den Betriebsinhaber betreffen, abstellen wollte, entsprechende Feststellungen über die Möglichkeit zur Betriebsführung durch die Beschwerdeführerin zu treffen gehabt. Überdies hat sich die Beschwerdeführerin auch darauf berufen, dass durch die Krankheit ihres Ehegatten die entsprechende Mithilfe durch den Ehegatten im Betrieb unmöglich gewesen sei. Der Ausfall von Mitarbeitern kann jedoch ebenfalls unter Art. 40 Abs. 1 der Verordnung als ein Grund, der die Produktion im Bezugszeitraum beeinträchtigt, angesehen werden. Die Beschwerdeführerin hat das entsprechende Vorbringen bereits im Verwaltungsverfahren erstattet, sodass die belangte Behörde darauf einzugehen gehabt hätte. Die belangte Behörde hat jedoch auf Grund ihrer verfehlten Rechtsansicht keine Feststellungen getroffen, inwieweit sich die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Umstände tatsächlich auf die Produktion im Bezugszeitraum ausgewirkt hat.

2.5. Da die belangte Behörde auf Grund ihrer verfehlten Rechtsansicht wesentliche Feststellungen bzw. eine nähere Begründung, inwieweit die geltend gemachte Krankheit des Ehegatten der Beschwerdeführerin eine Beeinträchtigung der Produktion im Sinne des Art. 40 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 darstellte, unterlassen hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

2.6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den über die Pauschalsätze der genannten Verordnung hinausgehenden Teil des Kostenbegehrens.

Wien, am 22. Oktober 2007

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007170144.X00

Im RIS seit

23.11.2007

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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