TE Vwgh Erkenntnis 2007/10/23 2004/11/0080

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Veröffentlicht am 23.10.2007
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Index

L94059 Ärztekammer Wien;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

ÄrzteG 1998 §113 Abs1;
ÄrzteG 1998 §113 Abs4;
ÄrzteG 1998 §134 Abs2;
ÄrzteG 1998 §134 Abs3;
ASVG §344;
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK Wr 2002 §42 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §48 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Dr. R in W, vertreten durch Dr. Josef Schima, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 28/1/21, gegen den Bescheid des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vertreten durch Dr. Friedrich Spitzauer & Dr. Georg Backhausen, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stock-im-Eisen-Platz 3) vom 15. Oktober 2003, Zl. B 54/03, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Gutschrift auf das Individualkonto beim Wohlfahrtsfonds wegen Unzuständigkeit, zu Recht erkannt.

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Ärztekammer für Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit an den Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (im Folgenden: Verwaltungsausschuss) gerichtetem Schreiben seines Rechtsvertreters vom 6. März 2003 beantragte der Beschwerdeführer, "die aus den Honorareingängen (seitens) der BVA, VA und KFA von der Ärztekammer für Wien in den Jahren 2000 im Betrag von EUR 825,37, im Jahr 2001 im Betrag von EUR 805,78 und im Jahr 2002 im Betrag von EUR 794,96, insgesamt sohin (vereinnahmten) EUR 2.426,11 meinem Individualkonto beim Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien gutzubringen".

Zur Begründung führte der Beschwerdeführer aus, in den zwischen der Ärztekammer für Wien einerseits und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die BVA, VA und KFA andererseits abgeschlossenen Gesamtverträgen hätten sich letztere verpflichtet, der Ärztekammer für Wien einen Zuschlag in der Höhe von 2 % der Endsumme der Honorare der Vertragsärzte zu zahlen. Dieser Zuschlag gebühre jedoch dem Beschwerdeführer.

Mit Bescheid vom 16. Juni 2003 wies der Verwaltungsausschuss den Antrag des Beschwerdeführers vom 6. März 2003 "wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsausschusses" zurück.

Die dagegen erhobene Beschwerde (Berufung) wurde mit Bescheid des Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 15. Oktober 2003 als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Begründend wurde - wie bereits im Bescheid des Verwaltungsausschusses - ausgeführt, zur Entscheidung über das vom Beschwerdeführer gestellte Ansuchen sei gemäß § 344 ASVG die Paritätische Schiedskommission zuständig.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 24. Februar 2004, B 1682/03-3, lehnte dieser die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie über Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab. Die Beschwerde wurde vom Beschwerdeführer über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzt. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1.1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Ärztegesetzes 1998 (ÄrzteG 1998) in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 91/2002 lauten (auszugsweise):

"2. Hauptstück

Kammerordnung

...

3. Abschnitt

Wohlfahrtsfonds

...

Verwaltung des Wohlfahrtsfonds

§ 113 (1) Die Verwaltung des Wohlfahrtsfonds ist von der Verwaltung des übrigen Kammervermögens getrennt zu führen und obliegt einem Verwaltungsausschuss, der sich zur administrativen Vorbereitung und Durchführung seiner Rechtsakte eines Dritten bedienen darf. Die Betrauung eines Dritten ist in der Satzung des Wohlfahrtsfonds zu regeln.

...

(4) Die Beschlüsse des Verwaltungsausschusses werden mit einfacher Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen gefasst. Gegen Beschlüsse des Verwaltungsausschusses steht den Betroffenen das Recht der Beschwerde an einen von der Vollversammlung bestellten Beschwerdeausschuss zu.

...

(7) Für das Verfahren vor dem Verwaltungsausschuss und dem Beschwerdeausschuss ist das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 anzuwenden.

...

5. Abschnitt

Wohlfahrtsfonds

§ 134.

...

(2) Die Verwaltung des Wohlfahrtsfonds obliegt einem Verwaltungsausschuss, der von den an der Einrichtung beteiligten Kammern zu bilden ist. ...

(3) Gegen Beschlüsse des Verwaltungsausschusses steht dem davon Betroffenen die Beschwerde an einen Berufungsausschuss zu. ...

..."

1.1.2. § 42 Abs. 1 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (im Folgenden: Satzung) in der von der Vollversammlung der Ärztekammer für Wien in der Sitzung vom 10. Dezember 2002 beschlossenen und mit Wirkung vom 1. Juli 2002 in Kraft getretenen Fassung (kundgemacht in doktorinwien 5/2003) lautet:

"7. ABSCHNITT

Aufgaben des Verwaltungsausschusses

§ 42

(1) Dem Verwaltungsausschuss obliegt die Verwaltung des Wohlfahrtsfonds mit Ausnahme der der Vollversammlung und dem Kammervorstand vorbehaltenen Angelegenheiten des Wohlfahrtsfonds."

1.2.1. Im Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des ASVG (§ 341 idF. der Novelle BGBl. I Nr. 99/2001, § 344 idF. der Novelle BGBl. Nr. 642/1989) von Interesse (auszugsweise):

"SECHSTER TEIL

Beziehungen der Träger der Sozialversicherung (des Hauptverbandes) zu den Ärzten, Dentisten, Hebammen, Apothekern, Krankenanstalten und anderen Vertragspartnern

...

Abschnitt II

Beziehungen der Träger der Sozialversicherung (des Hauptverbandes) zu den Ärzten

...

Gesamtverträge

§ 341. (1) Die Beziehungen zwischen den Trägern der Krankenversicherung und den freiberuflich tätigen Ärzten sowie den Gruppenpraxen werden jeweils durch Gesamtverträge geregelt. Diese sind für die Träger der Krankenversicherung durch den Hauptverband mit den örtlich zuständigen Ärztekammern abzuschließen. Die Gesamtverträge bedürfen der Zustimmung des Trägers der Krankenversicherung, für den der Gesamtvertrag abgeschlossen wird. Die Österreichische Ärztekammer kann mit Zustimmung der beteiligten Ärztekammer den Gesamtvertrag mit Wirkung für diese abschließen.

...

(3) Der Inhalt des Gesamtvertrages ist auch Inhalt des zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt oder der Gruppenpraxis abzuschließenden Einzelvertrages. Vereinbarungen zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt oder der Gruppenpraxis im Einzelvertrag sind rechtsunwirksam, insoweit sie gegen den Inhalt eines für den Niederlassungsort des Arztes oder für den Sitz der Gruppenpraxis geltenden Gesamtvertrages verstoßen.

...

Paritätische Schiedskommission

§ 344. (1) Zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten, die in rechtlichem oder tatsächlichem Zusammenhang mit dem Einzelvertrag stehen, ist im Einzelfall in jedem Land eine paritätische Schiedskommission zu errichten. Antragsberechtigt im Verfahren vor dieser Behörde sind die Parteien des Einzelvertrages.

..."

1.2.2.1. § 27 Abs. 3 des Gesamtvertrages abgeschlossen zwischen der Ärztekammer für Wien (im Folgenden: Kammer) einerseits und der Krankenfürsorgeanstalt der Bediensteten der Stadt Wien (im Folgenden: KFA) andererseits lautet:

"Die KFA verpflichtet sich, der Kammer während der Wirksamkeit des Vertrages als Zuwendung zum Zwecke der Alters- und Hinterbliebenenfürsorge der Ärzte einen Zuschlag in der Höhe von zwei Prozent der Endsumme der Honorare der Vertragsärzte zu zahlen. Die Berechnung dieser zwei Prozent hat in der Weise zu erfolgen, dass von den Honoraren der Vertragsärzte zehn Prozent, von den Honoraren der Vertragsfachärzte für Röntgenologie und Zahn- , Mund- und Kieferheilkunde vierzig Prozent Regien vorher abgezogen werden. Diese zweiprozentige Zuwendung findet keine Anwendung auf prothetische Leistungen der Vertragsfachärzte für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Die hiefür entfallenden Beträge werden vierteljährlich durch die KFA an die Kammer überwiesen. Sie stellen einen Zuschlag zu den Honoraren dar."

1.2.2.2. § 29 Abs. 3 des Gesamtvertrages abgeschlossen zwischen der Österreichischen Ärztekammer (im Folgenden: Kammer) für u.a. die Ärztekammer für Wien einerseits und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger für die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (im Folgenden: BVA) lautet (auszugsweise):

"Die BVA verpflichtet sich, während der Wirksamkeit dieses Gesamtvertrages eine Zuwendung an den Wohlfahrtsfonds der zuständigen Ärztekammer zu leisten. Die Zuwendung ist nicht Bestandteil der Honorare der Vertragsärzte. Sie wird binnen 2 Wochen nach Ende eines Kalendervierteljahres für die in diesem Quartal bezahlten Honorarsummen überwiesen. Sie entspricht einem Prozentsatz der Honorarsummen der im jeweiligen Bundesland niedergelassenen Vertragsärzte, und zwar

1. der praktischen Ärzte und Fachärzte (ausgenommen Fachärzte für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde) ab Honoraranweisung für Jänner 1989 in Wien 1,61 % ...

..."

2. Die Beschwerde ist im Ergebnis begründet.

2.1. Eingangs ist festzuhalten, dass die belangte Behörde zur Behandlung der Beschwerde (Berufung) gegen den zurückweisenden Bescheid des Verwaltungsausschusses jedenfalls zuständig war. Fraglich im Rechtsmittelverfahren war ausschließlich, ob der Verwaltungsausschuss seine Zuständigkeit zu Recht verneint hat.

Der Antrag des Beschwerdeführers an den Verwaltungsausschuss war, was immer der Beschwerdeführer unter der "Gutbringung" des von ihm genannten Betrags im Einzelnen verstanden hat, letztlich darauf gerichtet, dass der Verwaltungsausschuss auf dem Individualkonto des Beschwerdeführers beim Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien eine Gutschrift eines Betrages in der Höhe von EUR 2.426,11 durchführe. Da dem Verwaltungsausschuss gemäß § 134 Abs. 2 ÄrzteG 1998 iVm § 42 Abs. 1 der Satzung die Verwaltung des Wohlfahrtsfonds obliegt und keine der Vollversammlung oder dem Kammervorstand vorbehaltene Angelegenheit des Wohlfahrtsfonds vorliegt, war die Zuständigkeit des Wohlfahrtsausschusses - im vorliegenden Fall als sachnächste Behörde - zur Behandlung des Antrags gegeben.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde kam der Paritätischen Schiedskommission keine Zuständigkeit zur Beurteilung des genannten Antrages zu, weil dieser unzweifelhaft auf einen Vorgang innerhalb des Wohlfahrtsfonds (wie ausgeführt:

eine Gutschrift auf das Individualkonto des Beschwerdeführers beim Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien durch den Verwaltungsausschuss) gerichtet war. Eine Zuständigkeit der Paritätischen Schiedskommission zur Entscheidung in einer das Verhältnis zwischen dem Wohlfahrtsfonds und einem seiner Mitglieder betreffenden Angelegenheit lässt sich weder aus dem Wortlaut des § 344 ASVG noch aus der Systematik des Gesetzes ableiten.

Der Verwaltungsausschuss hat seine Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers demnach zu Unrecht verneint.

Diese auf eine vermeintliche Zuständigkeit der Paritätischen Schiedskommission gestützte rechtswidrige Verneinung der Zuständigkeit durch den Verwaltungsausschuss wäre von der belangten Behörde aufzugreifen gewesen. Indem sie das unterließ und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigte, verletzte sie ebenso wie der Verwaltungsausschuss den Beschwerdeführer im Recht auf Einhaltung der Zuständigkeitsordnung (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zl. 96/19/2494).

2.3. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

3. Im fortzusetzenden Verfahren wird die belangte Behörde zunächst den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und anschließend der nach dem bisher Gesagten zuständige Verwaltungsausschuss über den Antrag des Beschwerdeführers zu entscheiden haben. Da sich freilich weder in der Satzung noch im ÄrzteG 1998 eine taugliche Ermächtigung findet, die begehrte Gutschrift vorzunehmen, wird dem Antrag im Ergebnis nicht stattzugeben sein.

4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren betrifft den geltend gemachten Schriftsatzaufwand für die vom Beschwerdeführer erstattete Gegenäußerung zur Gegenschrift der belangten Behörde. Es war abzuweisen, weil dem Beschwerdeführer gemäß § 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG Schriftsatzaufwand lediglich für den Aufwand zuzusprechen ist, der mit der Einbringung der Beschwerde selbst verbunden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 2005, Zl. 2002/15/0079).

Wien, am 23. Oktober 2007

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004110080.X00

Im RIS seit

20.11.2007

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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