TE Vwgh Erkenntnis 2007/10/23 2004/06/0035

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Veröffentlicht am 23.10.2007
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

B-VG Art119a Abs5;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Chlup, über die Beschwerde der JJ in M, vertreten durch Dr. Mario Mandl, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 4/III, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 27. Jänner 2004, Zl. Ve1-550-3049/1-6, betreffend baurechtlicher Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde M, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur rechtlichen Vorgeschichte der verfahrensgegenständlichen Kochhütte ist zunächst auf das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2006, Zl. 2003/06/0005, zu verweisen. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 30. Juli 2002 abgewiesen, mit welchem die Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen die Versagung der im Jahr 1994 begehrten Baubewilligung durch den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Februar 2002 für die gegenständliche Kochhütte (Heustadel samt darin eingerichteter Koch-, Sitz- und Schlafgelegenheit) auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück der Beschwerdeführerin im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Gemeinde abgewiesen wurde.

Mit Bescheid vom 24. September 1980 hatte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde der Beschwerdeführerin die Fortsetzung von Bauarbeiten untersagt und die Beseitigung von baulichen Anlagen aufgetragen. Die dagegen gerichtete Berufung der Beschwerdeführerin war mit Bescheid des Gemeinderates vom 29. Oktober 2002 nur hinsichtlich der festgesetzten Beseitigungsfrist Folge gegeben worden.

Dieser Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde wurde mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 22. Mai 2003 aufgehoben. In ihrer Begründung sprach die belangte Behörde aus, dass das Bauvorhaben "Ausbau eines Heustadels für Wohnzwecke", dessen Untersagung und Beseitigung im Jahr 1980 verfügt worden sei, im Jahr 2001 gänzlich umgestaltet worden sei und die weitere Bauführung mit rechtskräftigem Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. August 2001 untersagt und die (nachträgliche) baubehördliche Bewilligung des nicht akkordierten Bestandes mit Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes vom 14. Februar 2002 rechtskräftig versagt worden sei. Dem Bescheid vom 24. September 1980 liege ein überholter (Bau-)Bestand zu Grunde. Der dem Bescheid des Bürgermeisters vom 24. September 1980 zu Grunde liegende Baubestand sei in natura gar nicht mehr existent gewesen, weshalb die Berufungsbehörde diesen Bescheid zu beheben gehabt hätte.

Sodann führte die belangte Behörde in ihrem Bescheid vom 22. Mai 2003 wie folgt aus: "Im fortgesetzten Verfahren wird die Berufungsbehörde daher die Behebung des erstinstanzlichen Bescheides zu veranlassen sowie die Erstbehörde dazu anzuleiten haben, dass - fußend auf dem rechtskräftigem Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde M vom 14.2.2002 - die Beseitigung der gegenständlichen baulichen Anlage verfügt wird." Dieser Bescheid blieb unbekämpft.

Dem derart erteilten Auftrag kam der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 25. Juni 2003 und der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit seinem auf § 37 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001) gegründetem Bescheid vom selben Tag nach. Mit letzterem wurde der Beschwerdeführerin die Beseitigung ihrer "baulichen Anlage (Kochhütte bzw. Freizeitwohnsitz auf dem Gst. Nr. 1334 GB M)" aufgetragen. Es handle sich um jene bauliche Anlage, für welche die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 29. Juli 1994 um baubehördliche Bewilligung angesucht habe, welches Ansuchen jedoch mit Berufungsbescheid vom 14. Februar 2002 versagt worden sei.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie ausführte, die belangte Behörde habe vor Erlassung ihres Bescheides kein Ermittlungsverfahren durchgeführt und sei zu einer unrichtigen Tatsachenfeststellung insoferne gekommen, als sie gemeint habe, das Bauvorhaben sei im Jahr 2001 "gänzlich umgestaltet worden". Eine Vorstellung gegen den Bescheid vom 22. Mai 2003 sei insofern nicht in Betracht gekommen, weil die belangte Behörde mit diesem den vor ihr angefochtenen Bescheid ohnehin aufgehoben habe.

Mit Berufungsbescheid vom 29. Oktober 2003 wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung der Beschwerdeführerin ab und führte u.a. aus, dass der Baubewilligungsantrag der Beschwerdeführerin vom 7. Oktober 1980 überholt sei.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 27. Jänner 2004 wurde die Vorstellung der Beschwerdeführerin abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, die Behauptung der Beschwerdeführerin, es sei unrichtig, dass die Kochhütte nicht mehr denselben Baubestand wie zum Zeitpunkt des Baubewilligungsantrages vom 7. Oktober 1980 aufweise, sei nicht verfahrensgegenständlich. Gegenstand des Beseitigungsauftrages sei das Bauwerk, für welches die Baubewilligung mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom 14. Februar 2002 versagt worden sei. Aus dem langjährig unbeanstandetem Gebrauch der Kochhütte könne jedenfalls kein Rechtsanspruch auf weitere Duldung eines bauordnungswidrigen Zustandes abgeleitet werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildetem Senat erwogen:

§ 37 Abs. 1 der als Tiroler Bauordnung 2001 - TBO 2001, LGBl. Nr. 94/2001, wiederverlautbarten Tiroler Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15, lautet:

"§ 37

Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes

(1) Wurde eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne die nach diesem Gesetz erforderliche Baubewilligung errichtet oder geändert, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage eine angemessene Frist zu setzen, innerhalb der nachträglich um die Erteilung der Baubewilligung anzusuchen ist. Verstreicht diese Frist ungenützt oder wird (bzw. wurde) die Baubewilligung versagt, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Beseitigung aufzutragen. Dies gilt auch, wenn eine solche bauliche Anlage abweichend von der Baubewilligung ausgeführt wurde und diese Abweichung eine Änderung der baulichen Anlage darstellt, zu deren selbstständigen Vornahme eine Baubewilligung erforderlich wäre. Dem Eigentümer der betreffenden baulichen Anlage kann jedoch auf sein begründetes Verlangen statt der Beseitigung der baulichen Anlage die Herstellung des der Baubewilligung entsprechenden Zustandes aufgetragen werden."

Die Beschwerdeführerin wirft auch in der Beschwerde den Baubehörden und der belangten Behörde vor, sie hätten verkannt, dass die Kochhütte denselben Baubestand wie zum Zeitpunkt der Stellung ihres Antrages auf Erteilung einer nachträglichen Baubewilligung vom 7. Oktober 1980 aufweise. Über diesen Antrag sei noch nicht entschieden, weshalb die Beseitigung dieser baulichen Anlage nicht aufgetragen werden dürfe.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Zwar darf nach § 37 Abs. 1 TBO 2001 die Behörde dem Eigentümer einer der baulichen Anlage, die ohne eine nach diesem Gesetz erforderliche Baubewilligung errichtet oder geändert oder abweichend von einer Baubewilligung ausgeführt wurde, deren Beseitigung erst dann auftragen, wenn er innerhalb einer von der Behörde gesetzten Frist nicht dafür um die Erteilung der Baubewilligung angesucht hat oder die Baubewilligung versagt worden ist.

Im vorliegenden Fall hat jedoch die belangte Behörde bereits in ihrem Bescheid vom 22. Mai 2003 ausgesprochen, dass der dem Bescheid des Bürgermeisters vom 24. September 1980 zu Grunde liegende Baubestand in natura gar nicht mehr existent gewesen sei und in den tragenden Entscheidungsgründen erkannt, dass die Baubehörden dafür Sorge zu tragen haben würden, dass "fußend auf dem rechtskräftigem Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde M vom 14.2.2002 - die Beseitigung der gegenständlichen baulichen Anlage verfügt wird".

Dieser Ausspruch war für die Baubehörden und auch für die belangte Behörde im weiteren Verfahren bindend. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt nämlich den tragenden Aufhebungsgründen eines aufsichtsbehördlichen Bescheides für das fortgesetzte Verfahren bindende Wirkung zu. Die tragenden Aufhebungsgründe eines aufhebenden Bescheides der Gemeindeaufsichtsbehörde sind für das fortgesetzte Verfahren vor der Gemeindebehörde, vor der Aufsichtsbehörde und vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes bindend. Diese bindende Wirkung besteht selbst bei einem Widerspruch mit der objektiven Rechtslage. Die tragenden Aufhebungsgründe wirken absolut und sind auch vom Verwaltungsgerichtshof zu beachten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. April 2001, Zl. 99/05/0129, m.w.N., in einem solchen Fall kommt daher grundsätzlich eine Beschwerde auch gegen einen derart aufhebenden Vorstellungsbescheid in Betracht).

Bei dieser Sachlage durfte die belangte Behörde daher nicht davon ausgehen, dass sich der Bauantrag der Beschwerdeführerin vom 7. Oktober 1980 auf das Bauwerk in jener Ausgestaltung bezog, dessen Beseitigung mit dem im vorliegenden Verfahren zu beurteilenden baurechtlichen Beseitigungsauftrag verfügt worden ist, und sie musste und durfte diesen Antrag nicht als ein rechtliches Hindernis im Sinne des § 37 Abs. 1 TBO 2001 für die Erlassung des gegenständlichen baurechtlichen Beseitigungsauftrages ansehen.

Die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung liegt sohin nicht vor, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 23. Oktober 2007

Schlagworte

Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde Ersatzbescheid Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejaht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2004060035.X00

Im RIS seit

28.11.2007

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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