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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des A, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Glawitsch, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 23. März 2007, Zl. VwSen-400873/7/BP/Wb, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Libanon. Er reiste im Juli 2000 nach Deutschland und wurde am 19. November 2004 in seine Heimat abgeschoben.
Am 11. März 2005 gelangte der Beschwerdeführer nach Österreich, wo er am 13. März 2005 einen Asylantrag stellte. Diesen Antrag wies das Bundesasylamt mit am 21. Oktober 2006 in Rechtskraft erwachsenem Bescheid ab; zugleich stellte es fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in den Libanon zulässig sei, und wies ihn aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Libanon aus.
Mit Bescheid vom 27. November 2006 verhängte die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land gemäß "§ 76 Abs. 1 und 2" des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG iVm § 57 AVG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung seiner Abschiebung in den Libanon. Die dagegen erhobene Beschwerde wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 5. Dezember 2006 gemäß §§ 82 und 83 FPG als unbegründet ab. Zugleich stellte sie fest, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorlägen.
Am 29. Jänner 2007 wurde der Beschwerdeführer wegen Haftunfähigkeit aus der Schubhaft entlassen. In der Folge erhob er gegen seine Anhaltung bis zum Entlassungstag eine zweite Schubhaftbeschwerde, über die die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 23. März 2007 - gestützt auf die §§ 82 und 83 FPG iVm § 68 Abs. 1 AVG - wie folgt erkannte:
"Die Beschwerde wird hinsichtlich der Einwendungen gegen die Anhaltung in Schubhaft ab 6. Dezember 2006 bis zum 29. Jänner 2007, betreffend den Asylwerberstatus des Beschwerdeführers auf Grund des neuerlichen Asylantrags vom 28. November 2006 als unbegründet abgewiesen; im Übrigen wird die Beschwerde wegen entschiedener Sache als unzulässig zurückgewiesen."
Soweit über "Einwendungen gegen die Verhängung der Schubhaft und gegen die Anhaltung" bereits mit dem am 6. Dezember 2006 in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der belangten Behörde vom 5. Dezember 2006 abgesprochen worden sei, müsse die vorliegende zweite Schubhaftbeschwerde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden. Soweit aber Sachverhaltsänderungen (insbesondere die Stellung eines neuen Asylantrages am 28. November 2006 und die daraufhin ergehenden Entscheidungen in diesem Asylverfahren) gegeben seien, sei - so die belangte Behörde zusammenfassend im Ergebnis - die Schubhaft vor dem Hintergrund des § 76 Abs. 6 FPG (weiterhin) grundsätzlich zulässig. Zur Frage, ob die Anhaltung in Schubhaft auch erforderlich gewesen sei, könne auf die Begründung des Vorbescheides vom 5. Dezember 2006, betreffend die erste Schubhaftbeschwerde des Beschwerdeführers, verwiesen werden. An der "unkooperativen Gesinnungshaltung" des Beschwerdeführers habe sich nichts geändert. Es werde - so die belangte Behörde an anderer Stelle ihrer Begründung - eingeräumt, dass bei der Entscheidung vom 5. Dezember 2006 anscheinend unrichtig davon ausgegangen wurde, dass der Beschwerdeführer nicht mit seiner Ehegattin an einer gemeinsamen Adresse gemeldet gewesen sei. Da jedoch andere entscheidende Tatsachen, wie die Verweigerung der Vorlage des offensichtlich im Besitz des Beschwerdeführers befindlichen Reisedokuments und die damit verbundene rechtsmissbräuchliche Nichtmitwirkung am fremdenpolizeilichen Verfahren, vorliegen würden, könne "keine entscheidungsrelevante Neuerung des maßgeblichen Sachverhalts festgestellt werden, die eine Durchbrechung der Rechtskraft rechtfertigen würde."
Im Ergebnis sei festzuhalten, dass die Einwendungen gegen die Anhaltung in Schubhaft ab 6. Dezember 2006, betreffend den neuerlichen Asylantrag vom 28. November 2006, als unbegründet abzuweisen gewesen seien. Eine materiell-rechtliche Prüfung der übrigen Beschwerdepunkte sei der belangten Behörde wegen entschiedener Sache verwehrt gewesen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:
Der auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides mehrfach erwähnte Bescheid der belangten Behörde vom 5. Dezember 2006, mit dem über eine erste Schubhaftbeschwerde des Beschwerdeführers abgesprochen worden war, wurde mit hg. Erkenntnis vom 27. März 2007 zur Zl. 2007/21/0019 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Dieser Aufhebung kommt gemäß § 42 Abs. 3 VwGG ex tunc-Wirkung zu, was bedeutet, dass der Rechtszustand zwischen der Erlassung des Bescheides und seiner Aufhebung im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob der aufgehobene Bescheid von Anfang an nicht erlassen worden wäre. Ist demnach die Rechtslage so zu beurteilen, als ob der Bescheid vom 5. Dezember 2006 nicht ergangen wäre, so kann der angefochtene Bescheid insoweit, als er im Hinblick auf die Vorentscheidung vom 5. Dezember 2006 die gegenständliche zweite Schubhaftbeschwerde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, schon deshalb keinen Bestand haben (zu einer gleich gelagerten Konstellation vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2005, Zl. 2004/04/0080). Auf die Richtigkeit der behördlichen Überlegungen betreffend den Zurückweisungsausspruch braucht davon ausgehend nicht näher eingegangen werden. Festzuhalten ist aber jedenfalls, dass die belangte Behörde nur in Bezug auf einen bestimmten Zeitraum und nicht in Bezug auf bestimmte "Einwendungen" von "entschiedener Sache" hätte ausgehen dürfen (vgl. etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 2001, B 515/00 u.a., VfSlg. Nr. 16.079).
Was den abweisenden Teil des angefochtenen Bescheides anlangt, so wäre - im Anschluss an das eben Gesagte - ein zeitraumbezogener und kein auf "Einwendungen" bezogener Abspruch vorzunehmen gewesen. Im Übrigen hat die belangte Behörde, was die Prüfung des Sicherungsbedarfs anlangt, auf die Überlegungen im Vorbescheid vom 5. Dezember 2006 verwiesen, dabei aber letztlich eingeräumt, dass die dort zu Grunde gelegte Annahme, der Beschwerdeführer verfüge in Österreich über keinen ordnungsgemäßen Wohnsitz bzw. sei hier nicht polizeilich gemeldet, "anscheinend unrichtig" sei. Wenn sie davon ausgehend die Verweigerung der Vorlage des Reisepasses in den Vordergrund stellte und (insbesondere) diesen Umstand als Ausdruck einer "unkooperativen Gesinnungshaltung" wertete, was die Aufrechterhaltung der Schubhaft rechtfertige, so ist sie auf das den Vorbescheid aufhebende hg. Erkenntnis vom 27. März 2007 zu verweisen, in dem ausgeführt wurde, dass die Verweigerung der Hinterlegung des Reisepasses nicht in erster Linie auf ein "Untertauchen" des Beschwerdeführers "in die Illegalität" schließen lasse. Der angefochtene Bescheid war daher zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 24. Oktober 2007
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteZurückweisung wegen entschiedener SacheAuslegung Diverses VwRallg3/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007210284.X00Im RIS seit
28.11.2007Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009