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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung des Individualantrags eines Rechtsanwaltes auf Aufhebung einer Wortfolge im AlVG betreffend die Verlängerung der Rahmenfrist in bestimmten Fällen als Voraussetzung für die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld mangels Legitimation; bloß potentielle Betroffenheit nicht ausreichendSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1. §14 Arbeitslosenversicherungsgesetz (im folgenden: AlVG), BGBl. Nr. 609/1977, idgF lautet auszugsweise:
"Anwartschaft
§14. (1) Bei der erstmaligen Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. ..."
§15 AlVG lautet auszugsweise:
"§15. (1) Die Rahmenfrist (§14 Abs1 bis 3) verlängert sich um höchstens drei Jahre um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland
1. in einem arbeitslosenversicherungsfreien Dienstverhältnis gestanden ist;
2. - 10. ...
(2) - (4) ...
(5) Die Rahmenfrist verlängert sich weiters um Zeiträume einer krankenversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach dem GSVG oder BSVG."
2. Der Antragsteller ist als Rechtsanwalt in Wien tätig. Er ist weder nach GSVG noch nach BSVG in der Krankenversicherung pflichtversichert. Mit seinem Antrag vom 7.1.2003 beantragt er die Aufhebung der Wortfolge "nach dem GSVG oder BSVG" in §15 Abs5 AlVG 1977 als verfassungswidrig.
3. Zu seiner Antragslegitimation bringt er folgendes vor:
Er sei vom 2.6.1997 bis 30.9.2002 unselbständig erwerbstätig und als Dienstnehmer arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Seit 1.10.2002 sei er als Rechtsanwalt tätig.
Seine seit dem 1.10.2002 ausgeübte selbständige Erwerbstätigkeit verlängere nicht die Rahmenfrist in der Arbeitslosenversicherung. Wäre er nicht vom Anwendungsbereich des §15 Abs5 AlVG ausgeschlossen, würde sich die Rahmenfrist um die Zeit seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt verlängern und seine Anwartschaft auf Arbeitslosengeld wie bei der Ausübung einer nach dem GSVG oder BSVG krankenversicherungspflichtigen selbständigen Erwerbstätigkeit fortbestehen.
Sodann trägt er wörtlich vor wie folgt:
"Durch die Ausnahme vom Anwendungsbereich des §15 Abs5 Arbeitslosenversicherungsgesetz wird unmittelbar und aktuell in meine Rechtssphäre eingegriffen, da mit der staatliche Schutz der Arbeitslosenversicherung vor den Folgen der Erwerbslosigkeit als Risiko eines allfälligen wirtschaftlichen Scheiterns meiner selbständigen Tätigkeit entzogen wird, ohne dass es hiefür einer weiteren behördlichen Konkretisierung bedarf. Ich bin daher seit Beginn meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt gezwungen, selbst für den Fall des wirtschaftlichen Scheiterns meiner unternehmerischen Tätigkeit durch Rücklagenbildung Vorsorge zu treffen. Diese Vorsorge müsste ich nicht treffen, wenn ich eine nach dem GSVG oder BSVG krankenversicherungspflichtige selbständige Erwerbstätigkeit ausüben würde.
... Die Erwirkung eines Bescheides, dessen Bekämpfung zur Relevierung der verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §15 Abs5 Arbeitslosenversicherungsgesetz genützt werden könnte, ist mir nicht möglich, jedenfalls aber nicht zumutbar: Die einzige Möglichkeit, einen solchen Bescheid zu erlangen, bestünde darin, meine Arbeitslosigkeit absichtlich herbeizuführen und in der Folge um Arbeitslosengeld anzusuchen. In diesem Fall wäre freilich die Gewährung von Arbeitslosengeld schon mangels Arbeitswilligkeit abzulehnen, sodass es auf die Beitragszeiten innerhalb der Rahmenfrist gar nicht mehr ankäme. Im übrigen ist es mir nicht zumutbar, meine selbständige Tätigkeit einzustellen, nur um die gegenständliche Verfassungswidrigkeit aufzuzeigen.
Ein anderer zumutbarer Weg, mich gegen die verfassungswidrige Gesetzesbestimmung zur Wehr zu setzen, steht nicht zur Verfügung."
4. Der Antrag erweist sich als unzulässig:
4.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 11.726/1988, 13.765/1994).
4.2. Der Antragsteller räumt ein, daß ihm ein anderer Weg, die bekämpften Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen, offensteht, meint allerdings, daß dieser ihm derzeit nicht zumutbar sei, weil er zu diesem Zweck seine selbständige Erwerbstätigkeit nicht aufgeben wolle. Der Antragsteller übersieht aber, daß er derzeit durch die angefochtene Vorschrift nur potentiell betroffen ist:
Es ist derzeit nämlich ungewiß, ob der Antragsteller je in die Situation kommen wird, Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nehmen zu können. Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgesprochen hat, reicht die bloß potentielle Beeinträchtigung von rechtlich geschützten Interessen nicht aus, um die Antragslegitimation des Antragstellers nach Art140 B-VG zu begründen (vgl. VfSlg. 12.330/1990). Soweit der Antragsteller mit der Notwendigkeit argumentiert, bereits jetzt Rückstellungen für ein etwaiges Scheitern seiner anwaltlichen Tätigkeit bilden zu müssen, macht er damit bloß wirtschaftliche Reflexwirkungen geltend (vgl. zB VfSlg. 14.274/1995, 14.463/1996, 15.445/1999, 15.219/1998, 15.184/1998).
5. Der Antrag war daher bereits mangels Legitimation des Antragstellers als unzulässig zurückzuweisen, ohne daß es einer Prüfung aller Prozeßvoraussetzungen, insbesondere ob die Fassung der bekämpften Gesetzesbestimmung überhaupt präzis genug bezeichnet wurde, bedurft hätte (vgl. VfSlg. 14.040/1995).
6. Dies konnte ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs3 Z2 lite VfGG).
Schlagworte
Arbeitslosenversicherung, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:G2.2003Dokumentnummer
JFT_09969775_03G00002_00