Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeits- und Sozialrechtssache der klagenden Partei Daniel M*****, vertreten durch Mag. Rupert Rausch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** AG, *****, vertreten durch Dr. Gerald Amandowitsch, Rechtsanwalt in Linz, wegen 575 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. August 2007, GZ 7 Ra 97/07x-18, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Mit Beschluss vom 2. 6. 2004, GZ 10 E 1347/04b-2, bewilligte das Bezirksgericht Liesing dem nunmehrigen Kläger als Betreibendem gegenüber dessen Vater S***** als Verpflichtetem zur Hereinbringung rückständigen Unterhalts für die Monate Jänner 2003 bis Mai 2004 in Höhe von je 218 EUR (zusammen 3.706 EUR) sowie zur Hereinbringung des laufenden Unterhalts ab Juni 2004 von monatlich 218 EUR die Exekution durch Pfändung und Überweisung zur Einziehung bis zur Höhe dieser Forderung des der verpflichteten Partei als Anspruchsberechtigtem gegen den Drittschuldner M***** AG, ***** (nunmehr: M***** AG) zustehenden Arbeitseinkommens. Mit Beschluss vom 23. 7. 2004 wurde das Exekutionsverfahren wegen einer vom Verpflichteten eingebrachten Oppositionsklage gemäß § 35 EO aufgeschoben. Mit Vergleich vom 13. 5. 2005 einigten sich Betreibender und Verpflichteter dahin, dass die Titel über monatliche Unterhaltsforderungen für die Zeit von 1. 1. 2003 bis 30. 6. 2004 hinsichtlich eines 140 EUR monatlich übersteigenden Betrages und ab 1. 7. 2004 hinsichtlich eines 115 EUR monatlich übersteigenden Unterhaltsbeitrages erloschen seien.
Mit 31. 12. 2004 war es zur Beendigung des Dienstverhältnisses des Verpflichteten zur Beklagten gekommen. Daraus stand dem Verpflichteten ein Anspruch auf gesetzliche Abfertigung (vier Monatsgehälter) sowie freiwillige Abfertigung (ein Monatsgehalt) zu.
Nach Fortsetzung des Exekutionsverfahrens bestand in der Personalabteilung der Beklagten Unsicherheit dahin, inwieweit sich die Pfändung der aus dem Arbeitsverhältnis zustehenden Entgelte (insbesondere auch der Abfertigung) auch auf zukünftige, erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehende Unterhaltsforderungen des Betreibenden erstreckte. Zu diesem Zweck rief die zuständige Sachbearbeiterin der Beklagten beim zuständigen Rechtspfleger des Exekutionsgerichtes an und erhielt die Auskunft, dass die Endabrechnungsbeträge, insbesondere die Abfertigung, nicht von § 299 EO umfasst seien und daher der Betreibende auf die Möglichkeit verwiesen sei, Exekution zur Sicherstellung zu beantragen. Die Beklagte behielt daher von den Ansprüchen des Verpflichteten soviel ein, wie dem Kläger bis einschließlich 31. 7. 2005 an Unterhalt zustand und zahlte den Restbetrag (einschließlich eines Großteils der Abfertigung) an den bereits mit Klage drohenden Verpflichteten aus.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es vertrat - wie schon das Erstgericht - die Rechtsauffassung, dass, soweit sich die Pfändung gemäß § 291c Abs 1 EO auch auf die Endauszahlungsbeträge, insbesondere die Abfertigungssumme, bezogen habe, die an den Verpflichteten geleistete Zahlung der Drittschuldnerin jedenfalls gemäß § 292j Abs 1 EO schuldbefreiend gewirkt habe, weil diese weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit getroffen habe.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers ist diese Rechtsauffassung jedenfalls vertretbar:
Nach den Materialien zur EO-Novelle 1991 (RV 181 der Beilagen XVIII. GP S 37 f) bestand ein zentrales Anliegen der Reform darin, die Stellung des Drittschuldners zu verbessern. Dazu wurde ausgeführt, dass der Drittschuldner Gefahr laufe, von den betreibenden Gläubigern oder vom Verpflichteten in Anspruch genommen zu werden, wenn diese seine Auffassung bei Aufteilung des Bezuges zwischen Verpflichtetem und betreibendem Gläubiger oder mehreren betreibenden Gläubigern nicht teilten. Auch habe der Drittschuldner überdies nicht nur den geforderten Betrag zu zahlen, sondern auch Kostenersatz zu leisten, wenn das Gericht die Meinung des Drittschuldners (in einem Drittschuldnerprozess) als unrichtig erkenne. Die Sorgfaltspflichten des Drittschuldners sollten daher eingeschränkt werden. Die vom Drittschuldner vorgenommene Aufteilung des Bezuges in den pfändbaren und unpfändbaren Teil sollen nach dem Entwurf schuldbefreiend wirken, wenn der Drittschuldner nur leicht fahrlässig eine unrichtige Aufteilung vorgenommen hat. Eine Schuldtilgung solle dann nicht eintreten, wenn dem Drittschuldner „etwa" bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage und Berechnung des unpfändbaren Freibetrages ein grobes Verschulden treffe. Diese beispielsweise Aufzählung widerlegt die - auch vom Kläger vorgetragene - Auffassung, dass § 292j EO nur Schutz vor Berechnungsfehlern bieten will. Der Wille des Gesetzgebers ist somit dahin erkennbar, dem Drittschuldner dort entgegenzukommen, wo er aufgrund seiner üblicherweise voraussetzbaren Kenntnisse nicht in der Lage ist, in jedem Fall eine gesetzmäßige Aufteilung vorzunehmen (9 ObA 105/99b in RIS-Justiz RS0112384; diese Auffassung ausdrücklich aufrecht erhaltend: 9 ObA 220/01w in RIS-Justiz RS0115869; so auch Zechner, Forderungsexekution 183). Ob einen Drittschuldner bzw die für ihn handelnden Personen ein iSd § 292j EO nicht zu exkulpierendes Verschulden trifft, lässt sich nur einzelfallbezogen lösen (Zechner, aaO 180 f). Wenn im vorliegenden Fall die Beklagte, gestützt auf die Auskunft des zuständigen Rechtspflegers, eine Antragstellung nach § 292k EO unterließ, muss die Beurteilung dieses Verhaltens durch das Berufungsgericht als nur leichte Fahrlässigkeit als vertretbar und somit nicht revisibel angesehen werden.Nach den Materialien zur EO-Novelle 1991 (RV 181 der Beilagen XVIII. Gesetzgebungsperiode S 37 f) bestand ein zentrales Anliegen der Reform darin, die Stellung des Drittschuldners zu verbessern. Dazu wurde ausgeführt, dass der Drittschuldner Gefahr laufe, von den betreibenden Gläubigern oder vom Verpflichteten in Anspruch genommen zu werden, wenn diese seine Auffassung bei Aufteilung des Bezuges zwischen Verpflichtetem und betreibendem Gläubiger oder mehreren betreibenden Gläubigern nicht teilten. Auch habe der Drittschuldner überdies nicht nur den geforderten Betrag zu zahlen, sondern auch Kostenersatz zu leisten, wenn das Gericht die Meinung des Drittschuldners (in einem Drittschuldnerprozess) als unrichtig erkenne. Die Sorgfaltspflichten des Drittschuldners sollten daher eingeschränkt werden. Die vom Drittschuldner vorgenommene Aufteilung des Bezuges in den pfändbaren und unpfändbaren Teil sollen nach dem Entwurf schuldbefreiend wirken, wenn der Drittschuldner nur leicht fahrlässig eine unrichtige Aufteilung vorgenommen hat. Eine Schuldtilgung solle dann nicht eintreten, wenn dem Drittschuldner „etwa" bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage und Berechnung des unpfändbaren Freibetrages ein grobes Verschulden treffe. Diese beispielsweise Aufzählung widerlegt die - auch vom Kläger vorgetragene - Auffassung, dass § 292j EO nur Schutz vor Berechnungsfehlern bieten will. Der Wille des Gesetzgebers ist somit dahin erkennbar, dem Drittschuldner dort entgegenzukommen, wo er aufgrund seiner üblicherweise voraussetzbaren Kenntnisse nicht in der Lage ist, in jedem Fall eine gesetzmäßige Aufteilung vorzunehmen (9 ObA 105/99b in RIS-Justiz RS0112384; diese Auffassung ausdrücklich aufrecht erhaltend: 9 ObA 220/01w in RIS-Justiz RS0115869; so auch Zechner, Forderungsexekution 183). Ob einen Drittschuldner bzw die für ihn handelnden Personen ein iSd § 292j EO nicht zu exkulpierendes Verschulden trifft, lässt sich nur einzelfallbezogen lösen (Zechner, aaO 180 f). Wenn im vorliegenden Fall die Beklagte, gestützt auf die Auskunft des zuständigen Rechtspflegers, eine Antragstellung nach § 292k EO unterließ, muss die Beurteilung dieses Verhaltens durch das Berufungsgericht als nur leichte Fahrlässigkeit als vertretbar und somit nicht revisibel angesehen werden.
Der Hinweis auf eine - unterlassene - Hinterlegung nach § 307 EO ist schon deshalb verfehlt, weil die Anwendung dieser Bestimmung zur Voraussetzung hat, dass mehrere vom Verpflichteten verschiedene Forderungsprätendenten auftreten; hingegen reicht für eine Hinterlegung nicht aus, wenn neben nur einem Gläubiger auch der Verpflichtete selbst einen Forderungsteil beansprucht (RIS-Justiz RS0004119; Zechner, aaO 335; Oberhammer in Angst EO-Kommentar, § 307 Rz 3).
Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO erweist sich die Revision daher als unzulässig.
Textnummer
E86097European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2007:009OBA00159.07H.1128.000Im RIS seit
28.12.2007Zuletzt aktualisiert am
04.11.2010