TE Vwgh Erkenntnis 2007/10/24 2006/21/0043

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Veröffentlicht am 24.10.2007
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §19 Abs1;
AsylG 1997 §21 Abs1;
AsylG 1997 §34b;
AsylG 1997;
AsylG 2005 §10;
AsylG 2005 §27;
AsylG 2005 §75 Abs1;
AsylGNov 2003;
FrG 1997;
FrPolG 2005 §1 Abs2;
FrPolG 2005 §124 Abs2;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2;
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z4;
FrPolG 2005 §76 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):2006/21/0062 E 24. Jänner 2008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des D, vertreten durch Edward W. Daigneault, Solicitor in 1170 Wien, Hernalser Gürtel 47/4 (Einvernehmensanwalt Dr. Herbert Kaspar, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Wilhelmstraße 54), gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 1. März 2006, Zl. Senat-FR-06-1024, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Georgien, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte hier am 19. August 2005 einen Asylantrag. Dieser wurde mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. Februar 2006 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 1997 als unzulässig zurückgewiesen und es wurde festgestellt, dass die Slowakei für die Prüfung des Asylantrages zuständig sei. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 5a Abs. 1 leg. cit. aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der mit hg. Beschluss vom 14. Februar 2006, Zl. AW 2006/19/0086, die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde. Mit hg. Beschluss vom 21. März 2007, Zl. 2006/19/0701, wurde die genannte Beschwerde als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt, nachdem der Beschwerdeführer am 22. Jänner 2007 erklärt hatte zu beabsichtigen, freiwillig aus dem Bundesgebiet auszureisen und damit einverstanden zu sein, dass sein Asylantrag "als gegenstandslos abgelegt" werde.

Bereits mit - am selben Tag in Vollzug gesetztem - Bescheid vom 10. Jänner 2006 hatte die Bezirkshauptmannschaft Baden gegen den Beschwerdeführer die Verhängung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, sowie § 34b Abs. 1 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. In ihrer Begründung verwies sie auf die erstinstanzliche Zurückweisung des Asylantrages und die Erlassung eines - wenn auch nicht rechtskräftigen - Ausweisungsbescheides, der "dem Grunde nach die Erlassung der Schubhaft erlaub(e)". Gleichzeitig habe der Beschwerdeführer, wenngleich zu einem späteren Zeitpunkt als jenem, den § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG als frühestmöglichen bestimme, einen Sachverhalt verwirklicht, der es aus diesem Gesichtspunkt erlaube, dem Grunde nach Schubhaft zu verhängen. Auf Grund der Ergebnisse der Ermittlungen sei davon auszugehen, dass der im dargestellten Asylverfahren beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängigen Berufung nicht stattgegeben würde. Aus diesem Grund werde beabsichtigt, die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Slowakei durch die Schubhaft sicherzustellen.

Einer dagegen erhobenen Beschwerde gemäß § 83 FPG gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 22. Februar 2006 keine Folge und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorlägen. In der Begründung verwies sie darauf, dass dem Beschwerdeführer als Asylwerber keine Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 36b AsylG 1997 ausgehändigt worden sei. Ihm komme demnach kein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach § 19 Abs. 2 AsylG 1997 zu, § 21 Abs. 1 leg. cit. fände keine Anwendung. Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft erweise sich als erforderlich.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Erkenntnis vom 24. Juni 2006, B 362/06-10, dem die Einzelheiten des Verfahrens entnommen werden können, feststellte, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 390/1973 verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden sei, und den genannten Bescheid vom 22. Februar 2006 aufhob.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 1. März 2006 gab die belangte Behörde einer weiteren Schubhaftbeschwerde des Beschwerdeführers vom 22. Februar 2006 gemäß § 67c Abs. 3 AVG iVm § 83 FPG keine Folge und stellte gemäß § 83 Abs. 4 FPG neuerlich fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde - zusammengefasst - aus, dem Beschwerdeführer sei eine Aufenthaltsberechtigungskarte nicht ausgefolgt worden. Ihm fehle daher die vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Abs. 2 AsylG 1997, sodass § 21 Abs. 1 leg. cit. nicht anzuwenden sei und sich die Anordnung der Schubhaft als zulässig erweise. § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG stelle nicht auf das Vorliegen einer durchsetzbaren Entscheidung ab, sodass es unerheblich sei, ob der Beschwerdeführer faktischen Abschiebeschutz iSd § 19 Abs. 1 leg. cit. genießen könnte. Vielmehr sei auf Grund der Ergebnisse der Befragung, Durchsuchung und erkennungsdienstlichen Behandlung eine Prognose zu treffen, ob mit einiger Sicherheit angenommen werden könne, dass eine Zuständigkeit Österreichs nicht gegeben sei. Diese Annahme sei in Folge der - eingangs dargestellten - rechtskräftigen Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates berechtigt, woran die dagegen erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nichts ändere. Gemäß § 80 Abs. 5 letzter Satz FPG dürfe die Schubhaft aufrecht erhalten werden, wenn der unabhängige Bundesasylsenat eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlasse.

Auf Grund welcher Umstände "die Voraussetzung zur Anwendung des § 77 FPG vorliegen", sei vom Beschwerdeführer nicht dargelegt

worden "und ... für die erkennende Behörde von Amts wegen nicht

ersichtlich". Die Voraussetzungen für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft lägen somit vor.

Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Wie bereits im hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2007, Zl. 2006/21/0360, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt wurde, sind gemäß der Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 1 AsylG 2005 alle am 31. Dezember 2005 anhängigen (Asyl-)Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 (AsylG) zu Ende zu führen. Das AsylG sah idF der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101/2003, die Zulässigkeit einer Schubhaft (nur) unter den Voraussetzungen seines § 34b vor. Hingegen fanden gemäß § 21 Abs. 1 AsylG u.a. auf Fremde, die faktischen Abschiebeschutz im Sinn des § 19 Abs. 1 leg. cit. genossen, u.a. die Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 (FrG) über die Schubhaft keine Anwendung. In diesen asylrechtlichen "Altfällen" kommt die Verweisungsnorm des § 124 Abs. 2 FPG zum Tragen, der zufolge an die Stelle der von der Anwendung auf Asylwerber ausgenommenen Bestimmungen des FrG diejenigen des FPG treten. Somit sind die Bestimmungen des FPG über die Schubhaft auf Asylwerber, deren Verfahren nach dem AsylG idF der AsylG-Novelle 2003 zu Ende zu führen sind, grundsätzlich nicht anwendbar. Die im angefochtenen Bescheid zur Begründung der Rechtmäßigkeit der Schubhaft herangezogene Bestimmung des § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG kann daher nicht zum Tragen kommen (vgl. allgemein bereits das hg. Erkenntnis vom 25. April 2006, Zl. 2006/21/0039).

Der angefochtene Bescheid, der seine Beurteilung ausgehend von einer im Beschwerdefall nicht geltenden Rechtslage vorgenommen und darüber hinaus die Pflicht, zu überprüfen und nachvollziehbar darzulegen, inwiefern die Schubhaft notwendig gewesen sei, um den Sicherungszweck zu erreichen, verletzt hat, erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 24. Oktober 2007

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2006210043.X00

Im RIS seit

29.11.2007

Zuletzt aktualisiert am

21.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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