Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Arno Kempf, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, gegen die beklagte Partei S*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Scherbaum/Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen EUR 21.648,60 sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 16. Mai 2007, GZ 2 R 51/07y-66, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 10. Jänner 2007, GZ 11 Cg 165/04i-58, aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Klägerin (damals noch unter der Firmenbezeichnung „G***** Putz-Estrich-Fassaden") legte der Beklagten am 23. 1. 2003 ein Angebot betreffend das Bauvorhaben Kurzentrum B***** mit einer Gesamtbruttosumme von EUR 293.284,32, hierin enthalten unter anderem EUR 55.080,-- für
„Wärmedämmschüttung: zementgebundene Wärmedämmschüttung aus Prottelith. Prottelith wird seitens S***** [= Beklagte] beigestellt. 1020,00 m3, Preis EUR 54,-- (Summe EUR 55.080,--)".
Weiters heißt es im Angebot:
„Für die Durchführung der Arbeiten gelten hinsichtlich der Werkstoffe, der Arbeitsausführung, der Nebenleistungen, des Ausmaßes und der Rechnung die Bestimmungen der einschlägigen ÖNORMEN.
Eine vereinbarte Pauschale bezieht sich auf die im Auftrag (2002/360) festgehaltenen Massen. Eine Minderung oder Erhöhung der Massen wird mit den angeführten Einheitspreisen angepasst. Eventuell anfallende Heizmaßnahmen werden vom Auftraggeber übernommen..."
Bei diesem Angebot war sich die Klägerin nicht sicher, ob die angebotenen Kubikmeter auch tatsächlich vorliegen. Sie ging von den Erklärungen der Beklagten aus und führte selbst keine Nachmessungen durch. Die Klägerin verfasste deshalb „Änderungen und Ergänzungen zum Werkvertrag", die auf ausdrücklichen Wunsch der Klägerin von einem Mitarbeiter der Beklagten, dessen Aufgabenbereich die Auftragsvergabe und die Bauleitung umfasste und der zur Unterfertigung dieser Urkunde berechtigt war, am 12. 2. 2003 (auf der Urkunde selbst zufolge offensichtlichen Schreibfehlers unrichtig „2002") unterschrieben wurde und folgenden Wortlaut hat:
„1.) Sofern die im Werkvertrag angegebenen Massen mehr als 5 (fünf) % überschritten werden, erfolgt die Abgeltung der Mehrleistung zusätzlich zum Pauschalvertrag mit den Einheitspreisen des Angebotes der Fa. G***** (Klägerin).
2.) Das Verhandlungsprotokoll vom 07. 02. 03 bildet keine Grundlage für den Auftrag.
3.) Der Auftrag wird von der Firma G***** (Klägerin) entsprechend des Angebotes vom 23. 01. 03 ausgeführt. Zusatzarbeiten jeglicher Art werden entsprechend der ÖNORM B 2232 als Nebenleistungen ausgeführt bzw wenn notwendig als Hauptleistungen in einem entsprechenden Nachtrag angeboten."
Die Beklagte unterfertigte am 12. 2. 2003 auch einen Werkvertrag als Auftraggeberin, der von der Klägerin am 5. 3. 2003 unterschrieben wurde. Hierin heißt es unter anderem:
„Pauschalvertrag:
Wir erteilen Ihnen und Sie übernehmen auf Grund ihres Angebotes vom 23. 01. 2003 den Auftrag für nachstehende Lieferungen und Leistungen:
Die Estricharbeiten einschl. aller Zusatzarbeiten, die zur normgerechten Herstellung notwendig sind sowie das Erreichen der geforderten Werte für die Schallmessung.
Auftragsgrundlagen:
Folgende Vertragsgrundlagen, die integrierender Bestandteil des Vertrages sind, haben in nachstehender Reihenfolge Gültigkeit:
a) Dieses Auftragsschreiben mit allen darin enthaltenen Abmachungen,
b) Ihr darauf abgestimmtes Angebot, Ihr Zusatzangebot bzw. das Verhandlungsprotokoll,
c) die Ihnen bekannte Ausschreibung (Leistungsverzeichnis und Leistungsbeschreibung), die Bau- und Konstruktionspläne samt technischen Unterlagen,
c) die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Fa. S***** Bau GesmbH (Beklagte) samt Baustellenordnung,
d) die einschlägigen technischen ÖNORMEN, subsidiär die DIN-Normen, jedenfalls die Regeln der Technik.
Vertragsbestimmungen, die den vorliegenden widersprechen, haben keine Gültigkeit.
Auftragssumme:
Die Angebotssumme beträgt EUR 244.407,55; Auftragssumme netto EUR 244.407,55; zuzüglich 20 % Mehrwertsteuer EUR 48.881,51; Auftragssumme brutto EUR 293.289,06
Die Preise sind Festpreise.
...
Die Vergütungen Ihrer Leistungen erfolgen höchstens in dem Umfang, in dem sie von unserem Auftraggeber vergütet werden.
...
Zusätzliche Vereinbarungen:
Änderungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform, dies betrifft auch das Abgehen von der vereinbarten Schriftform".
Die Klägerin begann am 3. 3. 2003 mit den Arbeiten und beendete diese im Juli 2003; Material wurde vom 28. 2. bis 26. 6. 2003 bezogen.
Am 11. 6. 2003 übermittelte die Klägerin an die Beklagte eine Telefax-Nachricht mit folgendem Inhalt:
„Wir weisen vorsorglich darauf hin, dass bei der Pos. Wärmedämmschüttung eine Massenüberschreitung von 65-70 % zu erwarten ist. Wir bitten um Rückmeldung wegen Klärung und um die weitere Vorgangsweise zu besprechen."
Von der Klägerin wurden sodann drei Probefelder hergestellt, weil vermutet wurde, dass zu viel Material für die Schüttung aufgeht. Dabei stellte sich in Anwesenheit eines Vertreters der Firma P***** sowie des Poliers der Beklagten heraus, dass diese Probefelder mit der berechneten Menge nicht zur Gänze beschüttet werden konnten, also tatsächlich mehr Material benötigt wurde. Es ergab sich eine 40 %-ige Verdichtung des Materials. Der Vertreter der Firma P***** gab dazu keine Erklärung ab, und zwar auch nicht dahin, dass eine andere Form der Herstellung der Probefelder (Verdichtung) durchgeführt werden müsse. Die Herstellerangaben zur Verdichtung nennen einen Wert von 10 bis 20 %. Sowohl die Klägerin als zur Verarbeitung verpflichtete Vertragspartei als auch die Beklagte als zur Bereitstellung des Materials verpflichtete Vertragspartei machten die Herstellerangaben zur Grundlage ihrer Überlegungen und Kalkulationen.
Auf die Telefax-Nachricht der Klägerin vom 11. 6. 2003 reagierte die Beklagte nicht. Trotz Feststellung, dass mehr Material verbraucht werden wird, erstattete die Klägerin kein Nachtragsangebot.
Am 14. 8. 2003 legte die Klägerin die als „Schlussrechnung" bezeichnete Rechnung Nr 2003170 an die Beklagte, in der es unter anderem heißt:
„Text Preis Summe
....
Laut Werkvertrag
1,00 VE EUR 244.407,55 EUR 244.407,55 Mehrleistung
(Aufstellung siehe unten)
422,000 m3 EUR 54,00 (Summe) EUR 22.788,00,
Zwischensumme EUR 267.195,55
1.Teilrechnung ..... 01.04.03 .....EUR -74.864,33
2.Teilrechnung ..... 30.04.03 .....EUR -49.909,55
3.Teilrechnung ..... 18.06.03 .....EUR -70.752,16
4.Teilrechnung ..... 15.07.03 .....EUR -47.228,76
Nettosumme EUR 24.440,75
...
Bezugnehmend auf unser Schreiben vom 11. 06. 03 (Hinweis auf Massenüberschreitung) stellen wir lt. Werkvertrag samt Ergänzung vom 12. 02. 03 wie folgt fest:
Wärmedämmschüttung lt. Angebot vom 23. 01. 03: 1.020 m3."
Der bei der Beklagten mit der Abrechnung betraute Mitarbeiter strich die Position „Mehrleistung" mit der Summe EUR 22.788,-- aus der Rechnung und fügte handschriftlich „Pauschale" hinzu.
Gegenüber dem Bauherrn wurde von der Beklagten in einer Pauschale abgerechnet und erfolgte die Ausführung wie mit dem Bauherrn abgesprochen.
Mit Schreiben vom 5. 5. 2004 teilte die Klägerin der Beklagten unter anderem mit, die Korrektur der Schlussrechnung sei, „wie aus dem bisherigen Schriftverkehr hervorgeht", nicht anerkannt worden. Es werde Zahlungseingang binnen 8 Tagen erwartet.
Eine tatsächliche Überprüfung der eingebauten Menge an Prottelith ist nur auf Grund von Aufmaßen möglich. Eine solche Überprüfung würde nach Fertigstellung der Arbeiten zu einer Beschädigung der gesamten Bodenfläche führen.
In der ÖNORM B 2232 Estricharbeiten ist unter Punkt 5.5 „Aufmaß und Abrechnen" in Punkt 5.5.1.1 angegeben, dass „die Aufmaßfeststellung nach Längenmaß in Meter oder nach Flächenmaß in Quadratmeter oder nach Stück zu erfolgen" hat. Eine solche Abrechnung liegt nicht vor. Eine Abrechnung nach Lieferscheinen (hier betreffend die angeführte Menge an P*****) ist in dieser ÖNORM nicht vorgesehen.
Tatsächlich hat die Klägerin insgesamt 1442 m3 an losem Prottelith eingebracht. Wieviel Kubatur an verdichteter Wärmedämmschüttung anfiel, kann nicht festgestellt werden.
Punkt 5.30.2 („Annahme der Zahlung, Vorbehalt") der ÖNORM B 2110 lautet:
„Die Annahme der Schlusszahlung auf Grund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung schließt nachträgliche Forderungen für die vertragsgemäß erbrachten Leistungen aus, wenn nicht ein Vorbehalt in der Rechnung enthalten ist oder binnen 3 Monaten nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben wird. Der Vorbehalt ist schriftlich zu begründen.
Weicht die Schlusszahlung vom Rechnungsbetrag ab, beginnt die Frist von 3 Monaten frühestens mit schriftlicher Bekanntgabe der nachvollziehbaren Herleitung des Differenzbetrages."
Mit der am 6. 8. 2004 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin (unter Berücksichtigung eines Haftrücklasses von EUR 1.139,40) die Bezahlung von restlichen EUR 21.648,60 samt 9,47 % Zinsen seit 20. 9. 2003 aus der Schlussrechnung vom 14. 8. 2003; Laut „Ergänzung zum Werkvertrag" liege eine Massenüberschreitung um mehr als 5 % vor. Die Klägerin habe die zu erwartende Massenüberschreitung angezeigt, was von der Beklagten auch unwidersprochen zur Kenntnis genommen worden sei. Die Klägerin sei damit ihrer Warnpflicht nachgekommen. Die getroffene nachträgliche Vereinbarung gehe den AGB der Beklagten vor. Bis zum 11. 6. 2003 (Telefax-Nachricht) sei eine Massenüberschreitung nicht erkennbar gewesen. In der korrigierten Schlussrechnung seien die Mehrmengen nicht beanstandet worden; da ein Handelsgeschäft vorliege, liege insoweit ein Anerkenntnis vor. Das Klagebegehren wurde im Lauf des Verfahrens auch auf Schadenersatz sowie „jeglichen erdenklichen Rechtsgrund" gestützt.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritt den Eintritt von Massenüberschreitungen, insbesondere eine mehr als 5 %-ige Überschreitung. Durch die „Änderungen und Ergänzungen zum Werkvertrag" sei der Gedanke eines Pauschalvertrages mit pauschalierter Leistungsabrechnung nicht aufgegeben worden. Nach der im Werkvertrag festgelegten Reihenfolge der Gültigkeit des Vertragsinhaltes seien dem in der Hierarchie an oberster Stelle angeführten Werkvertrag widersprechende Bestimmungen ohne Gültigkeit. Nach der vereinbarten einschlägigen ÖNORM B 2232 sowie der baurechtlichen Praxis sei das eingebrachte Beschüttungsmaterial im verdichteten Zustand abzurechnen; eine Abrechnung nach Plänen und mit Ausmaßfeststellung sei nicht erfolgt, sodass die Klägerin einen allfälligen Anspruch auf Mehrleistung verwirkt habe. Die Klägerin habe es auch unterlassen, ein gemäß den AGB erforderliches Nachtragsangebot zu erstellen und eine schriftliche Auftragserweiterung abzuwarten. Weiters habe sie keinen schriftlichen Vorbehalt betreffend die Nichtzahlung der Schlussrechnung erhoben. Da die Schlussrechnung am 14. 8. 2003 gelegt und von der Beklagten am 2. 9. 2003 geprüft und retourniert worden sei, wobei die Klagsposition gestrichen und auch keinerlei Zahlung auf diese Schlussrechnung geleistet worden sei, wäre die Klägerin gehalten gewesen, spätestens im Dezember 2003 einen schriftlichen Vorbehalt zu erheben. Dies sei jedoch nicht geschehen, sodass Nachforderungen auf Grund der ÖNORM B 2110 verfristet seien.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die von einem Mitarbeiter der Beklagten unterfertigten „Änderungen und Ergänzungen zum Werkvertrag" zwischen den Streitteilen könnten keine Gültigkeit entfalten, weil am selben Tag von der Beklagten firmenmäßig der Werkvertrag unterfertigt worden sei, der von einer Pauschalvereinbarung ausgehe und die ausdrückliche Bestimmung enthalte, dass „Vertragsbestimmungen, die den vorliegenden widersprechen, keine Gültigkeit haben". Die Klägerin habe diesen Werkvertrag ihrerseits am 5. 3. 2003 unbeanstandet unterzeichnet. Sie habe zwar (durch die Telefax-Nachricht vom 11. 6. 2003) eine „Warnpflicht durchgeführt", jedoch ohne konkrete Angaben und ohne eine Reaktion (insbesondere eine Auftragserweiterung) abzuwarten. Auch hätte sie ein schriftliches Nachtrangsanbot stellen müssen, wie dies im Werkvertrag - entsprechend ihrem eigenen Angebot - vereinbart worden sei. Die Klägerin habe eine Vereinbarung, wonach sie die Abrechnung nach Kubikmetern durchführen könne, nicht unter Beweis gestellt. Auch sei keine der ÖNORM entsprechende Rechnungslegung erfolgt, weil eine Überprüfung der wesentlichen Faktoren (insbesondere betreffend das „Verdichtungsprozentual") im Nachhinein nicht mehr möglich sei. Da die Klage schon aus diesen Gründen abzuweisen sei, bedürfe es keiner Auseinandersetzung mit der Auslegung der Vertragsbestimmung, wonach die Vergütung der Leistungen der Klägerin höchstens in dem Umfang erfolge, in dem diese vom Auftraggeber der Beklagten vergütet werde, und ebenso wenig mit Punkt 5.30.2 der ÖNORM B 2110.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob die angefochtene Entscheidung des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurück. Es sprach weiters aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Hinsichtlich des von der Klägerin ebenfalls erhobenen Rekurses gegen das Ersturteil im Kostenpunkt verwies es die Klägerin auf den im Aufhebungsbeschluss ausgesprochenen Kostenvorbehalt.
Das Berufungsgericht ließ einzelne Punkte der Beweis- und Mängelrüge - da aus rechtlichen Erwägungen unbeachtlich - unbehandelt und führte in rechtlicher Hinsicht (zusammengefasst) aus:
Auf Grund des mehrfach wechselnden (vom Berufungsgericht ausführlich dargestellten) Vorbringens der Klägerin könne nicht abschließend beurteilt werden, worauf diese den Klagsbetrag stütze und wie sie ihn errechne. Es sei nur erkennbar, dass sie die Abgeltung ihres mit der Notwendigkeit einer höheren als der angenommenen Verdichtung verbundenen Mehraufwandes verlange. Das sich als „widersprüchlich und völlig unbestimmt", insgesamt sohin „als unschlüssig" erweisende Klagebegehren gebe daher Anlass zur Anregung einer Verbesserung im Sinn des § 182 ZPO, die vom Erstgericht versäumt worden sei. Da auch weitere Erörterungen bisher von den Parteien nicht bedachter, vom Berufungsgericht im Einzelnen dargestellter Gesichtspunkte notwendig seien, erweise sich die Aufhebung des Ersturteils samt Zurückverweisung an dieses als unumgänglich.Auf Grund des mehrfach wechselnden (vom Berufungsgericht ausführlich dargestellten) Vorbringens der Klägerin könne nicht abschließend beurteilt werden, worauf diese den Klagsbetrag stütze und wie sie ihn errechne. Es sei nur erkennbar, dass sie die Abgeltung ihres mit der Notwendigkeit einer höheren als der angenommenen Verdichtung verbundenen Mehraufwandes verlange. Das sich als „widersprüchlich und völlig unbestimmt", insgesamt sohin „als unschlüssig" erweisende Klagebegehren gebe daher Anlass zur Anregung einer Verbesserung im Sinn des Paragraph 182, ZPO, die vom Erstgericht versäumt worden sei. Da auch weitere Erörterungen bisher von den Parteien nicht bedachter, vom Berufungsgericht im Einzelnen dargestellter Gesichtspunkte notwendig seien, erweise sich die Aufhebung des Ersturteils samt Zurückverweisung an dieses als unumgänglich.
In der im Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes und in der Rekursbeantwortung allein an den Obersten Gerichtshof herangetragenen Rechtsfrage der Anspruchsverfristung wegen des Fehlens eines schriftlichen „Vorbehaltes" der Klägerin gemäß Punkt 5.30.2 der ÖNORM B 2110 zur korrigierten Schlussrechnung führte das Berufungsgericht Folgendes aus:
Der Fall, dass der Auftragnehmer vorweg bei der Schlussrechnung zu wenig in Rechnung gestellt habe, liege hier nicht vor, weil die Klägerin keine über die Schlussrechnung hinausgehende Forderung einklage. Schon aus dem zweiten Absatz der ÖNORM-Bestimmung ergebe sich, dass diese Regelung auch für den Fall gelte, dass der Auftraggeber vom Schlussrechnungsbetrag Abstriche vorgenommen und entsprechend weniger bezahlt habe, der Auftragnehmer aber auch diese geringere Schlusszahlung angenommen habe. Sie knüpfe also nach ihrem Wortlaut eindeutig an der Annahme einer Teil- als Schlusszahlung auf Grund einer Schlussrechnung durch den Auftragnehmer an, was hier aber nicht gegeben sei. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte nämlich überhaupt keine Zahlung auf die Schlussrechnung geleistet, weil sie die verrechnete Mehrleistung von Netto EUR 24.440,75 als zur Gänze unberechtigt gesehen habe. Daher fehle es an der Grundvoraussetzung für die Auslösung der Verpflichtung der Klägerin zur Abgabe eines Vorbehaltes, also der Erklärung, trotz Annahme der Minderzahlung auch noch den Differenzbetrag fordern zu wollen, sodass eine Anwendung dieser Bestimmung auf den vorliegenden Sachverhalt ausscheide. Seitens der Klägerin sei gar kein aktives, der Annahme einer Teilzahlung vergleichbares Verhalten gesetzt worden, das den Schluss rechtfertigen würde, sie halte ihre Forderung aus der Schlussrechnung wegen der Reaktion der Beklagten nicht (mehr) aufrecht.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt, weil nach dessen Rechtsprechung die wesentliche Funktion der ÖNORM-Bestimmung darin bestehe, darauf hinzuwirken, dass strittige Forderungen bei Bauprojekten mit zumeist hohen Auftragssummen möglichst innerhalb kurzer Zeit geklärt werden und der Auftraggeber innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes das gesamte Ausmaß seiner Verpflichtungen überschauen und erfahren könne. Stelle man diesen Zweck der Regelung in den Vordergrund, könne auch die Ansicht vertreten werden, dass auch bei Verweigerung jeglicher Zahlung auf die Schlussrechnung der Auftragnehmer einen Vorbehalt erheben müsse.
Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richtet sich der auf unrichtige rechtliche Beurteilung gestützte Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung aufzuheben und das Ersturteil wiederherzustellen.
Die Klägerin beantragt in ihrer „Revisionsrekursbeantwortung" (richtig: Rekursbeantwortung), dem Rekurs keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Anwendbarkeit der ÖNORM B 2110 Punkt 5.30.2 auf einen Fall wie dem vorliegenden - es erfolgte überhaupt keine Zahlung auf die „Schlussrechnung" - fehlt. Er ist aber nicht berechtigt.
Die Rechtsmittelwerberin vertritt den Standpunkt, dass die Klägerin dazu verhalten gewesen wäre, auf Grund der genannten ÖNORM-Bestimmung spätestens am 2. 12. 2003, also drei Monate nach Zugang der Rechnungskorrektur (vom 2. 9. 2003), einen schriftlich begründeten Vorbehalt gegen die Rechnungskürzung zu erheben; da dies nicht geschehen sei, sei die diesbezügliche Nachforderung verfristet, habe die Klägerin der Beklagten doch erst mit Schreiben vom 5. 5. 2004 mitgeteilt, die Korrektur der Schlussrechnung vom 2. 9. 2003 nicht anzuerkennen und erst am 6. 8. 2004 schließlich diesen Betrag auch klageweise geltend gemacht.
Die Klägerin hingegen vertritt hiezu den Standpunkt, dass von einem schlüssig zustandegekommenen Zusatzauftrag (über die Mehrmenge an Prottelith-Verbrauch) auszugehen sei. Da der Werkvertrag und die Zusatzvereinbarung bereits am 12. 12. 2003 unterfertigt worden seien, sei die ÖNORM B 2110 idF vom 1. 3. 2002, nicht jedoch idF vom 1. 3. 2003 anzuwenden. Dass die Klägerin eine über die Schlussrechnung hinausgehende Forderung eingeklagt habe, sei unrichtig; es liege keine „Nachverrechnung" vor, sondern es bewege sich die konkrete Abrechnung der Mehrleistungen im Rahmen des zumindest schlüssig zustandegekommenen Nachtragsauftrages. Selbst nach einer (nicht gerechtfertigten) Korrektur des Auftraggebers bedürfe es hiefür keines Vorbehaltes. Die Mehrleistungen seien mit Zustimmung des Auftraggebers erbracht worden, daher wäre die Abweisung unbillig und sittenwidrig.Die Klägerin hingegen vertritt hiezu den Standpunkt, dass von einem schlüssig zustandegekommenen Zusatzauftrag (über die Mehrmenge an Prottelith-Verbrauch) auszugehen sei. Da der Werkvertrag und die Zusatzvereinbarung bereits am 12. 12. 2003 unterfertigt worden seien, sei die ÖNORM B 2110 in der Fassung vom 1. 3. 2002, nicht jedoch in der Fassung vom 1. 3. 2003 anzuwenden. Dass die Klägerin eine über die Schlussrechnung hinausgehende Forderung eingeklagt habe, sei unrichtig; es liege keine „Nachverrechnung" vor, sondern es bewege sich die konkrete Abrechnung der Mehrleistungen im Rahmen des zumindest schlüssig zustandegekommenen Nachtragsauftrages. Selbst nach einer (nicht gerechtfertigten) Korrektur des Auftraggebers bedürfe es hiefür keines Vorbehaltes. Die Mehrleistungen seien mit Zustimmung des Auftraggebers erbracht worden, daher wäre die Abweisung unbillig und sittenwidrig.
Hiezu ist auszuführen:
Sittenwidrigkeit wurde von der Klägerin in erster Instanz nicht geltend gemacht; derartiges müsste aber vorgebracht werden und ist nicht von Amts wegen aufzugreifen (1 Ob 273/02g; RIS-Justiz RS0016446; RS0016452). Die bloße Bestreitung einer Vertragspflicht ist für sich noch nicht sittenwidrig. Der diesbezügliche Einwand in der Rekursbeantwortung verstößt damit gegen das Neuerungsverbot des § 504 Abs 2 ZPO (RIS-Justiz RS0016481). Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof bereits die Sittenwidrigkeit der strittigen Klausel verneint.Sittenwidrigkeit wurde von der Klägerin in erster Instanz nicht geltend gemacht; derartiges müsste aber vorgebracht werden und ist nicht von Amts wegen aufzugreifen (1 Ob 273/02g; RIS-Justiz RS0016446; RS0016452). Die bloße Bestreitung einer Vertragspflicht ist für sich noch nicht sittenwidrig. Der diesbezügliche Einwand in der Rekursbeantwortung verstößt damit gegen das Neuerungsverbot des Paragraph 504, Absatz 2, ZPO (RIS-Justiz RS0016481). Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof bereits die Sittenwidrigkeit der strittigen Klausel verneint.
Welcher inhaltliche Unterschied zwischen der Regelung der ÖNORM B 2110 vor und nach dem 1. 3. 2003 bestehen soll, ist unerfindlich, da für beide Zeitpunkte dieselbe Fassung der den rechtlichen Rahmen für Bauverträge bildenden ÖNORM B 2110 gilt.
Die Geltung dieser ÖNORM an sich wird auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Sie ergibt sich als Vertragsbestandteil zwischen den Parteien aus der Aufzählung der „Auftragsgrundlagen" im Werkvertrag vom 12. 2./5. 3. 2003. Auch aus der auf Ersuchen der Klägerin von einem hiezu berechtigten Mitarbeiter der Beklagten unterfertigten Zusatzurkunde „Änderungen und Ergänzungen zum Werkvertrag" vom 12. 2. 2003 ergibt sich nichts Gegenteiliges. Strittig ist nur die Anwendung und Auslegung ihrer Vorbehaltsklausel (Schlussrechnungsvorbehalt) nach Punkt 5.30.2.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits in mehreren, jeweils Sachverhalte aus dem Bauvertragsrecht betreffenden Entscheidungen zur Vorbehaltsregel der ÖNORM B 2110 und zur vergleichbaren Regel der ÖNORM A 2060 ausgesprochen, dass die einem Auftragnehmer übersendete Korrektur seiner Schlussrechnung den Erklärungswert hat, dass der Auftraggeber ihm auf Grund der berechtigten Abzüge nichts mehr schulde (5 Ob 69/05s mwN). Die Vorbehaltsregel erfasst nicht bloß den Fall, dass der Auftragnehmer vorweg bei der Schluss- oder Teilschlussrechnung zu wenig in Rechnung stellt, sondern auch jenen Fall, dass die geleistete Zahlung durch den Auftraggeber vom Rechnungsbetrag abweicht, was sich auch schon aus der Einordnung im Abschnitt über „Zahlungen" zeigt, und damit auch die Forderung nach einem fristgerechten Vorbehalt innerhalb einer bestimmten Frist auslöst (7 Ob 68/98b). Wird auf Grund einer korrigierten Schlussrechnung mit Abstrichen weniger bezahlt, dann zieht dies den Ausschluss von Nachforderungen nach sich, sofern der Auftragnehmer keinen Vorbehalt macht. Unter „Korrekturen" sind dabei auch Minderzahlungen, nämlich Kürzungen zu verstehen, die sich (wie hier) auf Leistungsumfang und Entgelt beziehen (5 Ob 69/05s; RIS-Justiz RS0070863). Diese Auslegung ist vom Zweck der vertraglichen Bestimmung her geboten, weil dadurch die Rechtslage bei Bauprojekten mit zumeist hohen Auftragssummen möglichst innerhalb kurzer Zeit geklärt und zu diesem Zweck die gesetzliche Verjährungsfrist abgekürzt werden soll; der Auftraggeber soll zu einem möglichst frühen Zeitpunkt das gesamte Ausmaß seiner Verpflichtungen überschauen und erfahren können (5 Ob 69/05s; 6 Ob 566/95 = ecolex 1995, 891; 7 Ob 68/95w = RdW 1998, 456; 8 Ob 109/04v = bbl 2005, 132 = EvBl 2005/123). Die Übergabe einer mit den Korrekturen versehenen Rechnung wird hiebei für die Fristauslösung als ausreichend angesehen (8 Ob 84/05v mwN; Straube/Aicher, Handbuch Bauvertrags- und Bauhaftungsrecht II, Abschnitt 3.10).Der Oberste Gerichtshof hat bereits in mehreren, jeweils Sachverhalte aus dem Bauvertragsrecht betreffenden Entscheidungen zur Vorbehaltsregel der ÖNORM B 2110 und zur vergleichbaren Regel der ÖNORM A 2060 ausgesprochen, dass die einem Auftragnehmer übersendete Korrektur seiner Schlussrechnung den Erklärungswert hat, dass der Auftraggeber ihm auf Grund der berechtigten Abzüge nichts mehr schulde (5 Ob 69/05s mwN). Die Vorbehaltsregel erfasst nicht bloß den Fall, dass der Auftragnehmer vorweg bei der Schluss- oder Teilschlussrechnung zu wenig in Rechnung stellt, sondern auch jenen Fall, dass die geleistete Zahlung durch den Auftraggeber vom Rechnungsbetrag abweicht, was sich auch schon aus der Einordnung im Abschnitt über „Zahlungen" zeigt, und damit auch die Forderung nach einem fristgerechten Vorbehalt innerhalb einer bestimmten Frist auslöst (7 Ob 68/98b). Wird auf Grund einer korrigierten Schlussrechnung mit Abstrichen weniger bezahlt, dann zieht dies den Ausschluss von Nachforderungen nach sich, sofern der Auftragnehmer keinen Vorbehalt macht. Unter „Korrekturen" sind dabei auch Minderzahlungen, nämlich Kürzungen zu verstehen, die sich (wie hier) auf Leistungsumfang und Entgelt beziehen (5 Ob 69/05s; RIS-Justiz RS0070863). Diese Auslegung ist vom Zweck der vertraglichen Bestimmung her geboten, weil dadurch die Rechtslage bei Bauprojekten mit zumeist hohen Auftragssummen möglichst innerhalb kurzer Zeit geklärt und zu diesem Zweck die gesetzliche Verjährungsfrist abgekürzt werden soll; der Auftraggeber soll zu einem möglichst frühen Zeitpunkt das gesamte Ausmaß seiner Verpflichtungen überschauen und erfahren können (5 Ob 69/05s; 6 Ob 566/95 = ecolex 1995, 891; 7 Ob 68/95w = RdW 1998, 456; 8 Ob 109/04v = bbl 2005, 132 = EvBl 2005/123). Die Übergabe einer mit den Korrekturen versehenen Rechnung wird hiebei für die Fristauslösung als ausreichend angesehen (8 Ob 84/05v mwN; Straube/Aicher, Handbuch Bauvertrags- und Bauhaftungsrecht römisch II, Abschnitt 3.10).
Diese Judikatur bedarf in Bezug auf den vorliegenden Fall jedoch folgender Präzisierung:
Ausgehend vom Wortlaut der maßgeblichen Ö-Norm-Bestimmung (5.30.2), wonach sowohl in der Überschrift als auch im Text ausdrücklich auf die „Annahme der Zahlung" abgestellt wird und nicht auf die Kürzung der Rechnung schlechthin, misst die Ö-Norm die Bedeutung eines Rechtsverzichts auch nur der Annahme der Zahlung (bei fehlendem Vorbehalt) bei. Insoweit ist die Bestimmung - am Wortlaut orientiert - eng (restriktiv) auszulegen (vgl RIS-Jusitz RS0008903). Demgemäß geht daher die von Kropik in Straube/Aicher, aaO Abschnitt 3.3.10 (vgl auch Karasek, ÖNORM B 2110 [2003] Rz 726) geforderte Gleichstellung einer geleisteten (Teil-)Schlusszahlung mit einer „endgültigen Ablehnung weiterer Zahlungen" über den (engen) Wortlaut der Ö-Norm-Bestimmung hinaus und kann ihr daher nicht gefolgt werden. Selbst die Ansicht der Rekurswerberin, ihr Verhalten sei von der Klägerin eindeutig als endgültige Ablehnung weiterer Zahlungen zu verstehen gewesen und daher einer Schlusszahlung im Sinn des Punkts 5.30.2 gleichzusetzen, ändert daran nichts, weil Schweigen allein nicht im Sinn der ÖNORM-Klausel als Zustimmung verstanden werden kann.Ausgehend vom Wortlaut der maßgeblichen Ö-Norm-Bestimmung (5.30.2), wonach sowohl in der Überschrift als auch im Text ausdrücklich auf die „Annahme der Zahlung" abgestellt wird und nicht auf die Kürzung der Rechnung schlechthin, misst die Ö-Norm die Bedeutung eines Rechtsverzichts auch nur der Annahme der Zahlung (bei fehlendem Vorbehalt) bei. Insoweit ist die Bestimmung - am Wortlaut orientiert - eng (restriktiv) auszulegen vergleiche RIS-Jusitz RS0008903). Demgemäß geht daher die von Kropik in Straube/Aicher, aaO Abschnitt 3.3.10 vergleiche auch Karasek, ÖNORM B 2110 [2003] Rz 726) geforderte Gleichstellung einer geleisteten (Teil-)Schlusszahlung mit einer „endgültigen Ablehnung weiterer Zahlungen" über den (engen) Wortlaut der Ö-Norm-Bestimmung hinaus und kann ihr daher nicht gefolgt werden. Selbst die Ansicht der Rekurswerberin, ihr Verhalten sei von der Klägerin eindeutig als endgültige Ablehnung weiterer Zahlungen zu verstehen gewesen und daher einer Schlusszahlung im Sinn des Punkts 5.30.2 gleichzusetzen, ändert daran nichts, weil Schweigen allein nicht im Sinn der ÖNORM-Klausel als Zustimmung verstanden werden kann.
Die dem Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts zugrundeliegende Rechtsansicht ist somit richtig. Die dem Tatsachenbereich zuzuzählenden Erwägungen, welche das Berufungsgericht zu seinen Ergänzungsaufträgen bewogen, sind vom Obersten Gerichtshof, der selbst nicht Tatsacheninstanz ist, nicht weiter zu beurteilen (RIS-Justiz RS0043814).
Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.Der Kostenvorbehalt stützt sich auf Paragraph 52, Absatz eins, ZPO.
Textnummer
E86216European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2007:0070OB00208.07Z.1128.000Im RIS seit
28.12.2007Zuletzt aktualisiert am
08.06.2021