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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1997 §14 Abs2;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):2007/21/0204 E 24. Oktober 2007Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des M, vertreten durch Simma Rechtsanwälte GmbH in 6850 Dornbirn, Marktplatz 9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. November 2006, Zl. 315.484/2-III/4/06, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung; das von ihm unterfertigte Antragsformular wurde am 14. Dezember 2005 von seiner Adoptivmutter bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz überreicht.
Mit Bescheid vom 16. März 2006 wies die Bezirkshauptmannschaft Bregenz namens des Landeshauptmannes von Vorarlberg den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 19 Abs. 1 und § 21 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG zurück. Antragsvoraussetzung "gemäß NAG 2005" sei, dass Anträge vor der Einreise persönlich bei der zuständigen österreichischen Vertretungsbehörde gestellt würden; die Entscheidung sei im Ausland abzuwarten. Der Beschwerdeführer habe den Antrag im Inland "durch seine Stiefmutter" einbringen lassen, weshalb er als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.
Die dagegen erhobene Berufung wies die belangte Behörde gemäß "§ 21 Abs. 1 und 2" NAG ab. Es stehe "eindeutig fest", dass die Adoptivmutter des Beschwerdeführers für diesen den Antrag im Inland gestellt habe und dass sich der Beschwerdeführer vor, während und nach der Antragstellung in Österreich aufgehalten habe.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:
Die belangte Behörde ging davon aus, dass der Beschwerdeführer bei Einbringung seines Niederlassungsantrages im Inland aufhältig gewesen sei und sich auch nach der Antragstellung weiter in Österreich aufgehalten habe. Das folgerte sie aus einer seit 10. Dezember 2001 aufrechten Meldung des Beschwerdeführers an einer österreichischen Adresse; im Hinblick auf diese Meldung könne den gegenteiligen Berufungsausführungen des Beschwerdeführers kein Glaube geschenkt werden, zumal er "keine dementsprechenden Beweise bzw. Dokumentationen über einen etwaigen Auslandsaufenthalt" vorgelegt habe.
Diese Überlegung der belangten Behörde lässt wesentliche Gesichtspunkte unberücksichtigt, vor allem die mit dem Niederlassungsantrag vorgelegte Bescheinigung einer bosnischen Polizeistation vom 8. Dezember 2005, in der u.a. festgehalten ist, dass der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz in Bosnien-Herzegowina habe, eine Stellungnahme des Bürgermeisters der Gemeinde Fußach vom 16. Jänner 2006, wonach der Beschwerdeführer (bisher) nicht in Österreich gelebt habe, und schließlich den internationalen Rückschein betreffend die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, dem zufolge dieser Bescheid vom Beschwerdeführer persönlich in Bosnien-Herzegowina in Empfang genommen wurde. In ihrer Gegenschrift räumt die belangte Behörde nunmehr unter Bezugnahme auf mittlerweile erfolgte polizeiliche Erhebungen selbst ein, dass ihre Annahme über einen Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers "nicht den Tatsachen entsprochen haben dürfte". Wenn sie ungeachtet dessen zur Rechtfertigung ihres Ergebnisses auf die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers verweist, sind ihr die eben aufgezeigten Umstände entgegen zu halten, die es ihr keineswegs gestatteten, ohne weitere Ermittlungen zu Grunde zu legen, der Beschwerdeführer habe sich "vor, während und nach der Antragstellung" in Österreich aufgehalten (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) zu § 39 AVG unter E 221 ff zitierte hg. Judikatur).
Der gegenständliche Antrag wurde von der Adoptivmutter des Beschwerdeführers am 14. Dezember 2005 bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz eingebracht und war am 31. Dezember 2005 noch nicht erledigt. Das Verfahren war daher zufolge § 81 Abs. 1 NAG nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. § 21 Abs. 1 NAG normiert, dass Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen sind; die Entscheidung ist im Ausland abzuwarten. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, handelt es sich bei der in dieser Bestimmung normierten Verpflichtung, den Antrag im Ausland zu stellen und das Verfahren im Ausland abzuwarten, nicht um ein bloßes Formalerfordernis, sondern um eine "Erfolgsvoraussetzung" (siehe etwa das hg. Erkenntnis vom 13. Februar 2007, Zl. 2007/18/0036). Ein Formalerfordernis stellt es indes dar, dass - wie in § 19 Abs. 1 erster Satz vorgesehen - Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels - anders als nach der bis zum 31. Dezember 2005 geltenden Rechtslage nach dem Fremdengesetz 1997 (siehe dazu § 14 Abs. 2 und 3 dieses Gesetzes) -
persönlich bei der Behörde (im Fall des § 21 Abs. 1 bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland) zu stellen sind. Auf derartige Formalerfordernisse nehmen die ErläutRV zu § 81 NAG (952 BlgNR 22. GP 149) ausdrücklich wie folgt Bezug:
"Zusätzliche Formalvoraussetzungen, deren Erfüllung im Falle eines Antrages nach den Bestimmungen des NAG erforderlich wäre, die aber zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrages nach den Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 für dessen Gültigkeit nicht vorgesehen waren, dürfen jedenfalls von der nunmehr zuständigen Behörde nicht zu Ungunsten des Antragstellers zu einer Zurückweisung seines Antrags aus diesen formalen Gründen führen."
Wie sich schon aus diesen Gesetzesmaterialien unzweideutig ergibt, durfte die Zurückweisung des Niederlassungsantrages des Beschwerdeführers also nicht darauf gestützt werden, dass er bei Antragstellung im Dezember 2005 noch nicht die Formalerfordernisse des § 19 Abs. 1 erster Satz NAG erfüllte. Das hat die belangte Behörde, die ungeachtet der eingangs dargestellten Fassung des Spruchs der angefochtenen Entscheidung in der Begründung ihres Bescheides auch auf diese Gesetzesbestimmung Bezug nahm und - insoweit konsequent - die erstinstanzliche Zurückweisung des Antrages bestätigte (auch in der Gegenschrift wird der Sache nach mit § 19 Abs. 1 erster Satz NAG argumentiert), verkannt, weshalb der angefochtene Bescheid wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 24. Oktober 2007
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Besondere RechtsgebieteAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2007210040.X00Im RIS seit
29.11.2007Zuletzt aktualisiert am
06.03.2009