Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen EUR 31.023,81 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 29. Jänner 2007, GZ 4 R 272/06s-14, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 5. September 2006, GZ 40 Cg 32/06a-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.305,30 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Bezirksgericht S***** hatte auf Anregung eines Beamten der Sozialabteilung der Gemeinde den Mitarbeiter einer Sozialeinrichtung, Mario S*****, zum Sachwalter für Markus M***** als Betroffenen zur Besorgung aller Angelegenheiten bestellt. S***** hatte zum Zeitpunkt seiner Bestellung zum Sachwalter 19 Vorstrafen, darunter Suchtmittel- und Vermögensdelikte; er befand sich wegen Suchtmittelabhängigkeit im Methadonprogramm. Mit Schreiben vom 25. 6. 2003 teilte der Sozialverein, bei dem der Sachwalter beschäftigt gewesen war, dem Bezirksgericht S***** mit, dass dieser nicht mehr dort beschäftigt sei. Der Bezirksrichter verfügte daraufhin die Vorladung des Sachwalters zur Erstattung des Jahresberichts für 28. 7. 2003. Zu diesem Termin entschuldigte sich der Sachwalter wegen Urlaubs. Den weiteren Ladungen für 11. 8. und 3. 10. 2003 leistete er nicht Folge. Der Richter verfügte daraufhin die weitere Bearbeitung des Aktes durch die zuständige Rechtspflegerin, welche die Verfügung „Fristvormerk 5/2004 bleibt, Akt einlegen" vornahm. Am 16. 12. 2003 schloss der Sachwalter für den Betroffenen bei der Raika S***** reg. Gen.m.b.H. einen Kreditvertrag über EUR 30.000, welche auf das für den Betroffenen geführte Konto gutgeschrieben wurden. Der Sachwalter behob in den nächsten Monaten von diesem Konto insgesamt EUR 26.060 und verfügte mittels Überweisungen über weitere EUR 4.058,93, ohne dass diese Beträge dem Betroffenen zukamen. Nach Aufdeckung dieser Machenschaften versagte das Bezirksgericht S***** mit Beschluss vom 30. 3. 2004 dem Kreditvertrag die sachwalterschaftsgerichtliche Genehmigung. Der Sachwalter wurde unter anderem wegen der dargestellten Vorgänge wegen der Verbrechen der Untreue und des schweren gewerbsmäßigen Betrugs zu einer vierjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Der Betroffene hat der Klägerin seine Ersatzansprüche gegen den Sachwalter und die Beklagte gegen Bezahlung von EUR 100 abgetreten. Die Klägerin ist Betriebshaftpflichtversicherin der Kreditgeberin.
Die Klägerin begehrte den Klagsbetrag von der Beklagten aus dem Titel der Amtshaftung. Der Bezirksrichter habe Mario S***** zum Sachwalter bestellt, ohne weitere Erhebungen zu pflegen. Nach der Sachwalterbestellung habe das Bezirksgericht S***** seine Überwachungs- und Aufsichtspflicht verletzt und trotz zur Beunruhigung Anlass gebender Umstände Mario S***** zunächst nicht seines Amtes enthoben. Der Sachwalterbestellungsbeschluss vom 6. 12. 2001 sei so formuliert gewesen, dass der zuständige Sachbearbeiter der Raika S***** reg. Gen.m.b.H. angenommen habe und annehmen habe dürfen, dass der Sachwalter auch Kreditverträge über EUR 30.000 ohne Genehmigung des Gerichts für den Betroffenen abschließen dürfe. Die Verhinderung des der Raika S***** reg. Gen.m.b.H. infolge der Nichtigkeit des Kreditvertrags entstandenen Schadens sei vom Schutzzweck der Bestellungs- und Überwachungsvorschriften des Sachwalterschaftsrechts umfasst. Das Gesetz wolle nämlich sämtliche Verkehrskreise schützen, mit denen behinderte Personen in Berührung kämen. Das Verhalten des Richters des Bezirksgerichts S***** sei als schuldhaft zu beurteilen. Unter Berücksichtigung diverser Kosten sei der Raika S***** reg. Gen.m.b.H. insgesamt ein Schaden von EUR 35.726 entstanden. Nach Abzug eines Selbstbehalts von EUR 726 und eines aus der Kreditvaluta rückgeführten Betrags von EUR 3.976,19 habe die Klägerin eine Versicherungsleistung in Höhe des Klagsbetrags erbringen müssen.
Die Beklagte wendete ein, vom Zeitpunkt der Bestellung des Sachwalters bis zur Aufdeckung der von ihm getätigten Machenschaften hätten sich keine ausreichenden Anhaltspunkte für dessen mangelnde Eignung als Sachwalter und die Notwendigkeit der Abberufung ergeben. Es liege daher weder ein schuldhaftes noch rechtswidriges Verhalten der Organe der Beklagten vor. Die Bestimmungen über die Sachwalterschaft sollten nicht die Interessen Dritter, wie etwa der Raiffeisenkasse, schützen. Zwischen einer allfälligen Verletzung von Normen des Sachwalterschaftsrechts und den von der Klägerin behaupteten Schäden bestehe kein Rechtswidrigkeitszusammenhang. Dem Betroffenen sei kein Schaden entstanden. Die Raiffeisenkasse S***** reg. Gen.m.b.H. habe den ihr erwachsenen Schaden selbst zu vertreten, weil sie den Kredit ohne Vorliegen einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung ausbezahlt habe.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Es sei nicht hervorgekommen, dass der Betroffene durch die Zuzählung der Kreditvaluta und die Rückabwicklung des nichtigen Kreditgeschäfts in irgendeiner Weise belastet worden wäre. Es mangle daher für die Geltendmachung eines Ersatzanspruchs an einem Schaden. Im Übrigen diene das Sachwalterschaftsrecht den Interessen des Betroffenen, während die Raika S***** reg. Gen.m.b.H. nicht vom Schutzzweck der entsprechenden Normen umfasst sei.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und sprach aus, dass die Revision zulässig sei. Mangels Wirksamkeit des Kreditvertrags habe der Betroffene keinen Anspruch auf Auszahlung des auf seinem Konto durch die Kreditvaluta bestehenden Guthabens gehabt. Dass dieses dennoch (an den Sachwalter) ausbezahlt worden sei, habe den Betroffenen nicht belastet, weil er in sinngemäßer Anwendung des § 1424 Satz 2 ABGB nicht verpflichtet gewesen sei, die vom Sachwalter in Missbrauch seiner Vertretungsmacht verwendeten Beträge der Kreditgeberin zurückzuerstatten. Eine Rückzahlungsverpflichtung hätte nur im Umfang eines beim Betroffenen entstandenen Nutzens bestehen können, sodass auch diesfalls für den Betroffenen kein Schaden entstanden sei. Dass dem Betroffenen unabhängig davon ein Schaden oder sonstiger finanzieller Nachteil, etwa in Form einer Bereicherungsverbindlichkeit, entstanden wäre, habe die Klägerin nicht geltend gemacht. Vielmehr habe das Erstgericht völlig zu Recht ausgeführt, dass dem Betroffenen in diesem Zusammenhang keinerlei finanzielle Nachteile entstanden seien. Sohin habe der Betroffene in diese Richtung gehende Ansprüche auch nicht an die Klägerin abtreten können, sodass sie ihr Begehren nicht auf die behauptete rechtsgeschäftliche Zession stützen könne. Der durch die pflichtwidrige Verwendung der vom Sachwalter behobenen Beträge entstandene Nachteil sei vielmehr bei der Kreditgeberin eingetreten, weil diese gegen den Betroffenen nur soweit einen Rückzahlungsanspruch gehabt hätte, als der Geldbetrag bei ihm noch vorhanden gewesen oder zu seinem Nutzen verwendet worden wäre. Da dies nicht der Fall sei, hätte die Kreditgeberin einen Rückzahlungsanspruch gegen den Betroffenen nicht durchsetzen können. Es möge sein, dass unter gewissen Umständen der Betroffene zur Rückzahlung des Betrags verpflichtet hätte sein können, wenn nicht § 1424 Satz 2 ABGB analog anzuwenden wäre, doch stelle sich diese Frage nicht, weil diese Bestimmung inhaltlich tatsächlich zum Tragen komme. Auch wenn der Schadenseintritt bei der Kreditgeberin zu bejahen sei, stehe dieser kein (auf die Klägerin übergegangener) Ersatzanspruch gegen die Beklagte zu. Das Erstgericht habe nämlich zu Recht das Vorliegen eines Rechtswidrigkeitszusammenhangs verneint. In ständiger Rechtsprechung werde die Auffassung vertreten, dass der Vormund bzw. Sachwalter keine gesetzlichen Sorgfaltspflichten gegenüber Dritten zu erfüllen habe, bezweckten doch die von einem Sachwalter zu beachtenden Verhaltenspflichten nur den Schutz des Betroffenen vor Rechtsnachteilen als Subjekt der Sachwalterschaft, so insbesondere auch vor allfälligen Vermögensnachteilen. Deren Zweck sei es dagegen nicht, Dritte vor Vermögensschäden zu bewahren, die sie im direkten rechtlichen Verkehr mit dem Betroffenen auf Grund eigener Nachlässigkeit erleiden. Konsequenterweise müssten diese Grundsätze nicht nur für die von einem Sachwalter zu beachtenden Verhaltenspflichten, sondern auch für jene gelten, die das Gericht bei der Bestellung und Überwachung bzw. Kontrolle des Sachwalters zu beachten habe. Es könne nicht Aufgabe des Sachwalterschaftsrechts sein, dem Rechtsverkehr immanente Gefahren auszuschalten oder zu minimieren. Da das Handeln durch Stellvertreter in verschiedensten Ausprägungen im Rechtsverkehr durchaus üblich sei, werde durch die Bestellung eines Sachwalters für einen Betroffenen auch nicht jene Gefahr erhöht, die sonst mit dem Abschluss eines Rechtsgeschäfts mit einem durch einen Stellvertreter vertretenen Geschäftspartner üblicherweise bestehe. Aus § 281 Abs 1 und 2 ABGB (aF) ergebe sich auch unmissverständlich, dass bei der Auswahl des Sachwalters auf das Wohl des Betroffenen abzustellen sei, während sonstige Kriterien, die auf den Schutz Dritter abstellten, nicht normiert würden. Es könne sich daher auch niemand darauf berufen, dass durch die Sachwalterbestellung ein Anschein geschaffen werde, aus dem ein Dritter auf eine erhöhte Vertrauenswürdigkeit des Sachwalters abstellen und auf eigene Vorsichtsmaßnahmen verzichten könnte. Auch der im Sachwalterbestellungsbeschluss gewählte Wortlaut sei nicht geeignet, Ansprüche der Klägerin zu begründen. Vielmehr ergebe sich daraus im Einklang mit § 244 Z 2 und 3 AußStrG aF, dass der Betroffene nicht berechtigt gewesen sei, selbst frei zu verfügen oder sich zu verpflichten, vielmehr, dass der Sachwalter berechtigt gewesen sei, für den Betroffenen Vermögensangelegenheiten zu erledigen, wie etwa auch einen Kreditvertrag abzuschließen. Diese Bestimmung sage aber noch nichts darüber aus, ob ein vom Sachwalter abgeschlossener Vertrag der gerichtlichen Genehmigung bedurft hätte. Von einem mit Kreditverträgen befassten Mitarbeiter eines Geldinstituts könne aber angenommen werden, dass er in diese Richtung gehende Kenntnisse aufweise. In der Entscheidung 1 Ob 197/01d habe der Oberste Gerichtshof unter Berufung auf Vorentscheidungen eingehend dazu Stellung genommen, dass sich ein Dritter nicht erfolgreich auf Pflichtenverletzungen eines Sachwalters, die nicht in der Ausübung einer gerichtlichen Weisung erfolgten, berufen könne. Diese Grundsätze seien weitgehend auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden. Dieser unterscheide sich aber doch wesentlich von den bisher vom Obersten Gerichtshof beurteilten Sachverhalten, weil sich die Klägerin auf Pflichtverletzungen eines Gerichts bei der Bestellung und Überwachung eines Sachwalters berufe. Der Abklärung dieser Frage komme über den Anlassfall hinausgehende Bedeutung zu.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
1. Die Klägerin leitet aus dem weiten Schadensbegriff des ABGB ab, dass durch das pflichtwidrige Handeln des Sachwalters dem Betroffenen ein Schaden entstanden sei.
Abgesehen davon, dass hier nicht die Pflichtwidrigkeit des Sachwalters, sondern jene des Gerichts klagsgegenständlich ist, übersieht die Klägerin, dass auf Grund der Nichtigkeit des Kreditgeschäfts der Betroffene nie Eigentümer der Kreditvaluta geworden ist. Die durch ein allfälliges pflichtwidriges Vorgehen des Gerichts verursachte Auszahlung durch die Bank und anschließende Behebung durch den untreuen Sachwalter erfolgte daher wirtschaftlich zu Lasten der Kredit gewährenden Bank. Der Schadenersatz gemäß § 1293 ABGB hat aber den Zweck, dem Geschädigten einen Ausgleich für die erlittene Einbuße zukommen zu lassen, und die primäre Funktion des gesamten Schadenersatzrechts liegt in der Verwirklichung dieses Ausgleichsgedankens (vgl. Schragel, AHG3, Rz 167). Im vorliegenden Fall hat der Betroffene keine Einbuße erlitten, die auszugleichen wäre. Da somit der Betroffene im Zusammenhang mit der Kreditaufnahme durch den untreuen Sachwalter keinen Schaden erlitten hat, konnte er auch keinen diesbezüglichen Schadenersatzanspruch an die Klägerin abtreten.Abgesehen davon, dass hier nicht die Pflichtwidrigkeit des Sachwalters, sondern jene des Gerichts klagsgegenständlich ist, übersieht die Klägerin, dass auf Grund der Nichtigkeit des Kreditgeschäfts der Betroffene nie Eigentümer der Kreditvaluta geworden ist. Die durch ein allfälliges pflichtwidriges Vorgehen des Gerichts verursachte Auszahlung durch die Bank und anschließende Behebung durch den untreuen Sachwalter erfolgte daher wirtschaftlich zu Lasten der Kredit gewährenden Bank. Der Schadenersatz gemäß § 1293 ABGB hat aber den Zweck, dem Geschädigten einen Ausgleich für die erlittene Einbuße zukommen zu lassen, und die primäre Funktion des gesamten Schadenersatzrechts liegt in der Verwirklichung dieses Ausgleichsgedankens vergleiche Schragel, AHG3, Rz 167). Im vorliegenden Fall hat der Betroffene keine Einbuße erlitten, die auszugleichen wäre. Da somit der Betroffene im Zusammenhang mit der Kreditaufnahme durch den untreuen Sachwalter keinen Schaden erlitten hat, konnte er auch keinen diesbezüglichen Schadenersatzanspruch an die Klägerin abtreten.
Ein Schaden lässt sich auch nicht aus einer - hier bloß theoretisch möglichen - bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung des Kreditvertrags begründen, da der Betroffene in analoger Anwendung des § 1424 Satz 2 ABGB (Jbl 1992, 39) nicht verpflichtet ist, der Bank die vom Sachwalter missbräuchlich verwendete Kreditvaluta rückzuerstatten. Zurückzustellen wäre nur jener Betrag, der bei ihm noch vorhanden oder zu seinem Vorteil verwendet worden wäre. Davon kann aber auch nach dem Vorbringen der Klägerin keine Rede sein.
2. Zu dem auf die Klägerin übergegangenen Anspruch der Raika S***** macht die Rechtsmittelwerberin geltend, dass dieser vom Schutzzweck der Sachwalterbestellungsnormen umfasst sei. Das Gericht würde bei der Auswahl einer konkreten Person als Sachwalter einen Vertrauenstatbestand für die übrigen Teilnehmer am Rechtsverkehr schaffen; einer vom Gericht ausgewählten Person sei prima facie eine erhöhte Verlässlichkeit zuzuschreiben. Das Gericht habe daher bei der konkreten Auswahl auch im Interesse der übrigen Teilnehmer am Rechtsverkehr sorgfältig vorzugehen. Weiters ergebe sich aus dem Wortlaut des analog anzuwendenden § 188 ABGB, wonach bei der konkreten Auswahl (einer anderen Person für die Obsorge) „besonders" auf das Wohl des Kindes (hier: des Betroffenen) Bedacht zu nehmen sei, dass bei der Überprüfung der Eignung einer konkreten Person als Sachwalter auch auf Interessen „der übrigen Teilnehmer" Rücksicht zu nehmen sei. Dass die dem Gericht obliegenden Pflichten auch dem Schutz der übrigen Teilnehmer am Rechtsverkehr dienen sollen, zeige sich auch im Zusammenhang mit § 123 AußStrG, wonach der Wirkungskreis eines Sachwalters im Bestellungsbeschluss ausdrücklich enthalten sein müsse, weil durch die präzise Umschreibung des Wirkungskreises Zweifel ausgeschlossen werden sollten, die bei der Ausübung des Amts des Sachwalters entstehen könnten, und die Grenzen der Handlungsfähigkeit des Behinderten aufgezeigt werden sollten. Fehle der Wirkungskreis im Bestellungsbeschluss, sei dieser mangelhaft. Daraus ergebe sich, dass durch die Bestellung eines Sachwalters sehr wohl der (übrige) Rechtsverkehr betroffen sei und dass auch Dritte in den Schutzzweck der Sachwalterbestellungsbestimmungen einbezogen seien.
Dazu ist Folgendes auszuführen:
Gemäß § 1 Abs 1 AHG haften die dort genannten Rechtsträger für den Schaden, den die als ihre Organe handelnden Personen „wem immer" schuldhaft zugefügt haben. Der Ausdruck „wem immer" ist nicht anders zu verstehen als der Ausdruck „jedermann" in § 1295 ABGB. Zu diesem ist es herrschende Lehre und Rechtsprechung, dass er einschränkend zu verstehen ist. Die Beschränkung der Zahl der zur Erhebung von Schadenersatzansprüchen Berechtigten erfolgt auf Grund der Lehre vom Schutzzweck der Normen (Rechtswidrigkeitszusammenhang). Diese stellt ein selbstständiges Abgrenzungskriterium der Schadenersatzhaftung neben der Rechtswidrigkeit und der Kausalität dar. Ohne die eingrenzende Wirkung der Lehre vom Schutzzweck der Normen drohte auch im Amtshaftungsrecht die abzulehnende Uferlosigkeit der Haftpflicht (Schragel aaO, Rz 130 mwN). Auf Grund eines rechtswidrigen Verhaltens ist nur für jene verursachten Schäden zu haften, die vom Schutzzweck der Verbotsnorm erfasst werden, da sie gerade diese Schäden verhindern wollte (Koziol, Haftpflichtrecht I3, Rz 8/18). Die Fragestellung der Normzweckprüfung ist teleologisch ausgerichtet und stellt primär darauf ab, welcher Zweck mit der in ihrem primären Normgehalt feststehenden Anordnung verfolgt wird; soll nicht die Schutzzweckprüfung jeglichen Aussagegehalt verlieren, darf sie keinesfalls bei einer bloßen Paraphrasierung des Gesetzeswortlauts stehen bleiben: Nicht jeder Schutz, den die Verhaltensnorm tatsächlich bewirkt, ist auch von deren Schutzzweck erfasst (Karollus, Funktion und Dogmatik der Haftung aus Schutzgesetzverletzung [1992], 348).
Schutzzweck der Bestimmungen über die Fürsorgepflicht des Pflegschaftsgerichts ist die Sicherung des Pflegebefohlenen vor Nachteilen für seine Person und sein Vermögen. Daher ist nur dieser - und nicht auch ein Dritter - geschützt (1 Ob 37/89). Alleiniges Interesse Dritter, auch der Allgemeinheit, des Staates, der Familie, ist nie ein Grund zur Sachwalterbestellung (Stabentheiner in Rummel, ABGB I3 § 273 Rz 4). Nach der erklärten Absicht des historischen Gesetzgebers dient das Pflegschaftsverfahren nur dazu, die Interessen des Pflegebefohlenen, nicht aber diejenigen seiner Vertragspartner und sonstiger Dritter zu schützen (6 Ob 286/05k mwN).
Von einem durch die gerichtliche Bestellung des Sachwalters geschaffenen „Vertrauenstatbestand zu Gunsten der übrigen Teilnehmer am Rechtsverkehr" kann keine Rede sein. Insbesondere ist aus dem Wortlaut des § 188 ABGB für den Standpunkt der Klägerin nichts zu gewinnen. § 188 Abs 1 ABGB nennt allgemeine Kriterien für die Auswahl des mit der Obsorge Betrauten, nämlich in erster Linie das Kindeswohl, weiters Wünsche des Kindes, der Eltern sowie derjenigen Person, die dem Kind ein Vermögen zugewendet hat. Dass die Auswahl des mit der Obsorge Betrauten im Interesse des allgemeinen Rechtsverkehrs zu erfolgen hätte, ist der genannten Bestimmung gerade nicht zu entnehmen. Auch aus dem Inhalt des Sachwalterbestellungsbeschlusses kann eine Begründung des klägerischen Anspruchs nicht abgeleitet werden, zumal die Betrauung des Sachwalters mit allen Angelegenheiten nichts am Erfordernis der Genehmigung von Vertretungshandlungen im Zusammenhang mit Vermögensangelegenheiten außerhalb des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs ändert, worauf im Bestellungsbeschluss nicht gesondert hinzuweisen ist. Eine unvollständige Umschreibung des Wirkungskreises des Sachwalters ist daher nicht gegeben.
Der erkennende Senat hat bereits zu 1 Ob 197/01d ausgeführt, dass ein Sachwalter keine gesetzlichen Sorgfaltspflichten gegenüber Dritten zu erfüllen habe. Der Zweck der vom Sachwalter zu beachtenden Verhaltenspflichten liegt nicht darin, Dritte vor Vermögensschäden zu bewahren, die sie im direkten rechtlichen Verkehr mit dem Betroffenen auf Grund eigener Nachlässigkeit erleiden. Dasselbe gilt im Zusammenhang mit den vom Gericht zu beachtenden Vorschriften über die Bestellung und Überwachung des Sachwalters. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, erfasst der Schutzzweck dieser Vorschriften nicht die Verhinderung des von der Klägerin geltend gemachten Schadens des Kreditinstituts aus der Auszahlung der Kreditvaluta auf das Konto des Betroffenen zu Handen des untreuen Sachwalters. Die Haftung der Beklagten ist daher mangels Rechtswidrigkeitszusammenhangs zu verneinen.
3. Da sich die Rechtsansichten der Vorinstanzen bezüglich der Frage des Rechtswidrigkeitszusammenhangs als zutreffend erweisen, liegen auch keine „sekundären Verfahrensmängel" wegen der unterbliebenen Feststellungen zur Schadenshöhe sowie zur Rechtswidrigkeit und zum Verschulden des Gerichts bei der Bestellung und der Überwachung des Sachwalters vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.
Textnummer
E86452European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2007:0010OB00097.07G.1129.000Im RIS seit
29.12.2007Zuletzt aktualisiert am
01.12.2010