TE OGH 2007/11/29 1Ob130/07k

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.11.2007
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Peter H*****, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Siegfried Dillersberger, Dr. Helmut Atzl und Mag. Christian Dillersberger, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen Feststellung (Streitwert EUR 35.000) s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 18. April 2007, GZ 1 R 86/07t-13, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 30. Jänner 2007, GZ 11 Cg 76/06h-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.754,82 (darin EUR 292,47 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Kapitalgesellschaft hat drei Gesellschafter. Neben dem Kläger und einer zweiten natürlichen Person scheint als weitere Drittelgesellschafterin im Firmenbuch die „B***** SE" mit Sitz in ***** auf. Im Gesellschaftsvertrag der Beklagten heißt es unter Punkt VII.:Die beklagte Kapitalgesellschaft hat drei Gesellschafter. Neben dem Kläger und einer zweiten natürlichen Person scheint als weitere Drittelgesellschafterin im Firmenbuch die „B***** SE" mit Sitz in ***** auf. Im Gesellschaftsvertrag der Beklagten heißt es unter Punkt römisch VII.:

„Die Geschäftsanteile bestimmen sich nach der Höhe der übernommenen Stammeinlage. Sie sind teilbar und übertragbar. Je S 1.000 übernommener Stammeinlage gewähren eine Stimme, jedem Gesellschafter muss eine Stimme jedenfalls zustehen. Die gänzliche oder teilweise Abtretung von Geschäftsanteilen an Personen, die der Gesellschaft noch nicht als Gesellschafter angehören, bedarf der Zustimmung der Generalversammlung. Den übrigen Gesellschaftern steht hinsichtlich des abzutretenden Teils oder des ganzen Geschäftsanteils ein Aufgriffsrecht im Verhältnis ihrer Geschäftsanteile zu. Jeder Gesellschafter ist daher verpflichtet, im Falle der beabsichtigten Abtretung seinen Geschäftsanteil oder den abzutretenden Teil von diesem den übrigen Gesellschaftern unter Bekanntgabe der Vertragsbedingungen und insbesondere des Abtretungspreises anzubieten. Den Gesellschaftern steht für die Annahme des Anbots eine Frist von 30 Tagen zu. Macht ein Gesellschafter von diesem Aufgriffsrecht keinen Gebrauch, dann sind die übrigen aufgriffswilligen Gesellschafter zur Übernahme des ganzen Anteils im Verhältnis ihrer Geschäftsanteile berechtigt."

Die B***** GmbH wurde am 20. 4. 2005 im Rahmen eines Rechtsformwechsels in die B***** AG umgewandelt. Sie wurde in der Folge im Rahmen einer Verschmelzung durch Aufnahme als übertragende Gesellschaft mit der B***** AG mit Sitz in ***** als übernehmender Gesellschaft bei gleichzeitiger Gründung der B***** SE verschmolzen, wobei die neu gegründete SE Gesamtrechtsnachfolgerin der sich verschmelzenden Gesellschaften wurde.

Dem Kläger wurde die Übernahme der Gesellschaftsanteile der B***** GmbH bzw B***** AG zu keinem Zeitpunkt angeboten.

Der Kläger begehrte die Feststellung, dass die B***** SE nicht Gesellschafterin der Beklagten sei, in eventu die Feststellung, dass der B***** SE keine Gesellschafterrechte in der beklagten Gesellschaft zustünden. Er brachte vor, dass die Übertragung der Gesellschaftsanteile der ursprünglichen Gesellschafterin B***** GmbH bzw B***** AG im Wege der Verschmelzung an die B***** SE die Aufgriffsrechte der übrigen Gesellschafter auslöse. Es habe sich um eine Verschmelzung durch Neugründung gehandelt, sodass auch die Vinkulierung der Geschäftsanteile zu beachten sei, wobei daran auch der Übergang im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nichts zu ändern vermöge. Der Übertragungsvorgang sei überdies sittenwidrig gewesen. Der Kläger werde nun mit Gesellschaftern konfrontiert, deren Zuverlässigkeit nicht erwiesen sei. Er habe jedenfalls ein rechtliches Interesse an der Feststellung, wer seine Mitgesellschafter seien.

Die Beklagte wandte ein, dass die B***** SE ipso iure Gesamtrechtsnachfolgerin nach der im Verschmelzungsvorgang untergegangenen ehemaligen B***** AG und damit Gesellschafterin der Beklagten sei. Die Gründung der SE habe im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme stattgefunden. Bei einer Verschmelzung zweier Aktiengesellschaften trete in die Beteiligungsrechte an Kapitalgesellschaften die übernehmende Gesellschaft ein. Den Mitgesellschaftern eingeräumte Vorkaufsrechte würden nicht ausgelöst. Die aus einem solchen Aufgriffsrecht Berechtigten seien deshalb zur Ausübung nicht berechtigt, weil die Verschmelzung den Vorkaufsfall nicht auslöse, da Gesamtrechtsnachfolge im Zuge der Verschmelzung eine „andere Veräußerungsart" im Sinne des § 1078 ABGB sei. Wenn zu übertragende Beteiligungen oder Anteile vinkuliert seien, gingen diese ohne Zustimmung des jeweils Berechtigten über. Die Eintragung der Verschmelzung im Firmenbuch würde schließlich auch allfällige nicht beachtete Zustimmungserfordernisse ersetzen bzw solche Mängel sanieren, weil eine Entschmelzung nicht mehr möglich sei und das ehemalige Rechtssubjekt, nämlich die übertragende Gesellschaft, untergegangen sei. Im Übrigen sei die Beklagte nicht passiv legitimiert. Die vom Kläger angestrebte Rechtswirkung würde das Gesellschaftsverhältnis zwischen allen beteiligten Gesellschaftern, welche eine materielle Streitgenossenschaft bildeten, beeinflussen, der Kläger hätte daher die Gesellschafter der Beklagten klagen müssen. Davon abgesehen mangle es dem Kläger auch am Feststellungsinteresse.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Auf Grund der Verschmelzung durch Aufnahme seien sämtliche Aktiva und Passiva der übertragenden Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Gesellschaft übergegangen. Es habe kein Übertragungsvorgang stattgefunden, der ein Aufgriffsrecht der Gesellschafter der Beklagten auslösen würde. Es sei daher durch die prima vista gesetzmäßig zustande gekommene Verschmelzung von einer Gesellschafterrolle der SE auszugehen. Der Klagsanspruch bestünde daher - unabhängig von der Frage der Passivlegitimation - nicht zu Recht.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige; die Revision sei zulässig. Es verneinte das Zustimmungsrecht des Klägers zum Gesellschafterwechsel in der beklagten Gesellschaft in Form der Gesamtrechtsnachfolge mittels Verschmelzung durch Aufnahme. Verneint wurde ebenfalls das Vorliegen von Sittenwidrigkeit. All die vorangestellten Überlegungen seien aber letztlich nicht streitentscheidend, weil es der Beklagten an der Passivlegitimation fehle, zumal im Gesellschaftsrecht an Streitigkeiten, die das Bestehen oder Nichtbestehen von Rechten eines Gesellschafters betreffen, sämtliche Gesellschafter entweder auf der Kläger- oder der Beklagtenseite beteiligt sein müssten, zumal das ergehende Urteil Wirkung gegenüber allen Gesellschaftern zeitige. Der Kläger hätte daher neben der Beklagten die beiden Mitgesellschafter klagen müssen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Revisionswerber macht als Verfahrensmangel geltend, dass weder das Erstgericht noch das Berufungsgericht die Frage der Passivlegitimation der Beklagten erörtert hätten. Diese ergebe sich im Übrigen - entgegen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts - aus der herrschenden Rechtsprechung, insbesondere aus 8 Ob 631/90. Weiters ist der Kläger der Ansicht, dass auch für den Fall einer Gesamtrechtsnachfolge - im gegenständlichen Fall einer Verschmelzung - sein Aufgriffsrecht bzw die Zustimmungspflicht der Gesellschaft zu dieser Vermögensübertragung schlagend geworden wäre; durch die Missachtung dieser gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen seien diese Vermögensübertragungen - die Verschmelzung der B***** AG in die B***** SE - nichtig, womit in weiterer Konsequenz auch der Klage stattzugeben gewesen wäre, da die B***** SE tatsächlich nicht Gesellschafterin der Beklagten sei.

Der Kläger stützt seine zuletzt wiedergegebene Rechtsmeinung im Wesentlichen auf Fantur-Zehetner in ecolex 2000, 428, 506. Diese Autoren beziehen sich in erster Linie auf eine Übertragung im Weg der Einzelrechtsnachfolge. Das folgt schon daraus, dass sie die Übertragung durch partielle Gesamtrechtsnachfolge mittels Spaltung unter Umgehungsgesichtspunkten prüfen. Für den Fall einer Abspaltung erwägen sie tatsächlich die Unwirksamkeit des Rechtsübergangs. Erlischt allerdings der übertragende Rechtsträger, was bei einer Aufspaltung der Fall ist, kommen auch sie zum Ergebnis, dass die Rechtsnachfolge (auch) den vinkulierten Geschäftsanteil erfasse und nur Schadenersatzansprüche bestehen könnten (aaO 512). Um so mehr muss das für eine vollständige Gesamtrechtsnachfolge durch Verschmelzung gelten.

Bereits das Berufungsgericht zeigte zutreffend die herrschende Auffassung im Schrifttum auf, wonach die Vinkulierung der Übertragung kraft Gesamtrechtsnachfolge nicht entgegen stehe, dh die übernehmende Gesellschaft werde Gesellschafterin jener Gesellschaft, an der vor der Verschmelzung die übertragende Gesellschaft beteiligt war; das Zustimmungsrecht des außen stehenden Dritten (der betroffenen Gesellschaft) werde zurückgedrängt, wenngleich dadurch die übernehmende Gesellschaft uU als unerwünschtes Mitglied gegen den Willen der anderen Gesellschafter in den Gesellschafterkreis jener dritten Gesellschaft eintrete (siehe insbesondere Kalss, Handkommentar zur Verschmelzung, Spaltung, Umwandlung, Rz 14 zu § 99 GmbHG). Ebenso wird zu § 225a AktG und zu § 14 SpaltG vertreten, dass vinkulierte Beteiligungen oder Anteile ohne Zustimmung des jeweils Berechtigten übergehen (Szep in Jabornegg/Strasser, AktG4 § 225a Rz 21; Kalss aaO, § 14 SpaltG Rz 8). Auch Koppensteiner (GmbHG2 Rz 6a zu § 96) stimmt dem zu, zumal auch die - nicht verbotene - Konzernierung der übertragenden Gesellschaft mittelbar denselben Effekt hätte. Außerdem entstünden praktisch kaum zu bewältigende Probleme.

Der Oberste Gerichtshof hatte sich jüngst zu 4 Ob 51/07i mit der Frage zu befassen, ob eine Gesamtrechtsnachfolge im Wege der Verschmelzung, insbesondere in eine Europäische Aktiengesellschaft, als Verfügung über den (vinkulierten) Geschäftsanteil (einer Kommanditgesellschaft) anzusehen sei, die der Zustimmung der anderen Gesellschafter bedürfe. Die Frage wurde für die dort zu beurteilende Beteiligung der verschmolzenen Gesellschaft als Kommanditistin verneint, wobei die genannte Entscheidung - unter ausführlicher Darstellung des Schrifttums - der (oben auszugsweise dargestellten) herrschenden Ansicht folgte, wonach die Gesamtrechtsnachfolge auf Grund der Verschmelzung (auch) vinkulierte Geschäftsanteile erfasse.

Dieser Beurteilung, welche um so mehr auf vinkulierte Beteiligungen an Kapitalgesellschaften zutrifft, folgt auch der erkennende Senat. Die Gesamtrechtsnachfolge auf Grund von Verschmelzung ist daher keine „Abtretung von Geschäftsanteilen" im Sinne von Punkt VII des Gesellschaftsvertrags der Beklagten. Das dort vereinbarte Zustimmungs- bzw. Aufgriffsrecht ist somit für den gegebenen Fall zu verneinen, die Feststellungsklage schon deshalb abzuweisen.Dieser Beurteilung, welche um so mehr auf vinkulierte Beteiligungen an Kapitalgesellschaften zutrifft, folgt auch der erkennende Senat. Die Gesamtrechtsnachfolge auf Grund von Verschmelzung ist daher keine „Abtretung von Geschäftsanteilen" im Sinne von Punkt römisch VII des Gesellschaftsvertrags der Beklagten. Das dort vereinbarte Zustimmungs- bzw. Aufgriffsrecht ist somit für den gegebenen Fall zu verneinen, die Feststellungsklage schon deshalb abzuweisen.

Ob weitere Gründe - insbesondere im Zusammenhang mit der Passivlegitimation der Beklagten - ebenfalls die Klagsabweisung rechtfertigen würden, kann dahingestellt bleiben. Die vom Revisionswerber geltend gemachte Mangelhaftigkeit des (Berufungs-)Verfahrens wegen mangelnder Erörterung der Frage der Passivlegitimation durch die Vorinstanzen ist aber schon deswegen nicht gegeben, weil von einer „Überraschungsentscheidung" nur dann gesprochen werden könnte, wenn die vom Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsauffassung vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz von keiner der beiden Parteien ins Treffen geführt und damit der Gegenseite keine Gelegenheit zur Stellungnahme geboten worden wäre (9 ObA 26/89 uva). Im vorliegenden Fall wurde von der Beklagten aber deren fehlende Passivlegitimation bereits in erster Instanz eingewandt.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 50, 41 ZPO.

Textnummer

E86449

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2007:0010OB00130.07K.1129.000

Im RIS seit

29.12.2007

Zuletzt aktualisiert am

01.12.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten