TE OGH 2007/12/11 40R293/07w

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Veröffentlicht am 11.12.2007
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Das Landesgericht für ZRS Wien als Berufungsgericht erkennt durch Dr. Garai als Vorsitzenden sowie die weiteren Richter des Landesgerichtes Mag.Dr. Hörmann und Mag. Korn in den verbundenen Rechtssachen der Kläger 1. Mag. Benedikt A***** Wolkersdorf, 2. Paul M***** Graz-Wetzelsdorf, beide vertreten durch Winkler Reich-Rohrwig Illedits Rechtsanwälte-Partnerschaft, Rechtsanwälte in Wien, wider den Beklagten Moishe Ayre F***** Wien, vertreten durch Dr. Holger Schwarz, Rechtsanwalt in Wien als Verfahrenshelfer, wegen Aufkündigung, infolge Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 25.1.2007, 41 C 295/05w mangels Antrages auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, den Klägern deren mit EUR 534,43 bestimmte Kosten des Berufungsverfahrens (darin EUR 89,07 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist in keinem der verbundenen Verfahren zulässig.

Entscheidungsgründe:

Text

Mit dem angefochtenen Urteil erkannte das Erstgericht in beiden verbundenen Verfahren die auf § 30 Abs 2 Z 6 MRG (Nichtbenutzung) gestützten Aufkündigungen vom 25.1.2007 für wirksam und den Beklagten schuldig, die beiden Wohnungen zurückzugeben. Es verhielt den Beklagten zum Kostenersatz.Mit dem angefochtenen Urteil erkannte das Erstgericht in beiden verbundenen Verfahren die auf Paragraph 30, Absatz 2, Ziffer 6, MRG (Nichtbenutzung) gestützten Aufkündigungen vom 25.1.2007 für wirksam und den Beklagten schuldig, die beiden Wohnungen zurückzugeben. Es verhielt den Beklagten zum Kostenersatz.

Das Erstgericht stellte den auf Seiten 5 bis 7 der Urteilsausfertigung wiedergegebenen Sachverhalt fest. Rechtlich sei aufgrund der Beweisergebnisse zwar davon auszugehen, dass der Kündigungsgrund vereinbarungsgemäß auch dann nicht verwirklicht wäre, wenn die Objekte durch andere Personen als den Beklagten zu Wohnzwecken genutzt werden. Entsprechend dem als vereinbart festgestellten Verwendungszweck (Anmietung nicht zur Eigennutzung durch den Beklagten, sondern durch andere Personen seiner Glaubensgemeinschaft) sei damit zu rechnen gewesen, dass keine lückenlose Verwendung der Objekte stattfinden werde. Eine derart lange Leerstehung wie festgestellt (Bewohnung eine zeitlang im Jahr 2001, danach Leerstehung der Objekte) übersteige aber auch einen solchen Maßstab. Der eingewandte konkludente Kündigungsverzicht könne nicht angenommen werden, da einerseits dem Vermieter angesichts des vereinbarten Verwendungszwecks ein längerer Beobachtungszeitraum zuzugestehen sei und andererseits zwischen den Parteien noch weitere auf die Räumung der beiden Wohnungen abzielende Verfahren geführt wurden und werden.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung des Beklagten aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Aufhebung der Aufkündigung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kläger beantragen, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Mangelhaft soll das erstgerichtliche Verfahren geblieben sein, weil das Erstgericht nach vergeblichem Vorführversuch der vom Beklagten geführten Gattin, ***** von ihrer Einvernahme absah und nicht neuerlich die zwangsweise Vorführung der Gattin veranlasste. Der Verfahrensmangel ist nicht gegeben. Das Erstgericht hat ohnehin versucht, sein letztes Zwangsmittel, nämlich die zwangsweise Vorführung der Zeugin anzuwenden und im Protokoll der letzten Verhandlung auch festgehalten, dass dieser Vorführversuch aus der Wohnung des Beklagten fehlschlug. Damit hat das Erstgericht die in § 333 ZPO vorgesehenen Zwangsmittel staatlicher Macht gegen einen ausgebliebenen Zeugen ausgeschöpft. Das ist die zweimalige Ladung des Zeugen, Verhängung einer Ordnungsstrafe und schließlich die Anordnung der zwangsweisen Vorführung. Ob sich an diese Ausschöpfung der Zwangsmaßnahmen noch ein Präklusionsbeschluss nach § 335 ZPO anschließt, hat nach Ansicht des erkennenden Senates entgegen der zu MietSlg 52.741 vertretenen Ansicht des LGZ Wien keinen Einfluss. Die neuerliche, gar wöchentliche Anordnung der zwangsweisen Vorführung eines ausgebliebenen Zeugen von Amts wegen wird in der ZPO nicht verlangt. Wünscht der Beweisführer aus guten Gründen die neuerliche Anordnung der zwangsweisen Vorführung, so wird er diese Gründe schon im Hinblick auf die durch die ZVN 2002 eingeführte Prozessförderungspflicht der Parteien darzulegen haben. Gerade im konkreten Fall wäre es am Beklagten gewesen, den keineswegs zu erwartenden Antrag zu stellen, seine Ehegattin aus seiner Wohnung zwangsweise vorzuführen. Die zwangsweise Vorführung ist bekanntlich mit Unannehmlichkeiten und erheblichen Wartezeiten für den Zeugen verbunden. Die vergebliche Anordnung der zwangsweisen Vorführung erfolgte ja von Amts wegen. Dass dieses bislang amtswegige Vorgehen (welches nur durch Rücknahme des Beweisanbotes zu verhindern gewesen wäre) vom beklagten Ehegatte nun wirklich auch gegen seine Ehegattin zu setzen gewünscht wird, hat der Beklagte nicht einmal kundgetan, als ihm der Erstrichter mit der Verkündung des Verhandlungsschlusses bekannt gab, dass seine Gattin nicht neuerlich vorzuführen versucht wird.Mangelhaft soll das erstgerichtliche Verfahren geblieben sein, weil das Erstgericht nach vergeblichem Vorführversuch der vom Beklagten geführten Gattin, ***** von ihrer Einvernahme absah und nicht neuerlich die zwangsweise Vorführung der Gattin veranlasste. Der Verfahrensmangel ist nicht gegeben. Das Erstgericht hat ohnehin versucht, sein letztes Zwangsmittel, nämlich die zwangsweise Vorführung der Zeugin anzuwenden und im Protokoll der letzten Verhandlung auch festgehalten, dass dieser Vorführversuch aus der Wohnung des Beklagten fehlschlug. Damit hat das Erstgericht die in Paragraph 333, ZPO vorgesehenen Zwangsmittel staatlicher Macht gegen einen ausgebliebenen Zeugen ausgeschöpft. Das ist die zweimalige Ladung des Zeugen, Verhängung einer Ordnungsstrafe und schließlich die Anordnung der zwangsweisen Vorführung. Ob sich an diese Ausschöpfung der Zwangsmaßnahmen noch ein Präklusionsbeschluss nach Paragraph 335, ZPO anschließt, hat nach Ansicht des erkennenden Senates entgegen der zu MietSlg 52.741 vertretenen Ansicht des LGZ Wien keinen Einfluss. Die neuerliche, gar wöchentliche Anordnung der zwangsweisen Vorführung eines ausgebliebenen Zeugen von Amts wegen wird in der ZPO nicht verlangt. Wünscht der Beweisführer aus guten Gründen die neuerliche Anordnung der zwangsweisen Vorführung, so wird er diese Gründe schon im Hinblick auf die durch die ZVN 2002 eingeführte Prozessförderungspflicht der Parteien darzulegen haben. Gerade im konkreten Fall wäre es am Beklagten gewesen, den keineswegs zu erwartenden Antrag zu stellen, seine Ehegattin aus seiner Wohnung zwangsweise vorzuführen. Die zwangsweise Vorführung ist bekanntlich mit Unannehmlichkeiten und erheblichen Wartezeiten für den Zeugen verbunden. Die vergebliche Anordnung der zwangsweisen Vorführung erfolgte ja von Amts wegen. Dass dieses bislang amtswegige Vorgehen (welches nur durch Rücknahme des Beweisanbotes zu verhindern gewesen wäre) vom beklagten Ehegatte nun wirklich auch gegen seine Ehegattin zu setzen gewünscht wird, hat der Beklagte nicht einmal kundgetan, als ihm der Erstrichter mit der Verkündung des Verhandlungsschlusses bekannt gab, dass seine Gattin nicht neuerlich vorzuführen versucht wird.

Dieser Verfahrensmangel liegt nicht vor.

Einen weiteren Verfahrensmangel erblickt die Berufung in der Urteilsfällung durch einen, allerdings nicht mit Erfolg, abgelehnten Richter. Dem Ablehnungsantrag des Beklagten wurde nicht rechtskräftig stattgegeben.

Die Beweisrüge wendet sich gegen die Feststellung, "dass bei Anmietung der beiden Wohnungen durch den Beklagten über längere Leerstehungen der Objekte nicht gesprochen wurde; der Hausverwalter hat jedenfalls nicht gesagt, dass eine solche längere Leerstehung egal oder sogar wünschenswert sei und hat jedenfalls nicht erklärt, dass daraus keine Rechtsfolgen abgeleitet würden". Die Berufung begehrt stattdessen die Feststellung, dass im Zuge der Anmietung der Objekte darüber gesprochen wurde, dass diese als Quartiere für durchreisewillige Juden zur Verfügung stehen sollten und dementsprechend zwischenzeitig weitgehend leerstehen würden. Die diesbezüglichen Rechtsmittelausführungen sind nicht stichhältig. Die bekämpfte Feststellung ist zutreffend und wurde vom Erstgericht überzeugend begründet. Zunächst darf nicht übersehen werden, dass der Beklagte selbst noch in den Einwendungen behauptete, dass die Wohnung zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses benützt wird und nicht seit Jahren leer stehe. Überdies sei vereinbart, dass die Wohnung nicht nur von ihm persönlich, sondern auch von Mitgliedern der streng orthodoxen jüdischen Gemeinde und insbesondere zur zeitweisen Unterbringung von streng orthodoxen jüdischen Rabbinern, welche sich in Wien aufhalten oder einfachen Mitgliedern, die sich einige Zeit in Österreich aufhalten, verwendet werden könne. Die eigene Benutzung versuchte der Beklagte entgegen seinem Vorbringen sodann gar nicht unter Beweis zu stellen. Der Beklagte konnte niemanden namentlich nennen, der von ihm in der Wohnung untergebracht wurde, konnte den mangelnden Strom- und Gasanschluss der Wohnungen nicht erklären, verwies auf nicht vorhandene Passagen aus der Mietvertragsurkunde und konnte die Divergenz der beim Ortsaugenschein wahrgenommene Leerstehung der Wohnungen zu seinem Vorbringen über eine regelmäßige Benutzung der Wohnung nicht erklären. Durch keinen Anhaltspunkt im Mietvertrag und auch nicht durch die wechselnde Verantwortung des Beklagten ist die Leerstehung der Wohnung seit dem Jahr 2001 als Vertragsinhalt erwiesen, welchen Vertragsinhalt der Beklagte in der gewünschten anders lautenden Feststellungen implementiert sehen will ("und dementsprechend zwischenzeitig weitgehend leerstehen würden"). Wenn die Beweisrüge schließlich im Hinblick auf die leerstehende, nicht einmal Betten (nur 2 Feldbetten ohne Matratze), Strom und Gas aufweisende Wohnung von einem "Notquartier" spricht, das daher zwischenzeitig zwangsläufig überwiegend leerstehen sollte, so gab es im Verfahren hiezu überhaupt keinen Anhaltspunkt. Nicht einmal in der Aussage des Beklagten. Auch die weiters bekämpfte Feststellung, dass die Wohnungen nach einer Bewohnung im Jahr 2001 durchgehend leerstanden, ist überzeugend. Von wann bis wann wer und zu welchem Zweck darin nächtigte, hat der Beklagte nicht unter Beweis gestellt. Die gewünschte anders lautende Feststellung, dass der Beklagte die Wohnung ab dem Jahr 2001 weiterhin für Durchreisewillige zur Verfügung gehalten habe, geht einerseits an der gerügten Feststellung gänzlich vorbei, weil dort die tatsächliche Benützung Gegenstand ist und widerspricht andererseits der fehlenden primitivsten Ausstattung einer Wohnung.

Das Berufungsgericht übernimmt daher die erstrichterlichen Feststellungen als Ergebnis eines mangelfreien Verfahrens und einer zutreffenden Beweiswürdigung.

Soweit die Rechtsrüge vom Verwendungszweck der Zur-Verfügung-Stellung von "Notquartieren" für durchreisewillige Juden ausgeht, verlässt sie den Boden der erstrichterlichen Tatsachenfeststellungen. Von Notquartieren und einem Verzicht auf den Kündigungsgrund der Nichtbenutzung, der in dieser vereinbarten Verwendung nach Ansicht des Beklagten inkludiert sei, war nie die Rede.

Die Rechtsrüge führt weiters aus, dass markantestes Kennzeichen einer freigehaltenen Notwohnung eben das Freihalten sei, um im Bedarfsfall ein Quartier für die Durchreisewilligen zu haben. Gerade dieser erst in der Berufung auftauchende (vereinbarungsgemäße) Verwendungszweck der Wohnungen, nämlich das bloße Freihalten (und nicht die Benützung zu Wohnzwecken) entspricht nicht den erstrichterlichen Tatsachenfeststellungen.

Was letztlich die Frage des konkludenten Kündigungsverzichtes betrifft, kann von einem solchen im Sinne der strengen Anforderungen des § 863 ABGB nicht ausgegangen werden, wenn der Beklagte selbst noch im vorliegenden Verfahren ernstlich das Leerstehen der Wohnung und die Nichtregelmäßige Bewohnung als vereinbarten Verwendungszweck ansieht. Dann kann er aus der Nichteinbringung einer Kündigung auch nicht ernstlich geschlossen haben, die Vermieter wollten ihm gegenüber auf die Geltendmachung eines verwirklichten Kündigungsgrundes verzichten.Was letztlich die Frage des konkludenten Kündigungsverzichtes betrifft, kann von einem solchen im Sinne der strengen Anforderungen des Paragraph 863, ABGB nicht ausgegangen werden, wenn der Beklagte selbst noch im vorliegenden Verfahren ernstlich das Leerstehen der Wohnung und die Nichtregelmäßige Bewohnung als vereinbarten Verwendungszweck ansieht. Dann kann er aus der Nichteinbringung einer Kündigung auch nicht ernstlich geschlossen haben, die Vermieter wollten ihm gegenüber auf die Geltendmachung eines verwirklichten Kündigungsgrundes verzichten.

Der unberechtigten Berufung war damit der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil die Sachentscheidung vom nicht resiviblen Tatsachenbereich abhängig war und die Frage eines konkludenten Kündigungsverzichtes über den Einzelfall in ihrer Bedeutung nicht hinausgeht (siehe RIS Justiz RS0107199, wobl 1991/137).Der unberechtigten Berufung war damit der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf Paragraphen 41 und 50 ZPO. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil die Sachentscheidung vom nicht resiviblen Tatsachenbereich abhängig war und die Frage eines konkludenten Kündigungsverzichtes über den Einzelfall in ihrer Bedeutung nicht hinausgeht (siehe RIS Justiz RS0107199, wobl 1991/137).

Landesgericht für ZRS Wien

1016 Wien, Schmerlingplatz 11

Anmerkung

EWZ00133 40R293.07w

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LG00003:2007:04000R00293.07W.1211.000

Dokumentnummer

JJT_20071211_LG00003_04000R00293_07W0000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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