TE Vwgh Erkenntnis 2007/10/24 2007/21/0306

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Veröffentlicht am 24.10.2007
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §46 Abs3;
FrPolG 2005 §50 Abs1;
FrPolG 2005 §54 Abs1 Z2;
MRK Art3;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde der L, vertreten durch Dr. Josef Unterweger, Mag. Robert Bitsche und Mag. Doris Einwallner, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 21. Juni 2007, Zl. III-1150446/FrB/07, betreffend Abschiebungsaufschub, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer türkischen Staatsangehörigen, vom 30. Mai 2007 auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 46 (Abs. 3) des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 24. Jänner 2007 gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 FPG rechtskräftig ausgewiesen worden sei. Sie sei ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Ihren Antrag vom 30. Mai 2007 auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes habe sie mit ihrem Gesundheitszustand begründet. Laut diesem Antrag leide sie an Bluthochdruck, einer Herzerkrankung und einer Magenerkrankung. Diesbezüglich habe sie den Befund eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 27. April 2007 über ihre medikamentöse Behandlung vorgelegt. Dazu stelle die belangte Behörde fest, dass dieser Befund eines Arztes für Allgemeinmedizin "sicherlich nicht ausreicht", um daraus eine Unmöglichkeit der Abschiebung abzuleiten. Eine medikamentöse Behandlung der Erkrankungen sei auch im Heimatland der Beschwerdeführerin möglich. "Auch muss angeführt werden", dass die Beschwerdeführerin nach Abschluss des Ausweisungsverfahrens geladen worden sei und ihre Enkeltochter wahrheitswidrig mitgeteilt habe, dass die Beschwerdeführerin Österreich bereits verlassen hätte. In ihrer Stellungnahme vom 17. Jänner 2007 im Ausweisungsverfahren habe die Beschwerdeführerin lediglich die familiären Verhältnisse angegeben und ausgeführt, dass sie in der Türkei keine nahen Verwandten habe. Eine Erkrankung und eventuelle Unmöglichkeit der Abschiebung habe sie bis zum gegenständlichen Antrag mit keinem Wort erwähnt. Zu der Behauptung, dass die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Erkrankung ständiger Pflege und Betreuung bedürfe, stelle die belangte Behörde fest, dass sie sich "dieser Ansicht bei gegebenem Sachverhalt nicht anschließen kann". Nach dem vorliegenden Befund sei eine medizinische Betreuung auch im Heimatland sehr wohl möglich.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Die Beschwerdeführerin hat im Antrag auf Erteilung eines Abschiebungsaufschubes vorgebracht, sie sei 76 Jahre alt, gesundheitlich schwer angegriffen und benötige konstante medizinische Versorgung und Pflege durch Dritte. Weiters wurde konkret angegeben, dass sie an Bluthochdruck, einer Herzerkrankung sowie einem krankhaften Durchtritt von Teilen des Magens durch das Zwerchfell leide. In ihrer Stellungnahme vom 19. Juni 2007 wiederholte sie, dass sie ständiger Pflege und Betreuung bedürfe, welche in der Türkei nicht gewährleistet wäre.

Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht hervor, dass die belangte Behörde zutreffend von der Ansicht ausging, dass die Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Hinblick auf eine im Zielstaat unmögliche medizinische Versorgung eine unmenschliche Behandlung, somit eine Verletzung des Art. 3 EMRK, darstellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2001, Zl. 99/21/0096) und somit einen Grund für einen Abschiebungsaufschub gemäß § 46 Abs. 3 iVm § 50 Abs. 1 FPG bilden könne. Dass bei einer Abschiebung der Beschwerdeführerin eine solche Gefahr nicht bestehe, leitete sie jedoch lediglich daraus ab, dass ein Befund (bloß) eines Arztes für Allgemeinmedizin vorliege, die Enkeltochter der Beschwerdeführerin über die Anwesenheit der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet unrichtige Angaben gemacht habe und bis zum gegenständlichen Antrag kein Vorbringen über den Krankheitszustand erstattet worden sei. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass diese Hinweise keine schlüssige Begründung für eine Feststellung liefern können, dass die Beschwerdeführerin keiner ständigen Pflege und Betreuung bedürfe oder - bei Bejahung eines solchen Bedarfs - diesem auch in der Türkei entsprochen werden könnte.

Da somit dem angefochtenen Bescheid ein relevanter Begründungsmangel anhaftet, war der Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 24. Oktober 2007

Schlagworte

Begründung BegründungsmangelBesondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2007:2007210306.X00

Im RIS seit

21.11.2007

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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