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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 2005 §27 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des C, vertreten durch Mag. Klaus Kabelka, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Kleistgasse 21, dieser vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schwedenplatz 2/74, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 26. Mai 2006, Zl. Senat-FR-06-3031, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist russischer Staatsangehöriger und gehört der tschetschenischen Volksgruppe an. Er reiste am 21. März 2006 über die Tschechische Republik, wo er bereits am 13. Oktober 2004 einen (im Instanzenzug abgewiesenen) Asylantrag gestellt hatte, gemeinsam mit seiner Ehefrau und vier Kindern nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag. Noch am 21. März 2006 wurde über ihn wegen eines Eurodac-Treffers gemäß "§§ 76 Abs. 1 und 2, 76 Abs. 3, 113 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz" - FPG die Schubhaft verhängt, die bis zum 3. Juli 2006 aufrecht erhalten wurde.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. Mai 2006 wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Schubhaftbeschwerde gemäß § 83 FPG als unbegründet ab. In ihrer Begründung verwies sie darauf, dass ein Asylbegehren des Beschwerdeführers und seiner Familie bereits im sicheren Dublinstaat Tschechien geprüft und negativ beschieden worden sei, was zur "denkmöglichen Annahme" führe, dass offensichtlich keine asylwürdigen Gründe vorlägen und eine Gefährdung im Heimatstaat nahezu auszuschließen sei. Eine Zulassung zum Asylverfahren in Österreich (nach der Aktenlage spätestens am 5. Mai 2006) sei nur deshalb erfolgt, weil die Tschechische Republik einer Rückübernahme mit dem Hinweis auf die negative Erledigung der Asylverfahren "der ganzen Familie" und deren Ausweisung aus Tschechien nicht zugestimmt habe. Es könne daher auch im österreichischen Asylverfahren eine inhaltlich negative Entscheidung erwartet werden.
Auf Grund "der zu erwartenden Aussichtslosigkeit des in Österreich formulierten Asylbegehrens und auf Grund des Verhaltens des Genannten (er (sei) anstatt in sein Heimatland zurückzukehren illegal nach Österreich gekommen, (habe) sich den CZ-Fremdenbehörden entzogen, um eine Ausweisung aus der CZ-Republik zu verhindern) (sei) beweiskräftig anzunehmen, dass der Genannte sich auch in Österreich dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörde entziehen und versuchen werde, weiter in das europäische Ausland vorzudringen." Die Schubhaft erscheine daher als das einzig taugliche Mittel, um ein solches Vorgehen zu verhindern. Die "Familientrennung" sei erforderlich, weil "die Restfamilie ... als nicht schubhaftfähig angesehen" worden sei. Auch habe der Beschwerdeführer durch den illegalen Grenzübertritt bewusst das Risiko der Schubhaft in Kauf genommen, sodass von einer unzumutbaren oder unverhältnismäßigen Maßnahme nicht die Rede sein könne.
Gemäß § 83 Abs. 4 FPG werde, weil die Anhaltung in Schubhaft noch andauere, festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass der Beschwerdefall in den Belangen des Sicherungsbedarfes in mehreren entscheidungswesentlichen Punkten (unverzügliche Stellung eines Asylantrages nach der Einreise, hier am 21. März 2006, Erstattung wahrheitsgemäßer Angaben über die Identität und den Ablauf der bisherigen Flucht, insbesondere der bereits erfolgten Stellung eines Asylantrages in der Tschechischen Republik am 13. Oktober 2004, sowie in Österreich aufhältige Familienangehörige) jenem gleicht, der dem hg. Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043, zu Grunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird daher zunächst auf die Begründung dieses Erkenntnisses verwiesen, nach der ungeachtet eines "Dublin-Bezugs" eine Schubhaftnahme nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn besondere Umstände vorliegen, die fallbezogen ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen.
Dazu kommt im Beschwerdefall, dass das Vorliegen der von der belangten Behörde inhaltlich geprüften Schubhaftgründe nach § 76 Abs. 2 Z. 2 bzw. 4 FPG deshalb zu verneinen ist, weil das Asylverfahren des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides unstrittig gemäß § 28 Abs. 1 AsylG 2005 zugelassen und das gegen ihn geführte Ausweisungsverfahren gemäß § 27 Abs. 4 leg. cit. eingestellt worden war.
Schließlich ist anzumerken, dass der Ausspruch nach § 83 Abs. 4 FPG im Spruch - und nicht nur in der Begründung - des angefochtenen Bescheides vorzunehmen gewesen wäre.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 24. Oktober 2007
Schlagworte
Spruch und BegründungBesondere RechtsgebieteInhalt des Spruches DiversesAuslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2006210267.X00Im RIS seit
26.11.2007Zuletzt aktualisiert am
25.01.2009