Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer sowie Dr. Jensik und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Pallauf Pullmann Meißnitzer & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 301.104,30 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. Juli 2007, GZ 6 R 39/07h-51, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 22. Dezember 2006, GZ 2 Cg 279/02g-39, in der Hauptsache bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die klagende Werkunternehmerin, die mit der Ausführung von Außenanlagen und Kanalisationsarbeiten eines Bauvorhabens beauftragt worden war, begehrte auf Grund Vertragsrücktritts nach Einschränkung 301.194,30 EUR sA für die von ihr erbrachten Leistungen. Die beklagte Werkbestellerin habe die verlangte Sicherstellung nach Punkt 5.47.1.3 der ÖNORM B 2110 (Ausgabe vom 1. März 2000) trotz Setzung einer Nachfrist bei sonstigem Vertragsrücktritt nicht erbracht. Daher sei die klagende Partei berechtigt vom Vertrag zurückgetreten. An der Fälligkeit der Klageforderung könnte selbst das bestrittene Vorliegen der behaupteten Mängel nichts ändern. Die Übernahmebegehung habe am 21. Dezember 2000 stattgefunden.
Die beklagte Partei wendete zahlreiche Mängel ein und bestritt das Vorliegen der Rücktrittsvoraussetzungen nach Punkt 5.37 der ÖNORM B 2110, weil die klagende Partei zur Zeit des Rücktritts ihre Leistungen schon vollständig hätte erbringen müssen. Offenbar gründe die klagende Partei das eingeschränkte Begehren auch auf ihre Schlussrechnung; dem werde Verjährung nach dem Werkvertrag eingewendet.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil (im Einzelnen festgestellte) nicht unwesentliche Mängel vorlägen. Die Voraussetzungen für einen Vertragsrücktritt seien nicht vorgelegen.
Das Gericht zweiter Instanz stellte ergänzend fest, dass die vereinbarte Leistungsfrist jedenfalls spätestens im Jahr 2001 geendet habe (die beklagte Partei hatte den 25. Oktober 2000 als vereinbarten Gesamtfertigstellungstermin behauptet). Demnach sei das Recht der klagenden Partei, eine Sicherstellung nach Punkt 5.47.1.3 der ÖNORM B 2110 zu begehren, am Tag der Aufforderung der klagenden Partei, dem 14. März 2002, bereits erloschen gewesen. Dieser Punkt erkenne dem Auftragnehmer ausdrücklich kein Interesse an einer Kautionsleistung in einem Zeitraum zu, in dem er mit der mängelfreien Herstellung des Werks bereits in Verzug geraten sei. Die Nichterfüllung des Kautionsbegehrens der klagenden Partei sei somit kein Grund zum Vertragsrücktritt. Überdies sei der Nichterlag auch einer berechtigten Kautionsforderung nach der ÖNORM kein Rücktrittsgrund. Wegen der noch offenen Mängel sei die Werklohnforderung nicht fällig.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist nicht zulässig.
Nach Auffassung der klagenden Partei fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu, was unter „Leistungsfrist“ in Punkt 5.47.1.3 der ÖNORM B 2110 vom 1. März 2000 (gleichlautend angeblich Punkt 5.48.1.2 der „geltenden“ ÖNORM B 2110 vom 6. März 2002) zu verstehen sei und ob dieser dem Auftragnehmer, der mit der mangelfreien Herstellung des Werks in Verzug sei, kein Interesse an einer Kautionsleistung zuerkenne; weiters, ob bei Nichterlag dieser Sicherheit die Folgen des Verzugs gemäß Punkt 5.34.1.2 dieser ÖNORM (entspreche Punkt 5.35.1.2 der Ausgabe vom 6. März 2002) einträten.
Einzuräumen ist, dass auch nach der ergänzenden Feststellung der zweiten Instanz, die allerdings ein konkretes Ende der Frist feststellte, nicht ausdrücklich feststeht, ob auch die Frist für die Erbringung der Gegenleistung der beklagten Partei spätestens 2001 (oder jedenfalls vor dem 14. März 2002) geendet hätte.
Wie sich aus dem gesamten Vorbringen der klagenden Partei ergibt, macht sie nicht etwa die begehrte Kaution geltend; vielmehr leitet sie aus deren Verweigerung durch die beklagte Werkbestellerin ihr Recht auf Rücktritt vom Vertrag ab.
Es mag nun durchaus zutreffen, dass die Zeitbestimmung im fraglichen Punkt der ÖNORM B 2110 insofern auslegungsbedürftig ist, als mit „während der vertraglichen Leistungsfrist“ sowohl diejenige des Sicherstellung fordernden Vertragsteils als auch die des Vertragspartners gemeint sein könnte. Das Recht auf eine Kaution steht ja ohne weitere Voraussetzung beiden Teilen zu, was seinen Wert wohl (iSd Ausführungen von Karasek, ÖNORM B 2110, Rz 1391) relativiert. Ohne sich auf Lehrmeinungen zu berufen, meint die klagende Partei, Punkt 5.47.1.3 der ÖNORM B 2110 sei dahin auszulegen, dass die Kaution vom Werkunternehmer bis zur vollständigen Erbringung seiner Leistung, also auch bis zur Erfüllung bestehender Gewährleistungsansprüche verlangt werden könne. Das läuft über das weitest mögliche Verständnis der Worte dieses Punktes hinaus, überschreitet also die Grenze der Auslegung iSd § 6 ABGB. Nach der Rechtsprechung sind ÖNORMEN sogar objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut, das heißt unter Verzicht auf außerhalb des Textes liegende Umstände, gemäß § 914 ABGB auszulegen (6 Ob 151/05g = ecolex 2006, 122 [krit Leitner]= bbl 2006, 33; 1 Ob 51/05i, je mwN). Diese Grenze würde die gewünschte Auslegung jedenfalls überschreiten.
Denn unter „vertraglicher Leistungsfrist“ kann nur eine vereinbarte Frist verstanden werden, nicht aber das faktische Ende der Leistungserbringung beider Seiten, also die vollständige Vertragsabwicklung, worauf die Interpretation der klagenden Partei hinausläuft und hinauslaufen muss, um das von ihr gewünschte Ergebnis zu rechtfertigen. Auch die Lehre bietet keine Stütze für ein solches Ergebnis. Die Ausführungen von Kropik (Der Bauvertrag und die ÖNORM B 2110, 291: „jederzeit während der vertraglichen Leistungsfrist“) bieten zum Normentext keine zusätzliche Information. Karasek (aaO) äußert sich zur Dauer des Sicherungsrechts nicht. Gölles/Link (Kommentar zu den ÖNORMEN B 2110 und B 2117 für Praktiker Rz 5.48.1.2-1) gestehen zwar das Recht „während der Leistungsdurchführung“ zu. Es fehlt in dem Werk aber jede nähere Erläuterung, was damit gemeint sein soll. Damit wirft aber der Fall keine erhebliche Rechtsfrage auf (vgl 1 Ob 139/02a). Denn unter „vertraglicher Leistungsfrist“ kann nur eine vereinbarte Frist verstanden werden, nicht aber das faktische Ende der Leistungserbringung beider Seiten, also die vollständige Vertragsabwicklung, worauf die Interpretation der klagenden Partei hinausläuft und hinauslaufen muss, um das von ihr gewünschte Ergebnis zu rechtfertigen. Auch die Lehre bietet keine Stütze für ein solches Ergebnis. Die Ausführungen von Kropik (Der Bauvertrag und die ÖNORM B 2110, 291: „jederzeit während der vertraglichen Leistungsfrist“) bieten zum Normentext keine zusätzliche Information. Karasek (aaO) äußert sich zur Dauer des Sicherungsrechts nicht. Gölles/Link (Kommentar zu den ÖNORMEN B 2110 und B 2117 für Praktiker Rz 5.48.1.2-1) gestehen zwar das Recht „während der Leistungsdurchführung“ zu. Es fehlt in dem Werk aber jede nähere Erläuterung, was damit gemeint sein soll. Damit wirft aber der Fall keine erhebliche Rechtsfrage auf vergleiche 1 Ob 139/02a).
Die Auslegung des betreffenden Abschnitts der ÖNORM B 2110 durch die zweite Instanz ist jedenfalls vertretbar. Einerseits spricht der Wortlaut, wie schon erwähnt, dafür und andererseits ist nicht erkennbar, welchen Wert ein durch die ergebnislose Anforderung einer Sicherstellung ermöglichter Rücktritt für den Werkunternehmer nach vollständigem Erbringen seiner Leistung haben könnte, kann er dann doch nicht einmal mehr einen Teil seiner Leistung zurückhalten und andererseits ohnedies schon die Gegenleistung verlangen. Dass Punkt 5.47.1.3 der ÖNORM B 2110 auch einem bis zum Zeitpunkt, zu dem er vollständig zu leisten hätte, nur mangelhaft erfüllenden Werkunternehmer die Vereitelung der Einrede des nicht erfüllten Vertrags nach § 1052 erster Satz ABGB ermöglichen soll, ist nicht ohne weiteres anzunehmen. Fehlt es aber schon am Recht auf Kaution, kommt es auf die Rechtsfolgen deren Verweigerung nicht an.
Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist aber vor allem auch aus folgenden Erwägungen nicht zu beantworten:
Wie die klagende Partei selbst einräumt, wurde die hier vereinbarte ÖNORM B 2110 (Ausgabe vom 1. März 2000) bereits etwa zwei Jahre später durch eine andere (wenn auch angeblich im fraglichen Punkt gleichlautende) ersetzt. Dazu kommt, dass mit 1. Jänner 2007 § 1170b ABGB in Kraft trat. Dieser ist auf nach dem 31. Dezember 2006 geschlossene Verträge anzuwenden (ArtXXXII Abs 1 HaRÄG BGBl I 2005/120). Abs 1 dieser Norm gewährt (allein) dem Werkunternehmer einen gegenüber dem nach der ÖNORM wesentlich weiter gehenden Sicherstellungsanspruch, weil er nicht durch die „vertragliche Leistungsfrist“ begrenzt ist und in einem Teilbereich (kurz laufende Verträge) sogar 40 % statt 20 % des vereinbarten Entgelts ausmacht. Die Inanspruchnahme ist auch nicht auf die Insolvenz des Werkbestellers beschränkt. Außerdem ordnet § 1170b Abs 2 zweiter Satz ABGB die hier geltend gemachte Rücktrittsmöglichkeit des Unternehmers mangels fristgerechter Sicherheitsleistung ausdrücklich an. Der Anwendungsbereich ist deckungsgleich: „Bauleistungen“ (nach Punkt 3.1 der ÖNORM) und „Unternehmer eines Bauwerks, einer Außenanlage zu einem Bauwerk oder eines teils hievon“ (nach ABGB). Wegen des zwingenden Charakters der gesetzlichen Regelung (§ 1170b Abs 1 zweiter Satz ABGB) kann nunmehr der in Rede stehende ÖNORM-Punkt wegen Abweichens vom zwingenden Recht nicht gültig vereinbart werden. Demnach kann sich künftig kein Unternehmer als Werkbesteller gegenüber dem Kaution fordernden Werkunternehmer darauf berufen, es sei bereits die „vertragliche Leistungsfrist“ abgelaufen. Für Konsumenten gilt zwar § 1170b ABGB nach dessen Abs 3 nicht, diesen gegenüber müsste aber ein Sicherstellungsrecht nach der Anmerkung nach Punkt 5.47.1.3 der ÖNORM B 2110 ohnehin „ausdrücklich vereinbart“, also nicht in Form von AGB in den Vertrag einbezogen werden (dazu Kropik aaO 291; Karasek aaO; Langer, Die Bauvertragsnorm B 2110³, 112). Dass auch mit Auftraggebern, die juristische Personen des öffentlichen Rechts sind (und für die dieselbe Ausnahme gilt), die ÖNORM B2110 regelmäßig vereinbart würde, wurde nicht geltend gemacht; solchen gegenüber fehlt aber schon das die Kautionsforderung rechtfertigende Insolvenzrisiko (vgl Reckerzügl/Schwarz in Oberndorfer, Kommentar zur ÖNORM B 2110 Rz 963). Mag es auch zutreffen, dass die fragliche ÖNORM zahlreichen Werkverträgen über Bauleistungen zugrunde lag, wird somit voraussichtlich dem hier konkret zu beurteilenden Punkt künftig kein allgemein relevanter Anwendungsbereich zukommen.Wie die klagende Partei selbst einräumt, wurde die hier vereinbarte ÖNORM B 2110 (Ausgabe vom 1. März 2000) bereits etwa zwei Jahre später durch eine andere (wenn auch angeblich im fraglichen Punkt gleichlautende) ersetzt. Dazu kommt, dass mit 1. Jänner 2007 § 1170b ABGB in Kraft trat. Dieser ist auf nach dem 31. Dezember 2006 geschlossene Verträge anzuwenden (ArtXXXII Abs 1 HaRÄG BGBl I 2005/120). Abs 1 dieser Norm gewährt (allein) dem Werkunternehmer einen gegenüber dem nach der ÖNORM wesentlich weiter gehenden Sicherstellungsanspruch, weil er nicht durch die „vertragliche Leistungsfrist“ begrenzt ist und in einem Teilbereich (kurz laufende Verträge) sogar 40 % statt 20 % des vereinbarten Entgelts ausmacht. Die Inanspruchnahme ist auch nicht auf die Insolvenz des Werkbestellers beschränkt. Außerdem ordnet § 1170b Abs 2 zweiter Satz ABGB die hier geltend gemachte Rücktrittsmöglichkeit des Unternehmers mangels fristgerechter Sicherheitsleistung ausdrücklich an. Der Anwendungsbereich ist deckungsgleich: „Bauleistungen“ (nach Punkt 3.1 der ÖNORM) und „Unternehmer eines Bauwerks, einer Außenanlage zu einem Bauwerk oder eines teils hievon“ (nach ABGB). Wegen des zwingenden Charakters der gesetzlichen Regelung (§ 1170b Abs 1 zweiter Satz ABGB) kann nunmehr der in Rede stehende ÖNORM-Punkt wegen Abweichens vom zwingenden Recht nicht gültig vereinbart werden. Demnach kann sich künftig kein Unternehmer als Werkbesteller gegenüber dem Kaution fordernden Werkunternehmer darauf berufen, es sei bereits die „vertragliche Leistungsfrist“ abgelaufen. Für Konsumenten gilt zwar § 1170b ABGB nach dessen Abs 3 nicht, diesen gegenüber müsste aber ein Sicherstellungsrecht nach der Anmerkung nach Punkt 5.47.1.3 der ÖNORM B 2110 ohnehin „ausdrücklich vereinbart“, also nicht in Form von AGB in den Vertrag einbezogen werden (dazu KropikaaO 291; Karasek aaO; Langer, Die Bauvertragsnorm B 2110³, 112). Dass auch mit Auftraggebern, die juristische Personen des öffentlichen Rechts sind (und für die dieselbe Ausnahme gilt), die ÖNORM B2110 regelmäßig vereinbart würde, wurde nicht geltend gemacht; solchen gegenüber fehlt aber schon das die Kautionsforderung rechtfertigende Insolvenzrisiko vergleiche Reckerzügl/Schwarz in Oberndorfer, Kommentar zur ÖNORM B 2110 Rz 963). Mag es auch zutreffen, dass die fragliche ÖNORM zahlreichen Werkverträgen über Bauleistungen zugrunde lag, wird somit voraussichtlich dem hier konkret zu beurteilenden Punkt künftig kein allgemein relevanter Anwendungsbereich zukommen.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E86330European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2007:0030OB00211.07M.1219.000Im RIS seit
09.12.2010Zuletzt aktualisiert am
09.12.2010