Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj Janine Maria P*****, geboren am 20. Dezember 2002, *****, vertreten durch Dr. Helene Klaar, Mag. Norbert Marschall Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei Hans Georg D*****, unbekannten Aufenthalts, vertreten durch Mag. Michael Stanzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der unehelichen Vaterschaft und Unterhalt, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 26. März 2007, GZ 48 R 13/07b-86, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Meidling vom 14. September 2006, GZ 2 C 174/03x-80, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird dahingehend abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 437,14 EUR (darin 72,86 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 884,10 EUR (darin 50,02 EUR Umsatzsteuer und 584 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Aufgrund der am 27. 10. 2003 eingebrachten Klage wurde der Beklagte Hans Georg D***** mit dem insoweit in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Erstgerichts vom 14. 9. 2006 als unehelicher Vater der am 20. 12. 2002 geborenen Klägerin festgestellt. Im Rechtsmittelverfahren ist allein die Unterhaltsverpflichtung des Beklagten gegenüber der Klägerin ab 1. 1. 2004 bis zu einer Höhe von 130 EUR monatlich strittig (das Unterhaltsbegehren für den Zeitraum vom 20. 12. 2002 bis 31. 12. 2003 und das über 130 EUR monatlich hinausgehende Begehren ab 1. 1. 2004 wurden rechtskräftig abgewiesen).
Soweit demnach für das Revisionsverfahren noch von Relevanz begehrt die Klägerin vom Beklagten einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von 130 EUR ab 1. 1. 2004. Wohl sei der Beklagte unbekannten Aufenthalts und derzeit nicht versicherungspflichtig beschäftigt. Als gelernter Koch/Kellner sei er aber in der Lage, ein monatliches Einkommen von 1.200 EUR (inklusive anteiliger Sonderzahlungen) zu verdienen.
Der durch einen Abwesenheitskurator vertretene Beklagte wandte ein, dass seine konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht bekannt seien. Darüber hinaus könne ihm keine schuldhafte Verletzung seiner Unterhaltsverpflichtung angelastet werden, weil er von der Geburt der Klägerin nicht informiert gewesen sei und daher der Anspannungsgrundsatz nicht zum Tragen komme. Für den Fall einer Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Klägerin seien insgesamt drei weitere Unterhaltspflichten zu berücksichtigen.
Die Klägerin entgegnete, dass im August 2003 eine Vertreterin des Amts für Jugend und Familie ein Telefonat mit dem Beklagten geführt habe, in dem er angegeben habe, sich einer Untersuchung zu stellen und möglicherweise auch seine Adresse bekannt zu geben. Somit sei er von der Geburt der Klägerin informiert gewesen.
Das Erstgericht stellte den Beklagten (insoweit rechtskräftig) als Vater der Klägerin fest und wies das Unterhaltsbegehren zur Gänze ab.
Dabei ging es von folgendem Sachverhalt aus:
Die Mutter der Klägerin kennt den Beklagten seit dem Jahr 2000; in der Zeit von März bis Mai 2002 hatte sie mit ihm eine geschlechtliche Beziehung, bei der ungeschützter Geschlechtsverkehr praktiziert wurde. In dieser Zeit hatte die Mutter der Klägerin auch mit einem anderen Mann Geschlechtsverkehr, dessen Vaterschaft zur Klägerin aber ausgeschlossen ist.
Der Beklagte ist gelernter Koch/Kellner, hat aber jedenfalls seit dem Jahr 2000 nicht in diesem Beruf gearbeitet. Ob er aus einer Erbschaft nach wie vor Einkommen bezieht, kann nicht festgestellt werden. Die letzte sozialversicherte Tätigkeit des Beklagten als Hausbesorger endete am 31. 10. 2000. Im Jahr 2002 lebte der Beklagte von Blutplasmaspenden. Es ist nicht feststellbar, welche Berufstätigkeit der Beklagte in der Folge ausübte bzw ausüben hätte können und welches Einkommen daraus erzielbar gewesen ist bzw wäre.
Bereits in der Schwangerschaft und auch danach hat die Mutter der Klägerin die beiden als Väter in Betracht kommenden Männer von ihrer Schwangerschaft bzw Entbindung verständigt, wobei sie offen legte, dass auch ein anderer Vater in Betracht komme. Es gab einmal ein zufälliges Treffen zwischen dem Beklagten und der Klägerin, bei dem aber deren Mutter aufgrund des ungepflegten Aussehens des Beklagten das direkte Gespräch mied.
Seiner rechtlichen Beurteilung stellte das Erstgericht voran, dass die Heranziehung des Anspannungsgrundsatzes nicht zu einer bloßen Fiktion führen dürfe, sondern immer auf der hypothetischen Feststellung beruhen müsse, welches reale Einkommen der Unterhaltspflichtige in den Zeiträumen, für welche die Unterhaltsbemessung erfolge, unter Berücksichtigung seiner konkreten Fähigkeiten und Möglichkeiten bei der gegebenen Arbeitsmarktlage erzielen könne. Soweit die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes bei erstmaliger Unterhaltsfestsetzung gegen den unbekannt aufhältigen Unterhaltsschuldner überhaupt anwendbar sei, sei es notwendig, dass die für die Unterhaltsbemessungsgrundlage maßgebenden Tatsachen zur Zeit des letzten bekannten Aufenthalts feststellbar seien und der unbekannte Aufenthalt noch nicht von langer Dauer sei. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass der Beklagte an seiner Vaterschaft zur Klägerin berechtigt zweifeln habe dürfen, weil ihm deren Mutter wahrheitsgemäß bekannt gegeben habe, dass auch noch ein anderer Mann in Betracht komme. Selbst aus dem Vorbringen der Klägerin, dass sich der Beklagte bereit erklärt habe, sich einem Gutachten zu stellen, sei nichts gewonnen, weil sich auch daraus für den Beklagten noch keine Kenntnis von der sicheren Vaterschaft zur Klägerin ergeben habe müssen. Ein Vater, dessen Aufenthalt unbekannt sei, könne jedenfalls nur dann angespannt werden, wenn ihm seine Unterhaltspflicht bekannt sei; dafür sei die unterhaltsberechtigte Person beweispflichtig. Überdies müssten bei der erstmaligen Unterhaltsfestsetzung zumindest die zur Zeit des letzten bekannten Aufenthalts maßgeblichen Tatsachenprämissen feststellbar sein. Mangels Feststellbarkeit der konkreten Leistungsfähigkeit des Beklagten seit der Geburt der Klägerin und mangels Anwendbarkeit des Anspannungsgrundsatzes sei das Unterhaltsbegehren abzuweisen.
Das Berufungsgericht gab der gegen die Abweisung des Unterhaltsbegehrens gerichteten Berufung der Klägerin Folge und verpflichtete den Beklagten zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von 130 EUR ab 1. 1. 2004; das Unterhaltsmehrbegehren wurde (rechtskräftig) abgewiesen.
Im vorliegenden Fall habe sich der Vater einem Abstammungsgutachten entzogen, indem er, trotz offensichtlichen Aufenthalts in Wien, in den „Untergrund" gegangen sei, seinen Aufenthaltsort nicht bekannt gegeben habe und sich weder bei der Mutter noch beim Jugendamt gemeldet habe. Zwar habe er nach der Mitteilung der Mutter nur von einer 50 %-igen Wahrscheinlichkeit seiner Vaterschaft ausgehen können, doch habe er ab einem Telefonat mit dem Jugendamt im August 2003 gewusst, dass der andere als Vater in Betracht kommende Mann von der Vaterschaft ausgeschlossen sei. Er habe sich sogar bereit erklärt, sich selbst einem Test zu unterziehen und eventuell seine Adresse bekannt zu geben, wovon er aber in der Folge Abstand genommen habe.
Da kein Einkommen des Vaters feststehe, könne nur nach dem Anspannungsgrundsatz vorgegangen werden. Eine Anspannung sei erst ab dem Tag der Zustellung eines positiven Gutachtens möglich. Hätte sich der Beklagte - wie von ihm zugesagt - im August oder September 2003 einem Test unterzogen, so wäre seine Vaterschaft voraussichtlich mit Ende des Jahres 2003 festgestellt und ihm mit der erforderlichen Sicherheit durch Zustellung des positiven Gutachtens bekannt geworden. Daher könne er ab 1. 1. 2004 angespannt werden. Zur Höhe der Bemessungsgrundlage seien nur Daten aus lange zurückliegenden Perioden bekannt. Der Vater wäre aber behauptungs- und beweispflichtig für die Unmöglichkeit der Erzielung eines Einkommens, etwa wegen einer schweren Erkrankung im fraglichen Zeitraum. Da nichts dagegen spreche, dass er als Hilfsarbeiter zumindest ein Einkommen in Höhe von 1.000 EUR monatlich (einschließlich Sonderzahlungen) erzielen hätte können bzw erzielen könne, sei er auf eine Bemessungsgrundlage in dieser Höhe anzuspannen. Schon angesichts seiner zwei weiteren Sorgepflichten wäre der Beklagte zur Erzielung eines Einkommens, das auch ein gewissenhafter Familienvater erzielen würde, verpflichtet. Angesichts der Sorgepflicht für ein weiteres Kind über 10 Jahre und ein Kind unter 10 Jahre habe die Klägerin einen Unterhaltsanspruch von 13 %, was einen Unterhaltsbeitrag von 130 EUR im Monat ergebe.
Die Revision sei zulässig, da eine Rechtsprechung zur Unterhaltspflicht von Vätern fehle, die sich - wie hier - der Erstellung eines Abstammungsgutachtens bewusst entzögen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des das Unterhaltsbegehren abweisenden Ersturteils. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.
In der Revision werden folgende Punkte in den Vordergrund gerückt:
a) Das Berufungsverfahren sei mangelhaft, weil das Berufungsgericht seine Entscheidung ohne Beweisaufnahme oder Beweisergänzung auf die nicht in den Feststellungen des Erstgerichts enthaltenen Annahmen gestützt habe, dass sich der Beklagte bewusst einem Abstammungsgutachten entzogen habe.
b) Obwohl den Beklagten unstrittig drei zur Klägerin konkurrierende Sorgepflichten träfen, habe das Berufungsgericht aktenwidrigerweise nur zwei weitere Sorgepflichten angenommen.
c) In seiner rechtlichen Beurteilung habe das Berufungsgericht entgegen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung den Anspannungsgrundsatz herangezogen. Die von der Judikatur dafür aufgestellten Voraussetzungen, dass der Vater (und nicht bloß der Abwesenheitskurator) sichere Kenntnis von der Vaterschaft zum unterhaltsberechtigten Kind habe, seien nicht gegeben.
Dazu hat der Senat erwogen:
1. Nach dem Akteninhalt treffen den Vater nicht zwei, sondern drei mit der Klägerin konkurrierende Sorgepflichten (AS 171), nämlich für Melissa-Jacqueline Ch*****, geboren am 20. 3. 1992 (siehe auch AS 3, 127 ua), für Karoline D*****, geboren am 16. 2. 1998, und für Hans Alexander D*****, geboren am 4. 5. 1999 (siehe auch AS 47, ON 61 ua). In der Streitverhandlung vom 13. 3. 2006 hat die Vertreterin der Klägerin im Übrigen diese drei weiteren Sorgepflichten des Beklagten als richtig zugestanden (AS 171).
2. In rechtlicher Hinsicht bestreitet der Beklagte die Anwendbarkeit des vom Berufungsgericht herangezogenen Anspannungsgrundsatzes mangels sicherer Kenntnis von der Unterhaltsverpflichtung.
2.1. Der Unterhaltsanspruch eines unehelichen Kindes beruht auf dem Gesetz (§§ 140, 166 ABGB) und entsteht daher grundsätzlich bereits mit der Geburt (10 Ob 2032/96p = EFSlg 80.289). Die Unterhaltspflicht hängt somit nicht von der Kenntnis des Unterhaltspflichtigen von seiner Unterhaltspflicht bzw davon ab, ab wann dieser Gewissheit von seiner Vaterschaft haben musste (2 Ob 56/02b = ÖA 2003, 274/U 404; RIS-Justiz RS0102045). Diese Grundsätze lassen sich aber nicht ohne weiteres auf die Obliegenheit zur Anspannung der eigenen Kräfte im Interesse des Kindes übertragen. Nach dem Anspannungsgrundsatz trifft den Unterhaltspflichtigen die Obliegenheit, im Interesse der Kinder alle persönlichen Fähigkeiten, insbesondere seine Arbeitskraft, so gut wie möglich einzusetzen. Tut er dies nicht, so wird er so behandelt, als bezöge er die Einkünfte, die er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit hätte beziehen können (1 Ob 599/90 = SZ 63/74 = EvBl 1990/128; RIS-Justiz RS0047686; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3 [2004] 68). Die Anspannungsobliegenheit besteht aber nur unter der Voraussetzung eines Verschuldens des Unterhaltspflichtigen; der Verpflichtete muss also in Kenntnis seiner Unterhaltspflicht das Fehlen eines Einkommens oder das Mindereinkommen verschuldet haben (7 Ob 39/00m = ÖA 2000, 176/U 319; 1 Ob 262/02i; RIS-Justiz RS0106973; Gitschthaler, Unterhaltsrecht [2001] Rz 139; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3 68 [FN 800] und 70). Maßgeblich ist nicht die Kenntnis eines Vertreters des Unterhaltspflichtigen (etwa eines Abwesenheitskurators), sondern die Kenntnis des Unterhaltspflichtigen selbst (7 Ob 61/97i = ÖA 1998, 27/F 148 = ÖA 1998, 127/F 157 = EFSlg 83.411; RIS-Justiz RS0106973). In der Entscheidung 2 Ob 56/02b (= ÖA 2003, 274/U 404), die ein Verfahren betraf, in dem ein serologisch-erbegenetisches Gutachten eingeholt wurde, hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass die Kenntnis des Vaters von seiner Unterhaltspflicht jedenfalls mit Zustellung des Abstammungsgutachtens, in dem die Vaterschaft als „praktisch erwiesen" angesehen wurde, anzusehen ist, zumal dem Vater spätestens ab diesem Zeitpunkt bewusst sein musste, Vater zu sein, und er Anstrengungen unternehmen hätte müssen, seiner Unterhaltspflicht nachzukommen. Demnach reichen bloße Anhaltspunkte für eine mögliche Unterhaltspflicht nicht aus, um den Anspannungsgrundsatz wirksam werden zu lassen.2.1. Der Unterhaltsanspruch eines unehelichen Kindes beruht auf dem Gesetz (Paragraphen 140,, 166 ABGB) und entsteht daher grundsätzlich bereits mit der Geburt (10 Ob 2032/96p = EFSlg 80.289). Die Unterhaltspflicht hängt somit nicht von der Kenntnis des Unterhaltspflichtigen von seiner Unterhaltspflicht bzw davon ab, ab wann dieser Gewissheit von seiner Vaterschaft haben musste (2 Ob 56/02b = ÖA 2003, 274/U 404; RIS-Justiz RS0102045). Diese Grundsätze lassen sich aber nicht ohne weiteres auf die Obliegenheit zur Anspannung der eigenen Kräfte im Interesse des Kindes übertragen. Nach dem Anspannungsgrundsatz trifft den Unterhaltspflichtigen die Obliegenheit, im Interesse der Kinder alle persönlichen Fähigkeiten, insbesondere seine Arbeitskraft, so gut wie möglich einzusetzen. Tut er dies nicht, so wird er so behandelt, als bezöge er die Einkünfte, die er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit hätte beziehen können (1 Ob 599/90 = SZ 63/74 = EvBl 1990/128; RIS-Justiz RS0047686; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3 [2004] 68). Die Anspannungsobliegenheit besteht aber nur unter der Voraussetzung eines Verschuldens des Unterhaltspflichtigen; der Verpflichtete muss also in Kenntnis seiner Unterhaltspflicht das Fehlen eines Einkommens oder das Mindereinkommen verschuldet haben (7 Ob 39/00m = ÖA 2000, 176/U 319; 1 Ob 262/02i; RIS-Justiz RS0106973; Gitschthaler, Unterhaltsrecht [2001] Rz 139; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht3 68 [FN 800] und 70). Maßgeblich ist nicht die Kenntnis eines Vertreters des Unterhaltspflichtigen (etwa eines Abwesenheitskurators), sondern die Kenntnis des Unterhaltspflichtigen selbst (7 Ob 61/97i = ÖA 1998, 27/F 148 = ÖA 1998, 127/F 157 = EFSlg 83.411; RIS-Justiz RS0106973). In der Entscheidung 2 Ob 56/02b (= ÖA 2003, 274/U 404), die ein Verfahren betraf, in dem ein serologisch-erbegenetisches Gutachten eingeholt wurde, hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass die Kenntnis des Vaters von seiner Unterhaltspflicht jedenfalls mit Zustellung des Abstammungsgutachtens, in dem die Vaterschaft als „praktisch erwiesen" angesehen wurde, anzusehen ist, zumal dem Vater spätestens ab diesem Zeitpunkt bewusst sein musste, Vater zu sein, und er Anstrengungen unternehmen hätte müssen, seiner Unterhaltspflicht nachzukommen. Demnach reichen bloße Anhaltspunkte für eine mögliche Unterhaltspflicht nicht aus, um den Anspannungsgrundsatz wirksam werden zu lassen.
2.2. Hinweise auf eine (sichere) Kenntnis des Vaters von seiner Unterhaltspflicht sind den erstgerichtlichen Feststellungen nicht zu entnehmen, insbesondere nicht eine entsprechende Information durch das Jugendamt im August 2003. Die Vertreterin der Klägerin hat in ihrem Vorbringen darauf hingewiesen, dass der Beklagte von der Geburt des Kindes informiert gewesen sei (AS 171 = Seite 3 des Protokolls vom 13. 3. 2006), was auch der Aussage der Mutter entspricht (AS 74 = Seite 4 des Protokolls vom 13. 5. 2004). Dies ist allerdings immer im Kontext damit zu sehen, dass auch ein anderer Mann als Vater in Betracht komme. Die Annahme, das im August 2003 geführte Telefonat hätte dem Beklagten Kenntnis von seiner Vaterschaft gebracht, weil er davon informiert worden sei, dass der zweite in Betracht kommende Mann von der Vaterschaft ausgeschlossen sei, wäre nur aufgrund einer Beweisergänzung durch das Berufungsgericht (§§ 488, 498 ZPO) gerechtfertigt.2.2. Hinweise auf eine (sichere) Kenntnis des Vaters von seiner Unterhaltspflicht sind den erstgerichtlichen Feststellungen nicht zu entnehmen, insbesondere nicht eine entsprechende Information durch das Jugendamt im August 2003. Die Vertreterin der Klägerin hat in ihrem Vorbringen darauf hingewiesen, dass der Beklagte von der Geburt des Kindes informiert gewesen sei (AS 171 = Seite 3 des Protokolls vom 13. 3. 2006), was auch der Aussage der Mutter entspricht (AS 74 = Seite 4 des Protokolls vom 13. 5. 2004). Dies ist allerdings immer im Kontext damit zu sehen, dass auch ein anderer Mann als Vater in Betracht komme. Die Annahme, das im August 2003 geführte Telefonat hätte dem Beklagten Kenntnis von seiner Vaterschaft gebracht, weil er davon informiert worden sei, dass der zweite in Betracht kommende Mann von der Vaterschaft ausgeschlossen sei, wäre nur aufgrund einer Beweisergänzung durch das Berufungsgericht (Paragraphen 488,, 498 ZPO) gerechtfertigt.
2.3. Auch für die weitere Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, auf den Beklagten sei der Anspannungsgrundsatz deshalb anzuwenden, weil er sich bewusst einem Abstammungsgutachten entzogen (und damit offenbar ein gegen ihn sprechendes Gutachten vereitelt) habe, fehlt es an den entsprechenden Tatsachenfeststellungen, sodass auch hier eine Beweisergänzung durch das Berufungsgericht notwendig gewesen wäre (§§ 488, 498 ZPO).2.3. Auch für die weitere Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, auf den Beklagten sei der Anspannungsgrundsatz deshalb anzuwenden, weil er sich bewusst einem Abstammungsgutachten entzogen (und damit offenbar ein gegen ihn sprechendes Gutachten vereitelt) habe, fehlt es an den entsprechenden Tatsachenfeststellungen, sodass auch hier eine Beweisergänzung durch das Berufungsgericht notwendig gewesen wäre (Paragraphen 488,, 498 ZPO).
3. Allerdings kommt es auf diese Fragen letztlich nicht an, was vom Obersten Gerichtshof im Rahmen seiner Verpflichtung zur allseitigen rechtlichen Beurteilung bei Vorliegen einer gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge aufzugreifen ist (7 Ob 221/05h; RIS-Justiz RS0043326, RS0043352).
3.1. Eine Anspannungsbeurteilung darf sich nicht in bloßen Fiktionen erschöpfen (2 Ob 108/02z = ÖA 2003, 74/U 381 = EFSlg 99.527 uva; RIS-Justiz RS0047579), sondern muss immer auf der hypothetischen Feststellung beruhen, welches reale Einkommen der Unterhaltspflichtige in den Zeiträumen, für die die Unterhaltsbemessung erfolgt, unter Berücksichtigung seiner konkreten Fähigkeiten und Möglichkeiten bei der gegebenen Arbeitsmarktlage zu erzielen in der Lage wäre (6 Ob 116/00b uva). Zwar kann der Anspannungsgrundsatz auch gegen einen abwesenden Unterhaltspflichtigen angewendet werden (1 Ob 556/80 = ÖA 1980, 23 [Pichler, ÖA 1981, 67]; 7 Ob 578/90 = SZ 63/95 = EvBl 1990/156). Bei der erstmaligen Unterhaltsfestsetzung kann er aber nur dann herangezogen werden, wenn die zur Zeit seines letzten bekannten Aufenthalts maßgeblichen Tatsachenprämissen noch festgestellt werden können (7 Ob 194/03k = EFSlg 103.648; RIS-Justiz RS0047695).
3.2. Die Klägerin ist am 20. Dezember 2002 geboren. Die letzte sozialversicherte Tätigkeit des Klägers als Hausbesorger endete am 31. 10. 2000. Im Jahr 2002 lebte der Beklagte von Blutplasmaspenden. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, welche Berufstätigkeit der Beklagte in der Folge ausübte. Zum Zeitpunkt der Klagseinbringung am 27. 10. 2003 war der Aufenthalt des Beklagten bereits unbekannt; dieser Zustand blieb bis zum Schluss der Verhandlung in erster Instanz (13. 3. 2006) unverändert aufrecht.
Somit hat der Beklagte keinerlei beweismäßige Spuren hinterlassen, die Rückschlüsse auf seine (vom Berufungsgericht bejahte) Leistungsfähigkeit zulassen, weshalb er nicht anspannbar ist (die Beweislast dafür liegt bei der unterhaltsberechtigten Klägerin: 1 Ob 552/93 = ÖA 1994, 19/U 83 = ZfRV 1993, 247).
3.3. Ist erstmals ein Unterhalt festzusetzen und ist - wie hier - der Anspannungsgrundsatz gegen den unterhaltspflichtigen Vater nicht anzuwenden, darf das Bestehen seiner grundsätzlichen Leistungsfähigkeit auch nicht fingiert werden. Seine Unterhaltsverpflichtung (im Hinblick auf eine vorhandene Leistungsfähigkeit) und ihre Verletzung sind in diesem Fall, in dem es nicht um die Änderung der einer früheren Unterhaltsbemessung zugrunde gelegten Verhältnisse geht, nach allgemeinen Grundsätzen vom Unterhaltsberechtigten zu beweisen.
3.4. Da von der Klägerin weder der Beweis einer grundsätzlichen Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners noch Beweis der Anwendbarkeit des Anspannungsgrundsatzes erbracht wurde, ist der das Unterhaltsbegehren abweisende erstinstanzliche Beschluss wieder herzustellen.
4. Dieses Ergebnis bewirkt, dass die Kostenentscheidung neu zu fassen ist. Im erstinstanzlichen Verfahren, in dem sowohl die Frage der Vaterschaftsfeststellung als auch das Unterhaltsbegehren strittig waren, ist - wie schon vom Erstgericht ausgesprochen - eine Kostenaufhebung gerechtfertigt. Im Rechtsmittelverfahren, das allein das Unterhaltsbegehren zum Gegenstand hatte, hat der siegreiche Beklagte Anspruch auf Ersatz der Kosten seines Vertreters (§ 41 ZPO). Die Bemessungsgrundlage für das Berufungsverfahren beträgt gemäß § 9 Abs 3 RATG 1.728 EUR (144 EUR x 12), die Bemessungsgrundlage für das Revisionsverfahren 1.560 EUR (130 EUR x 12).4. Dieses Ergebnis bewirkt, dass die Kostenentscheidung neu zu fassen ist. Im erstinstanzlichen Verfahren, in dem sowohl die Frage der Vaterschaftsfeststellung als auch das Unterhaltsbegehren strittig waren, ist - wie schon vom Erstgericht ausgesprochen - eine Kostenaufhebung gerechtfertigt. Im Rechtsmittelverfahren, das allein das Unterhaltsbegehren zum Gegenstand hatte, hat der siegreiche Beklagte Anspruch auf Ersatz der Kosten seines Vertreters (Paragraph 41, ZPO). Die Bemessungsgrundlage für das Berufungsverfahren beträgt gemäß Paragraph 9, Absatz 3, RATG 1.728 EUR (144 EUR x 12), die Bemessungsgrundlage für das Revisionsverfahren 1.560 EUR (130 EUR x 12).
Textnummer
E86411European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2008:0100OB00073.07V.0115.000Im RIS seit
14.02.2008Zuletzt aktualisiert am
29.06.2011