Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Giger, Ruggenthaler & Partner Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagte Partei „Ö*****"-***** GmbH, *****, vertreten durch Berger Saurer Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Zahlung von 10.000 EUR sA (Streitwert im Sicherungsverfahren 32.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 12. Oktober 2007, GZ 2 R 129/07s-9, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß Paragraph 402, Absatz 4, EO in Verbindung mit Paragraph 526, Absatz 2, erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 528, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
1. Die Parteien hatten in ihren Tageszeitungen über das späte Mutterglück einer 66-jährigen Frau berichtet. Dazu hatten sie Fotos abgedruckt, die nicht diese Frau zeigten. Die Klägerin kritisierte in einem redaktionellen Beitrag, dass die Beklagte dabei den unrichtigen Eindruck erweckt habe, das von ihr verwendete Foto stelle die Mutter dar. Daraufhin hielt die Beklagte der Klägerin unter der Überschrift „Dumm... Dümmer... K*****" vor, dass sie „selbst genau das getan" habe, was sie ihr vorwerfe; „dümmer" gehe es „nimmer".
2. Die Vorinstanzen untersagten der Beklagten die letztgenannten Formulierungen: Anders als die Beklagte habe die Klägerin nicht versucht, ihren Lesern das von ihr verwendete Agenturbild als Abbildung der Mutter „zu verkaufen". Daher treffe die herabsetzende Tatsachenbehauptung, die Klägerin habe sich gleich verhalten wie die Beklagte, nicht zu (§ 7 UWG). Die auf die Dummheit der Klägerin bezogenen Formulierungen seien unsachliche Pauschalherabsetzungen (§ 1 UWG).2. Die Vorinstanzen untersagten der Beklagten die letztgenannten Formulierungen: Anders als die Beklagte habe die Klägerin nicht versucht, ihren Lesern das von ihr verwendete Agenturbild als Abbildung der Mutter „zu verkaufen". Daher treffe die herabsetzende Tatsachenbehauptung, die Klägerin habe sich gleich verhalten wie die Beklagte, nicht zu (Paragraph 7, UWG). Die auf die Dummheit der Klägerin bezogenen Formulierungen seien unsachliche Pauschalherabsetzungen (Paragraph eins, UWG).
3. Die Beklagte stützt ihre Zulassungsbeschwerde auf das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit und die mildere wettbewerbsrechtliche Beurteilung von Abwehrmaßnahmen. Diese Argumente beruhen auf der Prämisse, dass die beanstandeten Äußerungen Werturteile seien, denen ein richtiger Tatsachenkern zugrunde liege: beide Parteien hätten zur Illustration ihrer Artikel Agenturfotos verwendet. Einzelne Formulierungen dürften nicht aus dem Zusammenhang gerissen werden.
Rechtliche Beurteilung
4. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanzen ist allerdings zumindest vertretbar.
4.1. Der Begriff der Tatsachenbehauptung ist nach der Rechtsprechung weit auszulegen; auch Urteile, die nur auf entsprechende Tatsachen schließen lassen, gelten als Tatsachenmitteilungen („konkludente Tatsachenbehauptung" RIS-Justiz RS0031810). Entscheidend für die Qualifikation einer Äußerung als Tatsachenbehauptung ist, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist (4 Ob 204/98y = MR 1999, 111 - PAT AND PAT PEND; RIS-Justiz RS0031815; RS0031883 [T30]; zuletzt etwa 4 Ob 97/07d - Softwarepiraterie).
Die Beklagte hält der Klägerin vor, sie habe „selbst genau das getan", was sie der Beklagten vorwerfe. Diese Formulierung ist im Kontext der gesamten Auseinandersetzung (nicht allein der beanstandeten Glosse) dahin zu verstehen, dass auch die Klägerin versucht habe, bei ihren Lesern den unrichtigen Eindruck zu erwecken, das Agenturfoto stelle tatsächlich jene Frau dar, über die im Artikel berichtet wurde. Denn nur dagegen hatte sich der Angriff der Klägerin gerichtet, auf den die Beklagte replizierte. Bei diesem Verständnis liegt eine Tatsachenbehauptung (auch) über die Art und Weise der Bildverwendung vor, die geeignet ist, den Betrieb des Unternehmens der Klägerin zu schädigen (§ 7 UWG).Die Beklagte hält der Klägerin vor, sie habe „selbst genau das getan", was sie der Beklagten vorwerfe. Diese Formulierung ist im Kontext der gesamten Auseinandersetzung (nicht allein der beanstandeten Glosse) dahin zu verstehen, dass auch die Klägerin versucht habe, bei ihren Lesern den unrichtigen Eindruck zu erwecken, das Agenturfoto stelle tatsächlich jene Frau dar, über die im Artikel berichtet wurde. Denn nur dagegen hatte sich der Angriff der Klägerin gerichtet, auf den die Beklagte replizierte. Bei diesem Verständnis liegt eine Tatsachenbehauptung (auch) über die Art und Weise der Bildverwendung vor, die geeignet ist, den Betrieb des Unternehmens der Klägerin zu schädigen (Paragraph 7, UWG).
4.2. Ob eine Tatsachenbehauptung zutrifft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage. Eine auffallende Fehlbeurteilung liegt angesichts der von den Vorinstanzen richtig herausgearbeiteten Unterschiede in der konkreten Verwendung der Agenturbilder nicht vor.
4.3. Trifft der Vorwurf, die Klägerin habe sich gleich verhalten wie die Beklagte, nicht zu, so sind die darauf gestützten Formulierungen über die „Dummheit" der Klägerin unsachliche Pauschalabwertungen (vgl RIS-Justiz RS0079432, RS0078129).4.3. Trifft der Vorwurf, die Klägerin habe sich gleich verhalten wie die Beklagte, nicht zu, so sind die darauf gestützten Formulierungen über die „Dummheit" der Klägerin unsachliche Pauschalabwertungen vergleiche RIS-Justiz RS0079432, RS0078129).
4.4. Auch die Berücksichtigung des Grundrechts auf Freiheit der Meinungsäußerung (dazu im wettbewerbsrechtlichen Zusammenhang 4 Ob 98/07a = ÖJZ-LS 2007/84) führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn ein besonderes Interesse der Allgemeinheit am Gegenstand der Auseinandersetzung ist nicht zu erkennen; die Wettbewerbsabsicht der Beklagten stand offenkundig im Vordergrund. Es besteht daher kein Anlass, die beanstandeten Äußerungen aus dem Gesamtzusammenhang der Pressefehde zu reißen und in einem die Beklagte wettbewerbsrechtlich weniger belastenden Sinn, nämlich als - allenfalls noch zu tolerierende - bloße Bewertung des unstrittigen Einsatzes von Agenturbildern in vergleichbaren Sachzusammenhängen, zu verstehen. Die grundsätzlich mildere Beurteilung von Abwehrmaßnahmen (RIS-Justiz RS0077873) kann nicht eine unrichtige Tatsachenbehauptung (RIS-Justiz RS0078942) oder die unsachliche und unnötige Herabsetzung eines Mitbewerbers (4 Ob 340/97x = ÖBl 1998, 196 - Betrug) rechtfertigen.
5. Der Beklagten gelingt es somit nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSv § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Ihr außerordentliches Rechtsmittel ist daher zurückzuweisen.5. Der Beklagten gelingt es somit nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSv Paragraph 528, Absatz eins, ZPO aufzuzeigen. Ihr außerordentliches Rechtsmittel ist daher zurückzuweisen.
Anmerkung
E86465 4Ob233.07dSchlagworte
Kennung XPUBL Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in ÖBl-LS 2008/77 XPUBLENDEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2008:0040OB00233.07D.0122.000Zuletzt aktualisiert am
10.07.2008