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L08010 Vereinbarungen nach Art 15a;Norm
B-VG Art107;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des Landes Kärnten gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 5. Juli 2005, Zl. Va-460-12.605, betreffend Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Das Land Kärnten gewährte Frau G gemäß § 13 Kärntner Sozialhilfegesetz, LGBl. Nr. 30/1996 (K-SHG), Sozialhilfe durch Unterbringung im Pflegeheim S (auf Grund eines Bescheides des Amtes der Kärntner Landesregierung vom 23. Februar 1999 wurden die Kosten der Unterbringung von Frau G im Pflegeheim ab 19. November 1997 vom Land Kärnten übernommen). Vor der Gewährung dieser Hilfe hatte Frau G ihren Wohnsitz in Osttirol. Das Land Kärnten stellte den Antrag auf Ersatz der ab dem 1. Juli 2002 aufgewendeten Kosten nach dem Tiroler SHG (die für die Zeit davor aufgelaufenen Kosten wurden aus dem Erlös eines Grundverkaufs dem beschwerdeführenden Land zur Gänze ersetzt).
1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Antrag abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass Tirol gemäß § 5 Abs. 10 iVm § 21 Tiroler Sozialhilfegesetz (TSHG) nicht verpflichtet sei, die geltend gemachten Kosten anzuerkennen. Gemäß § 5 Abs. 10 TSHG obliege die Gewährung der Hilfe für pflegebedürftige Personen dem Land Tirol als Träger von Privatrechten. Gemäß Art. 5 Abs. 2 lit. a der Vereinbarung der Länder über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe (in der Folge: "Ländervereinbarung") seien Kosten für Leistungen, welche im Rahmen der Privatrechtsverwaltung gewährt werden, nicht zu ersetzen, sofern es sich nicht um Kosten nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Jugendwohlfahrtspflege und nach dem Geschlechtskrankheitengesetz, StGBl. Nr. 152/1945, in der Fassung BGBl. Nr. 54/1946, handle.
Art. 3 der Ländervereinbarung normiere eindeutig, dass jener Träger zum Kostenersatz verpflichtet sei, der nach den für ihn geltenden landesrechtlichen Vorschriften die Kosten für Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zu Grunde liegen, zu tragen habe. Sohin sei auch Art. 5 Abs. 2 lit. a der Ländervereinbarung dahingehend zu interpretieren, dass auf die Rechtslage des verpflichteten Teils abzustellen sei.
1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Auffassung vertreten wird, dass es dem Wortlaut der Ländervereinbarung zu Folge nicht darauf ankomme, ob vergleichbare Leistungen durch den zum Kostenersatz verpflichteten Träger im Rahmen der Privatrechtsverwaltung zu erbringen wären, sondern ausschließlich darauf, ob die Leistung in Kärnten auf Grund eines Rechtsanspruches gewährt wurde.
1.4. Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass eine Verletzung von Rechten eines Sozialhilfeträgers grundsätzlich nur insoweit in Betracht kommt, als diesem aus den einschlägigen Regelungen der jeweiligen Landesrechtsordnung (jenes Landes, von dem der Ersatz begehrt wird) Rechte zukommen. Eine Verletzung von Vorschriften der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG durch ein Land (etwa durch eine mangelhafte Umsetzung der Vereinbarung in der Landesrechtsordnung) wäre nur mittels eines Antrags des beteiligten Landes an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 138a Abs. 2 B-VG geltend zu machen (vgl. Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, 586). Gemäß § 21 des Tiroler Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 105/1973 in der Fassung LGBl. Nr. 44/1988, richtet sich jedoch die Verpflichtung zum Kostenersatz gegenüber Sozialhilfeträgern anderer Länder nach Vereinbarungen im Sinne des Art. 107 B-VG. Gemäß § 1 des (noch in Geltung stehenden) Gesetzes vom 11. März 1974 über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe zwischen den Ländern Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg, Tiroler LGBl. Nr. 30/1974, gilt die als Anlage des Gesetzes abgedruckte Vereinbarung zwischen den Ländern Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg über den Kostenersatz in den Angelegenheiten der Sozialhilfe, der das Land Kärnten im Jahre 1975 beigetreten ist, "soweit sie sich auf das Land Tirol bezieht", als Gesetz (vgl. § 1 des Gesetzes LGBl. Nr. 30/1974 in der Fassung LGBl. Nr. 58/2005).
2.2. Gemäß Art. 1 in Verbindung mit Art. 3 der Ländervereinbarung ist jener Träger der Sozialhilfe eines Vertragslandes ("Träger") verpflichtet, nach Maßgabe der Bestimmungen der Vereinbarung den Trägern eines anderen Landes die für Sozialhilfe aufgewendeten Kosten zu ersetzen, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe durch fünf Monate aufgehalten hat und der nach den für ihn geltenden landesrechtlichen Vorschriften die Kosten für Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zu Grunde liegen, zu tragen hat.
Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 der Ländervereinbarung lauten (Abs. 2 auszugsweise):
"(1) Der zum Kostenersatz verpflichtete Träger hat, soweit im Abs. 2 nichts anderes bestimmt ist, alle einem Träger im Sinne des Art. 2 erwachsenden Kosten zu ersetzen.
(2) Nicht zu ersetzen sind:
a) die Kosten für Leistungen, die im Rahmen der Privatrechtsverwaltung gewährt wurden, sofern es sich nicht um Kosten im Sinne des Art. 2 lit. b handelt;
b)
...
c)
die Kosten für Leistungen, die in den für den verpflichteten Träger geltenden Vorschriften in der Art nicht vorgesehen sind;
..."
Die in Abs. 2 lit. a erwähnten Kosten nach Art. 2 lit. b der Vereinbarung sind jene nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Jugendwohlfahrtspflege und nach dem Geschlechtskrankheitengesetz.
2.3. § 5 Abs. 1 (auszugsweise) und 10 des (im Beschwerdefall anzuwendenden) Tiroler Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 105/1973, in der Fassung LGBl. Nr. 47/2003, lauteten:
"§ 5
Hilfe in besonderen Lebenslagen
(1) Die Hilfe in besonderen Lebenslagen umfasst Maßnahmen zur Beseitigung der im § 1 Abs. 3 lit. b genannten außergewöhnlichen Schwierigkeiten. Hiezu gehören insbesondere:
a) Krankenhilfe
...
d) Hilfe für pflegebedürftige Personen,
...
(10) Über die Gewährung der Krankenhilfe, der Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen und der Hilfe zur Erziehung und Erwerbsbefähigung ist im Verwaltungsweg zu entscheiden. Die Gewährung der Hilfe für pflegebedürftige Personen, die vorbeugende Gesundheitshilfe und die Hilfe zur Überbrückung außergewöhnlicher Notstände obliegt dem Land als Träger von Privatrechten. Zur Durchführung der Hilfe zur Überbrückung außergewöhnlicher Notstände kann sich das Land des Sozialhilfefonds (§ 26) bedienen."
2.4. Strittig ist im Beschwerdefall insbesondere, ob es für den Ersatzanspruch des Trägers der Sozialhilfe darauf ankommt, ob die in Rede stehenden, von ihm tatsächlich erbrachten Leistungen auch von dem gegebenenfalls ersatzpflichtigen Träger nach den für diesen geltenden landesgesetzlichen Vorschriften hoheitlich zu erbringen wären.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 8. September 1998, Zl. 97/08/0590, zu § 44 WSHG festgestellt (und im Erkenntnis vom 31. Mai 2006, Zl. 2002/10/0085, ebenfalls zu Grunde gelegt) hat, stellt § 44 Abs. 3 des Wiener Gesetzes (so wie die Bestimmungen der Ländervereinbarung) abstrakt auf den Leistungstypus ab. Bei der Prüfung der Ersatzpflicht des Landes Wien ist daher zu prüfen, ob die nach dem Sozialhilfegesetz des Landes, in dem die Hilfe gewährt wurde, gewährte Hilfe auch im Leistungskatalog mit Rechtsanspruch nach dem Wiener Sozialhilfegesetz enthalten ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis seine Aussage ausdrücklich auch auf die Regelungen der Ländervereinbarung bezogen, die hier auf Grund des landesgesetzlichen Verweises in der Tiroler Landesrechtsordnung ausschlaggebend sind.
Wenn es aber nach dieser Rechtsprechung darauf ankommt, dass die gewährte Hilfe auch im Leistungskatalog mit Rechtsanspruch nach dem Sozialhilfegesetz des gegenbeteiligten Landes aufscheint, so kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie im Hinblick auf § 5 Abs. 1 und 10 TSHG eine Ersatzpflicht im vorliegenden Fall verneinte, weil die Hilfe für pflegebedürftige Personen in Tirol bloß im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung zu leisten ist. Sie ist daher nicht "der Art nach" in Tirol vorgesehen.
2.5. Damit ergibt sich, dass die der beschwerdeführenden Partei erwachsenen Kosten nicht nach dem TSHG in Verbindung mit der Ländervereinbarung zu ersetzen waren.
2.6. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2.7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 13. November 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005100162.X00Im RIS seit
21.12.2007Zuletzt aktualisiert am
15.01.2013