Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schinko als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil, Dr. Fellinger, Dr. Hoch und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen Adrian R*****, geboren am *****, vertreten durch die Mutter Petra R*****, vertreten durch Siemer-Siegl-Füreder & Partner, Rechtsanwälte in Wien, über den Revisionsrekurs des Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 31. Mai 2007, GZ 20 R 53/07w-U18, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 23. Jänner 2007, GZ 2 P 19/07v-U11, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Der Vater ist aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des Erstgerichts vom 27. 10. 2003 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 312,49 EUR verpflichtet. Das Kind beantragte mit Schriftsätzen vom 12. 9. 2006 und 19. 10. 2006 letztlich die Erhöhung seines Unterhaltsanspruchs um 124,65 EUR auf monatlich 437,14 EUR ab 1. 6. 2005.
Das Erstgericht wies den Erhöhungsantrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass der festgesetzte Unterhalt in etwa dem Ergebnis der neuerlichen Berechnung auf Basis der erhobenen und festgestellten Bemessungsgrundlage entspreche.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kindes gegen diesen Beschluss nicht Folge. Der Rekurswerber rügte als Verletzung des rechtlichen Gehörs, dass seinem rechtsanwaltlichen Vertreter erst während des Laufs der Rekursfrist Kopien der Äußerungen des Vaters zu den Erhöhungsanträgen und die Einkommensnachweise der Ehefrau des Vaters und des Vaters selbst mit Aktenvermerk des Erstgerichts vom 23. 1. 2007 zugestellt worden seien, nachdem der Vertreter dies am 30. 1. 2007 telefonisch verlangt hatte. Das Rekursgericht hielt dem entgegen, ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs könne dadurch behoben werden, dass Gelegenheit bestehe, den eigenen Standpunkt als Neuerung im Rekurs vorzutragen. Davon mache der Rekurswerber in seinem Rechtsmittel auch Gebrauch. Sein Vorbringen, das Erstgericht sei von einem jährlichen Bruttoeinkommen ohne Sonderzahlungen ausgegangen, sei jedoch aktenwidrig. Aus der dem Rekurswerber mittlerweile vorliegenden Gehaltsbestätigung des Vaters ergebe sich eindeutig der Nettoverdienst des Vaters, in dem auch Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld ausgewiesen seien. Aus dem Aktenvermerk des Erstgerichts vom 23. 1. 2007 auf dieser Urkunde gehe auch hervor, dass laut telefonischer Auskunft der Vater keine Überstunden gemacht habe und dies auch im Jahr 2004 so gewesen sei. Hiezu meine der Rekurswerber lediglich, dass der Aktenvermerk an seinem Unbehagen bezüglich der Richtigkeit der Lohnauskunft nichts ändern könne. Beweismittel dafür, dass diese Urkunde unrichtig sein soll, bringe der Rekurswerber nicht bei. Er komme seiner Verpflichtung, die für seinen Standpunkt maßgeblichen Umstände zu behaupten und unter Beweis zu stellen, nicht nach. Er sei daher nicht in der Lage aufzuzeigen, warum das Erstgericht zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre, wenn es ihm Gelegenheit zur Äußerung zu den Beweisergebnissen gegeben hätte.
Nachträglich (§ 63 AußStrG) ließ das Rekursgericht den Revisionsrekurs mit der Begründung zu, es sei eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG, ob das Rekursgericht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs auch dann aufzugreifen habe, wenn die im Rekurs erstmals vorgebrachten Argumente für den Fall, dass sie bereits in erster Instanz vorgebracht worden wären, zu keiner Änderung der Entscheidung geführt hätten.Nachträglich (Paragraph 63, AußStrG) ließ das Rekursgericht den Revisionsrekurs mit der Begründung zu, es sei eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des Paragraph 62, Absatz eins, AußStrG, ob das Rekursgericht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs auch dann aufzugreifen habe, wenn die im Rekurs erstmals vorgebrachten Argumente für den Fall, dass sie bereits in erster Instanz vorgebracht worden wären, zu keiner Änderung der Entscheidung geführt hätten.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Kindes ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Der Vater hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Der mit „Rechtliches Gehör" überschriebene § 15 AußStrG ordnet an, dass den Parteien Gelegenheit zu geben ist, von dem Gegenstand, über den das Gericht das Verfahren von Amts wegen eingeleitet hat, den Anträgen und Vorbringen der anderen Parteien und dem Inhalt der Erhebungen Kenntnis zu erhalten und dazu Stellung zu nehmen.Der mit „Rechtliches Gehör" überschriebene Paragraph 15, AußStrG ordnet an, dass den Parteien Gelegenheit zu geben ist, von dem Gegenstand, über den das Gericht das Verfahren von Amts wegen eingeleitet hat, den Anträgen und Vorbringen der anderen Parteien und dem Inhalt der Erhebungen Kenntnis zu erhalten und dazu Stellung zu nehmen.
Dadurch, dass das Erstgericht vor seiner Beschlussfassung dem Unterhaltsberechtigten das Vorbringen des Vaters und die Erhebungsergebnisse, auf die es seine Entscheidung letztlich stützte, nicht zur Kenntnis brachte und nicht Gelegenheit gab, dazu Stellung zu nehmen, verletzte es das rechtliche Gehör des Revisionsrekurswerbers.
Wird im erstinstanzlichen Außerstreitverfahren das rechtliche Gehör verletzt, so wird dieser Mangel behoben, wenn die Gelegenheit bestand, den eigenen Standpunkt im Rekurs zu vertreten (7 Ob 182/07a; RIS-Justiz RS0006057). Dieser Grundsatz gilt - wie das Rekursgericht zutreffend erkannte - auch nach Inkrafttreten des Außerstreitgesetzes BGBl I 2003/111 (7 Ob 182/07a; RIS-Justiz RS0006057 [T12]).Wird im erstinstanzlichen Außerstreitverfahren das rechtliche Gehör verletzt, so wird dieser Mangel behoben, wenn die Gelegenheit bestand, den eigenen Standpunkt im Rekurs zu vertreten (7 Ob 182/07a; RIS-Justiz RS0006057). Dieser Grundsatz gilt - wie das Rekursgericht zutreffend erkannte - auch nach Inkrafttreten des Außerstreitgesetzes BGBl römisch eins 2003/111 (7 Ob 182/07a; RIS-Justiz RS0006057 [T12]).
Der Revisionsrekurswerber konnte im Rekurs zu den Verfahrensergebnissen Stellung nehmen, waren ihm doch die Gehaltsbestätigungen des Dienstgebers des Vaters und der Aktenvermerk des Erstgerichts, auf diese Urkunden stützte das Erstgericht seine Feststellungen, übermittelt worden. Er hat im Rekurs zu diesen Verfahrensergebnissen auch Stellung genommen. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs des Revisionsrekurswerbers im erstinstanzlichen Verfahren wurde durch die Möglichkeit der Rekurserhebung und Stellungnahme im Rekurs saniert.
Das Kind bezweifelte im Rekurs die Richtigkeit der Lohnauskunft mit der Begründung, dass seiner Mutter aus früheren Unterhaltsverfahren bekannt sei, dass der Vater stets Überstunden geleistet und hiefür Entgelt erhalten habe. An diesem Unbehagen an der Richtigkeit der Lohnauskunft könne auch der Aktenvermerk des Erstgerichts nichts ändern. Der Vater wäre zumindest dahingehend zu befragen gewesen, warum keine Überstunden mehr anfallen. Immerhin sei es auch möglich, dass im Lichte der verschiedenen Unterhaltsverpflichtungen absichtlich auf die Leistung von Überstunden bzw deren Auszahlung verzichtet werde. In diesem Fall wäre allerdings ein allfällig konsumierter Zeitausgleich auch monetär zu bewerten.
Ob die Auffassung des Rekursgerichts zutreffend ist, der im erstinstanzlichen Außerstreitverfahren in seinem rechtlichen Gehör Verletzte müsse, wenn er im Rekurs seine Stellungnahme zu Verfahrensergebnissen nachhole und die Richtigkeit einer Urkunde bezweifle, auch Beweismittel für die Unrichtigkeit der Urkunde nennen, muss hier nicht abschließend beantwortet werden, war doch dem Rekursvorbringen zu entnehmen, dass in diesem Punkt durch Vernehmung der Mutter und des Vaters die Entscheidungsgrundlage verbreitet werden konnte. Gegen die Richtigkeit der Auffassung des Rekursgerichts spricht, dass nach den Gesetzesmaterialien (abgedruckt in Fucik/Kloiber, AußStrG 212 f) die nach § 58 Abs 1 AußStrG vorgesehene Entscheidungsmöglichkeit (Bestätigung des angefochtenen Beschlusses) darauf abstellt, dass schon das Rekursvorbringen nicht geeignet ist, die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung darzutun. Dies wird auch dann der Fall sein, wenn, wie hier, vom Revisionsrekurswerber - entgegen der Aktenlage - behauptet wird, das Erstgericht habe Sonderzahlungen bei der Feststellung der Bemessungsgrundlage nicht berücksichtigt.Ob die Auffassung des Rekursgerichts zutreffend ist, der im erstinstanzlichen Außerstreitverfahren in seinem rechtlichen Gehör Verletzte müsse, wenn er im Rekurs seine Stellungnahme zu Verfahrensergebnissen nachhole und die Richtigkeit einer Urkunde bezweifle, auch Beweismittel für die Unrichtigkeit der Urkunde nennen, muss hier nicht abschließend beantwortet werden, war doch dem Rekursvorbringen zu entnehmen, dass in diesem Punkt durch Vernehmung der Mutter und des Vaters die Entscheidungsgrundlage verbreitet werden konnte. Gegen die Richtigkeit der Auffassung des Rekursgerichts spricht, dass nach den Gesetzesmaterialien (abgedruckt in Fucik/Kloiber, AußStrG 212 f) die nach Paragraph 58, Absatz eins, AußStrG vorgesehene Entscheidungsmöglichkeit (Bestätigung des angefochtenen Beschlusses) darauf abstellt, dass schon das Rekursvorbringen nicht geeignet ist, die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung darzutun. Dies wird auch dann der Fall sein, wenn, wie hier, vom Revisionsrekurswerber - entgegen der Aktenlage - behauptet wird, das Erstgericht habe Sonderzahlungen bei der Feststellung der Bemessungsgrundlage nicht berücksichtigt.
Zu Recht rügt der Revisionsrekurswerber, dass sich das Rekursgericht mit seinem weiteren Vorbringen - einer zulässigen Neuerung (§ 49 Abs 1 AußStrG) - nicht auseinandersetzte. Auch im Hinblick auf dieses rechtlich relevante Vorbringen ließ sich der Beschluss des Erstgerichts weder bestätigen (§ 58 Abs 1 AußStrG) noch ohne weitere Erhebungen abändern (§ 58 Abs 3 AußStrG):Zu Recht rügt der Revisionsrekurswerber, dass sich das Rekursgericht mit seinem weiteren Vorbringen - einer zulässigen Neuerung (Paragraph 49, Absatz eins, AußStrG) - nicht auseinandersetzte. Auch im Hinblick auf dieses rechtlich relevante Vorbringen ließ sich der Beschluss des Erstgerichts weder bestätigen (Paragraph 58, Absatz eins, AußStrG) noch ohne weitere Erhebungen abändern (Paragraph 58, Absatz 3, AußStrG):
Die Möglichkeit von Überstundenleistungen ist bei Beurteilung der Erwerbschance grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, außer sie wird unterlassen, um die Unterhaltspflicht zu verringern (Schwimann/Kolmasch³, Unterhaltsrecht 69). Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 1 Ob 21/98i ausgesprochen, dass es im Grundsätzlichen auch dem Unterhaltsverpflichteten jedenfalls solange, als der angemessene Unterhalt seines Kindes durch die zuerkannte Leistung erheblich über den Durchschnittsbedarf gedeckt wird, unbenommen bleiben muss, zur Befriedigung seines persönlichen Erholungs- bzw Freizeitbedürfnisses Zeitausgleich anstelle eines Überstundenentgelts zu wählen.
Das zulässige neue Vorbringen des Kindes im Rekurs erforderte eine Verfahrensergänzung. Es waren Erhebungen in der Richtung zu führen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage wegen Nichtnutzung einer Erwerbschance im Sinn der vorstehenden Ausführungen vorliegen. Das Rekursgericht hätte auch aus diesem Grund zu einer Aufhebung des Beschlusses des Erstgerichts kommen müssen.
Da das Verfahren erster Instanz einer Ergänzung bedarf, waren die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen (§ 70 Abs 3 AußStrG).Da das Verfahren erster Instanz einer Ergänzung bedarf, waren die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen (Paragraph 70, Absatz 3, AußStrG).
Textnummer
E86667European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2008:0100OB00005.08W.0205.000Im RIS seit
06.03.2008Zuletzt aktualisiert am
29.06.2011