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L08010 Vereinbarungen nach Art 15a;Norm
Geltungsbereich VE Sozialhilfe Kostenersatz Wien 1978;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der Landeshauptstadt Graz gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 21. April 2005, Zl. MA 15 -10942/00 KE, betreffend Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe gemäß § 44 Wiener Sozialhilfegesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Begründung
1.1. Die Stadt Graz gewährte ab dem 10. Februar 2005 Frau P gemäß §§ 1, 4, 7 und 8 Steiermärkisches Sozialhilfegesetz, LGBl. Nr. 29/1998 in der Fassung LGBl. Nr. 70/2004, Sozialhilfe zur Deckung des Lebensbedarfes. Frau P hatte sich in den letzten sechs Monaten vor der Hilfeleistung durch mehr als fünf Monate in Wien aufgehalten. Die Landeshauptstadt Graz stellte daher den Antrag auf Ersatz der aufgewendeten Kosten gemäß § 44 Abs. 3 WSHG.
1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Antrag abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde unter Hinweis auf § 7a Abs. 1 WSHG aus, dass Frau P als serbischmontenegrinische Staatsbürgerin keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensbedarf nach dem Wiener Sozialhilfegesetz gehabt habe. Dies wäre jedoch nach § 44 Abs. 3 WSHG Voraussetzung für die Geltendmachung eines Kostenersatzanspruches durch den Träger der Sozialhilfe eines anderen Landes.
1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Auffassung vertreten wird, dass § 44 Abs. 3 und Abs. 5 lit. c WSHG abstrakt auf den Leistungstypus abstellten. Das heiße, dass zunächst zu prüfen sei, ob die vom Träger der Sozialhilfe eines anderen Bundeslandes gewährte Hilfe auch im Leistungskatalog mit Rechtsanspruch nach dem Wiener Sozialhilfegesetz enthalten sei. Die Rechtmäßigkeit des Leistungsanspruches sei hingegen nicht nach den Vorschriften des WSHG zu beurteilen, sondern nach dem Sozialhilfegesetz jenes Bundeslandes, nach dem die Leistung tatsächlich gewährt wurde.
1.4. Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. § 44 des Gesetzes über die Regelung der Sozialhilfe - WSHG, LGBl. Nr. 11/1973 in der Fassung LGBl. Nr. 29/1997, lautet auszugsweise:
"Kostenersatz an andere Länder
§ 44. (1) Das Land Wien hat den Trägern der Sozialhilfe anderer Länder die für Sozialhilfe aufgewendeten Kosten nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu ersetzen.
(2) Zu den Kosten der Sozialhilfe gehören die Kosten, die einem Träger für einen Hilfe Suchenden
a) nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Sozialhilfe oder
b) nach den landesrechtlichen Vorschriften über die Jugendwohlfahrtspflege und nach dem Geschlechtskrankheitengesetz, StGBl. Nr. 152/1945, in der Fassung BGBl. Nr. 54/1945, erwachsen.
(3) Soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist, ist das Land Wien zum Kostenersatz verpflichtet, wenn sich der Hilfe Suchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe mindestens durch fünf Monate in Wien aufgehalten hat und wenn das Land Wien nach den Bestimmungen dieses Gesetzes die Kosten für Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zu Grunde liegen, zu tragen hat.
1. ...
(5) Das Land Wien als zum Kostenersatz verpflichteter Träger hat, soweit im Abs. 2 nichts anderes bestimmt ist, alle einem Träger im Sinne des Abs. 2 erwachsenden Kosten zu ersetzen. Nicht zu ersetzen sind:
a) die Kosten für Leistungen, die im Rahmen der Privatrechtsverwaltung gewährt werden, sofern es sich nicht um Kosten im Sinne des § 2 lit. b handelt;
b) die Kosten für Aufwendungen im Einzelfall, die insgesamt die Höhe des Richtsatzes für Alleinunterstützte nicht übersteigen;
c) die Kosten für Leistungen, die in diesem Gesetz in der Art nicht vorgesehen sind;
d)
allgemeine Verwaltungskosten;
e)
die Kosten, die sechs Monate vor der Anzeige nach Abs. 6 entstanden sind;
f) die Kosten, die nicht innerhalb dreier Jahre ab dem Ende des Kalenderjahres, in dem die Hilfeleistung erbracht wurde, anerkannt oder nach Abs. 7 geltend gemacht wurden;
g) die Kosten, die der Träger, dem Kosten im Sinne des Abs. 2 erwachsen, vom Hilfe Suchenden oder einem Dritten ersetzt erhält.
...
(7) Über die Verpflichtung des Landes Wien zum Kostenersatz hat im Streitfalle die Landesregierung im Verwaltungsweg zu entscheiden."
Gemäß § 11 Abs. 1 WSHG zählt u.a der "Lebensunterhalt" zum Lebensbedarf. § 12 WSHG zählt auf, was der Lebensunterhalt umfasst.
§ 44 Abs. 5 WSHG setzt die Verpflichtungen des Landes Wien aus der Ländervereinbarung über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe, LGBl. für Wien Nr. 9/1974, um. Gemäß Art. 5 Abs. 2 lit. c dieser Vereinbarung sind u.a. nicht zu ersetzen:
"c) die Kosten für Leistungen, die in den für den verpflichteten Träger geltenden Vorschriften in der Art nicht vorgesehen sind;"
2.2. Die belangte Behörde hat unter Hinweis auf § 7a Abs. 1 und § 44 Abs. 3 und Abs. 5 lit. c WSHG aus dem Umstand, dass die von der beschwerdeführenden Partei unterstützte Hilfsbedürftige serbisch-montenegrinische Staatsbürgerin sei, unter näherer Darstellung der Rechtslage hinsichtlich dieser Staatsbürger die Auffassung vertreten, dass der Unterstützten nach dem WSHG kein Anspruch auf Unterstützung zugestanden sei und somit auch keine Ersatzpflicht des Landes Wien bestehe.
2.3. Die beschwerdeführende Partei tritt dieser Argumentation mit dem Hinweis entgegen, dass die Rechtmäßigkeit des Leistungsanspruches nicht nach den Vorschriften des WSHG zu beurteilen sei, sondern nach dem Sozialhilfegesetz jenes Bundeslandes, nach dem die Leistung tatsächlich gewährt wurde.
2.4. Die beschwerdeführende Partei ist damit im Recht.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 8. September 1998, Zl. 97/08/0590, zu § 44 WSHG festgestellt hat, stellt § 44 Abs. 3 (so wie die Bestimmungen der Ländervereinbarung) abstrakt auf den Leistungstypus ab. Bei der Prüfung der Ersatzpflicht des Landes Wien ist daher zunächst zu prüfen, ob die nach dem Sozialhilfegesetz des Landes, in dem die Hilfe gewährt wurde, gewährte Hilfe auch im Leistungskatalog mit Rechtsanspruch nach dem Wiener Sozialhilfegesetz enthalten ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem zitierten Erkenntnis aber weiters festgehalten, dass die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Leistungsanspruches entgegen der Meinung der (damals wie im vorliegenden Verfahren) belangten Behörde nicht nach den Vorschriften des Wiener Sozialhilfegesetzes, sondern nach dem Sozialhilfegesetz, nach dem die Leistung tatsächlich gewährt wurde, zu erfolgen habe. Im hg. Erkenntnis vom 31. Mai 2006, Zl. 2002/10/0085, wurde daher in einer den Ersatz für Sozialhilfekosten für eine ungarische Staatsangehörige (und ebenfalls einen Steiermärkischen Träger der Sozialhilfe) betreffenden Beschwerdesache der Schluss gezogen, dass es nicht auf das Vorliegen eines konkreten Leistungsanspruches nach dem WSHG ankomme, sondern die für den Ersatzanspruch maßgebliche Vorschrift im Sinne des § 44 Abs. 2 WSHG § 4 Abs. 1 des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes sei.
Der geltend gemachte Ersatzanspruch hängt somit bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen davon ab, ob die Frau P gewährte Hilfe nach dem Stmk. SHG (insbesondere dessen § 4 Abs. 1) zu Recht gewährt wurde. Es wären daher einerseits Feststellungen dahin gehend zu treffen gewesen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe nach dem Stmk. SHG gegeben waren bzw. zu begründen gewesen, inwiefern die Auffassung der beschwerdeführenden Partei unzutreffend sei, dass bei dem von ihr festgestellten Sachverhalt ein Rechtsanspruch von Frau P gemäß § 4 Abs. 1 Stmk. SHG auf Gewährung der Hilfe bestand.
2.5. Die belangte Behörde hat keinen Sachverhalt festgestellt, wonach die von der beschwerdeführenden Partei gewährte Hilfe nicht als Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes im Sinne des WSHG anzusehen wäre.
Da die belangte Behörde - ausgehend von ihrer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsauffassung - die unter 2.4. angesprochenen Feststellungen, die für eine Verneinung des Ersatzanspruches erforderlich gewesen wären, nicht traf und es im Hinblick auf ihre Rechtsauffassung auch unterließ, allenfalls darzulegen, aus welchen Gründen Frau P nach Stmk. SHG keinen Anspruch auf die gewährte Hilfe besessen hätte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
2.6. Kosten waren mangels eines diesbezüglichen Antrags nicht zuzusprechen.
Wien, am 13. November 2007
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2007:2005100100.X00Im RIS seit
21.12.2007Zuletzt aktualisiert am
27.10.2008