TE OGH 2008/2/7 8Bs26/08t

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Veröffentlicht am 07.02.2008
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Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richter Dr. Aistleitner als Vorsitzenden und Dr. Bergmayr und die Richterin Dr. Engljähringer in

der Strafsache gegen Dr. M***** L***** u.a. wegen des Verbrechens

des schweren Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs 3 StGB und andererdes schweren Betrugs nach den Paragraphen 146,, 147 Absatz 3, StGB und anderer

strafbarer Handlungen, über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Salzburg gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 9.1.2008, 27 Ur 300/04g (AS 1x und 1x verso in ON 1), in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Staatsanwaltschaft Salzburg geht davon aus, dass das Ehepaar R***** und I***** J***** „betrügerische Vermögenshandlungen ... bei Umwandlung der Einzelfirma J***** in die Firma A***** gesetzt habe. Zudem bestehe der dringende Verdacht, dass der (aktive) Rechtsanwalt Dr. M***** L***** (mit dem Sitz in N*****) zu dieser betrügerischen Vermögensverschiebung Rechtsberatung - gemeint iSd § 12 3. (oder gar 2.) Fall StGB - geleistet habe. Er habe unter anderem einen Schein-Mietvertrag zwischen I***** J***** und einer B***** KEG mit Wirksamkeit 8.10.1999 und unbestimmter Mietdauer errichtet, wobei der Mieter für zehn Jahre einen Kündigungsverzicht abgegeben habe (§§ 146, 147 Abs 3 StGB oder § 156 Abs 1 und 2 StGB).Die Staatsanwaltschaft Salzburg geht davon aus, dass das Ehepaar R***** und I***** J***** „betrügerische Vermögenshandlungen ... bei Umwandlung der Einzelfirma J***** in die Firma A***** gesetzt habe. Zudem bestehe der dringende Verdacht, dass der (aktive) Rechtsanwalt Dr. M***** L***** (mit dem Sitz in N*****) zu dieser betrügerischen Vermögensverschiebung Rechtsberatung - gemeint iSd Paragraph 12, 3. (oder gar 2.) Fall StGB - geleistet habe. Er habe unter anderem einen Schein-Mietvertrag zwischen I***** J***** und einer B***** KEG mit Wirksamkeit 8.10.1999 und unbestimmter Mietdauer errichtet, wobei der Mieter für zehn Jahre einen Kündigungsverzicht abgegeben habe (Paragraphen 146,, 147 Absatz 3, StGB oder Paragraph 156, Absatz eins und 2 StGB).

Weiters soll „ein Liegenschafts-Hälfteanteil der I***** J***** durch Verkauf an die Firma D***** GmbH im Wert von etwa EUR 60.000,--" (gemeint in Form betrügerischer Krida) „verschleiert" worden sein (§ 156 Abs 1 und 2 StGB).Weiters soll „ein Liegenschafts-Hälfteanteil der I***** J***** durch Verkauf an die Firma D***** GmbH im Wert von etwa EUR 60.000,--" (gemeint in Form betrügerischer Krida) „verschleiert" worden sein (Paragraph 156, Absatz eins und 2 StGB).

Schließlich seien I***** und R***** J***** verdächtig, im Verfahren 5 Cg 65/02h LG Salzburg Verfahrenshilfe betrügerisch erlangt zu haben, wozu sie von RA Dr. L***** „beraten" (gemeint iSd § 12 3.Fall StGB) worden seien (§§ 146, 147 Abs 2 StGB).Schließlich seien I***** und R***** J***** verdächtig, im Verfahren 5 Cg 65/02h LG Salzburg Verfahrenshilfe betrügerisch erlangt zu haben, wozu sie von RA Dr. L***** „beraten" (gemeint iSd Paragraph 12, 3.Fall StGB) worden seien (Paragraphen 146,, 147 Absatz 2, StGB).

In dem ursprünglich getrennt geführten Verfahren gegen (einen) C***** P***** sei bekannt geworden, dass zwischen der von F***** B***** geführten D***** GmbH und der von C***** P***** geführten Unternehmen wirtschaftliche Verflechtungen vorhanden seien; aus diesem Grund wurde das Verfahren gegen P***** wegen betrügerischer Krida und grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen in das vorliegende Verfahren einbezogen.

Am 6.6.2007 wurde gegen R***** J*****, I***** J*****, F***** B***** und C***** P***** die Voruntersuchung wegen des Verdachtes mehrerer Vermögensdelikte eingeleitet (vgl AS 1r und 1s). Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft Salzburg erklärt, sich eine „weitere Antragstellung betreffend Dr. L***** vorerst vorzubehalten" (AS 1q). Diese Erklärung wiederholte sie am 2.7.2007 (AS 1t). Nachdem zufolge § 516 Abs 2 StPO die Voruntersuchung mit 1.1.2008 von Gesetzes wegen beendet worden war, beantragte die Staatsanwaltschaft Salzburg am 4.1.2008 gerichtliche Beweisaufnahme gemäß § 101 Abs 2Am 6.6.2007 wurde gegen R***** J*****, I***** J*****, F***** B***** und C***** P***** die Voruntersuchung wegen des Verdachtes mehrerer Vermögensdelikte eingeleitet vergleiche AS 1r und 1s). Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft Salzburg erklärt, sich eine „weitere Antragstellung betreffend Dr. L***** vorerst vorzubehalten" (AS 1q). Diese Erklärung wiederholte sie am 2.7.2007 (AS 1t). Nachdem zufolge Paragraph 516, Absatz 2, StPO die Voruntersuchung mit 1.1.2008 von Gesetzes wegen beendet worden war, beantragte die Staatsanwaltschaft Salzburg am 4.1.2008 gerichtliche Beweisaufnahme gemäß Paragraph 101, Absatz 2,

2. Fall StPO insbesondere in Form der Durchführung der Beschuldigtenvernehmung des C***** P***** und des Dr. L***** (AS 1x). Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesgericht Salzburg diesen Antrag ab. Weder die untersuchten Straftaten noch die Person des Tatverdächtigen würden ein besonderes öffentliches Interesse an gerichtlicher Beweisaufnahme erzeugen.

Dagegen beschwert sich die Staatsanwaltschaft zulässigerweise (§ 87 Abs 2 StPO), in der Sache jedoch zu Unrecht.Dagegen beschwert sich die Staatsanwaltschaft zulässigerweise (Paragraph 87, Absatz 2, StPO), in der Sache jedoch zu Unrecht.

Rechtliche Beurteilung

Ist eine Straftat aufzuklären, die wegen ihrer Bedeutung und der Person des Tatverdächtigen ein besonderes öffentliches Interesse an gerichtlicher Beweisaufnahme bewirkt, hat die Staatsanwaltschaft Entsprechendes zu beantragen. Die Besonderheit des Falles muss also durch zwei kumulativ gegebene Auffälligkeiten geprägt sein: Bedeutung der Straftat und der Person des Tatverdächtigen. Zu letzterer Voraussetzung verweist die Beschwerde auf die berufliche Funktion des Dr. L*****: Er sei der strafbaren Rechtsberatung und eben solchen Zusammenwirkens mit Klienten, beides in seiner Funktion als Rechtsanwalt, verdächtig; überdies sei er schon „vormals in gerichtliche Verfolgung gezogen" gewesen.

All das macht aber den Beschuldigten Dr. L***** noch nicht zu einer Person, die das spezifische besondere öffentliche Interesse provozieren könnte; damit bedarf es keiner (weitwändigen) Prüfung mehr, ob wegen der Bedeutung der Straftat(en) ein derartiges Interesse bestünde.

Um Zielrichtung und Reichweite dieser Zuständigkeitsbestimmung auszuloten, ist die Darstellung ihrer Entstehungsgeschichte förderlich: Weder im Ministerialentwurf noch in der Regierungsvorlage eines Strafprozessreformgesetzes war die Bestimmung des Satzes 2 des § 101 Abs 2 StPO, betreffend die sogenannten „glamourösen" Fälle enthalten (25 Blgen StenProt NR XXII. GP, 37). Erst über Initiative des Justizausschusses wurde diese besondere Zuständigkeitsbestimmung aufgenommen. Damit sollte auf die immer wieder betonte „Anscheinsproblematik" bei „glamourösen" Fällen eingegangen werden, wonach eigenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen deren organisationsrechtlichen Stellung (Weisungsabhängigkeit vom Bundesminister für Justiz) nicht dasselbe Maß an Vertrauen entgegengebracht werde wie dem unabhängigen Gericht. Mit dieser Zuständigkeitsregelung soll also die Entscheidung der Staatsanwaltschaft über den Fortgang des Verfahrens vom Makel der Voreingenommenheit befreit werden, weil der unabhängigen und unbeeinflussten Ermittlung des Gerichts in der Öffentlichkeit besonderer Stellenwert eingeräumt wird (Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren [2005] Rz 413; 406 Blge NR XXII. GP, 14 f). Die einschlägigen Beratungen des Unterausschusses des Justizausschusses vom 5.6.2003 lassen in diesem Zusammenhang das klare Bild nachzeichnen, dass ganz überwiegend an „politische Strafsachen" gedacht war (Beratungen des Unterausschusses des Justizausschusses betreffend Strafprozessreformgesetz - auszugsweise Darstellung, Sitzung vom 5.6.2003, insbes S. 36 f, 62 f).Um Zielrichtung und Reichweite dieser Zuständigkeitsbestimmung auszuloten, ist die Darstellung ihrer Entstehungsgeschichte förderlich: Weder im Ministerialentwurf noch in der Regierungsvorlage eines Strafprozessreformgesetzes war die Bestimmung des Satzes 2 des Paragraph 101, Absatz 2, StPO, betreffend die sogenannten „glamourösen" Fälle enthalten (25 Blgen StenProt NR römisch XXII. GP, 37). Erst über Initiative des Justizausschusses wurde diese besondere Zuständigkeitsbestimmung aufgenommen. Damit sollte auf die immer wieder betonte „Anscheinsproblematik" bei „glamourösen" Fällen eingegangen werden, wonach eigenen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen deren organisationsrechtlichen Stellung (Weisungsabhängigkeit vom Bundesminister für Justiz) nicht dasselbe Maß an Vertrauen entgegengebracht werde wie dem unabhängigen Gericht. Mit dieser Zuständigkeitsregelung soll also die Entscheidung der Staatsanwaltschaft über den Fortgang des Verfahrens vom Makel der Voreingenommenheit befreit werden, weil der unabhängigen und unbeeinflussten Ermittlung des Gerichts in der Öffentlichkeit besonderer Stellenwert eingeräumt wird (Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren [2005] Rz 413; 406 Blge NR römisch XXII. GP, 14 f). Die einschlägigen Beratungen des Unterausschusses des Justizausschusses vom 5.6.2003 lassen in diesem Zusammenhang das klare Bild nachzeichnen, dass ganz überwiegend an „politische Strafsachen" gedacht war (Beratungen des Unterausschusses des Justizausschusses betreffend Strafprozessreformgesetz - auszugsweise Darstellung, Sitzung vom 5.6.2003, insbes S. 36 f, 62 f).

Allerdings fand sich diese Fokussierung auf „politische Strafsachen" im Gesetzestext nicht wieder (dieser Terminus wäre zufolge seiner Unschärfe in der Tat kein geeigneter Ansatz für eine legistische Regelung; vgl demgegenüber etwa § 31 Abs 2 Z 2 - 11 StPO). Damit sind weder bestimmte Straftaten noch (nach welchen Merkmalen auch immer) bestimmte Verdächtige von dieser Regelung ausgeschlossen. Die Hinweise in den Diskussionsbeiträgen des Unterausschusses des Justizausschusses sind bloß instruktiver und exemplarischer Natur. Freilich darf nicht das eigentliche Anliegen dieser Bestimmung - Notwendigkeit der im öffentlichen Interesse liegenden gerichtlichen Beweisaufnahme, um der dargestellten „Anscheinsproblematik" zu begegnen - aus dem Auge verloren werden.Allerdings fand sich diese Fokussierung auf „politische Strafsachen" im Gesetzestext nicht wieder (dieser Terminus wäre zufolge seiner Unschärfe in der Tat kein geeigneter Ansatz für eine legistische Regelung; vergleiche demgegenüber etwa Paragraph 31, Absatz 2, Ziffer 2, - 11 StPO). Damit sind weder bestimmte Straftaten noch (nach welchen Merkmalen auch immer) bestimmte Verdächtige von dieser Regelung ausgeschlossen. Die Hinweise in den Diskussionsbeiträgen des Unterausschusses des Justizausschusses sind bloß instruktiver und exemplarischer Natur. Freilich darf nicht das eigentliche Anliegen dieser Bestimmung - Notwendigkeit der im öffentlichen Interesse liegenden gerichtlichen Beweisaufnahme, um der dargestellten „Anscheinsproblematik" zu begegnen - aus dem Auge verloren werden.

Die konkrete Fallgestaltung macht Dr. L*****, einen aktiven Rechtsanwalt, der im beruflichen Zusammenhang strafbare Handlungen (im Bereich der Vermögensdelinquenz, die weder auffallend hohen Schaden verursacht haben noch in einem besonderen Kontext zu öffentlichen Belangen gestanden sein soll) begangen haben soll und der keine (aktenkundigen) besonderen öffentlichen (oder standesrechtlichen) Funktionen inne hat, nicht zu einer Person, die von der Reichweite der Zielvorstellungen dieser Zuständigkeitsbestimmungen erfasst ist. Bloß seine justiznahe Berufsfunktion lässt eine strukturelle (anscheinende) Voreingenommenheit der ermittelnden Staatsanwaltschaft nicht im Entferntesten annehmen. Völlig bedeutungslos bleibt der Umstand, dass er schon früher in ein Strafverfahren gezogen war. Dass Dr. L***** selbst schon - wie die Beschwerdeführerin vorbringt - mehrmals in diesem Verfahren an der Unvoreingenommenheit der Strafverfolgungsbehörden zweifelte, ist allenfalls im Rahmen der Bestimmungen über die Ausschließung und Befangenheit (§§ 43 ff StPO) zu untersuchen, kann aber weder in irgendeinem Zusammenhang noch für sich alleine zur Anwendbarkeit der besonderen Zuständigkeitsnorm des § 101 Abs 2 2.Satz StPO führen.Die konkrete Fallgestaltung macht Dr. L*****, einen aktiven Rechtsanwalt, der im beruflichen Zusammenhang strafbare Handlungen (im Bereich der Vermögensdelinquenz, die weder auffallend hohen Schaden verursacht haben noch in einem besonderen Kontext zu öffentlichen Belangen gestanden sein soll) begangen haben soll und der keine (aktenkundigen) besonderen öffentlichen (oder standesrechtlichen) Funktionen inne hat, nicht zu einer Person, die von der Reichweite der Zielvorstellungen dieser Zuständigkeitsbestimmungen erfasst ist. Bloß seine justiznahe Berufsfunktion lässt eine strukturelle (anscheinende) Voreingenommenheit der ermittelnden Staatsanwaltschaft nicht im Entferntesten annehmen. Völlig bedeutungslos bleibt der Umstand, dass er schon früher in ein Strafverfahren gezogen war. Dass Dr. L***** selbst schon - wie die Beschwerdeführerin vorbringt - mehrmals in diesem Verfahren an der Unvoreingenommenheit der Strafverfolgungsbehörden zweifelte, ist allenfalls im Rahmen der Bestimmungen über die Ausschließung und Befangenheit (Paragraphen 43, ff StPO) zu untersuchen, kann aber weder in irgendeinem Zusammenhang noch für sich alleine zur Anwendbarkeit der besonderen Zuständigkeitsnorm des Paragraph 101, Absatz 2, 2.Satz StPO führen.

Der erstrichterliche Beschluss ist nicht zu korrigieren (soweit Dr. L*****, der Beschwerde widersprechend, den Tatverdacht generell verneint, geht er am Thema vorbei).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiteres Rechtsmittel nicht zu. Oberlandesgericht Linz, Abt. 8,

Anmerkung

EL00102 8Bs26.08t

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0459:2008:0080BS00026.08T.0207.000

Zuletzt aktualisiert am

12.11.2008
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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